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Jeanswerbung mit Sydney SweeneyWhite Supremacy Sells

Lilly Schröder
Kommentar von Lilly Schröder

In einer Werbekampagne von American Eagle sind rassistische Codes versteckt. Der darauf folgende Shitstorm mag laut sein – nützen tut er allein nichts.

In den sozialen Medien werden Sweeney und American Eagle „faschistische-“ und „Nazi-Propaganda“ vorgeworfen Foto: Christa Boaz/getty images

Z uerst die schlechte Nachricht: Sex sells. Dann die noch Schlechtere: White Supremacy sells better. Und weil aller guten Dinge drei sind, eine noch: Diversity doesn’t sell.

Diese bittere Wahrheit offenbart die neue Werbekampagne der US-Jeansmarke American Eagle mit der Schauspielerin Sydney Sweeney: „Sydney Sweeney Has Great Jeans“ (great jeans = great genes, also Gene, kreatives Wortspiel, haha, verstehste?).

Darin wird der 90-60-90-Körper des „Euphoria“-Stars halbnackt von unten bis oben gefilmt. Aus dem Off erklärt ihre zuckersüße Stimme: „Gene werden von den Eltern an die Nachkommen weitergegeben und bestimmen oft Eigenschaften wie Haarfarbe, Persönlichkeit und Augenfarbe. Meine Jeans sind blau.“ In einem weiteren Clip bleibt die Kamera an ihrem prallgefüllten Dekolleté hängen, bis sie augenzwinkernd und mit Schlafzimmerblick über ihre eigene Sexualisierung schmunzelnd sagt: „Hey! Meine Augen sind hier oben!“.

Die Kampagne für Frauenjeans, die sich unverhohlen ausschließlich an den male gaze richtet, steht sinnbildlich dafür, dass die Illusionen des entsexualisierten weiblichen Körpers und der vermeintlichen „Bodypositivity“-Ära beendet sind.

CEO finanzierte Trumps Wahhlkampf

Doch nicht nur Sexismus wird hier verkauft. Indem American Eagle eine weiße Schauspielerin mit blauen Augen, blondem Haar und normschönem Körper zur Verkörperung „guter Gene“ stilisiert, wird ein Schönheitsideal gefeiert, das in rassistischen und eugenischen Erzählungen wurzelt: Weiße Genetik ist überlegene Genetik.

In den sozialen Medien werden Sweeney und American Eagle „faschistische-“ und „Nazi-Propaganda“ vorgeworfen. Die Ästhetik erinnere an Nazi-Ideale vom „gesunden Volkskörper“. Andere Nut­ze­r*in­nen hingegen halten die Kritik für „übertrieben“ oder „absurd“. Schön wär’s.

Doch die Kampagne kommt nicht von ungefähr: American Eagle-CEO Jay Schottenstein finanzierte verschiedenen Medienberichten zufolge sowohl Donald Trumps als auch Benjamin Netanjahus Wahlkampf. Sweeneys Eltern gelten als Trump-Unterstützer*innen; von Sweeney selbst kursieren im Netz Fotos auf Familienfeiern, wo MAGA-Caps zu sehen sind. In der Vergangenheit hat sie sich vom Vorwurf, ebenfalls Trump-Anhängerin zu sein, dis­tanziert.

Die Codes in der American-Eagle-Kampagne stößt nicht nur auf Kritik: Rechte reposten das Video begeistert auf Tiktok und X mit Kommentaren wie „We are so back!“

Profit über Integrität

Die Abkehr von Diversität ist kein Zufall. Noch vor wenigen Jahren setzte American Eagle auf Vielfalt, warb mit People of Color, „Plus-Size“-Models und Körpern mit Behinderung – und musste dafür am Markt Verluste hinnehmen. Die Aktie von American Eagle verlor seit 2021 zwei Drittel ihres Wertes, zuletzt dümpelte sie lange bei nur noch acht Euro herum. Die Rückkehr zum normschönen, weißen Ideal à la Sweeney hingegen wurde vom Markt prompt belohnt: Die Aktie schoss nachbörslich um 22 Prozent in die Höhe.

Unternehmen, die ihr Profitstreben über Integrität stellen, hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Genauso wird es weiterhin Promi-Girls geben, die als Aushängeschild dafür herhalten. Von ihnen muss jedoch Verantwortung eingefordert werden.

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Dass Stars, wie Sweeney, die mit einem geschätzten Nettovermögen von 40 Millionen US-Dollar bestens abgesichert sind, gerade in einer Zeit, in der rechte Parteien, und mit ihnen Rassismus und Misogynie weltweit erstarken, freiwillig Teil dieser reaktionären Symbolik werden, ist nicht nur fahrlässig, sondern unverantwortlich und gefährlich.

