piwik no script img

Gezerre um Verfassungsrichter*in-PostenEin Rückzug wäre das falsche Signal

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf ist maßlos. Sie selbst agiert klug. Die SPD sollte gegenüber der Union auf ihr beharren.

Agiert klug: Frauke Brosius-Gersdorf, am 15.4.2025 Foto: Frederic Kern/imago

F rauke Brosius-Gersdorf, Kandidatin als Richterin am Bundesverfassungsgericht, hat angekündigt, unter bestimmten Umständen ihre Kandidatur zurückzuziehen. Angesichts der Schmutzkampagne, die seit einigen Wochen über sie hereingebrochen ist, ist das persönlich nachvollziehbar; auch zeugen ihre Argumente – Schaden vom höchsten deutschen Gericht abwenden und nicht zu einer Regierungskrise beitragen zu wollen – von großem Verantwortungsbewusstsein für die Demokratie. Es ist trotzdem das falsche Signal.

Die anerkannte Staatsrechtlerin ist weder dafür verantwortlich, dass das Gericht Schaden nehmen könnte, noch dafür, dass die Bundesregierung in einer Krise steckt. Das hat diese schon selbst verbockt, ganz besonders die Union. Zweitens wäre der Rückzug ein Sieg einer orchestrierten Kampagne, der eine Art Präzedenzfall schaffen könnte: Die Wahl einer Richterin mit einer liberalen Haltung zum Thema Abtreibung wäre künftig deutlich erschwert, wenn nicht unmöglich. Und drittens könnte die Union den gravierenden Fehler, den sie am vergangenen Freitag begangen hat, nicht aus der Welt schaffen. Da ist sie im Galopp in die Falle der rechtsradikalen Kulturkämpfer gerannt und hat die Mitte preisgegeben, in der die Koalition eigentlich stehen sollte.

Nun kann man sagen: Die Abtreibungsfrage ist für die Union nun einmal zentral und die Wahl von Brosius-Gersdorf deshalb ein Problem für sie. Es geht bei dieser Wahl aber nicht um die Abstimmung zum Paragraf 218; der zweite Senat, in den Brosius-Gersdorf einziehen soll, wäre im Regelfall für das Thema nicht einmal zuständig. Es geht um die Nachbesetzung in dem bewusst breit aufgestellten höchsten deutschen Gericht. Dort sollte Platz für eine Frau mit einer Position sein, die mehr als drei Viertel der deutschen Bevölkerung teilen – und die auf anderen Feldern eher wirtschaftsliberale Positionen vertritt. Ein solches Gericht, zentraler Teil des demokratischen Rechtsstaats, sollte auch der Union am Herzen liegen.

Im Gespräch bei „Markus Lanz“ hat Brosius-Gersdorf beherzt mit all den Lügen aufgeräumt, die über sie verbreitet wurden. Und deutlich gemacht, dass sie sich des Rollenwechsels, der mit dem Gang nach Karlsruhe notwendigerweise verbunden ist, bewusst ist. Eines Rollenwechsels, den im Übrigen mehrere CDU-Politiker bereits vollzogen haben. Aber auch den Auftritt bei „Markus Lanz“ versuchen manche der Kandidatin anzukreiden: Durch ihre Offensive trage sie zur Politisierung des Verfassungsgerichts bei.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Nur: Was soll sie denn tun? Schweigend dabei zuschauen, wie Hetzer im Zusammenspiel mit der Union ihren Ruf ruinieren und einen Sieg davontragen? Die Verteidigung durch die SPD, deren Spitze abgetaucht zu sein scheint, lässt jedenfalls zu wünschen übrig. Natürlich wird derzeit hinter den Kulissen nach einer Lösung für die verfahrene Situation der Koalition gesucht. Der Rückzug der Kandidatin wäre dafür der einfachste Weg. Richtig aber wäre ihre Wahl.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
Mehr zum Thema

43 Kommentare

 / 
  • Dass sich gerade katholische fundamentalistische Bischöfe, die eine Paralleljustiz in diesem Land im Bereich des Arbeitsrechts und bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Kindesmissbrauchs betreiben sich überhaupt moralisierend zu unserem Rechtsstaat äußern und ihre rein männlichen problematischen Ansichten zu Rechten von Frauen verbreiten bereitet mehr als nur Übelkeit und sollte eher die Überlegung auslösen, ob ein Verbot der katholischen Kirche in Deutschland nicht langsam die richtige Antwort auf diese verfassungsfeindlichen Paralleljustiz- und Struktur im Klosterkeller wäre.

