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Identitätspolitik und ihre WebfehlerAushalten und mitnehmen

Kritik der linken Identitätspolitik und ihrer Konstruktionsfehler: Warum sie auf ihre klassische Weise keinen Erfolg haben kann.

Geht es in der Trans-Frage um Identitäten? Foto: Karsten Thielker

D ie so gut gemeinte linke Identitätspolitik hat mehrere Webfehler, in die sie wie in einer selbst gestellten Falle verstrickt ist. Da ist die „Essenzialisierung“ von Merkmalen wie Hautfarbe oder sexuelle Identität. Ein weiterer Webfehler ist die Überhöhung des Opferstatus ganzer Gruppen nach vor allem äußeren Merkmalen mit der seltsamen Unterfütterung, dass sich eigentlich alle (abgesehen von Die alten weißen Männer) am Ende als Opfer selbst bezeichnen können und diese Selbstcharakterisierungen auch nicht infrage gestellt werden dürfen.

Das führt zu einem entgrenzten Opferbegriff, der nur funktionieren kann, wenn zugleich das Konzept der „Mikroaggressionen“ akzeptiert wird, wonach alles Aggression ist, was von den sich selbst so definierten Opfern subjektiv so erlebt wird, und auch dies darf nicht angezweifelt werden.

Eine dritte Fehlkonstruktion ist der verschämte De-facto-Rückgriff auf ähnliche Argumentationsmuster, wie sie rechte Identitätspolitik-Fans pflegen, nämlich eine Einteilung der Welt nach Hautfarben, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen: Da wird der weiße Hartz-IV-Empfänger unentrinnbar zum Vertreter der white supremacy, sein Status als Ausgebeuteter kapitalistischer Strukturen ist in dieser Logik nicht mehr denkbar. Die klassische linke Orientierung an der Klassenfrage, an der Matrix sozialer Gerechtigkeit geht verloren.

Völlig absurd wird dieses Denken, wenn Schwarze untereinander colorism betreiben, also schauen, wer besonders schwarz ist – und der weißen Mehrheitsgesellschaft vorwerfen, man treibe nicht selbst diesen rassistischen Spaltpilz in die Persons-of-Color-Community, sondern die „Weißen“ oktroyierten ihnen dieses Denken, wie etwa bei einer gescheiterten Preisverleihung eines feministischen Onlinemagazins an PoC zu beobachten war.

„Rechts“ ist eine fast beliebige Chiffre geworden

Klassisch in der oft linken Identitätspolitik-Argumentation ist auch die fast hysterische Angst vor einem derzeit in Deutschland keinesfalls zu erkennenden „Rechtsruck“, der immer wieder an die Wand gemalt werden muss, um die angebliche Dringlichkeit linker Identitätspolitik besser legitimieren zu können. Und mit „Rechten“ darf man auf keinen Fall reden – wobei auch hier der Begriff „rechts“ völlig entgrenzt wird …

Dass er das ist, dass „rechts“ eine fast beliebige Chiffre geworden ist, hat mit einem entscheidenden Merkmal der sogenannten Identitätspolitik zu tun: einer aus der in der Tat rechten Staatsphilosophie um Carl Schmitt entliehenen Fähigkeit zum Freund-Feind-Denken. Wer nicht für die woke, die intersektional politisierte Sache ist, ist feindlich. Ist rassistisch, homophob, schlimmer noch: transphob, misogyn oder sonst wie feindlich und, eben, dies vor allem „rechts“.

Bei dieser Markierung als „rechts“, die Assoziationen mit Nazi und Ähnlichem aufzurufen beliebt, gehen alle in der Tat möglichen Fragen zur Sache unter. Es kommt diesen Milieus eben, um es mit einer beliebten Pathosformel von Carolin Emcke zu sagen, auf Sagbarkeit an – der Effekt, der sich aus der geißelnden Vokabel „rechts“ ergibt, ist Stummheit und Unsagbarkeit.

Dabei geht es um Fragen wie: Ist das Kopftuch bei muslimischen Frauen ein Zeichen von Emanzipation oder religiöser Indoktrination?; Geht es in der „Trans“-Frage um Identitäten – oder verbirgt sich hinter der Mode um „Trans“ nicht ein tief antihomosexuelles Begehren?; Ist es wirklich „rechts“, die Idee von Sternchen und Doppelpunkten in der deutschen Sprache für fragwürdig zu halten?;

Blicke hinter die Haustüren des Multikulturalismus

Ist es schon rechts, einen Begriff wie „antimuslimischer Rassismus“ abzulehnen, weil es Rassismus gegen Menschen geben kann, aber nicht gegen eine Religion?; überhaupt: Ist es statthaft, Menschen, die aus muslimisch geprägten Staaten zu uns flüchten, als religiös und also muslimisch zu verstehen?; ist es „rechts“, den Islam für Bullshit zu halten, wie prinzipiell jede andere Religion auch?

Ist es, anders gesagt, nicht ein Skandal, dass Menschen wie Seyran Ateş, Hamed Abdel-Samad und Necla Kelek zu Rechten oder Rechtspopulisten, insinuierend: AfD-nah und Erika-Steinbach-haft, gemacht werden? In Wahrheit sind sie allesamt Bürgerrechtler*innen, die aus linker bis liberalkonservativer Perspektive Blicke hinter die Haustüren des Multikulturalismus warfen – und auch Unappetitliches fanden.

In Wokistan ist rechts eine fast beliebige Chiffre geworden

Das ist nur ein markantes Beispiel für das, was Identitätspolitisches konkret bedeutet: eine ewig dauerpädagogische Belehrung in Do’s und Don’ts der identitätslinken Agenda.

Worauf es aber ankäme, wäre eine politische und kulturelle Perspektive universalistischen Zuschnitts. Mit einem Appell an das Gemeinsame, an das, womit einer wie Olaf Scholz und die SPD ihren Wahlkampf bestritten und gerade unter migrantischen Deutschen auch spektakulär gewannen: mit dem Wort „Respekt“.

Identitätspolitik können echte Rechte besser

Eingewoben in diese vage Formel ist auch die Fähigkeit, mal fünfe gerade sein zu lassen, nicht jedes Wort, das ei­ne*r äußert, mit dem Zuchtstock zu geißeln – sondern auch in der öffentlichen Kommunikation Maß und Mitte walten zu lassen, großzügig zu sein, verständig und damit erst ernsthaft lernfähig.

Rassistisches, umrissen mit Worten wie „Hanau“ oder „NSU“, gehört verfolgt, viel stärker, drakonischer, sodass Nazis wirklich auf keine gemütliche Minute in ihren Leben mehr rechnen können. Alles andere gehört ins gesellschaftliche Gemurmel, ob da gewisse Messages nun trans- oder homophob, antimuslimisch oder sonst wie -istisch rüberkommen. Identitätspolitik können echte Rechte besser.

