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Gutachten könnte Energiewende bremsenWetterdienst dreht am Rad

Der Deutsche Wetterdienst hat Bedenken gegen den Ausbau der Windkraft. Windmüller fürchten die Wirkung eines Kieler Gutachtens.

Vertragen sich nicht immer gut: Windräder und Radaranlagen Foto: Ingo Wagner/dpa

Rendsburg taz | Felder, Windräder, in der Nähe rauscht die Autobahn 7. Ginge es nach Hans-Günther Lüth, würden auf diesen Wiesen im Kreis Segeberg deutlich mehr Anlagen Strom erzeugen. Doch der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat Bedenken: Er betreibt in der Nähe die Radaranlage Boostedt und fürchtet, dass die rotierenden Flügel seine Messdaten stören.

Vor Gericht bekam der Windpark recht – doch nun liegt ein neues Gutachten vor. Das Papier könnte sich negativ auf das „Osterpaket“ des Bundeswirtschaftsministeriums auswirken, mit dem eigentlich der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden soll.

Seit rund zwölf Jahren kämpft Hans-Günther Lüth gegen den DWD für mehr Windmühlen. Der Ingenieur leitet im Örtchen Wiemersdorf ein Büro, das europaweit Photovoltaik- und Windparks plant und entwickelt. Im Kreis Segeberg ist er Geschäftsführer von Bürgerwindparks in Wiemersdorf und Großenaspe.

2010 beschlossen die Verantwortlichen, den Park zu erweitern. Es folgten Anträge, Gutachten, Prozesse. 2020 urteilte das Verwaltungsgericht Schleswig zugunsten des Windparks: Die Rotoren würden die Messungen nicht entscheidend stören. Ein Sieg, doch kein Durchbruch: Immer noch fehlen Genehmigungen für den Weiterbau. „Ich glaube, der DWD hat seine Position dem Ministerium gut verkauft“, sagt Lüth.

Windräder könnten Radarstrahlen stören – aber wie stark?

Der Wetterdienst betreibt ein bundesweites Netz von Radaranlagen. Sie messen Niederschläge und Wind, melden Unwetter und Starkregen. Ihre Daten bilden die Basis zahlreicher Vorhersage-Dienste, und sie werden gebraucht, um vor Katastrophen zu warnen.

Die sausenden Flügel eines Windrads könnten die Radarstrahlen stören, so steht es in einem Gutachten, das ein Lübecker Fachbüro im Auftrag des grün geführten Kieler Energiewende- und Umweltministeriums erstellte. Damit deckt sich dieses Gutachten mit den Argumenten, die der DWD seit Jahren wiederholt.

Das Papier vom November 2021 untersucht die Radarstation Boostedt und die umliegenden Windanlagen. Es findet Kompromisse, erschwert aber auch einiges – so sollen auch Rotoren einbezogen werden, die weiter als 15 Kilometer von der Radarstation stehen, wenn sie Teil eines Windparks sind. Unter dem Strich könnten zwar einige Anlagen aufgestellt werden, aber nur halb so viele, wie möglich wären, sagt Lüth.

Dass die Messungen des DWD wichtig sind, bestreitet der Windpark-Betreiber nicht. Er hält nur die Argumente für falsch: „In allen Gutachten wird ständig der Konjunktiv benutzt. Wirklich nachgewiesen sind die Auswirkungen nicht.“ Hinzu komme: „Windräder beeinflussen die niedrigen Bereiche der Luftschicht. Niederschlag entsteht viel weiter oben, und was dort entsteht, kommt auch runter.“ Und: „Droht ein Unwetter, schalten Anlagen aus technischen Gründen ab – oder könnten abgeschaltet werden, wenn der DWD eine erste Warnung herausgibt.“

Ein Gefälligkeitsgutachten?

Doch das neue Gutachten schlägt solche Abschalt-Lösungen nicht vor. Lüth kritisiert, dass das Papier ausführlich die Argumente des DWD zitiert und dass das beauftragte Lübecker Büro auf seiner Homepage den Wetterdienst als „Partner“ nennt. Sein Vorwurf: Das Gutachten sei einseitig. Bei einer Sitzung sei sogar der Satz eines Ministeriums-Mitarbeiters gefallen, es solle ein Ergebnis herauskommen, „das dem DWD gefällt“.

