Angst vor Sprachvorschriften: Volksini gegen Gendern geplant
Die Hamburger Verwaltung und Bildungseinrichtungen sollen auf gendergerechte Sprache verzichten. Eine Volksinitiative dazu wird gerade vorbereitet.
Die Praxis der Hamburger öffentlichen Stellen ist uneinheitlich. In der Regel werden die männliche und die weibliche Form verwendet, manchmal das Binnen-I, auch mal das Sternchen. Eine Ausnahme ist der Koaltionsvertrag von SPD und Grünen, in dem 500-mal des Gendersternchen vorkommt, wie die Arbeitsgruppe Gendersprache im Verein Deutsche Sprache gezählt hat.
„Sprechen Sie die Sprache der Bürger: korrektes, klares Deutsch“, appelliert die Arbeitsgruppe an den Senat am Ende eines offenen Briefes, für den Sabine Mertens verantwortlich zeichnet.
Mertens ist auch eine Vertrauensperson der Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“. Darin wird der Senat aufgefordert sicherzustellen, „dass die amtliche schriftliche oder elektronische Kommunikation und Veröffentlichung unter Einhaltung der Regeln des ‚Rats für deutsche Rechtschreibung‘ erfolgt“. Das soll auch für die öffentlichen Unternehmen gelten.
Parteiübergreifender Charakter?
Hinter der Initiative stehe keine kohärente Gruppe, sondern ein loser Zusammenschluss von Leuten, die das Gendern ablehnten, sagt Mertens. Sie selbst engagiere sich schon seit etlichen Jahren in dieser Sache. Mertens gehört neben der Schriftstellerin Monika Maron und dem inzwischen verstorbenen „Sprachpapst“ Wolf Schneider zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs „Schluss mit Gender-Unfug!“ und hat mit einer Gruppe semiprominenter Frauen beim Bundestag eine Petition gegen das Gendern eingereicht.
„Wie kann es sein, dass Politik und Verwaltung das so puschen?“, fragt Mertens. Gendersprache ist für sie ein elitäres Projekt, bei dem eine Minderheit so tue, als repräsentiere sie eine Mehrheit. In einer repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap für die Welt am Sonntag im Mai 2021 lehnten 65 Prozent der Wahlberechtigten die Verwendung gendergerechter Ausdrücke in der Öffentlichkeit sowie in den Medien ab – etwas mehr noch als im Jahr davor. Selbst knapp die Hälfte der Grünen-Anhänger zeigte sich ablehnend.
„Wir erhöhen den Druck, weil wir wissen, dass auch in den Parteien Gendersprache keine Mehrheit hat“, sagt Mertens. Sie betont den parteiübergreifenden Charakter ihrer Initiative, wundert sich aber, dass sich keine der etablierten Parteien auf ihre Seite gestellt habe.
Dabei sieht Mertens Gefahr im Verzug: Beim Gendern handele sich um eine identitäre Propagandasprache und einen massiven Angriff auf den Sprachstandard. „Das macht eine Kultur kaputt“, warnt Mertens.
Sternchen und Doppelpunkt seien unnötig
Hilfsmittel wie das Sternchen oder der Doppelpunkt im Wort seien unnötig, denn die Gruppen, die hier mitgemeint werden sollten, würden in der Hochsprache automatisch abgebildet. „Standardsprache zeichnet sich durch den Gebrauch von verallgemeinernden Begriffen aus, wo Merkmalsbeschreibungen wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Glaubensbekenntnisse und Ideologien bedeutungslos sind“, heißt es in der Abstimmungsvorlage.
Darin ist eine lange Liste weiterer Vorwürfe aufgeführt: Gendersprache reduziere Menschen auf bestimmte Merkmale wie das Geschlecht. Damit sei sie sexistisch und menschenfeindlich. Die Gendersprache sei widersprüchlich und verunstalte die Sprache. „Sie will einerseits ‚alle Geschlechter sprachlich sichtbar machen‘, andererseits geschlechtsspezifische Ausdrücke vermeiden“, heißt es in der Vorlage.
Und weiter: Gendersprache benachteilige durch ihre Umständlichkeit bildungsferne und sprachbehinderte Menschen. Sie verwische klares Denken und erschwere die Verständigung. Sie spalte Worte und die Gesellschaft als Ganzes. Durch das Gendern grenze sich eine vermeintlich fortschrittliche Elite von den „normalen“ Menschen ab. Am Ende lenkten Diskussionen um Gendersprache und Frauenquoten von den berechtigten Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit ab.
Die Tatsache, dass das Gendern um sich greift und Verwaltungen wie auch Unternehmen dazu übergehen, kann allerdings auch als Beleg dafür gelten, dass viele Mertens’ Thesen eben nicht teilen. So ist Gendern zwar bisher nicht in der Hamburger Verwaltung vorgeschrieben, wohl aber seit 2019 in Hannover, ebenso in Lübeck und für Gesetze und Vordrucke im Land Brandenburg. An der Hamburger Uni ist ein entsprechender Vorstoß 2019 blockiert worden.
Wenn der Landeswahlleiter an der Vorlage für die Volksinitiative nichts auszusetzen hat, wäre der nächste Schritt für Mertens, eine Unterschriftensammlung anzumelden. 10.000 Unterschriften brauchen sie und ihre Mitstreiter, damit eine Volksinitiative offiziell zustande kommt. Übernimmt die Bürgerschaft das Anliegen nicht, kann die Initiative ein Volksbegehren beantragen.
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