Vielleicht wäre es sogar besser, Ereignisse, bei denen Rechtes nachbarschaftlich wird, wie aktuell bei der Buchmesse, nicht boykottieren zu wollen – sondern mit dem Eigenen zu fluten, die Rechten damit zu konfrontieren, dass sie vor allem eines nicht sind: mehrheitlich. Ganz im Gegenteil. Wir plädieren für Beherztheit, Siegeswillen und eine gewisse Robustheit – nicht für das Bekenntnis zur ideologischen Sauberkeit.

Jan Feddersen und Philipp Gessler, taz-Redakteur und taz-Autor, haben aktuell das Buch „Kampf der Identitäten. Für eine Rückbesinnung auf linke Ideale“ (Chr. Links Verlag, Berlin) geschrieben.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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66 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Danke. Eine Stimme der Vernunft. Die Neuen deutschen Medienmacher haben soeben ihre "Goldene Kartoffel" dagegen verliehen, d.h. gegen eine offene Debatte zur Identitätspolitik in den von Ihnen so genannten "bürgerlichen Medien" (Das Wort "Mainstreammedien" vermeiden sie lieber). Diese Kartoffel demonstriert sehr gut, wie wichtig genau diese kontrovers geführten Debatten sind, die die NdM und viele andere Protagonist*innen der Identitätspolitik so gern abschaffen würden. Die Idee der Demokratie war einmal, dass man die Gegenseite mit Argumenten von den eigenen Vorstellungen überzeugen muss, anstatt sie einfach mundtot zu machen (oder zu "silencen", wie es auf Neudeutsch heißt).

    • @LeandraM:

      Traurig. Egalitarismus ist eben für manche Leute doch auch nur ein etwas verschwurbelter Weg zur hierarchischen Selbstbehauptung über Andere - eine Art progressives "holier than thou"-Pharisäertum. Eigentlich geht es nicht um die Sache sondern um Dominanz.

      Dieser Natur entspricht es, dem Mitmenschen, der sich über den zu häufigen Einsatz der Keule beschwert, entrüstet mit selbiger Eine überzuziehen. Als das könnte man zumindest die Begründung für diese "Goldene Kartoffel" verstehen: "Wer sich über Diskursverbote in Form von identitärer Kompetenzzuordnung beschweren will, soll doch bitte gefälligst den Mund halten!"

  • Danke für den Artikel.



    Ein Aha- Erlebnis hatte ich schon im ersten Absatz. Da steht sinngemäß, dass alle als Opfer gelten, außer den alten weißen Männern. Die als homogene Gruppe dargestellt werden, während ansonsten streng differenziert wird. Es gibt übrigens auch Altersdiskriminierung. Sind wir denn eine Gesellschaft von Opfern ? Der Wettbewerb um den Opferstatus ist weinerlich und kommt mir würdelos vor. Benachteiligungen sollten besser im konkreten Fall benannt werden. Dann kann man etwas dagegen machen.

  • 3G
    31196 (Profil gelöscht)

    Erst mal Danke für den heutzutage mutigen Kommentar!



    Philipp Gessler und Jan Feddersen haben die Situation und die Vielschichtigkeit der Identitätsfrage für mein Verständnis treffend skizziert.



    Nun hat natürlich jede und jeder die eigene Deutungshoheit und interpretiert den Kommentar so, wie er dem eigenen Weltbild am nächsten kommen soll.



    Ich zum Beispiel verstehe den Kommentar in seiner Essenz als Anregung, Aufforderung, dem Gegenüber, den „Anderen“ im Anders sein wahrzunehmen, in die Augen zu schauen, anzusprechen und zuzuhören. Und dabei die eigenen (womöglich auch traumatischen) Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten nicht in der Öffentlichkeit als verallgemeinernden Vorwurf zu formulieren, sondern diese vielleicht bei einem guten Gespräch mit engen Freundinnen und Freunden Beachtung zu schenken.

  • 0G
    06227 (Profil gelöscht)

    Herr Feddersen nimmt sich da ein paar wohlfeile, stimmig klingende Kritikpunkte plus ein gehöriges Maß an Geschwurbel und jagt das ganze durch den Phrasenfleischwolf.

    Einmal davon abgesehen dass einem diese vielzitierte 'Identitätspolitik' in der undifferenzierten Form wie Feddersen hier platt projiziert quasi nie real unterkommt, ist es für mich gruselig wie sich Menschenfeindlichkeit derart verhamlosen lässt: '' ..(das)...gehört ins Gesellschaftliche gemurmel'' und ein Pladoyer für eine ''gewisse Robustheit''???

    • @06227 (Profil gelöscht):

      Schon richtig. Nur ist Feddersen mit diesem Ansatz eben auch leider nicht alleine. Sich an einem völlig übertriebenen Klischee von SJWs und anekdotischen Extrembeispielen abzuarbeiten um dem vermeintlichen gesellschaftlichen Hegemoniestreben woker Communities entgegenzutreten ist doch längst mehrheitsfähig. Problematisch daran ist nicht nur, dass die Übergänge dieses Narrativs in neu-rechte Diskurse, wie etwa dem über 'Genderismus', höchst fließend sind, sondern auch, dass das Beharren auf Universalismus oder wie hier auf der Klassenfrage Diskriminierungen entlang anderer und eben auch identitätspolitisher Kategorien ausblendet und damit fortschreibt weil sie mit dem selbst begrenzten, verbleibenden analytischen Instrumentarium nicht mehr fassbar sind. Da war man mit Konzepten wie der Intersektionalität mit der der weiße Blue Collar eben gleichzeitig sowohl als Opfer kapitalistischer Ausbeutungsprozesse, als auch als Täter und Profiteur der white supremacy erfasst werden kann schon mal deutlich weiter. Aber sich mit derlei Differenzierung zu befassen ist eben überflüssig wenn es schon reicht einfach feste druff zu hauen um reichlich Klicks zu generieren.

      • 0G
        06227 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Jup.

      • @Ingo Bernable:

        Wie diese Klischees Wirklichkeit werden sehen wir bei Twitter, einigen Medienschaffenden, Universitäten, vor allem in den USA und ich selbst muss sagen, dass sie mir in meinem Alltag seit Jahren hin und wieder doch über den Weg laufen.

        • @Required:

          Aber wenn man sich schon in den Mikrokosmos US-amerikanischer Universitäten oder entsprechender Twitterkanäle begeben muss damit einem Menschen die eigentlich sinnvolle und berechtigte Konzepte derart dogmatisch, maßlos und undifferenziert praktizieren, dass sie zu einem solchen Klischee werden "hin und wieder doch über den Weg laufen" ist das doch eigentlich auch ein recht klarer Indikator dafür, dass die hier und anderswo formulierte Kritik an den realen Verhältnissen vorbei geht.

