Frankreich nach der Wahl: Linkes Bündnis droht zu zerbrechen
In Frankreich können die linken Wahlsieger sich nicht auf einen Personalvorschlag einigen. Präsident Macron will vorerst eh keinen neuen Premier.
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Bereits am Freitag fragte Le Figaro, ob diese Linke, die sich trotz ihrer Differenzen für die Parlamentswahlen vereint hatte, überhaupt regieren wolle. Bei den Wählern und Wählerinnen des Nouveau Front Populaire (NFP), der bei ihnen große Hoffnungen geweckt hatte, wächst angesichts des Spektakels der Eitelkeiten und Empfindlichkeiten der beteiligten Parteien der Frust.
Wie alle in Frankreich waren auch die Linksparteien von ihrem (relativen) Sieg überrascht. Sie hatten ihr Bündnis in aller Eile und auch mit einer gewissen Improvisation mit dem einzigen gemeinsamen Ziel geschlossen, die Machtergreifung durch die extreme Rechte zu verhindern, was dann auch gelang. Was jedoch zunächst den Zusammenhalt ermöglicht hat, fällt damit weitgehend weg.
Und ein Mechanismus, sich in demokratischer Weise auf einen eventuellen Premierminister oder -ministerin oder gar ein Kabinett zu einigen, war nicht vorgesehen. Auch eine gemeinsame Kandidatur für den Vorsitz der Nationalversammlung und für andere parlamentarische Ämter ist problematisch geworden.
Macron gewinnt Zeit
Die Linksparteien stellen zwar aufgrund der Wahlergebnisse vom 7. Juli zusammen den größten Block von Abgeordneten in der Nationalversammlung, aber sie verfügen nicht über eine regierungsfähige Mehrheit. Die Perspektive, eventuell mit den gegnerischen Macronisten kooperieren zu müssen, spaltet die linke Allianz. Für die LFI von Jean-Luc Mélenchon steht so etwas nicht zur Debatte. Sozialisten und Grüne dagegen hätten offenbar weniger Bedenken. Da sich die NFP nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag für den Namen eines Premierministers oder Premierministerin einigt, kann Macron wie gewollt Zeit für eine andere Lösung gewinnen.
Nach einer letzten Ministerratssitzung hat Staatspräsident Emmanuel Macron den Rücktritt von Premierminister Gabriel Attal und seiner Regierung akzeptiert. Ein neues Kabinett und einen neuen Regierungschef bekommt Frankreich aber nicht sofort. Attal und seine Regierung müssen bis auf Weiteres die „laufenden Geschäfte“ weiterführen und wären auch im Krisen- oder Katastrophenfall zum Handeln berechtigt. Die Verfassung der Fünften Republik sieht dies für einen solchen außergewöhnlichen Fall vor.
Ein Machtvakuum soll es nach dem Regierungsrücktritt nicht geben. Es handelt sich um eine sonderbare Übergangszeit, da zum Beispiel Attal gleichzeitig Noch-Premier, aber zugleich auch Abgeordneter der Nationalversammlung sein wird, was grundsätzlich einen Verstoß gegen das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung darstellt.
Wie lange dieses Provisorium dauern soll, ist unklar. Macron hat aber angedeutet, dass es ihm nicht unlieb wäre, wenn diese Interimsperiode bis nach den Olympischen Spielen in Paris, das heißt bis Mitte September, dauern könnte. Wenige Stunden vor ihrem offiziellen Rücktritt hat die Regierung Attal noch diverse Dekrete im Amtsblatt publiziert, namentlich Ausführungsbestimmungen zum Immigrationsgesetz, das nach einer hitzigen Debatte im Januar verabschiedet wurde, anschließend aber vom Verfassungsgericht für teilweise ungültig erklärt worden war.
Kommt eine formelle Allianz
Macron hofft weiter, dass seine Parteien der Mitte bei ihren Diskussionen hinter den Kulissen mit diversen Gesprächspartnern von links und rechts (etwa mit Sozialisten und Grünen sowie mit Konservativen und Zentristen) eine breite Koalition samt regierungsfähiger Mehrheit zustande bringen.
Der bisherige Innenminister Gérald Darmanin äußerte sich dagegen sehr interessiert an einer formellen Allianz der Macronisten mit den Konservativen der Partei Les Républicains (LR), selbst auf der Grundlage der politischen Bedingungen, die LR-Chef Laurent Wauquiez für einen Pakt genannt hat. Für den Moment scheint in Frankreich so ziemlich die ganze Politik in der Schwebe zu sein.
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