Einwanderung von Fachkräften: Der Koch braucht keinen Bachelor
Fachkräfte sollen nach einem Gesetzesvorhaben bald einfacher einwandern können. Wie hoch die Hürden sind, zeigt der Fall eines Kochs aus Sri Lanka.
Voraussetzung für einen Spezialitätenkoch ist eine „Kochausbildung an einer Berufsfachschule (Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre)“ im Herkunftsland plus mehrjährige berufspraktische Erfahrung, sagt das einschlägige Informationsblatt der Bundesagentur für Arbeit. Wenn im Herkunftsland keine zweijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule möglich ist, darf der Spezialitätenkoch trotzdem kommen, wenn er eine „mindestens 6-jährige berufliche Tätigkeit“ als Koch verweisen kann.
Dieser Einreiseweg auch ohne zweijährige Ausbildung, aber mit langjähriger Berufserfahrung, hatte bei den Spezialitätenköchen aus Sri Lanka für Vidanages Restaurant immer funktioniert. Doch bei seinem neuesten Bewerber, Rashingha A., blockierte die Botschaft plötzlich und versagte das Visum. A. hatte einen halbjährigen Kochkurs absolviert und mehr als sechs Jahre lang als Koch gearbeitet. Das Argument der Botschaft: A. habe keine zweijährige Ausbildung in Sri Lanka hinter sich.
Ein Mitarbeiter in der Deutschen Botschaft in Colombo hatte festgestellt, dass es zwei- und sogar vierjährige Kurse gibt in „Professional Cookery“. Auf der „im Internet abrufbaren“ und vom srilankischen Bildungsministerium ‚Ministry of Education‘ erstellten Liste der staatlich anerkannten Berufsausbildungsinstitute für professionelle Köche in Sri Lanka befänden sich „21 Ausbildungseinrichtungen, die zertifizierte Kurse in Professional Cookery anbieten dürfen, auch 2- beziehungsweise 4-jährige Kurse werden angeboten“, teilte die Visastelle Restaurantbetreiber Vidanage auf dessen Nachfrage mit.
Zertifikat vom Bildungsministerium
Es gibt tatsächlich in Sri Lanka mehrjährige Ausbildungen, etwa einen Bachelor in “Culinary Arts“, das sind Studiengänge an privaten Instituten, die auch internationale Küche und Restaurantmanagement lehren. Nur sind das Qualifikationen, die man als „Spezialitätenkoch“ gar nicht braucht. Per definitionem der Bundesagentur für Arbeit soll ein Spezialitätenkoch in Deutschland lediglich „traditionelle Gerichte nach Originalrezepten“ des Herkunftslandes zubereiten.
Vidanage wandte sich an das Bildungsministerium in Colombo. Ein Beamter bestätigte ihm schriftlich, dass die kochbezogenen zertifizierten „Qualifikationspakete“ für Köche lediglich eine „Kursdauer von 6 Monaten bis 1 Jahr“ haben, es also keine zweijährige Kochausbildung gebe.
Vidanage schickte diese Infos an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit in Bonn und an die Deutsche Botschaft. Die ZAV in Bonn muss der Botschaft in Colombo ihre Zustimmung zu dem Beschäftigungsverhältnis signalisieren, sonst vergibt die Botschaft kein Visum. Die ZAV hatte Anfang März noch erklärt, sie könne ihre Zustimmung nicht erteilen, da sie von der Botschaft neuerdings Informationen über die Existenz von zertifizierten zweijährigen Kursen zum Koch bekommen habe.
Doch dann bekam Rashingha A. in Sri Lanka überraschend einen Anruf von der Deutschen Botschaft: Er erhält nun doch ein Visum. Die ZAV in Bonn hatte ihre Zustimmung erteilt. Ein ZAV-Sprecher erklärte der taz, die ZAV sei bezüglich der Ausbildungssituationen im Herkunftsland an die Informationen aus den Auslandsvertretungen gebunden, um über ihre Zustimmung zu entscheiden.
Kompetenzdefizite in den Botschaften?
„Zum Zeitpunkt der Prüfung der Zustimmungsanfrage lagen neue Informationen vor, die später wieder zurückgezogen wurden“, teilte er mit und sprach von „widersprüchlichen, zunächst fehlerhaften Informationen“ der Botschaft. Die Botschaft in Colombo selbst beantwortete eine Anfrage der taz nicht.
Vidanage steht also bald nicht mehr allein in der Küche. Sein Fall wirft ein Licht nicht nur auf Kompetenzdefizite in den Botschaften, sondern auch auf die Bestimmung im neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz, nach der eine zweijährige staatlich anerkannte Ausbildung im Herkunftsland eine der Voraussetzungen für ein Visum ist.
In Ländern, in denen die Leute im Handwerk vor allem „on the job“ lernen und sich auch oft gar keine teure mehrjährige Ausbildung ohne gleichzeitigen Geldverdienst leisten können, mag diese Hürde für viele Tätigkeiten zu hoch sein.
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