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James Bridle bekommt Preis aberkanntBoykottieren und boykottiert werden

Eigentlich sollte James Bridle am Mittwoch einen Architekturpreis in Deutschland bekommen. Wegen der Unterstützung eines Israel-Boykotts wird daraus nichts.

James Bridle erhält nicht den Schelling-Preis Foto: James Bridle

Berlin taz | Am Mittwochabend wollte die Schelling Architekturstiftung ihren mit 10.000 Euro dotierten Architekturtheorie-Preis an James Bridle verleihen. Doch am Sonntag informierte die Stiftung Bridle per E-Mail, dass die Preisverleihung nicht stattfinden werde. Der Grund: Bridle hatte Ende Oktober, wie auch tausende andere – vorwiegend englischsprachige – Autor:innen, einen von propalästinensischen Organisationen initiierten Boykottaufruf gegen israelische Kulturinstitutionen unterzeichnet, die sich nicht klar gegen die „überwältigende Unterdrückung der Palästinenser:innen“ positionieren.

Bridle ist Künst­le­r:in und Pu­bli­zis­t:in und verwendet für sich das Pronomen they. In England aufgewachsen, lebt Bridle seit einigen Jahren auf Ägina, einer von Übertourismus betroffenen griechischen Insel, und betreibt dort ein ökologisches Kreativ-Hub. Internationale Aufmerksamkeit erlangte Bridle mit dem Buch „New Dark Age“, das die Gefahren digitalen Analphabetentums beschreibt.

Preisanlass war nun aber Bridles jüngste Publikation, „Die unfassbare Vielfalt des Seins“. Das Werk fordert zum Umdenken in Bezug auf die Beziehung zwischen Natur und Technik auf. Dieser Aspekt interessierte die Schelling Stiftung, die sich, laut Stiftungsratsvorsitzender Ursula Baus, an Themen wie „Natur, Technik, menschliche und nichtmenschliche Intelligenz, Landschaft und Bauen“ orientiert.

Nun muss sich die Stiftung vorwerfen lassen, dass sich der Inhalt von Bridles Buch nicht verändert hat und Bridles Haltung zur israelischen Palästinapolitik bekannt war. So schreibt Bridle in einem Text über den Einfluss von Grenzen auf Migrationsbewegungen von einer „Apartheidmauer durch das besetzte Westjordanland“. Damit werden Begrifflichkeiten benutzt, die auf eine Nähe zur transnationalen Boycott-Divestments-and-Sanctions-Bewegung (BDS) hinweisen können.

Unscharfe Argumentationen

Wer hellhörig wird, findet im Netz Hinweise auf frühere Solidaritätsunterschriften von Bridle für ähnliche Kampagnen, so zum Beispiel von 2021 (#VisualArtsforPalestine campaign). Auf Nachfrage der taz bestätigt Bridle, in den vergangenen Jahren mehrere Boykottaufrufe unterschrieben zu haben

Für die Schelling Stiftung führte der Begriff des Boykotts zur Absage der Preisverleihung. Das bedeute, so Baus, eine „ultimative Dialogverweigerung“. Nun reagiert aber wiederum die Schelling Stiftung durch die Ausladung Bridles mit Dialogverweigerung. In ihrem öffentlichen Statement erklärt sie, dass sie weder einen Aufruf zur kulturellen Isolation Israels unterstütze noch damit in Verbindung gebracht werden möchte. Diese Argumentation ist genau genommen, wie auch vieles im Boykottaufruf selbst, unscharf. Denn er gilt nicht der „kulturellen Isolation Israels“, sondern Institutionen, die die (unscharfen) Forderungen der Unterzeichnenden nicht erfüllen.

Die Schelling Stiftung beruft sich in ihrer Entscheidung explizit auf die Resolution des Deutschen Bundestags von Anfang November zum Schutz jüdischen Lebens, die betont, dass keine staatlichen Subventionen an Kulturschaffende vergeben werden sollen, die „zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen“.

Am Beispiel der privaten Schelling Stiftung zeigt sich nun erneut, wie verfahren die Situation ist. Die aktuellen politischen Direktiven scheinen den Graben zwischen Künst­le­r:in­nen und Institutionen zu vertiefen und den Spielraum für Dialog, etwa zu Bridles Utopie einer „Welt ohne territoriale Grenzen“, zu verkleinern.

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57 Kommentare

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  • „Apartheidmauer durch das besetzte Westjordanland“.