          • @Ingo Bernable:

            Ich sprach von deutschen Universitäten. Und nein, in den USA ist das längst kein Ding von Mikrokosmen. Denkweise und Agitation ist in Europa längst angekommen. In Frankreich spaltet sich die Linke, Karikaturisten werden angegangen und Lehrkörper der Universitäten schreiben offene Briefe, in denen sie die Einengung des Sagbaren und den schwindenden Respekt vor dem wissenschaftlichen Diskurs beklagen.

            Ständig werden neue Begriffe erfunden und bestehende Haltungen angepasst. Die führenden deutschen Medienhäuser und der ÖR beschäftigen Mitarbeiter, die ständig die Welt aus identitätspolitischer Sicht zu erklären versuchen.



            Der ÖR promotet im Radio Kinderbücher, in denen Kindern zu Akteuren eines Tribalismus-Gefanken ermutigt werden.

            Darüber diskutieren zu wollen halte ich nicht für verkehrt. Denn alles muss sich einer Reflexion stellen können und eine kritiklose Akzeptanz stärkt immer vor allem jene, die nicht wissen wann sie über das Ziel hinaus schießen.

      • @Ingo Bernable:

        Ihr Beitrag ist ein Musterbeispiel für drei stereotypische Verteidigungsstrategien der Identitätspolitik, welche in dieser Kommentarspalte öfter bemüht werden:

        1. "Sich an einem völlig übertriebenen Klischee von SJWs und anekdotischen Extrembeispielen abzuarbeiten"



        = die Kritik ist gegenstandslos, weil ihr Zielobjekt nur erfunden wurde und nicht existiert.



        Wäre das so, dann würde sich wohl kaum jemand über den Artikel aufregen, weil sich jeder spielend davon absetzen könnte.

        2. "Problematisch daran ist nicht nur, dass die Übergänge dieses Narrativs in neu-rechte Diskurse, wie etwa dem über 'Genderismus', höchst fließend sind"



        Eigentlich ist hier mit einem Zitat aus dem Artikel alles gesagt:



        "Wer nicht für die woke, die intersektional politisierte Sache ist, ist feindlich. Ist rassistisch, homophob, schlimmer noch: transphob, misogyn oder sonst wie feindlich und, eben, dies vor allem „rechts“."

        3. "wenn es schon reicht einfach feste druff zu hauen um reichlich Klicks zu generieren"



        = Eines der Lieblingsargumente der Selbstgerechten: Der Kritisierende hat ganz einfach eine niedrigstehende Motivation. Da die eigenen Absichten stets rein und edel sind, muss man sich mit dessen Argumenten gar nicht erst beschäftigen. Ein kürzlicher taz-Artikel (taz.de/Bewegung-ge...b_message_4205535) basiert im Wesentlichen auf dieser Vorstellung.

        Dafür finde ich Ihre Aussage mit dem analytischen Instrumentarium, welches bestimmte Probleme nicht erfasst, sehr gut. Aber ich denke, all unsere erkenntnistheoretischen Mittel sind nur Werkzeuge mit jeweils eigenen Lupeneffekten und blinden Flecken. Und ich glaube nicht, dass eines darunter eine bevorzugte Position hat. Deshalb ist es wichtig, jedes davon zu kritisieren und sich nicht auf eines zu versteifen, damit man dessen Vorzüge und Grenzen kennenlernt und in solchen Situationen von einem ablässt, wenn es mehr schadet als nutzt.

        • @Anachronist87:

          1.: Ja, aber wo sind denn bitte die Verfechter*innen einer Identitätspolitik in der hier kritisierten plakativen Plattheit?



          "Wäre das so, dann würde sich wohl kaum jemand über den Artikel aufregen"



          Wenn sich also genügend Leute über ein vermeintliches Problem aufregen muss es demnach tatsächlich eins sein? Leben wir demna möglicherweise doch in der 'Merkel-Diktatur' und werden alle von Bill Gates gechipt?



          2.: Dass der Autor sich über die diskursive Einordnung derartiger Positionen beklagt ist ebensowenig eine Widerlegung dieser Verortung wie der Umstand, dass sie dies hier nochmals wiederholen.



          3.: " Eines der Lieblingsargumente der Selbstgerechten: Der Kritisierende hat ganz einfach eine niedrigstehende Motivation"



          Ach ja, die Wagenknecht-'Linken'. Wenn sie den Satz nocheinmal lesen werden sie evtl. doch noch dahinter kommen, dass der Kernpunkt die Kritik einer mangelnden Differenzierung in der Argumentation des Artikels ist. Das impliziert nicht notwendigerweise eine "niedrigstehende Motivation", sehr wohl aber handwerkliche Mängel.



          "Da die eigenen Absichten stets rein und edel sind"



          Es ist schon recht bezeichnend mir eine ungenügende Reflexion meiner Kritikpunkte vorzuwerfen, sich dabei dann aber auf derart pauschale und unbegründete Unterstellungen zu stützen.

          • @Ingo Bernable:

            1. Hier sind die Umstände aber umgekehrt. Nur weil sich Menschen über Merkel-Diktatur, Chipping oder sonstwas aufregen, wird es noch nicht wahr.



            Aber wenn mehrere Leute voller Empörung meinen, dieser Artikel würde etwas kritisieren, was es in der Realität nicht gibt, dann impliziert das zumindest, dass entgegen der Aussagen dieser Leute doch irgendwo ein wunder Punkt getroffen wurde. Würde jemand darüber schreiben, wie der Wolpertinger das ökologische Gleichgewicht gefährdet, gäbe es wohl kaum so heftige Reaktionen (außer natürlich, mann würde versuchen damit die echten Ursachen zu verschleiern).

            2. Dass man versucht, einer Person oder deren Argumenten eine Nähe zu einem bestimmten politischen Lager zu unterstellen, widerlegt diese inhaltlich in keiner Form.

            3. Was bedeutet es denn sonst, wenn Sie behaupten der Artikel ist deshalb handwerklich schlecht (was ich nichtmal komplett von der Hand weise), um bloß Klicks zu generieren?

            Tut mir Leid, aber wenn man ständig pauschal versucht, Kritik oder Anmerkungen ins rechte Lager abzuschieben, oder diese durch unbegründete Zweifel an den Absichten des Kritikers obsolet zu machen, dann erntet man eben genau solche Erwiderungen.

            Wie gesagt, Ihre inhaltliche Aussage über begrenzte analytische Instrumenatrien finde ich berechtigt und gut, aber diese käme mehr zur Geltung, wenn Sie diese nicht mit solchen pauschalen Verteidigungsreflexen in Verbindung bringen würden.