Doch dass Stars und Firmen Verantwortung übernehmen, erreicht man nicht durch Shitstorms. Wenn sich eine progressive linke Bubble über diese rassistischen Überlegenheitsfantasien empört, mit der Moralkeule schwingt, Sweeney und American Eagle cancelt, ist nur wenig gewonnen. Vielmehr spielt das den Rechten in die Karten.

Shitstorm reicht nicht

Was es braucht, ist eine Debatte, die konstruktiv und nachhaltig geführt wird. Denn das eigentliche Problem ist nicht eine halbnackte Frau in Jeans und ihre eugenischen Werbebotschaften – sondern ein politisches Klima, in dem rechte Ästhetik mit Augenzwinkern verkauft und belohnt wird.

Statt den nächsten Empörungshype zu bedienen, braucht es medienkritische Aufklärung darüber, wie sich rassistische und sexistische Codes in unseren Alltag einschleichen, sowie mehr Sichtbarkeit für unterrepräsentierte feministische und intersektionale Perspektiven.

Ein Shitstorm kann Aufmerksamkeit für diese Probleme schaffen – aber er bremst keinen Rechtsruck.

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Lilly Schröder
Redakteurin für Feminismus & Gesellschaft im Berlin-Ressort Schreibt über intersektionalen Feminismus, Popkultur und gesellschaftliche Themen in Berlin. Studium der Soziologie und Politik.
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16 Kommentare

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  • American Eagle ist das neue Bud light.

  • taz redakteure und leser schauen sich jeans werbung an, schreiben und lesen darüber. tauschen sich aus, diskutieren, lenken für sich und andere den focus darauf = werbetechnischer volltreffer.



    etwas polarisieren, provozieren, zweideutig sein, sowie knapp unter einem shitstorm bleiben sind die zutaten dafür.

  • Firmen wollen Umsatz und damit Profit machen. Wenn die Marketing-Fuzzies meinen, ein Regenbogen-Sticker bringt die meisten Kunden, dann tun sie das. Tut es ein braun-blauer oder MAGA-Sticker auch, dann wird halt der verwendet. Ich finde es immer wieder erstaunlich, daß Firmen in einem kapitalistischen System grundsätzlich erst mal ein Gewissen unterstellt wird.

  • Es sind Werbespots.



    Im Stile der 60er.



    Dazu passend ja auch das Auto, ein 1966 Shelby gt350. Ein echtes Muscle-Car.



    Sexistisch? Sehe ich nicht so. Sydney Sweeney wird nicht ausgenutzt, im Gegenteil, sie selbst ist es, die völlig bewusst mit ihren Reizen und dem Publikum spielt. Damit konterkariert sie ja sogar die 60er.



    Man muss weder das projezierte Weltbild teilen, noch die laszive Art des Werbespots mögen. Aber es ist kein Skandal, nur weil ein "90-60-90-Körper" in Szene gesetzt wird. Würde eine Dragqueen oder eine Plussize-Person derart freizügig über den Bildschirm flimmern, gäbe es hier bestimmt Applaus.



    Das kanns aber nicht sein, bodypositivity ist keine Einbahnstraße. Alle Menschen dürfen auf sich und ihren Körper stolz sein, ganz egal welche Maße sie haben oder welchem Schönheitsideal sie entsprechen.



    Die stete Skandalisierung von allem, was nicht progressiven Idealen entspricht, steht links sehr schlecht zu Gesicht. Wie will man denn glaubhaft für eine offene Gesellschaft kämpfen, wenn man selbst keinerlei Fremdmeinung duldet?

  • Klingt ja mehr wie ein Scherz. Was man halt alles so in der Werbung macht. Wer sich davon triggern lässt ist selber schuld. Wer drüber schreibt verstärkt die Medienstrategie. Also besser nichts sagen und nichts mehr kaufen.

  • Der Clip scheint aus der Zeit gefallen, am Ende fährt sie ja auch in einer Kiste aus den 70ern davon.



    "Times are changing back“, so aus der Film Bob Roberts. Man könnte es als Retrowerbung verkaufen, wäre da nicht das laszive Gerede über Gene (oder doch Hosen, haha).



    Hinterlässt einen merkwürdigen Beigeschmack das Ganze, ob hier allerdings manifester Rassismus am Werk ist weiß ich nicht. Sexistisch ist das Ganze jedoch in jedem Fall.

    • @FtznFrtz:

      "ob hier allerdings manifester Rassismus am Werk ist weiß ich nicht" – Einigen wir uns auf Zwinkersmiley-Rassismus. Danke an die Autorin für die hilfreiche Analyse des Werbespots.

  • "Denn das eigentliche Problem ist nicht eine halbnackte Frau in Jeans und ihre eugenischen Werbebotschaften..."