    Im Westjordanland werden selbst Autobahnen getrennt befahren und durch Apartheidsmauern getrennt. Eine hohe Sicherheitsmauer trennt die israelischen und die palästinensischen Fahrspuren. www.deutschlandfun...er-kritik-100.html

  • Personen die zu solchen Boykotten aufrufen bzw. ihre Unterschrift unteg solche Aufrufe setzen müssen damit rechnen, dass das Ganze wie ein Bummerang zurückkommen kann, dass kann dann auch mal weh tun und mit einer Beule enden...



    Selbst Schuld.

  • Es gibt scheinbar recht wenige Intellektuelle, die sich in der Lage sehen in einem Atemzug die Kriegsverbrechen der isrealischen Regierung und den Terror der Hamas gegen Israelis, Juden und Palästinenser zu verurteilen.

  • Utopie einer "Welt ohne territoriale Grenzen": Früher sagte man "Sozialistische Weltrepublik". Und die blieb - eine Utopie. Israel tut gut daran, auf territorialen Grenzen zu bestehen, sicheren und notfalls militärisch verteidigten. Mindestens bis dann, wenn sie dann mal da ist, die Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung.

    • @Kai Ayadi:

      Und wenn da einfach gerade andere auch auf ihren territorialen missachteten Grenzen bestehen und keine Militäraktionen von Netanyahu gegen ihre Menschen wollen?



      "Verteidigen" ist das gerade schwerlich noch zu nennen, hier geht es eher um Eskalation aus innenpolitischen Gründen.



      ... So viel Empathie vielleicht auch?

    • @Kai Ayadi:

      Welche " territorialen Grenzen"?

      Israel selbst weitet diese schließlich seit geraumer Zeit Stück für Stück weiter aus und unterdrückt/vertreibt die ursprünglichen Einwohner.

      So betrachtet wäre auch Russlands Angriffskrieg "Verteidigung".

      Die "Verteidigung der eigenen Interessen".

    • @Kai Ayadi:

      Auf welchen territorialen Grenzen besteht denn Israel?

  • Also wir haben uns doch im Grundgesetz universellen Menschenrechten und dem Völkerrecht verschrieben. Das Grundgesetz steht über Resolutionen des Bundestags, die ja nicht mal rechtlich verbindlich sind oder nicht? Das Mittel für Völkerrechtsbrüche sind regelmäßig Sanktionen. Der IGH hatte bereits 2004 die Teile der Mauer für völkerrechtswidrig erklärt die durch das Westjordanland gehen. Die israelischen Siedlungen in den OPT sind völkerrechtswidrig und damit auch alle Geschäfte, Dienstleistungen, Produkte oder eben auch Medienanstalten die sich dort befinden, sie halten sich dort völkerrechtswidrig auf und wie der IGH erst dieses Jahr feststellte, nutzen natürliche Ressourcen der Palästinenser völkerrechtswidrig. Die Besatzung ist völkerrechtswidrig und geht einher mit schweren Menschenrechtsverletzungen und der IGH sagte, das andere Staaten nichts tun dürfen um diesen Zustand aufrechtzuerhalten oder zu unterstützen. Da westl. Staaten dies ja nun ignorieren was soll denn die Zivilgesellschaft machen? Zusehen? Ich sag nicht man soll alles boykottieren/ sanktionieren aber rechtlich legitim wäre alles das oder diejenigen, die völkerrechtwidrige Handlungen unterstützen oder vornehmen.

    • @Momo Bar:

      Es ist nicht dasselbe, ob jemand in einer völkerrechtswidrigen Siedlung lebt und wirtschaftet, oder ob er sich nur nicht – in den Augen der Israelkritiker hinreichend deutlich – aktiv von den Völkerrechtsverletzungen Israels distanziert. Und diesen Unterschied nicht zu begreifen, sondern sich anzumaßen, Institutionen in Mithaftung nehmen zu dürfen, nur weil sie israelisch sind (bzw. die dadurch begründete Schuldvermutung nicht durch einen Beweis ihrer Rechtschaffenheit entkräftet haben), der handelt z. B. mindestens nahe am Rand des Antisemitismus.

      Und nein, das Grundgesetz schreibt nur vor, selbst völkerrechtskonform zu handeln. Das ist keine Verpflichtung, sich immer und überall als Blockwart aufzuspielen oder jedesmal mitzuspringen, wenn Irgendwer meint, dieser oder jener Völkerrechtsverstoß eines Dritten sei aber so und so zu ahnden. Entsprechend gibt es an der Stelle auch keinen Konflikt mit einer Resolution des Bundestages, wie er den Angriff auf die Menschenwürde definiert, den Antisemitismus nunmal darstellt.