            • @Anachronist87:

              "aber wenn man ständig pauschal versucht, Kritik oder Anmerkungen ins rechte Lager abzuschieben"



              Wenn sie das so interpretieren, muss ich ihnen leider ein mangelhaftes Textverständnis attestieren. Meine obige Feststellung war: "dass die Übergänge dieses Narrativs in neu-rechte Diskurse, wie etwa dem über 'Genderismus', höchst fließend sind". Es geht also um Kontinuitäten, Argumentationsmuster, mangelnde Abgrenzung und diskursive Figuren und diese Analyse halte ich auch in der Tat für richtig weil die Parallelen zwischen der Kritik an identitätspolitischen Anliegen aus dem reaktionär-rechten und dem liberal-bürgerlichen Lager unübersehbar sind. Das ist ein Problem weil die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen die Selben sind und die Anliegen die zunehmend perjorativ als Identitätspolitik subsumiert werden, nämlich vA den alltäglichen und systematischen Diskriminierungen verschiedener Minderheiten entgegenzutreten, legitim und notwendig sind und deshalb muss man auf diese Zusammenhänge und Kontinuitäten hinweisen dürfen, eine Ineinssetzung ist das aber nicht.

              • @Ingo Bernable:

                "weil die Parallelen zwischen der Kritik an identitätspolitischen Anliegen aus dem reaktionär-rechten und dem liberal-bürgerlichen Lager unübersehbar sind"



                Sollte das nicht gerade ein Zeichen dafür sein, dass an dieser Kritik etwas dran ist?

                "die Anliegen die zunehmend perjorativ als Identitätspolitik subsumiert werden, nämlich vA den alltäglichen und systematischen Diskriminierungen verschiedener Minderheiten entgegenzutreten, legitim und notwendig sind"



                Ich glaube auch, dass diese ihre Berechtigung haben, aber nichts desto trotz haben sie aktuell auch Konsequenzen und Ausprägungen, welche sowohl ich als auch viele andere Menschen für bedenklich halten.



                Wenn eine Jasmina Kuhnke sich unabhängig von ihrem Erfolg und ihren Einflussmöglichkeiten trotzdem "ganz unten im System"sieht (taz.de/Comedy-Auto...ivismus/!5807195/), wenn ein Gil Orafim mit einer unbelegten Äußerung einen destruktiven Shitstorm entfesseln kann, wenn Minderheiten trotz jahrelanger positiver Erfahrungen in einer Firma plötzlich das Gefühl haben dort nicht mehr sicher zu sein, weil sie wie andere Mitglieder der Gesellschaft auch behandelt werden (www.zeit.de/zett/q...enskultur/seite-2), dann wirkt es so als ob wir eine sich immer schneller drehende "Betroffenheitsspirale" in Gang gesetzt und kultiviert haben, welche es immer schwieriger macht gleichberechtig und auf Augenhöhe über Diskriminierungserfahrungen zu reden. Denn mittlerweile findet hier einfach kein Dialog mehr statt, sondern nur noch ein "Aufgrund deiner Klasse, Rasse, Sexualität etc. bist du privilegiert und hast mir deshalb zuzuhören. Jegliche Einwände sind eine Fortsetzung uralter Unterdrückungsstrukturen!"

                Mittlerweile wird das Narrativ, dass Jeder primär Vertreter einer oder mehrerer Gruppen ist, und nur sekundär ein Individuum mit persönlichen Erfahrungen ist, überstrapaziert, und Viele weigern sich einfach dieses weiter zu fördern.

  • Ach, was will man dazu noch sagen?



    Die Richtigstellung steht hier:



    taz.de/Identitaets...senkampf/!5699582/

    • @zeroton :

      Sie meinen die dortige Kommentarspalte?

      • @Anachronist87:

        Nee doch, das Impressum...

        • @zeroton :

          Ach, dann ist ja gut. Denn die Kommentare unter dem verlinkten Artikel scheinen eher eine ähnliche Perspektive wie Herr Feddersen zu vertreten.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Das kam wieder nicht durch: deshalb noch einmal Danke für diesen Artikel

  • Achso, es gibt also keinen Rechtruck wenn eine diverse (von reaktionär bis rechtsextrem) Partei in weiten Teilen des "Ostens" incl. meiner Heimatgemeinde stärkste (Zweit)-Stimmenkraft bei der BT-Wahl wurde.



    "Da wird der weiße Hartz-IV-Empfänger unentrinnbar zum Vertreter der white supremacy, sein Status als Ausgebeuteter kapitalistischer Strukturen ist in dieser Logik nicht mehr denkbar."



    Des "Argument" kommt immer nur von "Kritikern" linker Idenditätspolitik (was auch immer des nu wirklich ist, das meistauffallende ist so ein komisches reaktionäres Grundraunen ähnlich dem, wofür immernoch der pöhse Kommunismus herhalten muß).

    • @Hugo:

      Ist es nicht logisch, dass ein kritisches Argument von Kritikern kommt?



      So ein Argment zu nennen macht sie ja auch zu Kritikern.



      Äpfel kommen ja auch von Äpfelbäumen.

  • Nun hat ja der CDU-affine Feddersen die größte Kompetenz zur Rückbesinnung auf linke Ideale.



    Aber ich finde es richtig:



    die Formulierung universeller Ziele in mit einem universalistischen Gerechtigkeitsparadima ist sehr wichtig gegen die allseitige Betonung der Differenz. Und links unten heißt: die Gemeinsamkeiten von Armut und Ausbeutung zu adressieren.



    Das geht am besten mit Schwarzen und Frauen gemeinsam. Also mit Leuten, die selbst aus dem anti-Diskriminierungsparadigma ausbrechen.



    Das anti-Diskriminierungsparadigma passt ja sehr zum Diversity-Management der Firmen.



    Beleidigt: Das Bedüfnis nach Einzigartigkeit.



    Es gilt für die jungen ProtagonistInnen nicht so schnell beleidigt zu sein und anzuerkennen, dass trotz aller Facebook- Twitter-Massenkommunikation alle einzigartig sind, und das aber zweitrangig ist.

    • @nzuli sana:

      "Mit Schw. und F. gemeinsam" - schon wieder in die Schubladenfalle gegangen ? In welche Schublade gehören Sie ? Wenn Sie mit denen (also anderen) etwas gemeinsam tun wollen, reden Sie nur von sich persönlich oder von ihrer "peer-group" sprich Schublade ? Wie wärs stattdessen mit WIR ???

