Ergebnis der Abstimmung: Pariser wollen Hunderte Straßen für Autos dichtmachen
Die Pariser haben abgestimmt: Autos sollen bald aus etlichen Straßen der Stadt weichen. Doch eine wichtige Hürde gibt es noch.
Konkret stimmten die Pariser dafür, 500 Straßen zu begrünen und für Autos dichtzumachen. In den kommenden Jahren könnten damit in Paris 10.000 Parkplätze wegfallen. Autofahrer müssten sich auf Umwege einstellen. Welche Straßen zur grünen Fußgängerzone werden, soll nun lokal geklärt werden. In jedem der 20 Stadtviertel dürften es etwa 25 sein. Die Umsetzung wird wohl drei bis vier Jahre dauern.
Das Pariser Rathaus hatte das Votum auch zu einer Wahl für oder gegen Lärmbelästigung und Verschmutzung erklärt. Auch geht es ihm um die Anpassung an den Klimawandel. Die meisten Wege legen die Pariser zu Fuß zurück, das Auto nutzen sie auf innerstädtischen Strecken nur selten. Seit 2002 ist der Autoverkehr in Paris um fast 50 Prozent gesunken. Dennoch nehmen Autos laut Stadtplanungsamt noch immer mehr als die Hälfte des öffentlichen Raums ein.
Seit Jahren ist Paris unter seiner sozialistischen Bürgermeisterin Hidalgo um eine grüne Verkehrswende bemüht und gilt vielen als Vorbild. Bereits jetzt sind etwa 220 der mehr als 6.000 Pariser Straßen autofrei. Vor allem in der Nähe von Schulen dürfen teils keine Autos fahren. In weiten Teilen der Stadt gilt Tempo 30, in der Innenstadt gibt es neuerdings eine Zone, in der Durchgangsverkehr verboten ist.
Opposition könnte Vorhaben womöglich stoppen
Mit der Bürgerbefragung am Wochenende hat Paris seine Bewohnerinnen und Bewohner schon zum dritten Mal bei der Verkehrspolitik entscheiden lassen. Im April 2023 ließ die Stadt über das Verbot von E-Tretrollern zum Leihen abstimmen und im Februar 2024 über höhere Parkgebühren für schwere Autos. Die Beteiligung war auch damals äußerst gering.
Trotz der zahlreichen Vorteile, die das Rathaus lobt, sind nicht alle für die Schaffung neuer autofreier Straßen. In drei Stadtvierteln stimmten die Bewohner mehrheitlich dagegen. Die konservative Opposition warnte zudem, die Straßensperrungen könnten Händler und sogar den Rettungsdienst einschränken. Außerdem seien damit enorme Kosten verbunden. Der Stadtregierung warfen die Konservativen Propaganda und eine Kommunikationskampagne vor. Mit dem Werben von „Garten-Straßen“ habe sie die Bürger für dumm verkauft.
Besonders relevant ist die Kritik, weil bereits im nächsten Jahr in Paris gewählt wird. Die Konservativen könnten dann das Rathaus übernehmen. Ob sie die Umwandlung der autofreien Straßen dann fortführen, ist ungewiss. Hidalgo meint jedoch, die Abstimmung gebe einen klaren Hinweis über die Ausrichtung der Pariser. Sie wollten mehr Begrünung.
Verkehrswende auf Französisch
Auch wenn deutsche Städte gerne mal nach Paris schielen, wäre ein ähnliches Vorgehen in Deutschland nicht denkbar. Denn in Deutschland können Straßen nicht per Bürgerabstimmung gesperrt werden, sondern über ein Verfahren zur Entwidmung, wie Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, schildert. Dabei würden die Interessen aller Straßennutzer berücksichtigt – etwa auch von Händlern.
Viele deutsche Städte bemühten sich aber längst um einen besseren Verkehrsmix. „Dazu kann auch die Sperrung von Straßen für den motorisierten Verkehr gehören, wenn es zum Verkehrskonzept vor Ort passt.“ Klar sei aber: „Wenn wir weniger Autoverkehr haben wollen, dann brauchen wir mehr öffentliche Verkehrsmittel, mit guter Taktung und guter Erreichbarkeit.“ Hier hake es, denn die Finanzlage der Städte sei dramatisch. Sie bräuchten mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern für den öffentlichen Nahverkehr.
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