    -> Doch, genau das ist das Problem. Das kann und sollte man natürlich als grundlegendes Problem der Medienkompetenz und Medienkritik behandeln. Aber mir erschließt sich nicht, warum hier der Topos "das nützt nur den Rechten" wiederholt wird? Wenn eine Bekleidungsmarke + Hollywood VIP mit absolut rechter Ästhetik Werbung machen, dann sollten alle die einen Funken Restanstand haben das kritisieren dürfen UND vor allem diese Marke sowie Person meiden. Macht der Konsunmenten usw. usf. ...

  • Geht´s nicht ein bißchen kleiner ?

    Ein Unternehmen hat Schiffbruch erlitten mit einer Werbekampagne, die in woken Kreisen Begeisterung ausgelöst hat. Jetzt probiert das Unternehmen etwas komplett anderes, und siehe da, es ist erfolgreich.

    Das ist zuerst mal kein politisches Statement, sondern Marktwirtschaft. Viele Unternehmen haben auf das gesetzt, was den medialen Mainstream begeistert hat. Und dabei vergessen, daß die eigene Kundschaft ganz anders gepolt ist.

  • Hier muss ich Lilly Schröder widersprechen.

    Eine Debatte bedeutet zuerst einmal, Positionen ansprechen, es hagelt Gegenpositionen und immer mit gebührenden Respekt soll die Sache ablaufen, am Ende bleibt ein Status Quo, weil die Gegenpositionen mit Totschlagargumenten punkten und unbeteiligte Dritte überzeugen kann, während die progressive Position nichts erreicht hat.

    Setzen wir uns mit unseren Positionen für das Sichtbarmachen benachteiligter Personen ein, braucht es ein so gutes Argument, dass die Gegenseite ihre konservativen Ansichten über den Haufen wirft. Dann war die Debatte auch konstruktiv und vor allem nachhaltig. Allerdings habe ich das Gefühl, dieser heilige Grahl, dieses goldene Argument, fehlt uns.

    Dann doch lieber ein Boykott. Ist viel einfacher, als über das perfekte Argument zu grübeln, sämtliche Konservative zu Progressiven umzuerziehen.

  • Also halbnackt, finde ich übrigens auch übertrieben, letztens in Berlin sind mir freizügigere Männer und Frauen begegnet. Body positivity sollte doch für jeden zählen.

  • "Die Abkehr von Diversität ist kein Zufall. Noch vor wenigen Jahren setzte American Eagle auf Vielfalt, warb mit People of Color, „Plus-Size“-Models und Körpern mit Behinderung – und musste dafür am Markt Verluste hinnehmen"



    Das zeigt doch auch, dass diese Gruppen kein Interesse an der Marke haben, selbst durch Repräsentation.

    • @Stazi :

      Mit Verlaub, was für ein spekulativer Unsinn!



      Die Verluste am Markt könnten genauso gut auf Kundschaft zurückzuführen sein, die sich an Diversity stört, oder darauf, dass sie von der Zielgruppe als Pinkwashing erkannt wurde. Zudem ist Diversity in den USA des Donald Trump gerade nicht angesagt. Ich gehe davon aus, dass die Firma auf einer Welle schwamm (Diversity ist cool) und jetzt auf der MAGA-Welle schwimmt ("weiß" ist cool).

      • @Klabauta:

        "Die Verluste am Markt könnten genauso gut auf Kundschaft zurückzuführen sein, die sich an Diversity stört, oder darauf, dass sie von der Zielgruppe als Pinkwashing erkannt wurde."



        Dann ist doch die Zielgruppe immer noch eine andere, wenn diversity mehr Verluste als Erfolg bringt lässt man es eben.

    • @Stazi :

      Das gesamte "moderne Publikum", für das immer wieder Inhalte erstellt werden, existiert in der vermuteten Form überhaupt nicht.



      Sie sind nicht zu den neuen Star Wars Filmen ins Kino gegangen.



      Sie sind nicht zu den neuen Marvel Filmen ins Kino gegangen.



      Sie haben die Computerspiele nicht gekauft, die extra für sie hergestellt wurden.



      Was ist dieses "moderne Publikum"?



      Wer sind diese Leute? Kennt die jemand? Weiss jemand, wo sie sich aufhalten, und warum sie die Inhalte nicht konsumieren, die extra für sie gemacht werden?



      Oder warum immer noch ständig neue Inhalte für sie gemacht werden?



      Sind sie verschollen? Werden sie vermisst? Müssen wir eine Milchkarton-Fahndungsbild-Aktion nach ihnen starten?



      Man weiss es nicht.

      • @DenkeDran:

        Sie vergessen den Blockbuster Barbie-Film gerade (!)

        Und evtl. haben Sie Kassenerfolg als Maßstab für irgendetwas anderes?