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      das waren jetzt aber sehr viele fremdwörter

  • Hier wird leider das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Zwei Beispiele:

    >>Ist es schon rechts, einen Begriff wie „antimuslimischer Rassismus“ abzulehnen, weil es Rassismus gegen Menschen geben kann, aber nicht gegen eine Religion?>Rassistisches, umrissen mit Worten wie „Hanau“ oder „NSU“

    • @Earendil:

      2. Versuch:



      "Ist es schon rechts, einen Begriff wie „antimuslimischer Rassismus“ abzulehnen, weil es Rassismus gegen Menschen geben kann, aber nicht gegen eine Religion?"



      Nein, aber ziemlich blöd. Antimuslimischer Rassismus ist halt Rassismus gegen muslimische - oder als muslimisch gelesene - Menschen.

      "Rassistisches, umrissen mit Worten wie „Hanau“ oder „NSU“"



      Während die einen schon Fragen nach der Herkunft oder Bewunderung von Haarpracht als Vorstufe von Kolonialismus und Sklaverei betrachten, fängt bei anderen rassismus erst bei Mord und Totschlag an. Dass man mit "falschem" Namen schwerer Job und Wohnung findet oder mit "falscher" Hautfarbe öfter mal von der Polizei kontrolliert wird, steht dagegen bei beiden nicht so sehr im Fokus.

  • Herzlichen Dank, lieber Herr Feddersen, für diesen Kommentar!

  • Ich verstehe nicht, aus welcher Position Sie argumentieren. Was verteidigen Sie? Was ist Ihr Lösungsvorschlag? Ich kann kein Argument wirklich nachvollziehen, in der Gesamtheit sind die Argumente eine Polemik gegen die Positionen und Positionierungen von Personen, die Sie der identitätspolitischen Linken zuschreiben (oder die sich selbst so definieren). Ihnen also einen Platz zuweisen! (dort, wo Sie sie gerne sehen würden).



    Ihr einziger Vorschlag aus diesem "Dilemma der identitätspolitischen Linken" ist Respekt!! (By the way: Die SPD hat die Wahl nicht gewonnen, die anderen Parteien sind über die eigenen Unzulänglichkeiten und Fehler gestolpert. Die SPD ist mit einer statistischen Mehrheit rausgekommen. Glauben Sie, irgendjemand nimmt der SPD das „Bekenntnis“ zu Respekt ab? Bin mal gespannt, wie viele kanakische Migrant*innen bei der SPD Spitzenpositionen bekommen.). Zurück zu Respekt: ich habe mein Leben lang (mittlerweile bin ich 50 Jahre) Respekt gegenüber Mehrheitsangehörigen (wie auch allen anderen Menschen auch) gezeigt. Am besten haben sie sich respektiert gefühlt, wenn ich den selbst erlebten Rassismus verschwiegen und ihre Perspektive auf die Welt (und auf mich) übernommen habe. Wenn ich heute irgendwo Rassismus thematisiere (unter Mehrheitsdeutschen vor allem): peinliches Schweigen, Verharmlosung – oder ich werde als Rebell bezeichnet. Und noch schlimmer wurde es, wenn ich gleiche Rechte gefordert habe! Oder wenn ich die Frage gestellt habe, warum gerade sie an bestimmten (beruflichen und sozialen) Positionen sitzen! Diese Haltung hat mir keine Türen geöffnet.

    "Worauf es aber ankäme, wäre eine politische und kulturelle Perspektive universalistischen Zuschnitts": Überzeugen Sie mal Männer, Deutsche... dass Sie Macht (Geld, Ansehen, soziale Position.... ) für den Aufbau einer einer universalistischen Ordnung abgeben... viel Spaß...

    Ich finde Ihre Position etwas arrogant! Ich ertrage diese nur schwer. Habe aber nichts gegen Sie persönlich :-))

  • Die Bundestagswahl hat uns schmerzhaft deutlich gezeigt, dass Linke eine Minderheit darstellen. Ich lese hier Kritikpunkte an einer Politik, die wiederum nur von einem Teil der Linken vertreten wird, und Pauschalisierungen wie Ablehnung von (oder vermeintliche Immunität gegen) Kritik, Ausblenden der Klassenfrage, Colorism – alles sicherlich falsch und schädlich für die linke Sache, aber vor allem „Randerscheinungen innerhalb der Randerscheinung“ linker (Identitäts)Politik. Wieso also werden die hier zum „klassischen“, repräsentativen Bestandteil linker Politik hochstilisiert und zur pauschalen Ablehnung von Identitätspolitik genutzt? Meiner Meinung nach lenkt der Artikel noch mehr unnötige Aufmerksamkeit auf kleine, wenn auch laute Gruppen, statt einen Beitrag zu sinnvollen Debatten zu leisten.

    Die meisten Ihrer Suggestivfragen lassen sich gut diskutieren, und das wohl sogar in Ihrem Sinne und im Sinne einer positiven Identitätspolitik. Aber aus „Trans-Frage“, „Mode um Trans“ (noch dazu immer in absichtlich falschen Anführungszeichen) und der konstruierten Verbindung zu einem „antihomosexuellen Begehren“ kann man selbst bei wohlwollender Lektüre nur eine vollkommene Ablehnung von Menschen und Debatte herauslesen.

    Sie greifen (off topic) das Argument ihres Kollegen Dirk Knipphals in Bezug auf die Buchmesse auf. Sicher, Präsenz ist gut und wünschenswert, aber nicht auf Kosten von Angst um Unversehrtheit von Menschen, die regelmäßig Morddrohungen erhalten. Der Boykott war deshalb wohl alternativlos, die Diskussion war m.E. nicht Ziel, sondern ein positiver Nebeneffekt. Kein Grund zur Belehrung, die weiter oben noch angeprangert wird.

    „Eine politische und kulturelle Perspektive universalistischen Zuschnitts“ hätte ich lieber gelesen!

  • Ich gewinne immer mehr den Eindruck, und dieser ist rein subjektiv ohne letztgültigen Erklärungsanspruch, dass die Kontroversen um Identitätspolitik vielfach von dem wenig beachteten Umstand herrühren, wie verschiedene Menschen auch verschiedenen, ich nenne es mal interpersonellen Wahrnehmungsmustern, folgen.



    Ich unterschiede hier mal grob zwischen Egozentrikern (welche sich selbst im Fokus haben), Individuozentrikern (welche sich auf Individuen und persönliche Beziehungen konzentrieren) und Soziozentrikern (welche sich primär für Gruppen und Gesellschaften interessieren).



    Identitätspolitik ist eine originär soziozentrische Vorstellung, und als solche für die Egozentriker und Individuozentriker prinzipiell etwas bizarr.



    Da Soziozentrikern den Menschen von der Gruppe her denken, ist es für sie ganz normal seiner Zugehörigkeit größere Bedeutung bei zu messen. Und sie sind sehr sensibel dafür, wie das Machtverhältnis der Gruppen untereinander aussieht. Deshalb betrachten sie auch Opfer nicht aufgrund derer persönlichen Erfahrungen, sondern basierend auf dem Machtverhältnis ihrer Gruppe.



