Flüchtlingsgipfel der Union: „Die Luft brennt“
Beim Flüchtlingsgipfel der Union sparen Lokalpolitiker*innen nicht mit Katastrophen-Rhetorik. Die Lage scheint drastisch in den Kommunen.
CDU und CSU präsentieren das Gipfeltreffen am Donnerstagabend als Versuch, solche Horrorszenarien abzuwenden. „Ohne Parteipolitik“, wie CDU-Chef Friedrich Merz immer wieder betont. Trotz solcher Beteuerungen ist klar, dass der Union die Situation nicht ungelegen kommt. Der Unterton an diesem Abend: Die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP seien verantwortlich für die Probleme bei Flüchtlingsaufnahme und Unterbringung.
Tatsächlich scheint die Bundesregierung dem Thema bisher keine allzu große Bedeutung beizumessen. Fast 200.000 Asylanträge gab es letztes Jahr, dazu kamen noch einmal bis zu einer Million Geflüchtete aus der Ukraine. Viele Kommunen sind an der Belastungsgrenze. Zwar gab es zwei offizielle Flüchtlingsgipfel mit Bundesinnnenministerin Nancy Faeser (SPD) – einmal im Oktober und einmal im Februar – nur kam bei denen nicht viel heraus. Kein zusätzliches Geld für die Versorgung der Geflüchteten, keine Strukturreform bei der Aufnahme. Die Kommunen ächzen unter der Belastung weiter. Das greift die Union nun auf.
Dabei zeigt sich am Donnerstagabend aber schnell, dass der Einladung von CDU und CSU hauptsächlich deren eigene Lokalpolitiker*innen nachgekommen sind. Fast alle Wortmeldungen sind von Männern. Fast alle stammen sie aus dem ländlichen Raum. Ein Bürgermeister aus dem Chiemgau lädt alle Anwesenden im breiten bayerischen Dialekt zum Urlaub in seinen Kreis ein.
Bundespolitiker*innen erstaunlich leise
Die meisten, die sich zu Wort melden, fordern vor allem schnellere Abschiebungen. Teils kippt das ins Ressentiments ab. Eine Landrätin aus der Uckermark spricht über Kriminalität von „tschetschenischen Familien“ in ihrem Kreis. Ein Bürgermeister aus dem Erzgebirge raunt, für die Renovierung von Kitas sei kein Geld da, während für Flüchtlinge extra Buslinien eingerichtet werden müssten.
Aber es gibt auch Wortmeldungen, die ohne rassistische Untertöne auskommen. Ein Landrat aus Hessen beklagt: „Es fehlt der Wohnraum, das Personal, die Erzieher und Lehrer.“ Und eine Bürgermeisterin aus Brandenburg wünscht sich vor allem bessere Kommunikation durch Landes- und Bundesbehörden. Mehr Geld und Unterstützung durch den Bund wollen sowieso alle, die sprechen.
Prominente Bundes- und Landespolitiker*innen der Union spielen an diesem Abend nur eine kleine Rolle. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt darf kurz sein Mantra für besseren Schutz der Außengrenzen wiederholen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht sich während einer knappen Podiumsdiskussion dafür aus, Fluchtursachen in den Herkunftsländern entschiedener zu bekämpfen.
Auch CDU-Chef Friedrich Merz hält sich kurz. „Bestärkt“ fühle er sich, sagt er am Ende des Abends. Man wolle nun „lösungsorientiert“ weiterarbeiten. Was genau das heißen soll, sagt er nicht. Und auch wie die Union als Opposition im Bundestag überhaupt etwas für die Kommunen tun will, lässt Merz offen.
Offizielle Beratungen erst im Mai
Grüne, Linke und Zivilgesellschaft hatten schon im Vorfeld der Veranstaltung kritisiert, dass die Union das Flüchtlingsthema für Stimmungsmache nutze, ohne zu Lösungen beizutragen. Filiz Polat, Migrationsexpertin der Grünen im Bundestag, sagte der taz am Donnerstag: „Zur Belastungsprobe in der Flüchtlingspolitik wird immer mehr die Union. Deren Dauerforderungen nach mehr Abschiebungen vergiften die Debatte auf Kosten Geflüchteter.“ Polat fordert: „Es braucht auch Flexibilität: So sollte endlich die Wohnverpflichtung in den Erstaufnahmeeinrichtungen fallen.“ Dadurch könnten die Kommunen deutlich entlastet werden.
Die fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, sagte: „Statt die Situation der Kommunen zu nutzen, um Hass gegen Schutzsuchende zu schüren, sollten sich FDP und Union lieber mit echten Lösungen auseinandersetzen.“ Eine Möglichkeit wäre es etwa, allen Flüchtlingen zu erlauben, außerhalb der Sammelunterkünfte nach eigenen Wohnungen zu suchen.
Auch Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von ProAsyl, sagte der taz: „Flüchtlinge müssen alternative Wohnmöglichkeiten nutzen dürfen.“ Die „vorgefertigten Positionen“ der Union seien „Stimmungsmache gegen Flüchtlinge“. Und Nini Delamond vom Bündnis Seebrücke sagte: „Die Kommunen sind nicht überfordert, weil Menschen fliehen müssen. Die Kommunen sind überfordert, weil seit Jahren unsere soziale Infrastruktur kaputtgespart wurde.“
Das Bundesinnenministerium wollte die Unions-Veranstaltung am Donnerstag nicht kommentieren. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu Initiativen von Parteien, teilte ein Sprecher mit. Die Bundesregierung will am 10. Mai wieder zu einem offiziellen Gipfeltreffen mit den Kommunen zusammenkommen, um über die Situation der Geflüchteten zu beraten.
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