      • @Normalo:

        "....sondern sich anzumaßen, Institutionen in Mithaftung nehmen zu dürfen, nur weil sie [muslimisch] sind (bzw. die dadurch begründete Schuldvermutung nicht durch einen Beweis ihrer Rechtschaffenheit entkräftet haben), der handelt z. B. mindestens nahe am Rand des [antimuslimischen Rassismus]" - Sie merken's selbst, oder? Falls nicht: mir geht es darum, dass der Diskurs über Nahost, so wie er geführt wird, zunehmend weniger mit dem Konflikt zu tun hat, sondern sich stattdessen um deutsche Selbstvergewisserungen (teils Selbsterhöhungen) und eine migrationspolitische Rechtskehre (nicht die erste, aber die neuste) dreht.

  • Ein Preisgeld ist eine Ermessensentscheidung des Stifters und nicht mit Fördergeldern des Staates für kulturelle oder wissenschaftliche Projekte gleichzusetzen.

    Daher ist die Bezugnahme der Stiftung auf die Antisemitismusresolution des Bundestages völlig fehl am Platz und erweckt eher den Eindruck von Greenwashing.

    Die Entscheidung der Zurücknahme der Preisverleihung ist unter dem Gesichtspunkt des Boykottschreibens und dessen Inhalt nachvollziehbar.

    Dieses Beispiel zeigt aber, dass es seit Verabschiedung der Antisemitismusresolution ein schmaler Grad ist für kritische Stimmen zum Nahostkonflikt.

    Boykotte gegen Kulturschaffende und Institutionen und damit miteinhergehend eine Dialogvermeidung sind nicht tragbar und münden letztendlich in einer Meinungsdiktatur.

    Die derzeitige Nichtberücksichtigung israelischer Literaten, Künstler oder DJs bei hiesigen Veranstaltungen ist ein Armutszeugnis für die deutsche Kulturszene und ein inakzeptables Verhalten gegenüber den jeweiligen Betroffenen.

    Und dennoch gilt es fein zu unterscheiden zwischen individueller Kritik und Meinungsäußerung und organisierten Boykotten. Ersteres muss man akzeptieren, letzteres nicht.

  • Der einzig Vernünftige Aufruf zu diesen Konflikt wäre ein Appell an beide Konfliktparteien den Mist endgültig zu beenden. Wer Aufrufe und Forderungen an nur eine der beiden Konfliktparteien richtet hat den Konflikt nicht verstanden und trägt auch null zur Lösung bei. Es nützt nix nur eine Seite anzuprangern, wenn sich beide Seiten total bescheuert verhalten. Oder deren ich das falsch?

    • @Müller Christian:

      "Wer Aufrufe und Forderungen an nur eine der beiden Konfliktparteien richtet ..."

      Es gibt keine Kontakte zu kulturellen oder anderen Institutionen der Hamas, die man noch kappen könnte. Es gibt wahrscheinlich nicht mal mehr Institutionen.

    • @Müller Christian:

      Ich bin bei Wörtern wie "einzig vernünftig" schon reflexhafrt skeptisch.



      Auch müssen nicht bei jedem Konflikt "beide Seiten total ... "



      Nicht, wenn eine Seite gerade eskaliert. Wenn Marokko in die Westsahara einmarschierte, Russland in die Ukraine oder eben Israel ins Westjordanland.



      Das stets zu prüfen und im leisen, differenzierten Tone zu reden, das schon. Hilft Ihnen das weiter als Kommentar?

    • @Müller Christian:

      Ich wüsste nicht, dass es aktuell kulturelle Institution in Gaza gibt, die sanktioniert werden könnten. Die liegen in Schutt und Asche. Wie sollte ein Apell an beide Seiten aussehen? Wollen wir Hamas und Israels Regierung gleich behandeln?

  • Vielleicht entsteht durch die radikale „Dialogverweigerung“ der Sponsoren ja jetzt auch endlich mal in der BDS -Bewegung eine Diskussion über ihre einseitige Dialogverweigerung. Wer den absoluten Ausschluss fordert, oder ihn unterstützt, kann sich eigentlich nicht wundern, wenn es ihn dann genauso trifft.

    • @vieldenker:

      "einseitige Dialogverweigerung2

      Bieten Sie doch ein Forum an für Dialoge. Zur Vorsicht vielleicht nur mit Kritikern der israelischen Kriegsverbrechen und Apartheidspolitik ohne BDS-Bezug. Und dann schauen Sie auf ihren letzten Satz. 🤪

  • Passt bestens zur jüngsten Bundestagsresolution als Mittel der Zensur und der Kriminalisierung von Dissens.

