Zusammenleben mit Stromspar-Freaks: „Zieh’n Pulli drüber!“

Einst drangsalierte mich mein Vater mit seinem Energiespar-Tick, jetzt ist es mein Mann. Der Wunsch, Putin in den Arsch zu treten, sorgt für Bestform.

Zwei Dackel spielen und einer der beiden trägt einen Pulli

Zusammenleben bei niedrigen Temperaturen: Pulli ist billiger als Heizung – und politisch angesagt Foto: dpa / Angelika Warmuth

Wenn ich von der aktuellen Energiesparkampagne höre, verdrehe ich die Augen – so wie vor 40 Jahren, als mein Vater uns zu Hause dieselben Dinge vorbetete. Mach-einen-Deckel-auf-den-Topf-Tipps haben für mich einen ganz langen Bart, und wenn es heißt, man solle die Wäsche, bevor man sie in den Trockner packt, mit 1.600 Umdrehungen pro Minute schleudern, wundere ich mich, dass die Dinger überhaupt noch erlaubt sind – außer vielleicht für Daunenschlafsäcke.

Schon in den 80ern maulte mein Vater rum, man könnte ein ganzes Atomkraftwerk abschalten, wenn man mal aufhören würde, nachts Ladenfenster und Werbeplakate zu beleuchten. Aber auf ihn hat ja keiner gehört. Die Bundesregierung sollte mal Olle wie ihn zur Stromsparberatung heranziehen. Von wegen Restwärme vom Herd nutzen: Bei meinen Eltern wird der Milchreis nur wenige Minuten gekocht, um danach 90 Minuten unter einen Berg Daunendecken im Ehebett zu ziehen.

Sie haben auch keine Halterung für den Duschkopf, damit man es sich bloß nicht gemütlich macht. Die Idee, die Wohnung ein Grad kälter zu drehen, hatte mein Vater schon damals so oft, dass wir im Winter mit 18 Grad zufrieden sein mussten. Ätzend!

Bis heute besitzt er die Alleinherrschaft über seine Heizungsanlage im Keller. Ich fürchte, er wird das Geheimnis, wie man sie bedient, mit ins Grab nehmen. Wenn es wegen der kalten Bude Streit gab, sagte er nur: „IHR redet doch ständig von Umweltschutz! Zieh’n Pulli drüber.“ Um mich aufzuwärmen, musste ich dann notgedrungen in die heiße Badewanne. Ätsch!

Zu allem Überfluss habe ich einen Mann geheiratet, der bei jeder Gelegenheit hinter mir die Lichter ausmacht, was er – als wäre er ein Hörspiel – laut kommentiert. Er sticht meinen Vater sogar noch, indem er darauf achtet, dass das Badewasser stehen bleibt, um die Abwärme für die Raumluft zu nutzen. Geräte vom Netz trennen natürlich beide, sie stellen beide gerne Kühlschrankinhalte ab Herbst auf die Terrasse und beide finden es einen super Plan, bei Frost große PET-Flaschen mit Wasser draußen einzufrieren, um sie dann in den Kühlschrank zu legen, um die darin völlig kostenfrei gespeicherte Energie zu sparen. Den Kühlschrank insgesamt weniger zu kühlen kommt für meinen Mann aber nicht in Frage, denn bei der Biertemperatur ist er pingelig.

Meine Eltern haben keine Halterung für den Duschkopf, damit man es sich bloß nicht gemütlich macht

Dass es ihm beim Stromsparen in erster Linie um Geldsparen geht, merkt man auf dem Campingplatz, wenn wir neben Wohnmobilen mit Klimaanlagen und Satellitenschüssen stehen. Dann ärgert Matthias sich, dass wir viel weniger als unsere Nachbarn verbrauchen, aber das Gleiche zahlen. Um die Camping-Stromflat ausnutzen zu können, wünscht er sich ein E-Auto oder er überlegt, für das ganze Jahr Eiswürfel einzufrieren. Stattdessen hängt er Lichterketten auf – so was gibt’s zu Hause nie!

Die aktuellen Preissteigerungen und der Wunsch, Putin in den Arsch zu treten, bringen ihn gerade wieder in Stromspar-Bestform. Er achtet darauf, dass die Wasserhähne allzeit nach rechts gedreht sind, und er ist sich mit meinem Papa einig: Nichts frisst so viel Strom wie eine Ehefrau.

Ich geb’s nicht gern zu, aber ich müsste wirklich die Effektivität meiner Zeitspar-/Stromspar-Balance überprüfen. Ich weiß, dass der Wasserkocher viel Energie benötigt und dankenswerterweise fordert Matthias mich nicht auf, statt Tee lieber kaltes Wasser zu trinken. Er beschwert sich lediglich, dass ich stets mehr Wasser aufkoche, als ich benötige und dann auch noch regelmäßig vergesse, meinen Tee direkt aufzugießen, sodass ich den Wasserkocher erneut anschalten muss. Und das mehrmals täglich.

Ich glaube, ich sag ihm mal, er soll mir einfach öfter ein heißes Getränk bringen. Denn wenn’s Strom spart, wird er es tun.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1973 in Hamburg. Seit sie Kinder hat schreibt die Bilderbuchillustratorin hauptsächlich Einkaufszettel und Kolumnen. Unter dem Titel „Die schwer mehrfach normale Familie“ erzählt sie in der taz von Ihrem Alltag mit einem behinderten und einem unbehinderten Kind. Im Verlag Freies Geistesleben erschienen von ihr die Kolumnensammlungen „Willis Welt“ und „Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg“. Ihr neuestes Buch ist das Kindersachbuch „Wie krank ist das denn?!“, toll auch für alle Erwachsenen, die gern mal von anderen ätzenden Krankheiten lesen möchten, als immer nur Corona. Birte Müller ist engagierte Netzpassivistin, darum erfahren Sie nur wenig mehr über sie auf ihrer veralteten Website: www.illuland.de

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.