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FDP bremst DemokratiefördergesetzIdentitätspolitik à la CDU und AfD

Aziz Bozkurt
Gastkommentar von Aziz Bozkurt

Um gegen Rassismus zu kämpfen, braucht es das Demokratiefördergesetz. Die FDP sollte es sich gut überlegen, ob sie weiter auf die Bremse treten will.

Stehen auch beim Demokratieförderungsgesetzt auf der Bremse Foto: Moritz Frankenberg/dpa

D as Demokratiefördergesetz ist seit Langem ein wichtiges Anliegen zivilgesellschaftlicher Akteure im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Die Große Koalition hatte es deshalb im Rahmen des Kabinettsausschusses mit vielen weiteren Maßnahmen als Folge des rechtsextremen Anschlags in Hanau vereinbart. Nur fehlte die Kraft zur Umsetzung. Genauer­: der Wille bei der Union.

Deshalb war es richtig, das Vorhaben im Ampelkoalitionsvertrag festzuhalten. Dass die FDP jetzt bremst, Identitätspolitik à la CDU und AfD betreibt und dies auf dem Rücken der Initiativen, ist schäbig. Die Koalition hat sich für einen gesellschaftspolitischen Aufbruch entschieden. Da bremst man nicht aus Angst vor Rechten in voller Fahrt.

In Zeiten, da Reichsbürger Umstürze planen, Bundeswehr wie Polizei immer wieder Skandale um rechtsgerichtete Demokratiefeinde entfachen, in manchen Regionen im Osten der Republik rechte Parteien mit Fake News Oberwasser erlangen, ist es höchste Zeit, den Initiativen die notwendige Wertschätzung entgegenzubringen. Sie leisten seit Jahren wertvolle Arbeit der Aufklärung und Demokratiebildung. Diese kann und soll das Demokratiefördergesetz leisten. Es ist nicht nur von vorgestern, diese wichtige Arbeit mittels einer sogenannten Extremismusklausel unter Generalverdacht zu stellen, es ist schlichtweg unverschämt. Doch zur erwartbaren Hetze der AfD lohnt sich kein Kommentar.

Die Union ist es, die den jetzigen Zustand unserer Demokratie federführend zu verantworten hat. Statt die eigenen Fehler zu reflektieren, üben sich die Konservativen in Rückwärtsgewandtheit und manch Unionist in Verunglimpfungen von Migrantenkindern als „kleine Paschas“.

Aziz Bozkurt

ist Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SPD.

Die FDP sollte sich gut überlegen, ob sie das gefährliche Spiel von Identitätspolitik und Populismus weitertreiben möchte. Die Erinnerung an den FDP-Mann Thomas Kemmerich, der sich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten in Thüringen wählen ließ, ist noch frisch. Von diesem Spiel profitiert nur einer und dieser steht weit rechts.

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29 Kommentare

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  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Was ich bei der ganzen Diskussion nicht verstehe, und ich bitte um Aufklärung: Als ich noch klein war, lernte ich, dass NGO "Nicht-Regierungsorganisation" heißt. Wieso wollen NGOs dann von der Regierung gefördert vulgo finanziert werden? Bitte bitte erklären.

    • @Oskar Rheinhold:

      Das kann man nicht erklären. Wer sich seine Tätigkeit von der Regierung finanzieren lässt, ist keine NGO, sondern macht sich zur Vorfeldorganisation der Regierung bzw. der sie tragenden Parteien. Wieso sollten Politiker einer Regierung eigentlich eine Organisation finanzieren wollen, die ihnen nicht genehm ist? Ich würde auch nicht an eine Organisation spenden, deren Positionen ich ablehne.

  • Die FDP verlangt präzisere Förderungsvoraussetzungen und, dass die Fördergelder nicht an Initiativen fließen, die sie für extremistische Zwecke abzweigen - mit anderen Worten: Keine carte blanche für die Mittelvergabe. Das ist aus meiner Sicht normale Vorsicht, wenn nunmal gerade die Förderung auf langfristigere Füße gestellt werden soll, und kein Generalverdacht. Wer UNBEFRISTET Geld kriegen soll, muss das auch verdienen.

    Wo liegt also das Problem, diesen Forderungen zu entsprechen, zumal wenn überhaupt nicht in Zweifel steht, dass die Initiativen, die sich - auch nicht ganz uneigennützig - für das Gesetz einsetzen, auch unproblematisch alle Anforderungen erfüllen? In dem Fall richten sich die Verschärfungen doch wenn überhaupt nur gegen Iniativen, die - auch aus völlig anderer politischer Ecke - noch dazukommen und AUCH die Hand aufhalten könnten.

    Es natürlich immer schön bequem, nicht groß erklären zu müssen, wofür man das Geld braucht, und es trotzdem zu bekommen. Nur klingt es ein wenig nach "getroffenen Hunden", wenn man gleich die AfD-Keule schwingt, wenn jemand da lieber genauer hingeschaut haben möchte.