  • Frau Brosius-Gersdorf ist bewusst, dass sie nicht gewählt wird. Sonst wäre sie nicht bei Herrn Lanz aufgetreten. Solche Auftritte eines nominierten Richters hat es noch nie gegeben.

    Tatsächlich liegt der Ball bei der SPD, die sich intern neu positionieren muss. Die Kandidatur von Frau Brosius-Gersdorf scheint insbesondere dem Linken Flügel versprochen worden zu sein und die Parteispitze muss jetzt irgendwie den inneren und äußeren Zwist lösen.

  • taz: *... wäre der Rückzug ein Sieg einer orchestrierten Kampagne, der eine Art Präzedenzfall schaffen könnte: Die Wahl einer Richterin mit einer liberalen Haltung zum Thema Abtreibung wäre künftig deutlich erschwert, wenn nicht unmöglich.*

    Nicht nur Richter mit einer 'liberalen Haltung zum Thema Abtreibung' hätten es dann schwerer, sondern auch alle anderen Richter/Richterinnen, die nicht dem 'konservativ-rechten Bild' einiger sogenannter "Volksvertreter" entsprechen.

  • Die Informierung der Öffentlichkeit über juristische und moralische Positionen einer Kandidatin für das Amt einer Richterin am BVerfG als Schutzkampagne zu diffamieren ist genau das: Eine Schmutzkampagne. Zumal ihre Veröffentlichungen z. B. zum Thema Menschwürde teilweise schon haarsträubend sind.

    • @Samvim:

      *eyeroll*



      Über Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf wurde vor dem Wahltermin massiv gezielt DESinformiert. Das ist die Schmutzkampagne.

      Bitte lesen Sie doch dazu mal hier taz.de/Rechte-Hetz...Gersdorf/!6097369/ weiter...

    • @Samvim:

      Die sind nicht haarsträubend, nur wenn man etwas hineininterpretiert, was da nicht steht.



      Es geht bei der Frage der Menschenwürde des Fötus um eine Abwägung mit der Menschenwürde der Mutter.

    • @Samvim:

      Die Veröffentlichungen stellen " nur " Abwegungen , die Frau Brosius-Gersdorf, bezüglich ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit, in verschieden Themenbereichen kompetent und sorgfältig erarbeitet hat da, nicht ihre persönliche Meinung.

    • @Samvim:

      Man sollte sich mit dem Thema vielleicht zuerst beschäftigen, bevor man es als Argument anführt.



      Frau Prof. Brosius-Gersdorf begründet ihre Ansicht der "Menschenwürde erst ab Geburt" mit dem Umstand, dass man ansonsten formaljuristisch 2 Menschenwürden gegeneinander abwägen müsse, was nicht Sinn des GG ist. Sie ist vielmehr dafür, dass vor der Geburt tatsächlich immer noch das Recht auf Leben besteht, Art. 2 Abs. 2 GG, welches lediglich eine juristische Abgrenzung zur Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG, darstellt ohne sie zu negieren.

  • Kleiner Nachtrag zur erwähnten Frauenrechtlerin Augspurg, die auf der Liste der USPD kandidierte.

    Während der Machtübernahme der NSDAP waren Augspurg und ihre Lebensparterin Heymann auf einer Auslandsreise, von der sie nicht nach Deutschland zurückkehrten.



    Sie befürchteten Repressalien, da sie unter anderem 1923 beim bayerischen Innenminister die Ausweisung des Österreichers Adolf Hitler wegen Volksverhetzung beantragt hatten.

    Ihr Besitz wurde beschlagnahmt. Ihre Bibliothek und alle Aufzeichnungen aus ihrer jahrzehntelangen Arbeit in der nationalen und internationalen Frauenbewegung gingen verloren.