    Und das führt in letzter Konsequenz zu einem interessanten Widerspruch, den sie meist gar nicht als solchen wahrnehmen: Da kleinere Gruppen (Minderheiten) weniger Macht haben, müssen diese stärker beschützt bzw. „empowert“ werden. Aber die kleinsten möglichen Gruppen müssen trotzdem noch Gruppen sein. Nicht etwa Individuen, obwohl diese für sich betrachtet noch kleiner und machtloser sind.



    Wenn nun irgendeine Person auf kritische Weise über eine Minderheit redet, dann wird sie von den Anhängern der Identitätspolitik basierend auf ihrer eigenen Gruppenzugehörigkeit bewertet. Die Person selber sieht aber primär, wie ein wütender Mob, also eine Mehrheit, auf sie losgeht. Egozentriker möchten das natürlich nicht für sich selber, und Individuozentriker wollen dies auch häufig nicht für Andere. Aber die Soziozentriker halten das für gerechtfertigt.



    Und dies führt zu permanentem Streit.

    • @Anachronist87:

      Danke für diese wunderbar sachliche und treffende Analyse!

      Nur: Wohin von hier? Der Streit sist erklärlich, aber kaum durch seine Dekonstruktion zu beenden. Wer z. B. die soziozentrische Sichtweise vertitt, hat im Zweifel seine Gründe dafür und gleich wenig Verständnis für die Gegenansicht wie der woke Identitäre auf der "Symptomebene" für den pauschal diskriminierungsaversen Individuozentriker.

      • @Normalo:

        Nein, ein Problem zu definieren und zu benennen löst es leider noch nicht. Und wie löst man überhaupt ein Problem, welches in der Unterschiedlichkeit der Menschen wurzelt?



        Ich persönlich glaube (und das ist zugegebenermaßen eine individuozentrische Perspektive) dass es für sowas keine strukturelle oder grundlegende Lösung gibt. Aber ich finde, man kann versuchen daraus ein paar Anhaltspunkte abzuleiten, um sich im Miteinander besser zu verstehen:

        1. Der eigene "interpersonelle Wahrnehmungstypus" (ich denke mir die Begriffe hier aus, um zu beschreiben was ich meine) wird nicht durch Logik und Vernunft erworben, sondern persönliche Prägung und individuelle Erfahrung. Man kann trotzdem die anderen Perspektiven lernen und einnehmen, aber man wird durch keinerlei Kampagnen, Belehrungen oder verordneten Medienkonsum erreichen, dass Alle den selben Typus haben.

        2. Daher sollte man die eigene Grundansicht nicht für verbindlich oder "die Richtige" halten, auch wenn man sich mit vielen gleichgesinnten Menschen umgibt und sich gegenseitig glaubhaft bestätigen kann, wie viele gute Gründe dafür sprechen.

        3. Auch wenn man sich die Verschiedenheit der Typen bewusst macht, sollte man diese nicht in eine moralische oder wie auch immer geartete Hierarchie einordnen. Jeder bringt Eigenschaften mit, die sich je nach Umständen, und auch nach persönlichem Reifegrad, positiv oder negativ bemerkbar machen können. Gerade Egozentriker werden meist sehr oberflächlich und einseitig betrachtet, während die soziozentrische Perspektive mitunter zu sehr verklärt wird. Und der Individuozentriker sind sich die Meisten gar nicht bewusst.

        4. Niemand hat nur einen Typ. Auch wenn wir zu einem stärker neigen, gibt es trotzdem Kontexte, in welchem wir in einen anderen verfallen. Meist, weil er im aktuellen Umstand angebrachter oder bequemer ist als unser Haupttyp. Das sind häufig Momente, wo Andere uns Doppelstandards vorwerfen, oder meinen wir wären "Out of Charakter".

        (Fortsetzung folgt)

        • @Anachronist87:

          (Fortsetzung)

          5. So wie wir als Personen lernen, die Ausprägungen der verschiedenen Typen organischer in unsere Persönlichkeit zu integrieren, um unseren eigenen Charakter zu formen, sollten wir gesellschaftlich die verschiedenen Typen als sich gegenseitig ergänzend betrachten, nicht als Antagonisten.







          6. Sich auf seinen eigenen Typ zu berufen ist keine Entschuldigung für das eigene Verhalten, und darf niemandem als Ausrede dienen, um sich nicht entwickeln zu müssen.







          7. Gegenseitiges Verständnis basiert nicht darauf, dass wir den selben Ausgangspunkt haben, sondern anzuerkennen, dass jeder einen eigenen Ausgangspunkt hat. Diesen können wir durchaus hinterfragen, und dabei merkt man auch, dass es von verschiedenen Ausgangspunkten auch unterschiedlich weit oder schwierig ist, zu bestimmten Einsichten zu kommen.

          • @Anachronist87:

            Ich könnte jeden Absatz unterschreiben.

            Nur leider muss ich - in Anwendung dieser Ratschläge - konstatieren, dass das alles Lektionen in wohlverstandener Individuozentrik sind: Sie zu befolgen, erfordert bereits a priori das Grundverständnis, dass jeder Mensch für sich betrachtet werden muss. Das geht Ihnen (und mir tendenziell eben auch) locker von der Hand. SIE können auch mit wohlwollender Selbstdistanzierung den Ego- und Soziozentrikern zuschauen und weitgehend wertneutral beobachten, wie anders sie gesellschaftliche Probleme angehen. Sie sind halt Individuen mit eigenen Standpunkten, und die stehen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander.

            Ein Soziozentriker würde wahrscheinlich mit dem ebenso klugen Rat daherkommen, doch mal die Blicke von den Bäumen (bzw. egozentrisch: dem eigenen Baum) zu erheben und verdammt nochmal den Wald als ganzes zu betrachten - weil nur das die systemischen Effekte aufdeckt etc.. Er wird Ihre Ratschläge als Ansammlung von Nebelkerzen verstehen, die nur die harte gesellschaftliche Realität durch kleinteilige, alles "tolerierende" Zerkrümelung relativieren sollen.

            Und der Egozentriker wird bemerken, dass all die Verschiedenheit nichts daran ändert, dass alle Anderen nunmal offensichtlich FALSCH liegen (weil IHM die anderen Ansätze nicht gerecht werden...). ;-)

            • @Normalo:

              Die Idee hinter der Identitätspolitik ist ja eine berechtigte: Zu schauen, wie Personen aufgrund ihrer Gruppenzugehörig strukturell benachteiligt und diskriminiert werden. Das kann man auch anerkennen, wenn man kein Soziozentriker ist. Problematisch wird es dann, wenn man dies zum hauptsächlichen Betrachtungspunkt von Menschen macht und all die individuellen Faktoren, welche sich auf der persönlichen Ebene auswirken, ignoriert oder nur auf die Gruppe zurückführen möchte (welche Probleme das genau sind, sprengt den Rahmen dieses Kommentars, und bei Interesse würde ich separat darauf antworten).