    • @hamann:

      Er wird weder zensiert (er darf ja boykottieren wen er will und auch äußern) und auch nicht kriminalisiert (steht etwa ein Haftbefehl ins Haus?), sondern bekommt schlicht einen Preis nicht, weil sein Handeln den Werten des Stifters widerspricht. Dass die Stifter Haltung zeigen und nicht dem linken antisemitischen Zeitgeist hinterherlaufen finde ich persönlich großartig.

  • Interessanter Versuch einer Relativierung:

    "Diese Argumentation ist genau genommen, wie auch vieles im Boykottaufruf selbst, unscharf. Denn er gilt nicht der „kulturellen Isolation Israels“, sondern Institutionen, die die (unscharfen) Forderungen der Unterzeichnenden nicht erfüllen."

    D.h., boykottiert werden sollen nicht nur Juden, sondern alle, die nicht der Meinung der Unterzeichner*innen sind. Tolle Diskussionskultur!

    Früher war man robuster: Und willst Du nicht mein Bruder sein..."

  • Ich finde es in Ordnung, dass James Bridle den Preis nicht verliehen bekommt und gehe davon aus, dass James Bridle als reflektierte Person selbst auch Verständnis dafür hat. James Bridle boykottiert und wird selbst ebenso boykottiert, was ich ausgeglichen finde, da es bei dem Nahost-Konflikt nicht um einen eindeutigen und zweifelsfreien Sachverhalt geht und somit durchaus unterschiedliche Positionen und Haltungen möglich sind.

  • Dieses Beispiel zeigt für mich, wie verheerend diese Antisemitismus-resolution ist. Ein Greenwashing der anderen Art.



    Solidarität mit Israel??? - Unbedingt... doch mit welchem israel: dem von Netanjahu oder dem der zehntausenden von Demonstrant:innen in Tel Aviv?? Letzteren fallen wir ständig und beharrlich in den Rücken.

    • @degouges:

      Boykott ist IMMER primär eine UNsolidarität ausdrückende Handlungsweise, denn das ist nunmal seine "angeborene" Wirkungsrichtung. Solidarität mit den zehntausenden gegen Netanjahu Demonstrierenden könnte sich auch positiv ausdrücken, eben als Unterstützung OHNE repressiven Sanktionscharakter und ohne den offensichtlichen Drang, Israel mit (hier: Nachfrage-)Macht gefügig zu machen.

      • @Normalo:

        Und der Boycott gegen Südafrika drückte auch Unsolidarität aus? Der jüdische Boykott gegen Nazideutschland auch?

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    >> In ihrem öffentlichen Statement erklärt sie, dass sie weder einen Aufruf zur kulturellen Isolation Israels unterstütze noch damit in Verbindung gebracht werden möchte.“

     

    Was ist daran zu bemäkeln? Das Statement der Stiftung ist eindeutig klar und sehr nachvollziehbar. Weshalb sollte es ihr nicht zustehen, selbst zu entscheiden, wem sie einen Preis verleiht?

    Der Fall zeigt, dass die Antisemitismus-Resolution und die IHRA-Definition überhaupt geeignete Mittel sind, um einen bedenklichen Zeitgeist in Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft zu bekämpfen.

    Zum Glück hat man sowieso keinen unveräußerlichen Anspruch darauf, Israel-Kritik staatlich oder auch privat fördern zu lassen. Hier handelt es sich eben nicht um Zensur, sondern um Sensibilität und Sensibilisierung. Ausgerechnet die angeblich progressive Community (Tone-Policing, Triggerwarnung) muss dringend erfahren, dass Rücksicht keine Einbahnstraße ist.

    Als Schwarze erzürnt es mich zudem, dass White Saviors so unreflektiert mit dem Apartheid-Vorwurf herumschmeißen. Ich wuchs in den USA der 1960er Jahre auf, als die Jim-Crow-Segregation noch gang und gäbe war. Israel ist allerdings kein Apartheid-Staat. Neulich erläuterte ich, wie sich viele Schwarz fühlen, wenn man reflexhaft statt reflektiert die Aparthei-Karte zieht:

    https://taz.de/Palaestina-in-der-Schwarzen-Community/!6039758/

    • @Michaela Dudley:

      Bitte nicht alles durcheinanderbringen: Apartheid ist a) ein Rechtsbegriff, b) eine historische Erfahrung (zu der Sie qua Ihrer Biographie keinen direkten Zugang haben, denn Jim Crow ist schlimm, aber etwas anderes) und c) eine beliebte und wirkmächtige, zuspitzende, mitunter polemische Metapher im politischen Diskurs, keineswegs nur Nahost betreffend.