    Die NS-Diktatur zerstörte die Grundfesten der Frauen- und Lesbenbewegung von der sie sich nur schwer erholte und erst in den sechziger, siebziger Jahren wieder großen Aufschwung erhielt.

    Heute bedrohen reaktionäre Medien, AFD, die Neuen Rechte und Teile der immer reaktionäreren CDU/CSU diese wieder.

    Wikipediaeintrag

    de.wikipedia.org/w...spurg#cite_note-24

    • @Lindenberg:

      Sehr guter Beitrag - die " Neue Rechte " sind wirklich als eine große Gefahr für unseren Staat zusehen. Sie stellen eine undifferenzierte Verbindung / Organisation durch die Mitglieder zwischen AfD, CDU / CSU da. Gerade auch in Hinsicht ihrer Ideologien bezüglich. lebenswertes Leben, Abtreibung, Heimatbewusstsein, Homophobie - schon alles sehr skurrile Ansichten, werden da vertreten und beeinflussen die Gesellschaft sehr negativ ! Dabei sollen die Neuen Rechten dann noch einen Anschein des" Bürgerlichen " nach außen vermitteln.



      Die Neue Rechte ist als BRANDGEFÄHRLICH einzustufen !

  • Vor allem sollte wan Rechtsradikale/-extremisten und Konservative nicht zusammenschweißen, indem wan sie über einen Kamm schert.



    .



    Die Bruchlinie läuft in der Frage Abtreibung da, wo es christlich orientierten Konservativen aus ihrer Sicht um den Schutz ungeborenen Lebens geht, wohingegen Faschisten menschliches Leben, die Menschenwürde letzlich völlig egal ist.



    .



    Die Positionen von Brosius-Gersdorf gehören in der Union sachlich diskutiert, die Rechtspolitiker dort haben im Ausschuss ihrer Wahl nicht grundlos zugestimmt, Spahn hat sie nicht unbedacht vorgeschlagen.



    .



    Die Stellungnahme des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bätzing, zu ihren Gunsten - sie habe es "nicht verdient, so beschädigt zu werden" ist auch in dieser Hinsicht sicher hilfreich.



    .



    "Auch diekatholische Laienbewegung Maria 2.0 stellte sich unterstützend auf die Seite von Brosius-Gersdorf und warf zugleichkonservativen Bischöfen Verantwortungslosigkeit und Unglaubwürdigkeit vor" geht in die gleiche Richtung.



    .



    www.zeit.de/gesell...katholische-kirche

    • @ke1ner:

      meine Theorie dafür warum Spahn der SPD-Kandidatin zugestimmt hat ist, dass die SPD ihrerseits Spahn versprochen hat ihn in der Maskenaffäre zu schützen. Eine Hand wäscht die andere. Nur hatte Spahn nicht mit der CDU-Basis gerechnet.

  • Lange war es her - in den 70er Jahren - da kämpfte der Stern mit feministischen Frauen auf der Titelseite fürs Abtreibungsrecht. Und heute?



    Frau Amann vom Spiegel hat Brosius-Gersdorf bei Lanz abgehakt: keine Chance bei der Richterwahl aufgrund der Gegenstimmen der CDU! Was für eine unpolitische Einstellung!

    Und auch die SPD schaut - wie die taz richtig bemerkt - zu. Dabei wäre jetzt die Zeit, dass Frauen und Männer in den Medien und der Politik gemeinsame Sache machen und darum kämpfen, dass die Kandidatur von Frau Frauke Brosius-Gersdorf nicht an unsachgerechten Argumenten, wilder Polemik und Übelwollen scheitert.

    Britta Haßelmann hat die antifeministischen Argumente bei dieser Wahl zurecht angeprangert.

    Wo sind die jungen Frauen in der SPD, CDU, der FDP, oder auch in der Medien, die der vorgeschlagenen Richterin den Rücken gegen eine infame Kritik stärken?

    Erinnert sei an Anita Augspurg, eine deutsche Juristin, Frauenrechtlerin und Pazifistin, die sich im Kaiserreich und der Weimarer Republik für die rechtliche Gleichstellung von Frauen einsetzte.



