Auch Campact verliert die Gemeinnützigkeit

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs gegen Attac erkennt das Berliner Finanzamt für Körperschaften der nächsten großen Organisation die Förderungswürdigkeit ab

Rechtlich gesehen nicht gemeinnützig: Campact-Protest für eine bessere Welt Foto: Monika Skolimowska/dpa

Von Anja Krüger

Die Kampagnenorganisation Campact verliert ihre Gemeinnützigkeit. Das habe das Berliner Finanzamt für Körperschaften dem Verein schriftlich eröffnet, teilte Campact mit. Der Status werde mit der Begründung aberkannt, dass die Organisation überwiegend allgemeinpolitisch tätig gewesen sei. Der Entzug bedeutet unter anderem, dass die Kampagnenorganisation für die vergangenen zehn Jahre Schenkungsteuer in Höhe von etwa 300.000 Euro nachzahlen muss.

Die Entscheidung schließt sich an das Attac-Urteil vom Februar 2019 des Bundesfinanzhofs (BFH) an. Dieser hat der globalisierungskritischen Organisation die Gemeinnützigkeit aberkannt. Die Richter begründeten das mit allgemeinpolitischen Forderungen und Kampagnen von Attac. Durch den Entzug der Gemeinnützigkeit können Organisationen unter anderem keine steuerlich absetzbaren Spendenbescheinigungen mehr ausstellen, was ihre Finanzierung erschwert.

„Es besteht die Gefahr, dass mit Mitteln des Steuerrechts gegen unliebsame Organisationen vorgegangen wird“, sagte Campact-Vorstand Felix Kolb. Verantwortlich dafür sei vor allem Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Das Bundesfinanzministerium habe das Attac-Urteil im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und damit bindend gemacht für die Finanzämter. Kolb fordert die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. So müsse der Katalog erweitert werden, der als gemeinnützig anerkannte Zwecke auflistet, etwa um die Punkte Förderung der Menschenrechte oder der Demokratie. „Wir fordern eine Klarstellung, dass sich Vereine zu relevanten gesellschaftlichen Fragen äußern und betätigen dürfen“, sagte er. Die Entscheidung des Berliner Finanzamts trifft Campact nicht unvorbereitet. Die Organisation hat bereits seit dem Attac-Urteil keine Spendenbescheinigungen mehr ausgestellt.

Viele Organisationen fürchten seit dem Attac-Urteil, dass auch sie die Gemeinnützigkeit verlieren. Der Fall Campact zeige, dass das berechtigt ist, sagte Stefan Diefenbach-Trommer vom Zusammenschluss „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, in dem mehr als 130 Vereine und Stiftungen vertreten sind. „Wer wie Campact eine breite Basis an Spenderinnen und Spendern hat, kommt vielleicht ohne Gemeinnützigkeit zurecht“, sagte er. „Doch viele, vor allem kleine Organisationen, sind auf Fördermittel angewiesen, die sie nur mit dem Status der Gemeinnützigkeit bekommen.“ Auch er fordert eine rasche Reform.

Finanzminister Scholz hatte Mitte September bei einer Veranstaltung zum SPD-Vorsitzenden-Casting angekündigt, „in wenigen Wochen“ einen Reformvorschlag vorzulegen, der Rechtssicherheit für politische Organisationen schaffen solle. Die Frage, wann der Entwurf kommt, kann das Bundesfinanzministerium nicht beantworten.