    • @Normalo:

      Vielmals danke, für diesen wichtigen Kommentar!

    • @Normalo:

      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Sie haben es viel eloquenter beschreiben als ich :).

  • Die FDP will wahrscheinlich verhindern, dass gewisse Demokratiefeindliche Gruppierungen in der Linkspartei davon profitieren. Wofür ich sehr viel Verständnis habe.



    Was das mit Identitätspolitik zu tun hat muss mir zuerst mal jemand erklären.

  • Das ist kein Gesetz um Demokratie zu fördern, sondern um Aktivisten zu finanzieren - die oftmals mit Demokratie nicht viel im Sinn haben, sondern vielmehr den demokratietypischen Diskurs für ein lästiges Hemmnis halten

  • Aber warum munkelt man dann, dass durch das "Demokratiefördergesetz" eine Denunziationsplattform einer gemutmaßten Ex Stasi Mitarbeiterin an den Start geht. Wäre es nicht eher im Sinne des Gesetzes die "Projekte" solcher Person zu schließen und deren Mittäter:innen dingfest zu machen? Ist ja ein Meinung, die durchaus nicht so abwegig scheint?

  • Beim Demokratiefördergesetz geht es doch auch darum, die verschiedenen NGOs und Vorfeldorganisationen mancher Parteien großzügig mit Finanzmitteln zu versorgen. Da ist es ganz in Ordnung, wenn die FDP, die ja den Finanzminister stellt, erstmal auf die Bremse tritt.

  • Nun wäre es ja schön gewesen hier auch etwas über das Demokratiefördergesetz lesen zu können. Bei "mehr Demokratie" bin ich ja vorsichtig geworden, man hört ja jetzt ständig von der Diktatur, in der wir in Wirklichkeit leben. Aber ich bin auch weiterhin interessiert an "mehr Demikratie". Nach kurzem Blick auf die Seite der Bundesregierung ist aber ja klar, dass es sich hier um eine eher indirekte Förderung von Demokratie handelt, um die Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen nämlich, von Projekten "zur Förderung der Demokratie und zur Stärkung gesellschaftlicher Vielfalt". Genauer gesagt wird schon längst gefördert, nur demnächst mehr und langfristiger. Ein "gesellschaftlicher Aufbruch" mag das nicht gerade sein, aber doch eine schöne Sache, und da die förderwürdigen Projekte ja auch längst bekannt sind, gibt es eigentlich keinen Grund für besondere Verzögerungen. Vielleicht sollte man manchen Parteien noch einmal ganz klar machen, dass das Geld nicht etwa an Migranten geht, "soziale Hängematte" etc., sondern dass die Mittel dazu verwendet wird, uns verängstigte Ureinwohner an den Gedanken von Vielfalt, friedlichem Miteinander, Solidarität, Partizipation, Offenheit und auch mal ein bisschen Verzicht zu gewöhnen. Vielleicht aber ist selbst diese Absicht noch etwas zu ehrlich für die FDP, die lebt ja nun auch von Ressentiments. Vielleicht stört auch nur, dass die Träger der Projekte so überwiegend politisch links stehen, aber vielleicht stört am Ende ja doch einfach die Demokratie selber, die nicht parlamentarische, nicht parteilich organisierte Demokratie. Aber gemach! Schlappe 150 Millionen mehr für solche Projekte, wirklich viel ändern kann sich kaum.

    Es handelt sich oder was förderwürdig ist.

  • Ein Kommentar zum Demokratieförderungsgesetz ohne mit einem Wort zu erwähnen, was eigentlich drin steht.

    Uff.

  • Demokratiefördergesetz, schöner Name, fragwürdige Inhalte



    Wenn man sich die Mühe macht und den Gesetzestext man durchliest, dann wird man schnell feststellen, dass es eher ein Finanzierungsgesetz für Zivil-gesellschaftliche Organisationen ist.



    Daraus leitet sich dann das Problem ab: Wer bekommt dann Geld und wem ist die Regierung nicht Linientreu genug um Geld zu bekommen. Und mit jedem Regierungswechsel wechselt dann auch die Liste derer, welche die Regierung für Demokratieförderungswürdig hält. Das halte ich für sehr problematisch.



    Der Staat als direkter Finanzier von NGO's? Sehr fragwürdig!

  • Das "Demokratiefördergesetz" schafft einfach weitere Möglichkeiten für die Regierungsparteien, mit Staatsgeld politische Vorfeldorganisationen zu kultivieren.



    Bei allen berechtigen oder auch weniger berechtigten Anliegen, die sonst eingeflossen sind, geht es im Kern um Parteienfinanzierung, die anders heißt.

    Das Gesetz wird also sicher kommen:



    Denn daran hat die FDP ein genauso großes Interesse wie Herr Bozkurts Partei.

    Warum aber wird er dabei so ungeduldig?