    Zieht Frau Brosius-Gersdorf zur Wahl zurück, tut sie dem historischen Kampf für die Rechte von Frauen keinen Gefallen.

    • @Lindenberg:

      Frau Brosius-Gersdorf sollte sich auf keinen Fall zurückziehen. Vielleicht Interviewt man einmal Frau Katharina Reich und Frau Bär wie sie zu der " Neue Rechte " stehen.

  • Für einen verständigen Menschen, der vorgibt die Demokratie schützen zu wollen, kann es nur eine Lösung geben. Nämlich dass die Union den Fehler einräumt und korrigiert.



    Natürlich ist es peinlich, wenn ein Profi auf anonyme Hetze hereinfällt und es ist noch viel peinlicher das zugeben zu müssen.



    Aber wollen wir wirklich, nur zum Zwecke der Gesichtswahrung, unsere Eitelkeit über das Notwendige stellen? Die Frage geht an die Damen und Herren der Union!

    • @Bernhard Dresbach:

      "Für einen verständigen Menschen, der vorgibt die Demokratie schützen zu wollen, kann es nur eine Lösung geben. Nämlich dass die Union den Fehler einräumt und korrigiert."



      Für einen verständigen Demokraten ist bereits die Bezeichnung einer verlorenen Wahl als zu korrigierenden Fehler ein No-Go.

  • Je mehr über die Ansichte dieser Kandidatin bekannt wird und je öfter sie versucht, bei Lanz&co. die berechtigte Kritik an diesen als rechtsextrem zu diffamieren, desto klarer zeigt sich, dass sie als Verfassungsrichterin völlig ungeeignet ist. Gut, dass eine freie Presse und gewissenhafte Abgeordnete dies erst einmal verhindert habe!

    • @Peter Wenzel:

      Dass Sie es sind, die Damen und Herren aus der erzkonservativen rechten Ecke, die hier diffamieren, halten sie natürlich für völlig ausgeschlossen. Denn Ihrer Meinung nach, gehören in ein Bundesverfassungsgericht nur solide, konservative Richter:innen, die im Zweifel den bürgerlich ewig Gestrigen das Wort reden und keinen Zweifel an der ultimativen Wahrheit der Kirchen aufkommen lassen.

      Super! Demokratie an die Wand gefahren.

    • @Peter Wenzel:

      Ist das jetzt Satire oder ernst gemeint. Im ersten Fall bitte kennzeichnen, anderenfalls bitte dringend einen Arzt aufsuchen.

  • Wie die Kommentatorin darauf kommt, dass die SPD-Spitze „abtaucht“ ist mir ein Rätsel. Klingbeil und Miersch haben sich eindeutig positioniert. Was soll dieses subtile Bashing?

  • >Die Verteidigung durch die SPD, deren Spitze abgetaucht zu sein scheint, lässt jedenfalls zu wünschen übrig.<

    Ausblick:



    Afd-Verbotsverfahren mit von der spd vorgeschlagenen afd-kritischen Richterinnen. Mitte wird postuliert zwischen Spd und cdu. Wahlergenis rechts der Mitte 28+21=49% - links der Mitte 16+12+9=37%.

    Daraus wird nach dem afd-Verbot die spd-geführte Mehrheit mit 37:28 = 56%.

    Kann man das wirklich wollen?

    • @A. Müllermilch:

      Ja, selbstverständlich. Übrigens ist eine Richterin, die eine nachweislich verfassungsfeindliche Partei- AFD - überprüfen lassen will, nicht AFD kritisch, sondern handelt im Auftrag der Verfassung und des Grundgesetzes. Die Verfassungsfeindlichkeit ist in praktisch jeder Bundestagsrede der AFD zu besichtigen.

  • Ergänzung: Es gibt den rechtsstaatlichen Grundsatz der richterlichen Selbstbeschränkung. Von diesem sollte auch Gebrauch gemacht werden, wenn man ein höchstrichterliches Amt anstrebt. Damit vermeidet man den Vorwurf, man würde aus parteipolitischen Gründen vorsorglich in Stellung gebracht. Und im Endeffekt auch erfolgreiche Befangenheitsanträge, wie die Causa Peter Gauweiler/Astrid Wallrabenstein zeigt.

