Hungerstreik in Berlin: Klimaaktivist in Lebensgefahr

Der Kanzler soll die Gefahren der Klimakrise benennen, fordert Wolfgang Metzeler-Kick. Seit März ist der Aktivist daher im Hungerstreik – mit Folgen.

Portrait von Wolfgang Metzeler-Kick, der in einem großen Zelt sitzt

Wolfgang Metzeler-Kick Foto: Leonie Vogelsang

BERLIN taz | Wolfgang Metzeler-Kick ist schmal geworden, hat eingefallene Wangen und dünne Oberarme. Der 49-jährige Klimaaktivist befindet sich am Dienstag seit 83 Tagen im Hungerstreik. Inzwischen schwebt er in akuter Lebensgefahr, wie die Kampagne „Hungern bis ihr ehrlich seid“ mitteilte.

Er habe auch selbst zwischenzeitlich überlegt, die Aktion abzubrechen. Der Gedanke habe ihn aber zu depressiv gemacht, denn jetzt sei die letzte Chance, noch etwas zu verändern.

Insgesamt hat er bereits über 20 Kilo abgenommen. Seit vergangener Woche verzichtet er auf die 25 Gramm Kohlenhydrate, die er zuvor noch täglich als Saft zu sich genommen hatte. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel, der Körper baut körpereigene Proteine ab, aus Muskeln, Herz und Immunsystem. „Als erstes sind meine Gesäßmuskeln verschwunden“, sagt Metzeler-Kick. Um andere Muskeln zu erhalten, versucht er sich weiterhin so viel wie möglich zu bewegen.

Trotz seiner Situation wirkt der Mann mit Glatze recht fröhlich und agil. Am Dienstag läuft er im Camp am Bundeswirtschaftsministerium in Berlin herum und trägt sogar zwei Kästen mit leeren Wasserflaschen. „Heute geht es mir überraschend gut“, sagt er. „Gestern war es schlimmer.“ Da sei ihm viel schwindelig gewesen. Heute sei vor allem sein Blutdruck ­höher.

Seine Ärz­t:in­nen empfehlen ihm, wieder mit dem Essen anzufangen. Sie haben die medizinische Verantwortung abgegeben, untersuchen ihn aber weiterhin. Auch der Blutzuckerspiegel wird mehrmals täglich gemessen. Am Morgen lag er im kritischen Bereich.

Seine Erkenntnis: Kein Umweltschutz ohne die Politik

Metzeler-Kick will trotzdem weitermachen. „Ich will die Gewissheit haben, dass ich alles in meiner Macht stehende für mehr Klimaschutz getan haben“, sagt er. Der Hungerstreik sei dabei für ihn das letzte Mittel gewesen. Damit will er Bundeskanzler Olaf Scholz dazu bringen, bestimmte Fakten in Bezug auf den Klimaschutz auszusprechen, etwa, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre schon jetzt viel zu hoch und dass die menschliche Zivilisation durch die Klimakatastrophe extrem gefährdet ist.

Der Aktivist ist von Beruf Ingenieur. Er hat lange im technischen Umweltschutz gearbeitet, bis er realisierte, dass es keinen Schutz der Umwelt ohne die Politik geben kann. „Irgendwann habe ich gemerkt: Es bringt überhaupt nichts, was ich gerade mache. Man muss politisch etwas verändern. Nur selbst auf das Auto oder Fliegen zu verzichten, ist keine Lösung.“ Er schloss sich der Letzten Generation an und nahm an verschiedenen Aktionen teil, bis er schließlich Anfang März den Hungerstreik begann.

Der Mann mit Glatze ist selbst Vater eines Sohnes. Auch für diesen engagiert er sich, sagt er. Seine Familie finde es natürlich „richtig scheiße“, dass er im Hungerstreik ist. Er habe auch selbst zwischenzeitlich überlegt, die Aktion abzubrechen. Der Gedanke habe ihn aber zu depressiv gemacht, denn jetzt sei die letzte Chance, noch etwas zu verändern. Die wolle er nicht ungenutzt lassen.

„Ich glaube immer noch daran, dass Scholz die Regierungserklärung machen und die wissenschaftlichen Fakten aussprechen wird“, sagt er. Welche Regierung könne es sich schon erlauben, für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein? Ironisch sagt er: „Wahrscheinlich werden nach der Regierungserklärung erst mal alle in den Urlaub fliegen, um sich von dem Schock zu erholen.“ Allein: Der Kanzler betonte erst kürzlich wieder, auf die Forderungen nicht einzugehen, und rief die insgesamt noch 4 Hungerstreikenden auf, die Aktion zu beenden. Metzler-Kick plant als nächste Eskalationsstufe, in den trockenen Hungerstreik zu treten, also auch auf Flüssigkeit zu verzichten.

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