Hamburger Initiative gegen Gendersprache: Beim Sprechen bin ich konservativ

Verständlichkeit geht vor. Deshalb ist es gut, dass eine Volksinitiative Hamburger Behörden das Gendern verbieten will – auch wenn die CDU mitmacht.

Eine Person mit grauen Haaren von hinten trägt eine grüne Weste mit weißer Aufschrift «Ordner*in».

Gendersensibler Wahlkampf: Ein Helfer bei einer Veranstaltung der Grünen 2021 in Cottbus Foto: Soeren Stache/dpa

Wer in der Jugend nicht links ist, hat kein Herz, wer im Alter noch links ist, keinen Verstand. So ähnlich geht ein Sprichwort. Ich bin schon älter und immer noch links. Aber seit ich Mittwoch früh das Hamburger Abendblatt aufschlug, befinde ich mich in Schwierigkeiten. Die Hamburger CDU, so war dort zu lesen, wird die Volksinitiative „Schluss mit der Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ unterstützen.

Fein, war mein erster Gedanke. Dann wird das wenigstens was. Denn ich finde es besser, wenn Behörden weder Genderstern noch Doppelpunkt benutzen. In der taz steht es immer noch uns Autoren frei, ob wir diese Sonderzeichen verwenden. Ich tue es nicht, denn ich finde es am wichtigsten, dass Texte verständlich sind und gelesen werden. Das ist Tag für Tag eine Herausforderung. Deshalb mag ich den Stern nicht. Er ist sozusagen so etwas wie eine Arbeitserschwernis. Dass ein Text gar nicht erst gelesen wird, ist die Höchststrafe für Autoren.

Statt die Sprache zu ändern, kommt es auf materielle Gleichberechtigung an und darauf, darüber zu schreiben. So wurde der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung erkämpft, den es noch gar nicht so lange gibt. Er hat die Mütter erst in die Lage versetzt, ihre Karriere für die Kinder nicht an den Nagel hängen zu müssen. Oder die Möglichkeit für junge Frauen, Kinderphase und Studium zu verbinden: So können sie später Professor oder Chefredakteur werden. Die Schreibweise ist dann zweitrangig.

Seit ein paar Jahren sehe ich mich mit meiner Haltung in der Defensive: Seitdem das * auch gesprochen wird als Lücke. In immer mehr Runden, vor allem von jungen Uni-Absolventen, wird dieser „Glottisschlag“ benutzt.

Glottis-Schlag erzeugt beim Zuhörer Druck

Ich finde das unpassend. Denn diese Lücke zu sprechen, erfordert eine hohe Konzentration, die man seinem Gegenüber nicht abverlangen sollte. Ich muss dann immer daran denken, wie ein Sprachheilpädagoge erklärte, dass man Kinder, die stottern, auf keinen Fall korrigieren darf, das würde das Stottern nur verschlimmern: „Denken Sie an einen Tausendfüßler, der all seine Beine benutzen kann. Sagen Sie dem, heben sie mal das 324. Bein, dann weiß er nicht mehr, wie es mit den anderen geht.“

Dieser Glottisschlag ist wie das 324. Tausendfüßlerbein. Es ist für viele Menschen eine Hürde, überhaupt vor einer Gruppe flüssig zu reden. Und dass viele Menschen frei sprechen können, ist auch ein emanzipatorisches Ziel!

Dieses Vorsprechen neuer Sprachregeln hat auch etwas Schulmeisterliches. So à la: „Ich hab ja meine Vokabeln gelernt, und du?“ Und die Sprecher sind dabei überzeugt, gerade alles richtig zu machen. Aber sie erzeugen auch einen Anpassungsdruck bei etwas, das privat ist und bleiben sollte: das eigene Sprechen.

Den Anlass für die Hamburger Volksinitiative gab der rot-grüne Senat, indem er 2021 seinen Behörden und Ämtern empfahl, gendersensible Sprache zu nutzen. Die zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) sagt nun laut dem Hamburger Abendblatt, dass sie niemandem „Vorschriften machen“ wolle, wie er schreibt oder spricht. Auch müssten, bevor Texte unverständlich sind oder Wortungetüme entstehen, „der Stern und der Doppelpunkt mit gesundem Menschenverstand eingesetzt werden“. Ja, was denn nun? Ab und an mal ein Doppelpunkt im Wort, und dann ist gut? Dann kann man es auch gleich lassen.

Doch nun kriegen wir eine Volksinitiative und damit eine stadtweite Polarisierung. Und die CDU stellt sich auf die Straße, um Unterschriften gegen diese Sprachregeln zu sammeln. Damit nützt sie auch sich selbst, weil sie ein Thema für den nächsten Wahlkampf hat. Allerdings könnte sie dabei auch Stimmen verlieren – je nachdem welche Dynamik dieser Streit entwickelt. Zu Recht können sich ja nun auch jene gegängelt fühlen, die gern gendern.

Die CDU vereinnahmt die Sache. Und ich wiederum werbe höchst ungern für die CDU, weil ich Teile ihrer Programmatik nicht gut finde, zum Beispiel in der Sozial- und Bildungspolitik. Ich bin nur im Bezug auf die Sprache konservativ, sonst aber immer noch links – und bei Verstand.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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