  • Mir ist diese Aufregung immer noch nicht verständlich. Man hat 2015 die Richterwahl nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen aus den „Hinterzimmern“ geholt und zur Angelegenheit des gesamten Plenums gemacht. Das hat, wie in Demokratien üblich, erhöhte Anforderungen an die Konsensfähigkeit des Abstimmungsgegenstandes zur Folge. Frau Brosius-Gersdorf hat ihre rechtswissenschaftliche Kompetenz nun nicht etwa nur mit Beiträgen z.B. zum Hypotheken- oder Kartellrecht unter Beweis gestellt, sondern sich in der Öffentlichkeit, insbesondere in den Medien, zu politisch und gesellschaftlich höchst kontroversen Themen (Abtreibungsrecht, Impfpflicht) positioniert, von denen zudem anzunehmen ist, dass sie das Bundesverfassungsgericht in nicht allzu ferner Zukunft - erneut - beschäftigen werden. Die nun geführte Debatte kann also nicht ernsthaft verwundern. Das Argument, die Person und/oder Verfassungsorgane würden dadurch beschädigt, halte ich für scheinheilig; Grüne und Linke hatten früher sogar eine Anhörung der Kandidaten im Parlament gefordert. Es liegt auf der Hand, dass die Kandidaten dann noch viel mehr in US-amerikanischer Tradition „gegrillt“ werden würden.

    • @Jan Schubert:

      "..Frau Brosius-Gersdorf hat ihre rechtswissenschaftliche Kompetenz nun nicht etwa nur mit Beiträgen z.B. zum Hypotheken- oder Kartellrecht unter Beweis gestellt, sondern sich in der Öffentlichkeit, insbesondere in den Medien, zu politisch und gesellschaftlich höchst kontroversen Themen (Abtreibungsrecht, Impfpflicht) positioniert......!" Und das zeigt doch - wie bei Lanz zu besichtigen - ihre höchst besondere Eignung für das Amt. Sie hat nicht ihre Meinung vorgetragen, sondern die Sachverhalte in ihrer Komplexität anschaulich dargestellt, insbesondere die höchstkomplexe Problematik in der Abtreibungsfrage.

    • @Jan Schubert:

      Das öffentliches Grillen (:= standhaftes Hinterfragen angreifbarer Punkte auf Seiten des Bewerbers unabhängig von der politischen Richtung) zunehmend zum demokratischen Prozess gehört scheint einigen Forumsmitgliedern hier unklar zu sein. Den Geist bekommt man auch nicht mehr in die Flasche, da alternative Medien nicht zu kontrollieren oder zu verbieten sind. Gute Argumente sind gefordert. Die etablierte Hinterzimmer Vorgehensweise auf die Merz und Spahn sich wohl verlassen haben läuft nicht mehr. Das ausgerechnet die Linke dabei nur auf den aktuellen Fall B-G mit Schaum vor dem Mund schaut, hinterlässt den Eindruck der Kurzsichtigkeit.

  • Richtig!



    Merz und die CDU haben die Oppositionsrolle noch nicht abgelegt.



    Merz redet ja ansonsten oft schneller als er denkt...



    Gerade ist er der Meinung, sich mal ein bisschen Zeit fürs Nachdenken nehmen zu wollen. Leider wieder falsch!



    Es wäre jetzt Zeit Handlungsfähigkeit zu beweisen: mit dem Koalitionsparter (ab-) stimmen und Spahn entlassen.



    Dann würde er einmal als Bundeskanzler agieren - allein- er kann es einfach nicht!

