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Jahrestreffen der OSZEEin kleiner Schritt hin zum Staat Palästina

In ihrer Abschlussdeklaration fordert die OSZE ihre Mitgliedsstaaten auf, Palästina als Staat anzuerkennen. Nicht alle waren dafür.

Die Flagge Palästinas: Derzeit erkennen 147 von 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen Palästina als Staat an Foto: Monika Skolimowska/dpa

Berlin/Brüssel taz | In ihrer Deklaration zum Abschluss ihrer Jahresversammlung in Portugal hat die parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Mitgliedsstaaten aufgefordert, eine formale Anerkennung eines palästinensischen Staat in Betracht zu ziehen. Dieser – in den Grenzen von 1967 und mit Jerusalem als geteilter Hauptstadt – könne einen „substanziellen Beitrag“ zu anhaltendem Frieden in Israel und Palästina leisten, so steht es in der Resolution.

Damit eine Resolution Eingang in die Abschlussdeklaration findet, müssten ihr nicht alle Mitglieder der parlamentarischen Versammlung der OSZE zustimmen. Die drei stehenden Komitees der Versammlung – zu Sicherheit, Wirtschaft und Umwelt, wie Menschenrechten – diskutieren eine vorgeschlagene Resolution. Wird sie angenommen, geht sie im Normalfall in die Abschlussdeklaration ein.

Ulrich Thoden, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken, hat als ordentliches Mitglied an der OSZE-Tagung teilgenommen. Nach Thodens Angaben habe er als Einziger der deutschen Versammlungsmitglieder im Komitee für „Politische Affären und Sicherheit“ für die Palästina-Resolution gestimmt. Ingesamt, so Thoden, hätten sich 28 Mitglieder für und 23 Mitglieder gegen die Resolution ausgesprochen. Damit wurde sie angenommen und Teil der Abschlussdeklaration.

Die Linke unterstützte die diplomatische Anerkennung Palästinas „als Teil der Zwei-Staaten-Lösung für einen gerechten Frieden im Nahen Osten“, sagt Thoden. Der Beschluss der OSZE sei mehr als symbolisch: „Damit wird durch eine weitere multilaterale Organisation auf internationaler Ebene zusätzlicher Druck auf Israel erzeugt, die Völkerrechtsverbrechen des israelischen Militärs in den palästinensischen Gebieten zu stoppen, da die palästinensische Bevölkerung eine eigenständige Nation repräsentiert, die vom Grund und Boden ihres Staates nicht vertrieben werden darf“.

Vor allem symbolische Wirkung

Tatsächlich bleibt die Unterstützung der Anerkennung eines palästinensischen Staates durch die OSZE wohl vor allem symbolisch. Im Allgemeinen wird der OSZE oft der Vorwurf gemacht, sie sei ein „zahnloser Tiger“, der sich zwar mit Sicherheitsfragen befasse, aber über kaum Instrumente verfüge, sie umzusetzen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde – die de-facto Vertretung des palästinensischen Volkes – steht schon heute in Kontakt mit parlamentarischen Abgesandten der OSZE. So hatte etwa im März eine Delegation das besetzte palästinensische Westjordanland besucht. Eine permanente Mission der Palästinenser bei der OSZE – wie sie etwa Israel hat – gibt es bislang nicht. Israel ist kein OSZE-Mitgliedstaat, steht aber in besonderer Beziehung zu der Organisation: Es ist eines von sechs Mittelmeer-Anrainerstaaten, welche die OSZE als „Partnerstaaten“ betrachtet.

Die OSZE-Resolution ist ein weiterer symbolischer Schritt für die Palästinenserinnen und Palästinenser hin zur Anerkennung eines palästinensischen Staates. Derzeit erkennen 147 von 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen Palästina als Staat an; jüngst gesellten sich etwa Spanien, Slowenien, Irland und Armenien hinzu. Zuletzt erwog etwa Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die Anerkennung. Andere wichtige westliche Staaten – etwa Deutschland – zögern oder lehnen eine Anerkennung völlig ab.

Derweil schreitet die illegale Besiedlung des Westjordanlandes durch religiös-nationalistische Siedler unter dem Schutz der Armee ständig weiter voran. Auch gewalttätige Angriffe gegen Palästinenser häufen sich.

