FDP und D-Day: Staatstragende Partei, die von Kettensägenmassakern träumt
Das Problem der FDP ist größer, als wer wann was vom D-Day wusste. Tagsüber macht sie auf Heuss, nachts träumt sie davon, den Sozialstaat zu roden.
D ie FDP-Spitze führt derzeit ein für Außenstehende amüsantes Stück auf. Sie versucht dem Publikum mit halbseidenen Erklärungen nahezulegen, dass der D-Day-Skandal gar keiner war. Und weiß selbst, dass das Publikum weiß, wie dünn ihre Erklärungen sind. Das ist der Stoff für Komödien. Wer in den letzten Tagen Christian Lindners gewundenen Beteuerungen zuhörte, dem mag Kleists „Der zerbrochene Krug“ eingefallen sein, in dem ein Selbstgerechter eine unschöne Entdeckung machen muss. „Denn jeder trägt / Den leid’gen Stein zum Anstoß in sich selbst.“
Wenn man nicht zur schrumpfenden Zahl der FDP-Anhänger gehört, hat die D-Day-Affäre einigen Unterhaltungswert. Die politisch wichtigere Frage lautet: Brauchen wir eine liberale Partei, und wenn ja, wie viele?
Die FDP leidet seit Langem an sich selbst. Sie ist, spätestens seit Schwarz-Gelb Ja zur Euro-Rettung sagte, zerrissen. Tagsüber tut sie so, als wäre sie noch die alte, staatstragende Partei von Heuss und Genscher. Nachts träumt sie davon, mit der Kettensäge den Sozialstaat zu roden und den Bürokratiedschungel zu lichten. Das sind schwere, drängende Träume, wenn man tagsüber mit Lisa Paus regiert. Wir müssen uns die FDP als eine unglückliche Partei vorstellen.
Dieser Zwiespalt ist omnipräsent. Wenn Lindner versichert, er hätte die Ampel verlassen müssen, um als Finanzminister nicht die Verfassung brechen müssen, inszeniert er sich als Liberaler alten Schlages. Aber diese verfassungspatriotische Geste wirkt wie ein Zitat. Lindner strahlt einen flatterhaften Mangel an Ernsthaftigkeit aus, den sich liberale Granden früher nicht erlaubt hätten und den man sonst eher bei Rechtspopulisten findet.
Die FDP steht sich selbst im Weg
Das Problem ist größer als Lindner und fundamentaler als die Frage, wer wann was vom D-Day-Plan wusste. Die FDP steht sich selbst im Weg. Sie litt, wundgerieben von Wahlniederlagen, immer mehr an der Ampel. Sie kokettierte in immer schnellerer Taktung mit dem Ausstieg und gefiel sich als Opposition in der Regierung.
Das wirkte etwas unerwachsen. Zumal dies eine Wiederholungstat war. 2009 beharrte sie trotzig auf radikalen Steuersenkungen, für die es keinen Spielraum gab. 2017 beerdigte Lindner mit großem Auftritt Jamaika.
Brauchen wir eine liberale Partei? Sind die Grünen nicht sowieso die neue liberale Partei? Es stimmt: Liberale Grundüberzeugungen sind in viele Parteien diffundiert. Das Ausbleichen der Ideologien findet man allerdings auch bei der Sozialdemokratie und den Konservativen. Aber nur die Liberalen leiden so innig und heftig an sich selbst.
Es gibt durchaus Platz für eine wirtschaftsliberale Partei, die bürokratie- und staatskritisch ist. Und die den alten Mittelstand vertritt, der den Grünen gelinde gesagt fernsteht. Eine Partei, die Freiheit authentischer formuliert als andere. Die FDP, die ohne Kompass zwischen rechtspopulistischer Versuchung und staatspolitischer Verantwortung hin- und herschwankt, ist es nicht.
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