Energieversorgung in Deutschland: Droht uns im Winter ein Blackout?
Die Angst vor Stromausfällen ist da. Aber die Aussichten, dass die Stromversorgung auch ohne russisches Gas stabil bleibt, sind gut.
1 Warnungen vor einem großflächigen Stromausfall in Deutschland werden lauter. Wie wahrscheinlich ist ein Blackout?
Sehr unwahrscheinlich. Zwar sind die Herausforderungen für das Stromnetz durch ausbleibende Gaslieferungen und möglicherweise ausfallende Kraftwerke größer geworden. Aber die Wahrscheinlichkeit für einen Blackout steigt nur wenig. „Wir haben eine sehr, sehr hohe Versorgungssicherheit“, sagt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Branchenverbände und die Bundesnetzagentur, die das Stromnetz überwacht, halten flächendeckende, lang andauernde Stromausfälle mit katastrophalen Folgen ebenfalls für sehr unwahrscheinlich. Das sehen unabhängige Energieexpert:innen genauso. „Auch stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur im Winter 22/23 sehr unwahrscheinlich, diese können aber nie vollständig ausgeschlossen werden“, sagt eine Sprecherin der Bundesnetzagentur. Zu 100 Prozent wird einen solchen Fall niemand ausschließen, weil unerwartete Dinge durch unglückliche Verkettungen geschehen können. Aber: Damit das nicht geschieht, wird das Stormnetz permanent überwacht. Und liefern Kraftwerke nicht mehr, stehen Ersatzanlagen bereit.
2 Aber der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller hat doch gerade selbst vor einem Blackout gewarnt, wenn im Winter zu viele Leute gleichzeitig einen Heizlüfter anstellen.
Ja, aber ihm ging es vor allem um das Energiesparen durch das Senken der Raumtemperatur gegenüber dem Versuch, mit einem anderen Energieträger Wärme zu erzeugen. Heizlüfter ziehen sehr viel Strom, anders als etwa Heizdecken, die eine Alternative dazu sind. Es kann nicht schaden, das auch den Nachbarn zu erzählen. „Wenn zu viele Menschen gleichzeitig mit Heizlüftern heizen, kann das die Stromnetze lokal an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus bringen“, sagt die Sprecherin der Bundesnetzagentur. „Langanhaltende oder überregionale Stromversorgungsstörungen durch den übermäßigen Einsatz von Heizlüftern sind hingegen als sehr unwahrscheinlich einzustufen.“ Zu einem massenhaften Gebrauch von Heizlüftern würde es erst kommen, wenn das Gas abgeschaltet wird. Privathaushalte gehören zu den geschützten Kund:innen, sagt Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands Energie- und Wasserwirtschaft. „Das heißt, sollte trotz aller bereits eingeleiteter und noch anstehender Maßnahmen doch die Situation eintreten, dass das Gas knapper wird, dann werden sie stets vorrangig mit Gas beliefert.“
3 Was passiert, wenn im Winter kaum Sonne scheint, kein Wind weht und kein Gas aus Russland kommt?
Das Bundeswirtschaftsministerium hat in Stresstests verschiedene Lagen durchspielen lassen und prüft die Situation permanent. Absehbare Probleme im Stromnetz können gelöst werden, wirklich schwierig wird es, wenn sie plötzlich auftreten. Um keine Überraschung zu erleben, wird für jeden möglichen Ausfall eine Alternative vorgehalten. Und es gibt zusätzliche Reserven. Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen zur Krisenvorsorge für den Stromsektor eingeleitet. Mit dem „Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz“ hat sie bereits im Sommer dafür gesorgt, dass zusätzliche Kapazitäten ins System kommen. Zum Beispiel werden Kohlekraftwerke reaktiviert. Ab dem 1. Oktober gehören Anlagen, die bislang für den äußersten Notfall vorgesehen waren, zur neu geschaffenen Versorgungsreserve. So sind bei Bedarf viele Kraftwerke betriebsbereit, die sonst nicht laufen.
4 In Frankreich ist die Rede von kurzzeitigen kontrollierten Stromabschaltungen für einzelne Regionen. Droht das in Deutschland auch?
Der kleine Bruder des Blackouts ist der Brownout. Bei einem kontrollierten Brownout nehmen die Netzbetreiber große Industriewerke oder Stadtviertel gezielt vom Netz. Bei einem unkontrollierten Brownout kommt es zu einem nicht vorhersehbaren Stromausfall – was zu Problemen bei am Netz hängenden Maschinen oder Geräten führen kann. Dass in Frankreich über gezielte Brownouts diskutiert wird, liegt an der dortigen auch durch die AKW fragileren Stromversorgung. In Deutschland ist so etwas sehr unwahrscheinlich. „Das ist keine Option“, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium.
5 Wäre es nicht sinnvoll, in Deutschland die noch laufenden drei AKW in Betrieb zu behalten?
Die Punkte Sicherheit und Weiterbetrieb von AKW vertragen sich nicht gut. Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie, deshalb hat die seinerzeit von Angela Merkel geführte Bundesregierung nach der Atomkatastrophe von Fukushima den Ausstieg beschlossen. Wie prekär Atomkraft auch ohne Unfälle im Normalbetrieb ist, zeigt die Lage in Frankreich. Dort mussten viele Meiler auch aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen werden, was zu erheblichen Problemen geführt hat. Der Anteil der noch laufenden AKW an der deutschen Stromproduktion wurde in den vergangenen Jahren heruntergefahren, im 1. Quartal 2022 lag er noch bei sechs Prozent. Die Energiebranche ist auf die Kompensation dieses Anteils gut vorbereitet. Nach jetzigem Stand will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein AKW abschalten und zwei vorübergehend als Einsatzreserve nutzen. Dafür wird er heftig kritisiert – auch mit dem Argument, Deutschland drohe ansonsten ein Blackout.
6 Ich trau dem Braten trotzdem noch nicht ganz. Was kann ich tun, um möglichst gut auf einen Blackout vorbereitet zu sein?
Auch wenn ein Komplettausfall sehr unwahrscheinlich ist: Vorsorgen kann nicht schaden. Denn auch nach Unwettern kann der Strom ausfallen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat Tipps für solche Fälle zusammengestellt: Neben Lichtquellen wie Taschenlampen oder Kerzen, einem Campingkocher oder kalt verzehrbaren Lebensmitteln ist ein batteriebetriebenes Radio wichtig, um Nachrichten hören zu können. Auch solarbetriebene Batterieladegeräte oder Powerbanks anzuschaffen, ist sinnvoll.
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