    Klar, die Strukturen der SPD sind noch lange nicht auf die historische Schrumpfung der vergangenen 15 Jahre angepasst.



    Da kann man eine solche indirekte Förderung schon dringend gebrauchen.

  • "Da bremst man nicht aus Angst vor Rechten in voller Fahrt."

    Ups falsche Analyse: Wenn man sich zum GG bekennt, ist jeder gerne dabei. Wenn nicht, dann nicht. Ist Bekenntnis zum GG rechts?

    Ein FDP-Mitglied

    • @GregTheCrack:

      Das Problem mit dem GG ist,wie bei so ziemlich jeden Gesetz,die Auslegung. Alleine wie Artikel 38 in der politischen Praxis gehandhabt wird,erscheint mir bspw. als ein klarer Verstoß. Nun ja. Zudem haben etliche Artikel oft im nächsten Absatz gleich eine Einschränkung.Das Berühmte "Weiteres regelt ein Gesetz/Gesetze", ist eine potentielle bedenkliche Hintertür.Nach meiner Ansicht ist es durchaus möglich den Buchstaben der Verfassung zu entsprechen und trotzdem sehr autoritär und undemokratisch zu regieren. Man muß, neben parlamentarischerMehrheit dafür nur die entsprechenden Rechtsexperten und maßgeblichen (Verfassungs)Richter auf seiner Seite haben.Papier ist geduldig ,Paragraphen dehnbar!

      • @Mustardmaster:

        Ich verstehe Ihren Kommentar so, daß Sie einwenden, daß das GG zu interpretieren sei bzw. in einem Ausführungsgesetz etwas anderes geregelt werden könne.

        Wenn dem so wäre, dann spräche doch umso weniger dagegen, sich zum GG zu bekennen.

        (weil es ja Ihrer Meinung in völlig unterschiedliche Richtungen gedehnt werden kann)

      • @Mustardmaster:

        Dieser weite Spielraum sollte es aber eher vereinfachen, die "tyrannischen" Ansprüche der FDP zu erfüllen: Je weiter der Rahmen, den der Begriff "verfassungstreu" schafft, desto mehr verschiedene politische Zielsetzungen fallen darunter.

        • @Normalo:

          "´tyrannischen´ Ansprüche der FDP"

          Ja das GG. Das ist aber auch tyrannisch.

  • Warum brauchen wir ein Demokratieförderungsgesetz, wenn die Regierung bzw. das Parlament selbst die "Macht" des Souveräns einschränken will? Das passiert nämlich im Falle des neuen Wahlgesetzes (falls es nicht durch das BVG gecancelt wird), sowie durch die Verlängerung der Wahlperioden auf 5 Jahre (Wunsch von Bas). Mehr Mitbestimmung, mehr Volksentscheide, mehr Demokratie: Es liegt in der Hand der Regierung, mehr Demokratie zu fördern.

  • "Um gegen Rassismus zu kämpfen, braucht es das Demokratiefördergesetz."

    Nein, braucht es nicht. Man braucht dafür nicht 600 Projekte mit 212 Mio. Euro dauert zu sponsern. Susanne Gascke von der NZZ stellt in Bezug darauf auch die richtigen Fragen :

    "Warum ist es eigentlich eine so schlimme Zumutung für die geförderten Nichtregierungsorganisationen, eine Erklärung zugunsten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzugeben, wie das bis 2014 vorgeschrieben war, und wogegen Sozialdemokraten und Grüne jetzt heftig agitieren? "

    www.nzz.ch/interna...ationen-ld.1730850

    • @SeppW:

      Wer sein Weltbild aus der NZZ bezieht, hat die Kontrolle über seinen politischen Verstand genau so verloren, wie der plebejische BILD -Leser, lieber Freund.

      • @Schytomyr Shiba:

        Vielen Dank für die konstruktive Kritik :).



        Ironie off..



        Solche Aussagen sind doch genau der Beweis dafür, dass Extremismusgefahr bei gewissen Linken Kreisen herrscht.

        Ganz im Sinne von: "Die Meinung von Klassenfeinden lese ich nicht.

        • @__tester:

          Auch da irren sie, lieber in rechten Kreisen denkender Freund: Weder bewege ich mich, als Offizier der Reserve, in "linken Kreisen" , noch lese ich "die Meinung von Klassenfeinden" nicht. Ich lese auch die NZZ. Und genau deshalb komme ich zu meinem Verdikt. Die NZZ bedient den selben rechtsgewirkten Vulgärpopulismus wie die BILD - nur mit Akademikerhütchen. Man begebe sich ins Archiv und lese die unsäglichen Hymnen auf Putin von vor ein paar Jahren - dann wissen se Bescheid.

      • @Schytomyr Shiba:

        Es steht um mich weitaus schlimmer als Sie denken. Ich trage Jogginghose.

        • @SeppW:

          Ts. ;-)