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Haftbefehl gegen NetanjahuBegründeter Verdacht für Kriegsverbrechen

Kommentar von Susanne Knaul

Im Gazastreifen ist kein Ende in Sicht, es gibt keine israelische Exit-Strategie. Richtig ist, den internationalen Druck auf Netanjahu zu erhöhen.

Benjamin Netanyahu besucht am 19.11.2024 den Netzarim-Korridor im Gazastreifen Foto: Maayan Toaf/imago

D ie Welt wird kleiner für Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. In gut 120 Staaten droht ihm, wie dem früheren Verteidigungsminister Joav Galant, die sofortige Verhaftung. Auch die Bundesrepublik wäre im Prinzip dazu verpflichtet, Netanjahu Handschellen anzulegen, sollte er sich – dem Erlass des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zum Trotz – auf die Reise nach Berlin begeben. Endlich bekommt Israels Regierungschef eine erste Quittung für die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Israels Armee in seinem Auftrag begeht.

Sechs Monate nach dem entsprechenden Antrag des Chefanklägers Karim Khan und inzwischen über 40.000 im Krieg getöteten PalästinenserInnen werden Netanjahu und sein früherer Verteidigungsminister in eine Reihe mit den übelsten Kriegsverbrechern gestellt, Seite an Seite auch mit Wladimir Putin. So liege begründeter Verdacht auf das Aushungern als Kriegsmethode vor und für den vorsätzlichen Angriff auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

An einem Tag, an dem aus dem Kriegsgebiet erneut der Tod von über 50 Menschen gemeldet wird, kann man der Entscheidung in Den Haag nur zustimmen. Misslich ist allerdings, dass der Haftbefehl gegen Netanjahu zeitgleich mit dem Haftbefehl gegen Mohammed Deif kommt, der Erzterrorist und frühere Chef der Kassam-Brigaden. So entsteht der Eindruck einer Gleichsetzung der Hamas mit Israel. Die Gründe dafür, warum dieser Krieg überhaupt erst angefangen hat, rücken in den Hintergrund.

Ohne das Gemetzel, das die palästinensischen Islamisten am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel anrichteten, wäre nichts passiert. Dazu kommt, dass dieser Haftbefehl völlig überflüssig ist, denn Deif ist seit einem gezielten israelischen Angriff auf ihn nicht mehr unter den Lebenden. Aus diesem Grund stehen auch der frühere Hamas-Politbürochef Ismael Hanijeh wie auch Hamas-Chef Jahia Sinwar – gegen beide hatte Khan im Mai Haftbefehle beantragt, und beide sind inzwischen getötet worden – nicht mehr auf der aktuellen Liste des IStGH.

Mehr Druck auf Netanjahu

Ein Unrecht mit einem anderen Unrecht zu relativieren, funktioniert natürlich nicht. Und wenn islamische Extremisten mit ihren Grausamkeiten im Grunde niemanden überraschen dürften, ist die Erwartung an eine demokratisch gewählte Regierung, die enge Beziehungen zu den westlichen Indus­triestaaten unterhält, doch eine andere.

Dass die PalästinenserInnen im Gazastreifen kollektiv in Haft für die Gräueltaten der Hamas genommen werden, muss ein Ende haben. Bislang zeigen weder die innenpolitischen Proteste gegen Netanjahu noch die internationalen Mahnungen Wirkung. Zum ersten Mal wird Israels Regierungschef mit einer für ihn persönlich bitteren Maßnahme konfrontiert. Es wird ihn nicht zum Umdenken bringen, aber die Richtung stimmt.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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3 Kommentare

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  • "Richtig ist, den internationalen Druck auf Netanjahu zu erhöhen."

    Ein Gericht erlässt in der Regel einen Haftbefehl, weil sich ein Anfangsverdacht auf Grundlage von Beweismaterial erhärtet hat.

    Auch der IStGH wird rechtliche und nicht politische Maßstäbe bei seiner Entscheidung angelegt haben.

    Ferner gilt in einem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung bis zu einer Verurteilung. Daher wäre es eigentlich angebracht von mutmaßlichen Kriegsverbrechen und Verstößen gegen Menschenrechte zu sprechen.

  • Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es gibt keinen Unterschied zwischen Benjamin Netanjahu und Mohammed Deif.



    Das Massaker der Hamas hat eine Jahrzehnte lange Vor-Geschichte. Aber Deutschland will nichts wissen.

  • "Mehr Druck auf Netanjahu



    Ein Unrecht mit einem anderen Unrecht zu relativieren, funktioniert natürlich nicht."



    So denkt kein professioneller Jurist.



    Es geht hier um justitiable Faktenlagen.



    Der Chefermittler ist kein Politiker.



    "Prinzipiell gelten am Internationalen Strafgerichtshof die gleichen Grundsätze wie im deutschen Recht. Haftbefehl und Untersuchungshaft sind keine Vorverurteilung – sie dienen primär dazu, das Verfahren zu sichern und zu verhindern, dass sich die Beschuldigten dem Gericht entziehen oder weitere Straftaten begehen können. Bei besonders schwerwiegenden Vorwürfen ist es auch in Deutschland die Regel, einen Haftbefehl zu erlassen."



    Quelle



    faz.net