              Die Ego- und Individuozentriker nehmen die resultierenden Probleme viel deutlicher und schneller war. Indem man nun deren Einwände konstruktiv benutzt, um das ursprüngliche soziozentrische Konzept so weit anzupassen und auch zu „mäßigen“, dass es der gelebten Realität und der Komplexität menschlicher Interaktion besser gerecht wird, gelangt man schrittweise zu Einsichten und Übereinkünften, welche geeignet sind von der Gesellschaft als Ganzem getragen zu werden.



              Und so stelle ich mir, eventuell etwas vereinfacht und naiv, gesellschaftliche Entwicklung vor: Bestimmte Menschen entwickeln Ideen, welche ihrem Wahrnehmungshintergrund entsprechen. Und andere Menschen überprüfen diese Ideen hinsichtlich der Aspekte, welche die Erfinder nicht im Blick hatten. Und sie schauen, mit welchen bisherigen Vorstellungen dies interagiert, und inwieweit diese modifiziert werden müssen. Daraus entwickelt sich hoffentlich ein echter gesellschaftlicher Dialog, an dessen Ende ein Kompromiss steht, auf den sich alle einigen können.



              Nur wenn Menschen denken, sie hätten den Stein der Weisen entdeckt, um dann zu erwarten alle Anderen sollten doch mal endlich folgen, dann geht sowas meist in die Hose (selbst wenn rein vernunftmäßig gute moralische Gründe dafür sprechen würden).

    • @Anachronist87:

      Dieser Kommentar enthält interessantere Überlegungen und mehr Substanz als der ganze Text von Feddersen. Danke dafür!

  • YESSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS ! Genau das. Genau so.

  • Vielleicht wäre der Sache mehr gedient, wenn die Autor:innen sich nicht sofort auf das konstruierte Schreckgespenst der ‚hyperempfindlichen Linken‘ aufspringen würden.

    Was der Kommentar beschreibt ist mir in dieser übertriebenen Form in linken bis linksradikalen Kreisen bisher so selten über den Weg gelaufen, dass man da auch wie eine erwachsene Person drüber stehen kann.

    • @Notyourgirl:

      Um das zu illustrieren: Der Kommentar hat in etwa die konstruktive Höhe wie irgendwelche dudes die eine:n dafür ungefragt anmaulen kein Fleisch zu essen, nur um sich bei Gegenrede (aka 'Ich will hier nur essen, lass mich gefälligst in Ruhe') über die aggressiven Veganer:innen zu beschweren.

      • @Notyourgirl:

        Zuerst meinen Sie, der Artikel kritisiert ein konstruiertes und somit quasi erfundendenes Phänomen.



        Dann wieder vergleichen Sie ihn mit einem "Anmaulen" einer Person, die nur in Ruhe gelassen werden möchte, um diese zu provozieren.



        Beides geht aber nicht. Entweder der Artikel geht ins Leere, oder er ist ein unberechtigter Angriff.



        Aber Ihrer reflexhaften Verteidigung nach hat er schon irgendwo einen wunden Punkt getroffen. Drüberstehen sieht jedenfalls anders aus.

  • Es gibt in Deutschland keinen Rechtsruck & die kollektive Feindseligkeit der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit gegen Muslime (& Migranten) ist nicht rassistisch? Wow, das ist starker Tobak. Eigentlich wäre ein noch viel schärferer Einspruch gegen den Blödsinn der "Identitätspolitik" nötig, aber dieser Beitrag steht selbst auf fragwürdigem Grund.

    • @JulianM:

      Warum glauben Sie, die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung wäre auf rassistische Weise feindselig gegen Muslime (& Migranten)?

      Und finden Sie wirklich, das "Rechtsruck"-Argument ist die tragende Säule des Artikels?

  • Respekt vor dieser Einschätzung der Lage. Manche Verirrungen der sogenannten Identitätspolitik sind einfach nur absurd. Auch ich bin es satt, immer wieder als "rechts" beschimpft zu werden, obwohl mein Herz von Jugend auf für den Klassenkampf und gegen Faschismus schlägt.

    • 0G
      06227 (Profil gelöscht)
      @Winnetaz:

      Weite Teile der rassistischen AfD-Wählerschaft im Osten sind klassisch antikapitalistisch eingestellt und haben bis vor kurzem noch Linke/PDS gewählt. Ein mir bekannter überzeugter Anarchist behandelt Frauen wie Verfügungsobjekte. Über den Antisemitismus unter Linken brauchen wir erst nicht zu reden.



      Umgekehrt gibt es auch Feministinnen die ziemlich klassistisch daherkommen - ist das jetzt linker als rechts??

      Es ist absurd aus der Selbstdefinition als 'links' eine Immunität gegenüber Menschenfeindlichkeit abzuleiten. Die Welt ist komplizierter als Klassenkämpfer*innen -> 'links und damit immun gegen rechte Ideen'.

    • @Winnetaz:

      Man kann aber gegen Rechts sein und sich auch gegen Faschismus einsetzen und dennoch homophob und transphob sein. Nur um mal ein Beispiel zu nennen. Ich fürchte, das was sie beschreiben ist Relativierung der schlimmsten Form. Denn eigentlich geht es nicht um links oder rechts oder welcher politischen Richtung auch immer. Es geht darum das Menschen ihre ureigenen Rechte einfordern und darum das andere Menschen vieles in der Welt schlichtweg nicht mehr verstehen und alles ablehnen was sie selbst nicht verstehen.

      • @aLuckyGuy:

        Jan Feddersen hat es einfach gut auf den Punkt gebracht:

        "Wer nicht für die woke, die intersektional politisierte Sache ist, ist feindlich. Ist rassistisch, homophob, schlimmer noch: transphob, misogyn oder sonst wie feindlich und, eben, dies vor allem „rechts“."

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @aLuckyGuy:

        Man ist aber nicht homophob oder Transphob, weil man glaubt, das Menschen männlich oder weiblich geboren werden, bis auf seltenste Ausnahmen.

  • Ein goldrichtiger Kommentar, wie ich ihn hier in der taz fast nicht mehr erwartet hätte!

