Ermordeter Blogger in Russland: Kreml spricht von Terrortat

Nach dem Tod eines russischen Militärbloggers macht Moskau die Regierung in Kyjiw verantwortlich. Inzwischen hat es zwei Festnahmen gegeben.

Blumen und ein Bild des Bloggers Vladlen Tatarsky

Blumen für den Blogger: In Sankt Petersburg haben Menschen Blumen für Tatarski abgelegt Foto: Anton Vaganov/reuters

BERLIN taz | Inzwischen ist ein spontanes Denkmal in der Nähe des Cafés Street Bar, am Universitetskaya-Damm schräg gegenüber dem Kunstmuseum Eremitage in Sankt Petersburg, entstanden. Rote Nelken und mehrere Porträts des am Sonntagabend ermordeten Militärbloggers Wladlen Tatarski (richtiger Name: Maxim Fomin) erinnern an das Attentat in diesem Restaurant. Der Tatort bleibt weiträumig abgesperrt und die Ermittlungen laufen weiter, nachdem zuerst eine 26-jährige Verdächtige, Daria Trepowa, festgenommen wurde. Laut Behörden habe Trepowa Tatarski am Sonntag kurz nach 18 Uhr (Ortszeit) eine kleine Statue überreicht, die anschließend explodierte. In die Gipsfigur eingebettet seien mehr als 200 Gramm TNT gewesen. 32 Menschen wurden verletzt.

Das russische Innenministerium veröffentlichte am Montag ein Video mit einem Fragment des Verhörs. Trepowa gibt zwar zu, die Statuette getragen zu haben, jedoch geht aus ihren Worten hervor, dass sie nichts vom Sprengstoff wusste. Ihr Ehemann, Dmiti Rylow, der im Exil wohnt und Unterstützer des in einer Strafkolonie inhaftierten russischen Oppositionellen Alexei Nawalny ist, wird gesucht. In den sozialen Medien äußerte sich Rylow zur Festnahme seiner Frau: Sie sei „reingelegt worden“. Beide sind bekannte anti-Kriegsaktivist*innen. Eine zweite Festnahme erfolgte am Montagnachmittag: der 27-jährige Dmitri Kasintsew, Freund von Trepowa und Rylow.

Kremls Regierungssprecher Dmitri Peskow machte am Montag „das Kyjiwer Regime“ für den Mord an Tatarski verantwortlich und bezeichnete die Ermordung als “terroristischen Akt“. Das zentrale Ermittlungskomitee in Moskau sei eingeschaltet worden. Laut der offiziellen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti kündigte der Regionalgouverneur von Sankt Petersburg, Alexander Beglow, Entschädigungen für die betroffenen Familien: eine Million Rubel (umgerechnet 11.660 Euro) für die Familie von Tatarski, 500.000 Rubel für die Schwerverletzen und 250.000 Rubel für die übrigen Opfer. Beglow ist bekannt für seine schwierige Beziehung zum Unternehmen und Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin. Nachdem die Beamten in Sankt Petersburg Prigoschin eine Genehmigung für eines seiner Geschäfte verweigerten, beschuldigte er, der wegen seiner Gastronomie-Firma Konkord auch als “Putins Koch“ bekannt ist, den Regionalgouverneur, “ukrainische Nationalisten finanziell zu unterstützen“.

Das Restaurant, in dem am Sonntag der aus Donezk stammende 40-jährige Militärblogger ermordet wurde, gehört ebenfalls zu Prigoschin und ist ein Stammcafé russischer Nationalisten. Sein ehemaliger Schwiegersohn betrieb das Geschäft, das sich circa 1,5 Kilometer von der Wohnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin befindet. Zusammen mit dem Blogger Tatarski saßen am Sonntag andere kremlnahe Ultranationalisten, um über die sogenannte “Spezialoperation“ im Rahmen des zweiwöchigen Stammtisches “Cyber-Front“ zu diskutieren.

Der Militärblogger und regelmäßige Stammgast Tatarski hatte rund 563.000 Abonnenten in seinem Telegram-Kanal und 21.000 im russischen sozial Netzwerk VKontakte. Ähnlich wie Prigoschin übte er aktiv und öffentlich Kritik an der Führung der russischen Armee. 2019 zog er nach Moskau, wo er seine sozialen Kanäle gründete. Davor, und nach dem Beginn des Krieges 2014, trat Tatarski in das Wostok-Bataillon der Separatistenmilizen im östlichen Donbass ein. Als Putin am 30. September 2022 den Erlass über den Anschluss der selbsternannten „Volksrepublik Donezk und Luhansk“ und der Regionen Cherson und Saporischschja an Russland unterzeichnete, nahm der Blogger an der Zeremonie teil. „Wir werden sie alle gewinnen, alle töten, alle ausrauben“, sagte Tatarski.

Der Anschlag am Sonntag erinnert an die tödliche Explosion gegen Daria Dugina, Tochter der ultranationalistischen Philosophen Alexander Dugin, im vergangenen August. Dies geschah in Moskau ebenfalls während einer Vorlesung über die Invasion der Ukraine. US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Teile der ukrainischen Regierung den Mordanschlag auf die russische Kriegsunterstützerin Dugina genehmigt hatten.

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