Das Ministerium weist den Vorwurf zurück: Der Auftrag sei ausgeschrieben worden. Es zähle die Expertise. Alle Gutachter nutzten Daten des Wetterdienstes – und auch Argumente aus früheren Stellungnahmen der Windparkbetreiber seien eingeflossen, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Allerdings zitiert das Literaturverzeichnis des Papiers, das der taz vorliegt, überproportional oft den DWD oder Fachleute, die dort arbeiten.

Auf der Homepage des DWD finden sich Einträge, die auf die negativen Seiten von Windkraft hinweisen, darunter ein Beitrag mit dem Titel: „Lohnt sich der ganze Wind?“ In einer Broschüre zum Konflikt zwischen Windkraft und Radar baut Wetterdienst-Präsident Gerhard Adrian eine Drohkulisse auf: Die Gesellschaft müsse sich „entscheiden zwischen dem Schutz der Bevölkerung und Windenergieanlagen im Umfeld unserer Wetterradare“.

Eigentlich können wir als Gesellschaft es uns nicht leisten, dass wir das Potenzial nicht ausschöpfen

Hans-Günther Lüth, Ingenieur und Windparkplaner

Der DWD ist, ebenso wie die Flugsicherung, eine Unterbehörde des Bundesverkehrsministeriums, das lange von CSU-Ministern geführt wurde. „Ohne etwas unterstellen zu wollen: Bayern ist nicht gerade bekannt dafür, Windkraft zu fördern“, sagt Lüth. Sowohl der DWD als auch die Flugsicherung erheben häufig Protest, wenn Anlagen geplant werden.

Lüth erwartet nun, dass der DWD das vom Ministerium bezahlte Gutachten bundesweit verwenden wird, um seine Argumente zu untermauern. Zwar sei es in manchen Punkten besser als der vorherige Stand: „Natürlich kann man sagen, die Hälfte sei besser als nichts“, sagt der Windmüller. „Aber eigentlich können wir als Gesellschaft es uns nicht leisten, dass wir das Potenzial von Flächen nicht ausschöpfen.“

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20 Kommentare

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  • Der Artikel ist a weng tendenziell, oder?

    Der DWD warnt, daß sich drehende Windräder in einem bestimmten Umkreis negativ auf die radargestütze Wetterbeobachtung auswirken können.

    Die Möglichkeit von Interferenzen ist sehr wahrscheinlich, das gibt das Gutachten auch wieder. Der Entscheid hat zu einem Teilvergleich geführt - es wurden die öffentlichen Interessen berücksichtigt, als auch die Interessen der WKA-Betreiber.

    Hier einen bösen Plot zum WKA-Stop zu sehen, fällt mir bei bundesweit 17 Wetterradarstationen schwer.

    Zumal Schiffahrt, Flugverkehr und Landwirtschaft auch Interesse an korrekten Vorhersagen haben dürften.

    Bzgl. Unwetterwarnung sollte uns die Wichtigkeit ja noch erinnerlich sein.

  • Dieselben Argumente wie der DWD brachten schon die Verantwortlichen des Reichsluftfahrtministeriums und der einzelnen Wehrkreise vor, weil ja die Schwingungen von Kirchenglockenschlägen die Datenübertragung in den Luftschutz-Warnzentralen angeblich beeinträchtigen. Belegen musste die damals die These nicht. Wirkt wie eine Wiederholungsschleife. Aber sicherlich irre ich mich.

    • @ABG76:

      Das eine über 100 Meter hohe rotierende Konstruktion vielleicht doch ein Wetterradar beeinflussen kann, nehmen Sie im Gegensatz zu einem 30er-Jahre Argument nicht zur Kenntnis, oder?

      Kenn mich mit Wetterradar nur sehr eingeschränkt aus, soweit mir bekannt ist, nutzen diese aber den eher kurzweiligeren Bereich, was wiederum die Reflektion erhöht.

  • Immer wieder setzen sich Einzelinteressen gegen das Allgemeinwohl durch - das Rezept für Desaster.