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14 Kommentare

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  • Die rhetorische Fixierung auf die Formel der sogennanten "Grenzen von 1967" hat doch schon lange jede Überzeugungskraft verloren. Yassir Arafat hat die letzte realistische Chance darauf in Camp David im Jahr 2000 leichtfertig ausgeschlagen weil dies die tatsächliche Anerkennung Israels bedeutet hätte. Auch die PA will weiterhin das ganze Territorium des ehemaligen Mandatsgebiets. Man schaue nur mal auf das Logo der Fatah/PLO. Es lohnt sich auch daran zu erinnern dass die sogenannten "Grenzen von 1967" nicht anderes als die Waffenstillstandslinie von 1949 darstellen in denen die ägyptische und jordanische Armee einen Teil des früheren Mandatsgebiet besetzen und halten können. Weder für die Sicherheit Israels noch ein funktionierendes Palästina sind diese zufälligen Grenzziehungen von 1949-67 irgendwie akzeptabel. Man kann auch nicht einfach alles ignorieren was seitdem geschehen ist. Ok die OSZE kann es und viele andere Sprecher denen nichts anderes einfällt aber die sogenannten Grenzen von 1967 sind keine realistische Friedensformel mehr.

  • Eine Zweistaatenlösung ist leider nicht mehr möglich seit Mitte der 90er Jahre, wie Edward Said es schon im "End of the Peace Process" beschrieben hat. Dieses Schlagwort ist aber noch immer sehr nützlich, wenn man eben nicht bis zu Ende denken will. Eine Einstaatenlösung garantiert nicht einen mehrheitlichen oder nur jüdischen Staat und wird von den meisten Israelis als nicht annehmbar und als höchste Bedrohung gesehen. Die PA, sie hat keinerlei Legitimation mehr bei den Palästinensern auf Grund von Korruption und sie wird oft von ihnen als Handlanger der israelischen Regierung gesehen. Wie geht es weiter ? Ich habe keine Idee, aber die Handlungen der EU, USA und Deutschlands in den letzten 10 Jahren (seit erstem Mandat Trump) haben den diplomatischen internationalen Spielraum sehr reduziert. Die UNO kann es nicht, die USA will es nicht (und Trump kann es nicht, da langwierig). Politische Fehler oder Erfolge zahlen sich 10, 20 Jahre oder später aus, auch wenn manchmal Systeme sich in kürzester Zeit ändern, wie 1989,...vielleicht erfahren Israelis und Palästinenser 2050 eine entspanntere Lage und weniger Tote und Ängste.

  • Was denn auch sonst? Seit der Teilungsresolution fällig und spätestens seit Oslo.

    Hr. Merz, Nazi-Vergangenheit kürzt sich nicht mit Spucken auf Menschenrechte und Völkerrecht heraus, im Gegenteil.

    • @Janix:

      Herr Merz hat eine Nazi-Vergangenheit?



      Interessant, erzählen Sie mehr.



      Oder schieben Sie gerade Herrn Merz die Verantwortung für Taten seiner Vorfahren zu?

  • Wenn es nicht gelingt, die PA als legitime Interessenvertretung der Palästinenser im WJL UND in Gaza zu stärken und wieder handlungsfähig zu machen - im Grunde geht es dabei um einen grundsätzlichen Neuaufbau der palästinensischen Selbstverwaltung -, bleibt es bei einem symbolischen Akt der bloßen Willensbekundung.



    Zwei Hinderungsfaktoren sind da zu nennen: 1. die politische Lähmung und Korruption innerhalb der PA selbst, dazu die wachsende Radikalisierung in der palästinensischen Bevölkerung (und die israelische Seite meint es auch nicht sonderlich ernst mit der Bekämpfung der Hamas).



    2. So lange Israel die PA am ausgestreckten Arm verhungern lässt, kann die OSZE viel fordern (wenigstens an dieser Stelle erhoffe ich mir von einer gemäßigteren israelischen Regierung, etwas mehr Dialog und „Beinfreiheit“ für die PA zuzulassen). Das geht aber auch nur, wenn die europäischen Staaten gegenüber Israel den Forderungen nach Wirtschaftssanktionen und Rüstungsstopp endlich Taten folgen lassen.



    Das Thema ist nicht bloß die Sanktionierung aktueller israelischer Kriegsverbrechen, sondern auch, jetzt schon das Terrain für künftige Verhandlungen zu bereiten. Netanyahu wird nicht ewig bleiben.