      Übrigens: viele kenntnisreiche Menschen innerhalb und außerhalb Südafrikas, die sich den territorialen Flickenteppich der Westbank und die Befugnisse und Abhängigkeiten der Quasi-Tribal-Authority "Palästinensische Autonomiebehörde" anschauen, sehen deutliche Parallelen zu beispielsweise Bophuthatswana. Auch wegen des Landraubs und der Nutzung billiger Arbeitskraft für die israelische Wirtschaft.

    • @Michaela Dudley:

      Haben Sie als Palästinenserin in Gaza oder im Westjordanland gelebt? Es ist nicht Ihre Erfahrung als Schwarze in der USA, die darüber entscheidet, ob in den besetzten Gebieten Apartheid herrscht. Im Westjordanland herrschen ganz offensichtlich völkerrechtlich illegale Zustände und laut Gutachten auch rassistische Segregation infolge der Ansiedlung. Es gibt dort massive Infrastruktur, die nur den jüdischen Siedlern zur Verfügung steht.

    • @Michaela Dudley:

      Der Fall zeigt, dass die Antisemitismusresolution eben nicht das geeignete Mittel ist, da sich jetzt anscheinend jeder pauschal und auch willkürlich darauf berufen kann, auch wenn es sich lediglich um eine Meinungsäußerung handelt.

      Das hat wenig mit Sensibilisierung zu tun, sondern nennt sich umgangssprachlich auch Kritiker mundtot machen.

      Richtig ist die Fallentscheidung, wie es die Stiftung hinsichtlich des Boykottaufrufs gehandhabt hat und in Bezug auf den Inhalt des Briefes aus meiner Sicht auch richtig geurteilt hat.

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @Sam Spade:

        Seien im Umkehrschluss die Boykottaufrufe gegen Israel also ebenfalls pauschalisierend und unangemessen?

        • @Michaela Dudley:

          Ja. Boykottaufrufe gegen israelische Institutionen oder Produkte halte ich persönlich für den falschen Weg. Ausgrenzungen von jüdischen Kulturschaffenden würde ich schon als Skandal bezeichnen.

          Gleiches gilt für alle Bestrebungen die jüdisches Leben mit einer israelischen Regierung gleichsetzen und dementsprechend ablehnen oder gar bekämpfen.

          Davon abgesehen, sind die Aufrufe auch inhaltlich meistens nicht korrekt. Hier werden bewusst Tatsachen falsch dargestellt und Fakten hinzudichtet, wie in dem im Artikel genannten Brief der explizit verlangt, dass israelische Institutionen das palästinensische Recht auf Rückkehr akzeptieren, welches aber rein rechtlich gar nicht existiert sondern lediglich in einer Resolution verbrieft ist. Die Aufzählung ließe sich zu fast allen Boykottaufrufen beliebig fortsetzen. Sie sind daher schon formal abzulehnen.

  • Gute Entscheidung, komischer schwurbeliger Bericht darüber.

    "Nun muss sich die Stiftung vorwerfen lassen, dass sich der Inhalt von Bridles Buch nicht verändert hat und Bridles Haltung zur israelischen Palästinapolitik bekannt war."

    Man muss sich wohl von 'Israelkritikern' so ziemlich alles vorwerfen lassen, was ihnen in den Kram passt, aber es geht nicht darum, eine Haltung zu verteufeln. Es geht um eine ganz konkrete Handlung im Oktober 2024. Die Schelling-Stiftung möchte sich in keiner Weise mit solcherlei Boykottaufrufen gemein machen. Daran ist auch nichts unscharf, nur weil die kulturelle Isolation Israels im besagten Boykottaufruf nicht explizit als Ziel genannt wird.

  • "Bridle ist Künst­le­r:in und Pu­bli­zis­t:in und verwendet für sich das Pronomen they. In England aufgewachsen, lebt Bridle seit einigen Jahren auf Ägina, einer von Übertourismus betroffenen griechischen Insel, und betreibt dort ein ökologisches Kreativ-Hub."

    Allein, wenn ich das lese, hält sich mein Mitleid in Grenzen.

    Und: Wer meint, dass er die Welt zu einem besseren Ort macht, indem er jüdische Kulturproduzenten, die nicht bei drei: "Free, free palestine" rufen, boykottieren möchte, dem kann das eben auch mal auf die Füße fallen.

    Da hilft nur nachdenken, lesen und der Sache auf den Grund gehen.