    • @mife:

      Da sowohl ein effektives Wettervorhersagesystem als auch Windkraftanlagen von allgemeinen Interesse sind, werde ich aus Ihrer Aussage nicht schlau…

  • So eine WKA steht immer an der selben Stelle und sie ändert weder ihre Größe noch ihre Masse. Was also spricht dagegen den Einfluss dieser Anlagen aus den Radardaten wieder herauszurechnen?

  • also windenergie sorgt für weniger klimaerwärmung weil die windkraftwerke co2 strom erzeugen .weniger klimaerwärmung sorgt für weniger unwetter(ahrtal)also wird die wettervorhersage nicht mehr so wichtig.wettervorhersagen werden durch flugzeuge,satelitten,schiffe,bodenstationen usw. berechnet . windräder beieinflussen das wetterradar nur in höhen unter 250m der regen z.b komm aus größerer höhe kann also durch messungen aus größerer höhe erfasst werden. www.op-online.de/h...sind-13647193.html

    • @prius:

      Ich habe nichts gegen Wind und Solar. Es kann nur nicht den Energiebedarf eines 'weiter so' decken, zumal die dafür benötigten Rohstoffe und Paneele nicht hierzulande zu bekommen sind und die Abhängigkeit nur ändert zum Beispiel gegenüber China. Und alles, was auf einem Markt erst beschafft werden muss, wird teurer, je mehr wir davon benötigen. Eine Weltwirtschaftskrise ist nicht mehr aufzuhalten und die meisten hierzulande sind abhängiger vom Wirtschaftskreislauf als vor dem Arbeitsplatzabbau durch höhere Produktivität und der Verlagerung der Arbeit in ferne Länder. Wenn niemand mehr LÖhne erwirtschaften kann für sein Privatvergnügen -und dieser 'Industriezweig' inklusive Kultur und Tourismus bindet inzwischen mehr als 50% der Beschäftigten, die dann keine Steuern erwirtschaften können, so dass das viele gedruckte Geld nicht mehr helfen kann. Gold und eine Leitwährung mag noch als Zahlungsmittel überleben, aber wenn alle auf den $ setzen, geht das ebenso schief. Eintige Chance: Vorbereitung auf diese Krise durch Aufbau paralleler Gemeinwohl-Ökonomie-Strukturen, die Hungern und Frieren eindämmen könnten mit Rohstoffen, über die wir selbst verfügen. Bei richtiger Verteilung muss niemand hungern, wenn er mitarbeiten kann.

  • Es ist immer wieder überraschend, wie Laien Fachpublikationen bewerten. Anstatt erstmal die Datenquellen zu prüfen, die Methodik nachzuvollziehen und die Ergebnisse nachzurechnen, wird geschaut, wer hat zu welchen Anteilen beigetragen und ist dabei möglicherweise irgendeiner bestimmten Motivation gefolgt.

    Kein Wunder, dass Politik und Wissenschaft sich so schlecht verstehen.

  • Es stellt sich -wieder einmal- heraus, wir sind für alternative Maßnahmen noch im Experimentierstadium. Da der letzte Hersteller der Rotorblätter hierzulande gerade im Solvenzverfahren festhängt, stellt sich die Frage der a) der Schnelligkeit und b) der Wirksamkeit und C) -ganz entscheidend im Kapitalismus, wenn mehr Nachfrage als Angebot vorherrscht und damit gute Geschäfte=Profite locken- nach der Finanzierbarkeit (alle großen Projekte waren bisher mehrfach teurer als vorhergesehen). Am Energiesparen bis hin zum heissen Duschwasser kommen wir leider nicht vorbei. Und je länger wir warten, umso mehr Fahrzeuge und Jets müssen wir abwracken. Kreuzfahrtschiffe könnten noch zu Wohnungen in Citylage umgebaut werden. Aber alles nur, wenn wir uns gleich auf die RICN massnahmen -und das schnell und konsequent- vorbereiten. JEDES Privatfahrzeug, das noch vom Band läuft ist eines zuviel (bitte ins Archiv übernehmen, für die Ewig-Gestrigen!!).