    • @Abdurchdiemitte:

      Leider ja, und neben Korruption wird die PA eben auch von vielen Palästinensern als Handlanger gesehen. Die Lektüre von Haaretz gibt nicht viel Hoffnung über die Zeit post-Nethanyahu, selbst wenn man die Analysen von Gideon Levy für zu schwarz hält. Und wie man an den USA sieht, High Tech und Wohlstand sind neben armutsgezeichneten Reservaten vereinbar.

    • @Abdurchdiemitte:

      ???

      "Israel die PA am ausgestreckten Arm verhungern lässt" - was meinen Sie damit?

      „Beinfreiheit“ für die PA zuzulassen" - was ist darunter zu verstehen?

      "wenn die europäischen Staaten gegenüber Israel den Forderungen nach Wirtschaftssanktionen und Rüstungsstopp endlich Taten folgen lassen." - was genau soll mit welchen Sanktionen und Rüstungsstopp erreicht werden?

  • Als Preuße bin ich da wohl ziemlich liberal, was Anerkennungen betrifft. Z.B. Versammlung aller hier lebenden Nationalitäten, inklusive Vertretung der Kurden.

    Bei Palästina stellt sich aber Frage zur Diaspora von knapp 7 Millionen Personen. Derzeit in den palästinensischen Gebieten, Bevölkerungsdichte von 929 per Km² (also fast 4-mal so viel wie in Deutschland), und mit der Diaspora wäre das mehr als doppelt so viel (also fast schon zehnfach, im Vergleich zu DE).

    Und dementsprechend wäre meine* preußische Außenpolitik, mal zu fragen, ob Ägypten Teil von Sinai an Palästina abtreten würde (oder paar Einbürgerungen) - wobei z.B. Firmen in USA monatlich Hunderte Milliarden an Gewinn haben, womit locker paar Städte gebaut (bzw. Entschädigungen ausgezahlt).

    *also, erstmal "meine" - bin da generell nicht Fan von Präsidialsystem wie z.B. in USA, aber würde dann auch mit Mandat des preuß. Parlaments manches schon über Amt des Staatsoberhauptes laufen lassen.

    • @David Lejdar:

      Sagen Sie es doch gleich als Preusse, erste, zweite, dritte polnishe, Äh nein, palästinensische, Äh nein, ägyptische Teilung. Und mit der UN Charta und Genfer Konventionen wischen wir uns eh einen ab, waren zwar nur kurz Kolonialmacht, und die genaue Aufteilung Süd- und Osteuropas durch die Nazis ist auch schon vergessen (wo waren die Grenzen Bulgariens ??), aber irgendwie steckt uns das noch im Blut, als ziehen wir Grenzen ganz liberal wie es uns passt.

    • @David Lejdar:

      Warum sollte Ägypten den Sinai abtreten?

      Was sollen die Palästinenser mit Wüste?

      Weshalb sollten US-Unternehmen Entschädigungen zahlen?

    • @David Lejdar:

      Warum sollte Ägypten abtreten? Zuerst ist Israel dran, siehe Resolutionen der 1940er.



      Wenn mensch denn Israel schonen will, müssten Deutschland und Österreich die Kosten für das Aufschütten im Mittelmeer tragen.



      Preußen ist hingegen tot, und bei aller zugestandenen Nostalgie, letztlich ein für die Zeit seither hilfreiches Begräbnis.

  • Das ist ein lange überfälliger Schritt. Es ist die einzige Lösung um Frieden in der Region zu erreichen. Freilich muss dafür gesorgt werden, dass die Hetzer und Kriegsverbrecher aller (!!!!) Beteiligten nicht wieder die Oberhand gewinnen oder behalten. Für Israel kann das letztendlich die seit 1948 vorgesehene Erfüllung bringen - aber auch für das palästinensische Volk. Es darf nicht immer wieder nur ein Volk berücksichtigt werden, beide haben ein Existenzrecht.

    • @Perkele:

      In der UN sind 193 Länder vereint. Und jetzt wollen 28 Läder Palästina als Staat anerkennen. Was soll sich denn jetzt verändern?

      • @Martin Sauer:

        Jede Reise beginnt mit dem ersten Schrit....