  • "Diese Argumentation [der Schelling-Stiftung] ist genau genommen, wie auch vieles im Boykottaufruf selbst, unscharf. Denn er gilt nicht der „kulturellen Isolation Israels“, sondern Institutionen, die die (unscharfen) Forderungen der Unterzeichnenden [sich gegen die „überwältigende Unterdrückung der Palästinenser:innen“ [zu] positionieren"] nicht erfüllen." - Danke für den sachlichen Artikel.

  • "Nun reagiert aber wiederum die Schelling Stiftung durch die Ausladung Bridles mit Dialogverweigerung."

    Worin bitte soll dieser Dialog bestehen? Leute wie Bridle (und andere), die den genannten Kulturboykott unterzeichnen, wollen keinen Dialog, sondern Unterwerfung unter ihre eigenen Forderungen. Und es betrifft ja nicht nur israelische Institutionen. Wer in der aktuellen, mehrheitlich israelfeindlichen Kulturszene aus der Reihe tanzt, wird ebenfalls Boykottdrohungen ausgesetzt, siehe Lars Henrik Gass oder die Debatte um die Berliner Clubszene oder das Leipziger Conne Island. Wenn eine Ronya Othmann von einem Kulturfestival in Pakistan praktisch über Nacht fliehen musste, nachdem ihr infolge einer offensichtlich orchestrierten Kampagne "Zionismus" vorgeworfen wurde, hält sich mein Mitleid mit Herrn Bridle in sehr engen Grenzen.

  • tja, wer andere aus politischen Gründen boykottieren möchte, wobei ein nationales Element auch mitwirkt (wieso nur Israelis boykottieren, die sich nicht klar distanzieren?), wird vielleicht lernen, wie sich diese Dialogverweigerung anfühlt, wenn er sie selbst erlebt.

    • @Dr. McSchreck:

      Gähn. Und am deutschen Wesen wird die Welt genesen … denn wir haben schließlich die richtigen Lehren aus unserer Geschichte gezogen.

      • @Abdurchdiemitte:

        Außer vielleicht, dass es ohne den Holokaust auch die Nabka nicht gegeben hätte und man daraus neben der besonderen Verantwortung für Israel auch eine solche für die Palästinenser herleiten könnte. Aber zwei Aspekte gleichzeitig zu berücksichtigen, die dazu noch konfligieren, ist dann doch gedanklich etwas viel verlangt.....

        • @HRM:

          Genau meine Rede. DAS meinte ich. Gerechtigkeit für die Palästinenser bzw. das Bemühen um eine politische Lösung des Nahostkonfliktes schließen die deutsche Staatsräson gegenüber Israel mit ein. (Dass ich den Begriff der Staatsräson in diesem Kontext grundsätzlich für problematisch halte, hatte ich schon an anderer Stelle geschrieben.)



          Darum befinden wir uns jetzt auch an einem definitiven Scheideweg, was das staatliche deutsche Verständnis von Israel-Solidarität betrifft.

      • @Abdurchdiemitte:

        Das hat mit "deutschem Wesen" wenig zu tun. Wer der Meinung ist, ein Bürger eines bestimmten Landes müsse ausgeschlossen werden, weil er sich in politischen Fragen nicht ausreichend klar äußert, sollte sich nicht wundern, wenn er selbst ausgeschlossen wird.

        Oder verlangt er auch, iranische Künstler auszuschließen, die sich nicht ausreichend klar von ... distanzieren, arabische Künstler, die sich nicht ausreichend klar von .. distanzieren, vielleicht auch spanische Künstler oder englische oder venezuelanische Künstler, die die falschen Ansichten haben?

    • @Dr. McSchreck:

      Korrekt, denn er war es der "den Graben zwischen Künst­le­r:in­nen und Institutionen zu vertiefen" schien. Er hätte sich doch nur "klar" gegen Abschaffung Israels stellen müssen.

  • Er scheint eigentlich ein außerordentlich reflektierter Zeitgenosse zu sein. Vielleicht ist unsere Herangehensweise an das Thema falsch.

    • @Christian Clauser:

      Wenn er so reflektiert ist, wie kommt er dann dazu diese schwammige Forderung zu unterstützen? Und wer ist dieses ominöse "uns", dass das Thema falsch angeht?

    • @Christian Clauser:

      Das befürchte ich leider auch. Aber alles, was hierzulande „regierungsamtlich“ an Antisemitismus-Resolutionen herauskommt, läuft so nach dem Motto: gut gedacht, doch schlecht gemacht!



      Dass Deutschland sich dabei immer mehr vom internationalen Diskurs abkoppelt, sich (mit Israel) isoliert, liegt dabei auf der Hand.