    • @Dietmar Rauter:

      Keine Privatfahrzeuge mehr? Ihnen ist klar dass hier auf dem Dorf ein überwiegend leer fahrender Bus ein ökologischer Albtraum ist? Insbesondere wenn er auch noch in der Frequenz fährt die nötig ist um den Menschen hier eine angemessene Mobilität zu ermöglichen

    • @Dietmar Rauter:

      Also eigentlich stellt sich bei dem Artikelthema keine der von Ihnen genannten Fragen. Vielmehr geht Ihr Kommentar völlig am Artikelthema vorbei.

  • Man müsste sich doch erst einmal anschauen, wie viele Flächen davon tatsächlich betroffen sind. Jedes mal, wenn irgendwelche noch so kleinen Einschränkungen der Fläche für Windkraft zur Diskussion stehen (was auch für den Naturschutz gilt) wird gleich geraunt man wolle die Energiewende torpedieren. Oft sind es nur Scheingefechte, die wenig Sinn ergeben.

    • @Axel Donning:

      Und, haben Sie es sich angeschaut, bevor Sie mit Ihrem Kommentar suggeriert haben, es sei eine "noch so kleine Einschränkung"? Der DWD betreibt 17 Wetterradare in Deutschland und fordert einen Tabu-Radius von 15 km. Das sind also pro Radar 706 km² und insgesamt 12.016 km². Das sind 3,3 % der gesamten Fläche Deutschlands. Einfach so tabu, egal, ob die Bedingungen ansonsten gut sind und Siedlungen ausreichend weit weg. Das war jetzt wirklich nicht schwer zu recherchieren - hätten Sie auch tun können.

      • @Graustufen:

        Habe ich aber nicht, und da sind Sie ja so freundlich gewesen... Ich kenne die Diskussion aus dem Naturschutz: Da werden Flächen für absolut unverzichtbar gehalten, die aber eben auch eine Bedeutung für den Natur- und Artenschutz aufweisen. Und da wir leider immer so getan, als sei dieser Zielkonflikt immer automatisch für die Windkraft zu entscheiden. Zudem hätte ich dann noch ganz gerne die Info, wieviel % der von Ihnen genannten 3,3% der Landesfläche denn für die Windkraft ganz doll geeignet sind? Da Sie ja so toll im Recherchieren sind: Sein Sie doch bitte so nett.

      • @Graustufen:

        Und diese Radarstationen stehen gerade in möglichst wenig besiedelter, erhöhter, freier Fläche, damit gut gemessen werfen kann.



        Es sind ganz ähnliche Ansprüche wie für Windkraft, so dass es gerade die wirklich guten Flächen betrifft...

  • "es solle ein Ergebnis herauskommen, „das dem DWD gefällt"

    Da heult also einer rum, weil er kein Gefälligkeitsgutachten bekommen hat.

    "Der Ingenieur leitet im Örtchen Wiemersdorf ein Büro, das europaweit Photovoltaik- und Windparks plant und entwickelt."

    Klingt auch sehr interessengeleitet... Ein wahrer Kämpfer für die gute Sache.

    Machen wir es doch so: er darf Analgen bauen wie er will, stören diese aber auch nur 1x den Betrieb, sind diese innerhalb von 4 Wochen vollständig, inkl. Fundeamente rück zu bauen. Alle!

    • @danny schneider:

      Wieso? Hat der DWD Pachtverträge mit allen Grundstückseigentümern im 15 km Radius um all seine 17 Radare? Wieso sollte er also vorschreiben dürfen, was dort passiert? Weil seine Arbeit hochwichtig für die Bevölkerung ist? Hat ja in Ahrweiler super funktioniert.

      • @Graustufen:

        Bitte.

        Die Arbeit ist nicht nur hochwichtig, sie ist kritisch. Die Landwirtschaft benötigt diese Daten, der Flugverkehr, der Katastrophenschutz.

        Ahrweiler - so wie alle Katastrophenlagen, scheiterten nicht am DWD - sondern in diesem Falle sogar recht eindeutig benennbar an der Unfähigkeit einzelner Minister und untergeordneter Behörden.

      • @Graustufen:

        Ahrweiler lag nicht am DWD, sondern dass die Infos nicht rechtzeitig als Warnung an die Bevölkerung weitergegeben worden sind!