  • Ich beobachte seit vielen Jahren, dass insbesondere die früheren 'Altparteien' nicht mehr in der Lage sind, das große Ganze im Blick zu halten. Kleinklein und Rechthaberei, Schielen insbesondere auf die Springer-Presse bestimmen das Handeln, nicht nur, weil es offensichtlich möglich ist, Progrome wirken zu lassen, wie es bei einer Richterwahl, bei der es um die Integrität wichtiger Persönlichkeiten geht, gerade passiert. Oder erst wenn ausgerechnet das Institut der Deutschen Wirtschaft (bei dem davon auszugehen ist, dass die Autoren die Sozialversicherungsbeiträge niedrig halten möchten) der Politik den Vorschlag unterbreitet, dass 'reiche' Ruhegeldempfänger bitte schön dazu beitragen möchten, die ärmeren Rentner zu unterstützen, ein Problem, das insbesondere die SPD immer wieder vertagt hat und das einer Union eigentlich eher egal ist. Ob es die die Klimafrage ist, die Lage am Arbeitsmarkt, die Vernachlässigung der Bildung, immer wieder zeigt sich, dass die Gewählten nicht in der Lage sind, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich jetzt, wo es immer kritischer wird, von rechten Verschwörern treiben lassen. 'Berufs'politiker, die wir nicht los werden, versagen dabei, oder ?

  • Vielleicht sollte man den Blick einmal auf den Ehemann von Frau Borius-Gersdorf richten. Herr Hubertus Gersdorf war in der Zeit von 2010 - 2013 in der vom Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. Unteranderem war in dieser Kommision auch Axel Eduard Fischer [ CDU ] gegen den die Generalstaatsanwaltschaft München wegen der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträger im Zusammenhang mit der Aserbaidschan -Affäre Anklage erhoben hat.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Und was kann Her Gersdorf dafür, dass er mit jemand in einer Enquete gesessen hat, der später später wegen Bestechlichkeit angeklagt worden ist?

      Ist das die neue Form von "Kontaktschuld" und "Sippenhaft"?

      Dann aber bitte richtig und eine "schwarze Liste" über alle angelegt, die mit Alexander Gauland zusammengearbeitet haben, als der noch "nur" ein konservativer Politiker und Journalist war.

      Und seit wann ist es für Linke wieder irgendwie relevant, was der Ehemann einer Frau macht, um zu einem Urteil über die Frau selbst zu kommen?

    • @Alex_der_Wunderer:

      Fehlt da ein Absatz, der den Zusammenhang zum erörterten Sachverhalt erklärt?

  • nach einer genauen analyse, die inzwischen deutschlandweit stattfindet, ist klar, dass rechte bis ultrarechte medien und lobbygruppen eine diffamationskampagne lanciert hatten. allein schon aus diesem grund sollten alle cdu(csu mdbs für alle vorgeschagenenen richter stimmen, wie vorgesehen.



    was frau bär bei maischberger von sich gegeben hat, ist hahnebüchen. wer als mdb gegen jemanden stimmt, weil ihm/ihr ein aspekt nicht passt, hat wirklich nichts von demokratie verstanden und den job verfehlt. die nation ist ausserdem kein ponyhof und auch kein wunschkonzert, sondern heimat für 83mio individuen.

    • @the real günni:

      "wer als mdb gegen jemanden stimmt, weil ihm/ihr ein aspekt nicht passt, hat wirklich nichts von demokratie verstanden und den job verfehlt."



      Genau. Warum gegen jemanden stimmen, nur weil er in der AfD ist, aber sonsten ein total dufter Typ?



      ...Sie merken schon, dass dieses Argument nicht wirklich stichhaltig ist, oder?



      Darüber hinaus sei angemerkt, dass Bundestagsabgeordnete ausschließlich ihrem Gewissen verpflichtet sind (sein sollten) und sich demzufolge für ihr Abstimmungsverhalten nicht zu rechtfertigen haben.

  • "Zweitens wäre der Rückzug ein Sieg einer orchestrierten Kampagne, der eine Art Präzedenzfall schaffen könnte: Die Wahl einer Richterin mit einer liberalen Haltung zum Thema Abtreibung wäre künftig deutlich erschwert, wenn nicht unmöglich. "

    Naja zur Wahrheit gehört aber auch, dass erst im Januar auch ein CDU Kandidat mit Segmüller wegen seiner Positionen zu Zurückweisung an der Grenze nicht durchgekommen ist, aufgrund von Blockade der Grünen.

    Den Präzedenzfall haben da eher die Grünen geschaffen.

    (Mal abgesehen davon das es nicht mal ungewöhnlich ist, dass Verfassungsrichter-Kandidaten abgelehnt werden und bereits häufiger vorkamen)

    Der Aufschrei ist grade nur so laut, eben weil Frau Brosius-Gersdorf diese Positionen vertritt, welche sie nunmal geäußert hat (also die echten und nicht verdrehten). Insofern ist der Verweis auf den 2 Senat und dessen Zuständigkeit unpassend. Andernfalls würde man das ja dann nicht so aufbauschen und jemand anderes nominieren, der/die öffentlich eher weniger mit Ihren Positionen auffällt, oder öffentlich gar unbekannt ist.



    Aber um Frau Gersdorfs Positionen scheint es ja zu gehen, weshalb mit Nachdruck versucht wird, sie ins Amt zu bekommen.

  • Ich denke, um das alles mal richtig zu stellen, war der Auftritt bei Lanz richtig.



    Aber zur Befriedigung war es falsch, das zu tun. Frau Brosius-Gersdorf hat sich damit zu sehr exponiert. Das sage ich mit aller Abscheu gegen die Kampagne, die da gefahren wurde, und voller Achtung vor dem Mut dieser Frau.

    • @Karla Columna:

      Sie meinen "Befriedung", und die wäre in dieser Angelegenheit wirklich wünschenswert.



      .



      Oben schreibt @Jan Schubert: 》sondern sich in der Öffentlichkeit, insbesondere in den Medien, zu politisch und gesellschaftlich höchst kontroversen Themen (Abtreibungsrecht, Impfpflicht) positioniert, von denen zudem anzunehmen ist, dass sie das Bundesverfassungsgericht in nicht allzu ferner Zukunft - erneut - beschäftigen werden. Die nun geführte Debatte kann also nicht ernsthaft verwundern. Das Argument, die Person und/oder Verfassungsorgane würden dadurch beschädigt, halte ich für scheinheilig; Grüne und Linke hatten früher sogar eine Anhörung der Kandidaten im Parlament gefordert. Es liegt auf der Hand, dass die Kandidaten dann noch viel mehr in US-amerikanischer Tradition „gegrillt“ werden würden《



      .



      Faktisch gesehen findet so eine Anhörung (und Diskussion) nun an verschiedenen Orten gleichzeitig statt: bei Lanz, in der Wikipedia, den sozialen Medien, auch ein Gesoräch der Kandidatin mit der Union ist angedacht.



      .



      Vielleicht sollte realisiert und akzeptiert werden, dass die Wahl politisch IST und die Diskussion zukünftig durch offizielle Anhörungen im Parlament wenigstens eingehegt werden.

      • @ke1ner:

        Ja ich meinte natürlich Befriedung. Das war Autokorrektur.

        Anders formuliert denke ich, dass Brosius-Gersdorf nicht zu Lanz gegangen wäre, wenn sie sich die Option auf das Amt hätte unbedingt erhalten wollen. So hat sie sich natürlich noch mehr exponiert, mehr Angriffsfläche geboten, und wird für sich klarmachen, ob sie dem Druck standhalten will.

  • .... auf ihr beharren.

    zur Sache:



    Aber ja.



    Alles andere wäre ein Versagen.



    Sie müssten auch auf dem ursprünglichen Plan beharren, sie zur Stellvertreterin des Präsidenten und dann zu seiner Nachfolgerin zu machen.

  • Politische Befangenheit

    An den „absolut gemäßigten Positionen“, mit denen sie bei Lanz wahrgenommen werden wollte, sind erhebliche Zweifel geboten, betrachtet man ihr Plädoyer für die Covid-Impfpflicht mit mRNA-Präparaten. Dazu ließ sie eine studentische Hilfskraft einen Schriftsatz verfassen und 2023 (sic!) veröffentlichen, den sie sodann mit ihrer Unterschrift als Mitverfasserin adelte. Darin wird juristisch stringent gefordert, impfunwilligen gesetzlich Krankenversicherten (nicht Privatversicherten und Beamten!) nach positivem PCR-Test die Kassenleistungen zu versagen. Eingedenk der diesem Ansinnen entgegenstehenden Rechtslage gipfelt die Darlegung in der Forderung an den Gesetzgeber, diese dann eben, bitte schön, entsprechend zu ändern. (s. Brosius-Gersdorf/Friedlein, Mehr Eigenverantwortung in der GKV: Beteiligung Nichtgeimpfter an den Kosten ihrer Covid-19-Behandlung. In: Gesundheitsrecht.blog 2023/9)