    • @skraut:

      Goldrichtiger Kommentar? Für wen denn eigentlich. Für Menschen die sich in der Welt nicht mehr zurechtfinden und deshalb alles was nach mehr Gleichberechtigungsbestrebungen aussieht schlecht reden müssen. Menschen die sich am liebsten in die "goldene Zeit" der fünftziger Jahre zurückwünschen. Wo man schwule Männer einfach noch ins Gefängnis wegsperrte und man Farbige noch offziell als Neger bezeichnen durfte. Zu dumm aber auch das man als weißer Heterosexueller nicht mehr bestimmen darf was andere Menschen gefälligst zu tun und zu lassen haben, oder wie soll ich das verstehen.

      • @aLuckyGuy:

        Gleichberechtigungsbestrebungen sind so ziemlich das genaue Gegenteil von Identitätspolitik.

        Und was den Mief der "goldenen fünfziger Jahre" angeht: Bullshit! Aber in den frühen 1980er-Jahren waren wir, natürlich nur innerhalb der Blase von Hausbesetzungs- bis Friedensbewgung usw., deutlich fortschrittlicher, was antirassistische, antisexistische und soziale Positionen angeht. Auf jeden Fall wurde noch diskutiert statt gecancelt und es wurde für manifeste Verbesserungen statt Schreibweisen und Narrative gekämpft.

      • @aLuckyGuy:

        "Menschen die sich am liebsten in die "goldene Zeit" der fünftziger Jahre zurückwünschen." (AluckyGuy)



        Ach Du liebe Güte! In die Adenauer-Ära sich zurück wünschen? Wer sollte das denn sein?



        Wenn Sie mal kurz Ihren Moralismus zurückstellen und stattdessen nen Taschenrechner zücken würden, dann könnte sich auch Ihnen erschließen dass Sie Leute, die sich so einen Zeitsprung retour wünschen könnten, mittlerweile auf den Friedhöfen besuchen müßten.



        Is halt so: Moralismus und logisches Denken schließen einander desöfteren aus.



        Und: Don Quixote war halt dann doch eher ein Ritter von der traurigen Gestalt.

      • @aLuckyGuy:

        Ich kenne Sie nicht und Sie mich nicht. Aber ich habe das Gefühl Sie haben viel im Anglophone, vor allem britischen und amerikanischen Diskurs gelernt und versuchen die gleichen Begriffe und Theorien auf die deutsche Gesellschaft zu pressen.



        Ich selber habe viele der Argumente und Aspekte, die im Artikel aufgezeigt werden, im linken Diskurs mitbekommen und habe selbst erlebt wie man beleidigt wurde und, auf Deutsch gesagt, zur Sau gemacht wurde, nur weil man Fragen hatte. Fragen wie zum Beispiel weiße Menschen die hier in Deutschland rassistische Erfahrungen machen müssten, damit umgehen sollen wenn einem dann gesagt wird, dass man nur als PoC Rassismus erfahren kann. Wenn Frauen, die sich weigern dem Essentialismus der Transgender Aktivisten den Platz zu überlassen.



        Allein Ihre Antwort bestätigt leider meine eigenen Erfahrungen.

      • @aLuckyGuy:

        Das ist doch grade ein perfektes Beispiel für die Verirrungen der Identitätspolitik.



        Ich kenne Skraut nicht, aber anhand dieses einen Satzes darauf zu schließen, dass sie (die Person) , so homophob sei, dass sie sich wünsche homosexuelle gehören ins Gefängnis. Man kann gerne über den Kommentar des Autors streiten, ob die aktuelle Identitätspolitik tatsächlich in die falsche Richtung geht oder nicht. Aber weder der Autor noch die bisherigen Kommentator_innen haben irgendwie den Eindruck hinterlassen, ihnen legen Menschenrechte (hier in Form von Minderheitenrechtem) nicht am Herzen. Also bitte mal runterkommen und nicht unreflektiert mit solchen Unterstellungen kommen.

      • @aLuckyGuy:

        Kein Punkt ihrer Ausführungen wird somit ursprünglichen Kommentar beschrieben oder angedeutet?

  • Um ehrlich zu sein, ich kann mit dem Kommentar nichts anfangen, ich verstehe noch nicht mal worauf der Autor eigentlich hinaus will. In der Schule würde ich sagen, am Thema vorbei, setzen sechs.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @aLuckyGuy:

      der autor will sagen, dass die linke identitätspolitik gut gemeint aber nicht wirklich gut ist. und an dem argument ist meines erachtens schon was dran.

    • @aLuckyGuy:

      Wenn dir "linke Identitätspolitik" nicht sagt, bist du wirklich a lucky guy. Glück gehabt!

  • da hat wohl jemand identitätspolitik nicht verstanden und tut trotzdem so expertisch hier rum. nein, klassismus und rassismus sind unterschiedliche formen von diskriminierung, die in einer person zusammenwirken können, aber nicht müssen. also wird natürlich eine klassistisch diskriminierte person (zb wenn sie harz iv beziehen muss) als ausgebeutet gesehen, auch wenn sie weiß sind.







    [...]

    Kommentar bearbeitet. Bitte beachten Sie die Netiquette.

    • @lala:

      Warum muss jemand etwas nicht verstanden haben, weil er es anders sieht?

    • @lala:

      Armut wird nicht viel besser, wenn man von niemanden deswegen diskriminiert wird. Der Begriff "Klassismus" ist irreführend und verharmlost materielle Ungleichheit. Selbst wenn jeder es toll fände dass ich arm bin, beschneidet doch die Armut meine Lebenschancen und reduziert meine Lebensdauer.

      • @vulkansturm:

        allein, dass es armut gibt ist in meinen augen klassistisch. also gibt es auch armut ohne diskriminierung in meinen augen nicht.

        zu meinem mangel an zeit und lust: mit trollen geb ich mich nicht mehr ab. und dieser tazartikel war in meinen augen ein trollartikel, antifeministisch etc.

        • @lala:

          Genau solche Reaktionen kritisiert der Autor, und zwar zu recht.



          Sobald Gedanken geäussert werden, die nicht in die Schublade des linken (?) Dogmas passen, wird "Antifeminismus" etc. proklamiert.



          Das behindert eine positive Entwicklung, verhärtet die Fronten und nützt ausschliesslich denjenigen, die vom Dogma leben.



          Ich kann diese reflexartigen Reaktionen selbsternannter Linker und Feministen nicht mehr ab.

    • @lala:

      Sich "auskotzen" tun doch eher Sie. Wenn Sie Argumente gegen den Inhalt haben ("ich könnte jetzt jeden Satz auseinander nehmen"), dann wäre ich und andere sicher interessiert, diese hier zu lesen. Ihren Hinweis auf mangelnde Lust und Zeit kann ich zwar verstehen, aber warum kommentieren Sie denn dann überhaupt?

    • @lala:

      ich freue mich, dass sie weder lust noch zeit haben ;)

  • danke für diesen Kommentar. ich schließe mich an und kann ad hoc in keinem punkt widersprechen