      Ich habe immer die Auffassung vertreten, dass deutsche Institutionen sich nicht an jedweden Israel-Boykotten beteiligen sollten - die Gründe müssen hier ja nicht näher ausgeführt werden -, aber gerade im internationalen Bereich von Kunst, Kultur und Wissenschaft die selben Bewertungsmaßstäbe anzulegen, halte ich für fatal. Was für Deutschland als selbstverständlich gilt, muss es für Irland, Spanien, Südafrika, Indien oder andere Länder noch lange nicht sein.

      • @Abdurchdiemitte:

        Die Einstellung "Bei Antisemitismus - bzw. dem was ICH dafür halte - bin ich raus." sollte keine nationalen Grenzen kennen, finde ich.

        Wenn eine deutsche Institution sich mit der Position der Regierung des Lades identifiziert, sich nicht an Israel-Boykotten zu beteiligen (weil diese als antisemitisch empfunden werden), dann wäre es inkonsequent, sie anderweitig - auch indirekt - zu unterstützen. Fragt sich also allenfalls, ob man die mögliche Verletzung der "moralische Pflicht zum Nicht-Boykottieren" strikt an das Deutschsein des jeweils Handelnden gebunden sieht oder die eigene Perspektive in den Vordergrund stellt.

        Meine Überlegung ist da: Wer solche Boykottaufrufe unterstützt, steht im Konflikt mit dem Wertesystem, das der deutschen Einstellung zugrunde liegt - egal ob es sich um einen Deutschen handelt oder nicht. Diesen Konflikt könnte man um der "internationalen Kompatibilität" willen ignorieren, aber er ginge davon nicht weg.

        • @Normalo:

          „Wer solche Boykottaufrufe unterstützt, steht im Konflikt mit dem Wertesystem, das der deutschen Einstellung zugrunde liegt …“.



          Hm, ich sehe hierin eher eine Kollision unterschiedlicher Wertesysteme. Und ich halte es für falsch, dass deutsche Verständnis von Staatsräson absolut zu setzen oder (auch moralisch) als international verbindlich für den Umgang mit Israel zu betrachten. Gerade wenn man Menschenrechte als universell ansieht und an den Staat Israel keine anderen Maßstäbe anlegt als an jeden anderen demokratischen Staat dieser Erde, keine strengeren, aber auch keine nachgiebigeren.



          Wer sich da strikt gegen Boykottforderungen ausspricht, sollte auch sagen, wie man stattdessen Israel in Gaza, im Libanon und hinsichtlich der Besatzung im WJL zum Einlenken bewegen will. Weder ein Freifahrtschein für offensichtliche Menschenrechtsverletzungen Israels noch das pauschale Unterschieben antisemitischer Motive bei Kritik können eine adäquate Antwort sein.



          Als Deutscher sehe ich mich da definitiv in der Rolle eines Befangenen - auch wenn es wie Flucht aus der Verantwortung aussieht.

          • @Abdurchdiemitte:

            Der Unterschied zwischen einem "Konflikt" und einer "Kollision" von Wertesystemen erschließt sich mir nicht. Natürlich hat auch der Gegenüber im Zweifel Werte, und die können von meinen abweichen (oder er selbst mehr oder minder bewusst von diesen - indem er z. B. Antisemitismus ablehnt und meint, kein Judenfeind zu sein, sich aber in seinem rechtschaffen-propalästinensischen Furor so verhält). Aber das ist SEIN Bier. Ob ICH so jemandem einen Preis umhänge, ist hingegen meines.

      • @Abdurchdiemitte:

        Dass sich Deutschland von einem streckenweise geradezu obsessiven, in jedem Fall aber höchst einseitig israelfeindlichen Diskurs abkoppelt (für den gerade die von Ihnen namentlich genannten Länder stehen), finde ich begrüßenswert.



        Es handelt sich im übrigen um einen deutschen Preis. Den muss man nicht nach den Maßstäben eines in höchstem Maße fragwürdigen Diskurses ausrichten, der seinerseits bekanntlich notorisch Schwierigkeiten hat, sich vom Terror der Hamas unmissverständlich zu distanzieren.

  • .Auf Nachfrage der taz bestätigt Bridle, dass er in den vergangenen Jahren mehrere Boykottaufrufe unterschrieben habe.'

    Und Boykottaufrufe gegen was genau waren das? Israel? Produkte aus der Westbank? Marokko? China? Budweiser? Geht's vielleicht etwas genauer?

