IGH zur israelischen Besatzung: International geschwächt
Der IGH hat Israels Besatzung für illegal erklärt. Für viele nichts Neues, doch es wird Auswirkungen auf Israels internationales Standing haben.
D ie israelische Besatzung im Westjordanland ist illegal – dieses Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) ist etwas untergegangen in den Nachrichten über Drohnen aus und Bomben auf Jemen und die erneute Sorge vor einem Flächenbrand im Nahen Osten.
Diese Rezeption steht sinnbildlich für den unmittelbaren Effekt, den das Urteil auf den Israel-Palästina-Konflikt haben dürfte: Einen recht geringen. Zugegeben, das Urteil stellt keine bahnbrechende Neuigkeit dar. Der IGH bestätigte damit lediglich die Einschätzung zahlreicher, auch israelischer NGOs. Seit Jahren prangern sie die israelische Politik in Hinblick auf das Westjordanland an: die dauerhafte Besatzung, die Ausbeutungen palästinensischer Ressourcen, die Anwendung unterschiedlicher Rechtssysteme für israelische Siedler*innen einerseits und Palästinenser*innen im Westjordanland auf der anderen Seite.
Von den Palästinenser*innen kamen kaum Reaktionen zu dem Urteil – kein Wunder: Zu oft haben sie schon rechtliche Stellungnahmen gehört, die ins Leere gelaufen sind. Die Minister Ben Gvir, Smotrich und Premier Netanjahu ihrerseits werden sich angesichts des Urteils kaum eines Besseren belehren lassen.
Aber das Urteil dürfte mehr Effekt haben als auf den ersten Blick spürbar: Ein in den israelischen Medien zitierter hoher Beamter spricht von einem Riss in der „Aura der Demokratie“, die Israel bislang schützend umgeben hat. Und das war bisher sein größtes Pfund – gerade gegenüber den Verbündeten.
Haftbefehl gegen Netanjahu
Das israelische Justiz- und Außenministerium befürchtet außerdem, dass das Gutachten, in dem Israel zur Beendigung der Besatzung im Westjordanland aufgefordert wird, Einfluss auf ein weiteres anhängiges Verfahren haben könnte: Vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wird ein Urteil erwartet, das darüber entscheidet, ob Haftbefehl gegen Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant (und verschiedene Hamas-Führer) erlassen wird.
Sollte es dazu kommen, müsste Netanjahu bei Reisen in eines der 124 Mitgliedsländer des IStGH verhaftet werden – auch in Deutschland. Ein schwer vorstellbares Szenario, dem alle Beteiligten wohl dadurch vorbeugen würden, dass Netanjahu zunächst wohl keine Einladung nach Deutschland erhalten würde – und auch in andere Länder nicht.
Es ist also das internationale Standing Israels, das mit dem IGH-Urteil entscheidend geschwächt wurde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Isolation könnte noch größer werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo