Gewalt an der Sharif-Universität: Schaut hin!
Medien und Politik im Westen begreifen nur schwer, was in Iran geschieht. Es wird Zeit, die koloniale Brille abzusetzen und angemessen zu berichten.
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W ährend die Studierenden der Elite-Universität Sharif in Teheran in der Nacht auf Montag – eingeschlossen und bedroht von Sicherheitskräften und den berüchtigten Basidsch-Milizen – um ihr Leben fürchten, treffen sich rund achttausend Exil-Iraner*innen aus der ganzen Welt in einem Twitter-Space. Sie fühlen sich hilflos, sie haben Angst, und die Trauer um die Geschehnisse rund um die Sharif-Universität ist sogar im digitalen Raum spürbar. Die Frage: Wie können wir den Studierenden in Iran helfen?
Das wichtigste Anliegen der Exil-Iraner*innen: Aufmerksamkeit erzeugen. Ausländische Politiker*innen und Medien darauf aufmerksam machen, dass in Teheran ein Massaker an jungen Menschen droht. In der Hoffnung, dass das Regime weniger brutal zuschlagen würde, wenn es sich beobachtet fühlt. Aufmerksamkeit als Verteidigung. Denn obwohl schon seit Stunden Videos in die Außenwelt dringen, wird in ausländischen Medien kaum darüber berichtet.
Also werden Tweets verbreitet, Videos geteilt, auf denen zu sehen ist, wie Sicherheitsbeamte auf Protestierende einprügeln, wahllos in Autos schießen, auf denen Straßen voller Menschen zu sehen waren, und Eltern, die zur Universität stürmen, um ihre Kinder zu retten. Die Szenen, die sich an der Uni abspielten, glichen denen in einem Kriegsgebiet. In den sozialen Medien verglichen Menschen vor Ort das Vorgehen der Sicherheitskräfte mit der Brutalität der Terrormiliz Islamischer Staat.
Es hat der stundenlangen Anstrengung tausender Twitter- und Instagram-Profile und Multiplikator*innen bedurft, bis westliche Medien überhaupt richtig hinschauen.
Weder in den Medien noch in der Politik scheint die fundamentale Bedeutung dessen, was gerade in Iran geschieht, gesehen zu werden. Was sich dort abspielt, ist nicht weniger als eine Revolution im sogenannten Nahen Osten: Eine genuine Frauenrechtsbewegung, getragen von allen Geschlechtern, allen Ethnien, allen Altersgruppen.
Die Werte, für die die Menschen kämpfen, kommen nicht von außen, nicht vom Westen, denn alle Werte, die ein freies Land braucht, sind bereits da. Es braucht Kampf, es braucht Willen, es braucht das Wissen, dass man gewinnen kann gegen die patriarchalen Strukturen.
Und es braucht einen Westen, der die Menschen ernst nimmt, der nicht hofft, dass die „Unruhen“ wieder vorbeigehen, damit wieder Ruhe im Karton ist. Einen Westen, der die kolonialistische Brille ablegt, mit der er in diese Region schaut. Einen Westen, der nicht die Sprache der Unterdrücker spricht, sondern die Sprache der Unterdrückten versteht. Medien, die sich ernsthaft mit diesem Land beschäftigen. Denn: The Revolution must be televised.
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