  • "Apartheidmauer durch das besetzte Westjordanland" - die Mauer soll bewusst Bevölkerungsgruppen trennen und definiert die "anderen" als gefährlich, sie geht nicht entlang der Grenze von 1947 oder der Linie von -1967, sondern an vielen Stellen durch das besetzte Westjordanland/Palästina.



    Bei aller Obacht bei Gleichsetzungen ist das noch zu argumentieren.



    Bei Boykottaufrufen bringen gezielte am meisten, die aufgeklärtes Handeln ermutigen und die letzten Netanyahus dieser Welt entmutigen. Das finde ich in diesem Falle nicht deutlich, ob das zielführend ist.



    Und man sollte Netanyahu am einfachsten mit anderen Fällen zusammen kritisieren. Wir regen uns doch ebenso über die Westsahara oder das Donezkbecken auf, die mit Militärgewalt besetzt sind.



    Fazit: Klare Überreaktion, weil jemand sich seiner selbst nicht sicher war und dann einfach mal "pro Israel" spielt, wo es nicht angemessen ist. Pro Landraub ist gar nicht pro Israel, nebenbei, sondern schadet.



    - Was Bridle nicht davon entlastet, zu differenzieren.

    • @Janix:

      Hat er ja: Seine Unterschrift galt ja all denen, die sich von den brutalen Aktionen der israelischen Führung und Armee nicht klar distanzieren. Ich sehe nicht, was damit verkehrt ist -ganz besonders dann nicht, wenn ich an all die Ausgrenzungen denke, die von verschiedenen Akteuren vorgenommen wurden, gegen alle, die sich nicht von der Hamas, der Hizbollah usw distanzieren.



      Und wenn wie im Gaza eine ganze Bevölkerung durch Israel in Haftung genommen wird, dann muß sich Israel ebenfalls als Ganzes für seine achso demokratisch gewählte Führung in Haftung nehmen lassen.

      • @Monomi:

        Nein, sie gilt allen Isreaelis, die sich nicht ausreichend distanzieren.

        Weiter wird völlig zu Recht nach jedem islamistischen Terroranschlag die Forderung zurückgewiesen, jetzt müssten sich "die Muslime" davon distanzieren.

        • @Dr. McSchreck:

          Die Forderung wird aber oft genug erhoben. Ohne dass denjenigen, die Forderung aufstellen, Nachteile erwachsen.

    • @Janix:

      Wenn vielleicht auch nicht schlüssig argumentiert, meine persönliche rote Linie bei Boykotten gegen Israel liegt im Verweis auf die Shoa. Demnach steht es uns als Deutsche nicht zu, zu solchen Boykotten aufzufordern und uns daran zu beteiligen.



      Boykotte kultureller und wissenschaftlicher Institutionen in Israel halte ich grundsätzlich nicht für zielführend, dabei spielt es keine Rolle, ob diese antisemitisch konnotiert sind oder nicht - auch wenn ich das politische Anliegen dahinter nachvollziehen kann und, ja, man darf Israels Besatzungspolitik durchaus als apartheid-vergleichbar bezeichnen.



      Hinsichtlich der militärischen Unterstützung Israels komme ich argumentativ regelmäßig ins Schwimmen, da ich das (deutsche) Eintreten für das Existenzrecht Israels als weiter notwendig sehe (meinetwegen auch als Staatsräson), dies aber auch das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser umfasst. Beides kann mit Blick auf die deutsche Verantwortung nicht voneinander getrennt werden. Wenn ich mir die Verlautbarungen und Pläne der israelischen Regierungsparteien da so anschaue, überkommen mich doch Zweifel, ob unser Verständnis von Israel-Solidarität noch zu vertreten ist.

  • Die Stiftung kann ja selbst entscheiden wem sie ihre Preise stiftet. Das sie dabei willkürlich verfährt, wird dem (nicht-)Preiträger doch mehr als gerecht.

    Er verfährt doch genauso und kann endlich mal erleben, wie es sich anfühlt, wenn man boykottiert wird.

    • @Paul Meier:

      Ich entnehme dem Artikel nicht, dass Bridle willkürlich verfährt. Zwar können wir aus dem kurzen Text nicht seine Argumentation entnehmen, aber u.a. seine Verwendung des Begriffs Apartheid bezogen auf das Westjordanland deuten daraufhin, dass er sich mit der Materie auseinandergesetzt hat und eben nicht willkürlich handelt.



      Oder habe ich Sie da missverstanden?

      • @der_werte_Herr:

        Vielleicht war das unglücklich formuliert. Am Ende entscheidet die Stiftung sich ihn zu boykottieren, weil sie es eben für richtig hält. Sie muss sich da nicht rechtfertigen - das tut er ja auch nicht.