    Nun ist es Aufgabe der Verfassungsgerichte, Gesetze auf Verfassungskonformität zu prüfen und ggf.s der Legislative und Exekutive die Ohren lang zu ziehen, nicht aber sich in die Gesetzgebung einzumischen. Dies dürfte den Tatbestand politischer Befangenheit erfüllen.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Ihr Beitrag ist ein schönes Beispiel für die Kampagne, die gegen Frau Brosius-Gersdorf geführt wird. Denn was Sie behaupten, steht in diesem Schriftsatz gar nicht drin.



      Es wird dort überhaupt nichts "gefordert". Weder eine Kostenbeteiligung von Ungeimpften noch Gesetzesänderungen.



      Es wird lediglich vor dem Hintergrund einer damals öffentlich geführten Debatte untersucht, ob die geltende Rechtslage eine Kostenbeteiligung von Ungeimpften überhaupt zulassen oder womöglich sogar erfordern würde.



      Dabei kommt der Text - wie so häufig in der Juristerei - zu keinem eindeutigen Ergebnis und weist eher auf die Schwierigkeiten hin, eine solche Beteiligung zu realisieren. Ohne daraus aber irgendwelche Forderungen abzuleiten.

      Was kommt als Nächstes? Hat Frau Brosius-Gersdorf irgendwann mal einem Bußgeldbescheid widersprochen, woraus sich bestimmt ableiten lässt, dass sie Geschwindigkeitsbeschränkungen generell für verfassungswidrig hält?

      • @Anders Heister:

        👍👍

      • @Anders Heister:

        Juristereien

        Zitat @Anders Heister: „Es wird dort überhaupt nichts "gefordert". Weder eine Kostenbeteiligung von Ungeimpften noch Gesetzesänderungen. Dabei kommt der Text - wie so häufig in der Juristerei - zu keinem eindeutigen Ergebnis“

        Doch, genau dies wird "gefordert", und zwar sehr eindeutig: „Der Gesetzgeber könnte allerdings bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des allgemeinen Gleichheitssatzes eine Vorschrift zur Kostenbeteiligung Versicherter bei Nichtimpfung gegen Covid-19 einführen und das Solidarprinzip auf diese Weise neu justieren.“ (Brosius-Gersdorf/Friedlein, Mehr Eigenverantwortung in der GKV: Beteiligung Nichtgeimpfter an den Kosten ihrer Covid-19-Behandlung. In: Gesundheitsrecht.blog 2023/9)

        Dieser Satz hat zur Voraussetzung, daß es solche gesetzlichen Vorschriften bis dato noch nicht gegeben hat und folglich erst eingeführt werden sollten.

      • @Anders Heister:

        Wo sehen Sie in den Ausführungen von Gutsche eine Kampagne? Er hat lediglich etwas zugespitzt formuliert, das haben Sie doch auch getan.

        Richtig ist, dass es sich um ein Gutachten handelt. in Ihm wird keine Forderung aufgestellt. Falsch ist, dass es nicht zu einem Ergebnis gekommen wäre. Der Grundsatz der Eigenverantwortung, so heißt es im Gutachten, sei ein elementarer



        Baustein des verfassungsrechtlichen Solidarprinzips, das es rechtfertige, Versicherte bei



        eigenverantwortlicher Krankheitsverursachung an den Kosten ihrer Krankenbehandlung in



        angemessener Höhe zu beteiligen.

        Politisch gewollt war eine Impfpflicht mit Sanktion, das Gutachten hält dies für verfassungsrechtlich gestaltbar.

        Selbstverständlich darf ich das gesamte Vorhaben für falsch halten, zumal sich diese Argumente genau so auf Rauchen, Drogenkonsum, ungesunde Ernährung, Zweiradfahren oder jedes beliebig andere Hochrisikoverhalten ausdehnen lässt.

        Was ist also an der Ablehnung dieser Auffassung eine Kampagne?