Die UN und der Nahost-Konflikt: Hitzige Debatten in New York

Israel empört sich über UN-Generalsekretär Guterres. Der sprach von „erdrückender Besatzung“ der Palästinenser – und fühlt sich danach missverstanden.

Ein Mann spricht emotional, an seinem Revers ist ein Israel-Pin zu sehen

Israels Außenminister Eli Cohen, hier am Dienstag bei der UN, hat sein Treffen mit Guterres abgesagt Foto: Shannon Stapleton/reuters

WASHINGTON taz | Das Tischtuch zwischen den Vereinten Nationen (UN) und Israel ist zerrissen, anders lässt sich die Ankündigung von Gilad Erdan nicht lesen. Israel werde künftig die Vergabe von Visa an UN-Mitarbeitende verweigern, sagte der Ständige Vertreter Israels bei der UN im israelischen Armeeradio. Die Zeit sei reif, um den Vereinten Nationen eine Lektion zu erteilen.

Bereits vorher hatte Erdan nach einer hitzigen Debatte im Weltsicherheitsrat der UN den sofortigen Rücktritt von UN-Generalsekretär António Guterres gefordert. Der Grund für die drastische Forderung war eine Ansprache Guterres’ am Dienstag während einer Sitzung des UN-Sicherheitsgremiums in New York zur Lage im Nahen Osten.

Der Generalsekretär der UN sprach sich in seinen Ausführungen zum Krieg zwischen Israel und der Hamas nicht nur wie allgemein gefordert für einen Schutz von Zivilisten aus, er beklagte sich auch über die seiner Meinung nach „klaren Verletzungen des Völkerrechts“, die sich in Gaza ereignet haben.

„Es ist wichtig, auch anzuerkennen, dass sich die Angriffe durch Hamas nicht in einem Vakuum abgespielt haben. Die palästinensische Bevölkerung musste sich in den vergangenen 56 Jahren einer erdrückenden Besetzung unterwerfen“, erklärte Gueterres. Und: „Diese Missstände der palästinensischen Bevölkerung rechtfertigen aber nicht die abscheulichen Attacken durch Hamas. Und gleichzeitig rechtfertigen die Hamas-Attacken es nicht, alle Palästinenser dafür zu bestrafen“.

UN-Botschafter Erdan bezeichnete die Aussagen von Guterres in einem Post auf X, ehemals Twitter, als „schockierend“ und „realitätsfremd“. In einem weiteren Post forderte er den UN-Generalsekretär dazu auf, mit sofortiger Wirkung zurückzutreten.

Zahl der Todesopfer steigt weiter an

Israels Außenminister Eli Cohen, der ebenfalls in New York war, sagte sein geplantes Treffen mit Guterres infolge dessen Aussagen ab: „Nach den Ereignissen des 7. Oktober gibt es einfach keinen Platz mehr für ausgewogene Ansätze. Hamas muss der Erdboden gleich gemacht werden“, so Cohen auf X.

US-Außenminister Antony Blinken fand in seiner Ansprache deutliche Worte und erklärte, dass Israel nicht nur das Recht auf Selbstverteidigung habe, sondern sogar dazu verpflichtet sei. Gleichzeitig sei es jedoch enorm wichtig, wie Israel dabei vorgehe: „Wir wissen, dass Hamas nicht die palästinensische Bevölkerung widerspiegelt und palästinensische Zivilisten nicht für die Gräueltaten von Hamas verantwortlich sind. Palästinensische Zivilisten müssen beschützt werden“, sagte er. Deshalb forderte Blinken Hamas auf, Zivilisten nicht als Schutzschild zu missbrauchen.

Anthony Blinken, US-Außenminister

“Ein Zivilist ist ein Zivilist, ganz unabhängig von seiner oder ihrer Nationalität, Ethnie, Alter, Geschlecht oder Glaube“

Sollte es zur erwarteten Bodeninvasion des Gazastreifens durch israelische Streitkräfte kommen, müsse Israel alles tun, um zivile Opfer zu vermeiden. Dazu zählt auch die Öffnung eines Korridors für humanitäre Hilfslieferungen und die Möglichkeit für Zivilisten, die Gefahrenzonen zu verlassen. „Ein Zivilist ist ein Zivilist, ganz unabhängig von seiner oder ihrer Nationalität, Ethnie, Alter, Geschlecht oder Glauben“, sagte Blinken.

Israels Sicherheit nicht verhandelbar, so Baerbock

Der US-Außenminister machte zudem klar, dass die USA einen Flächenbrand in der Region verhindern wollen. Er sprach dabei vor allem die Führung im Iran an, die mit militanten Gruppen wie Hamas und Hisbollah eng verbunden ist und diese finanziell, aber auch mit Waffenlieferungen und Training unterstützt. In den vergangenen Wochen wurden im Irak und Syrien stationierte US-Truppen mehrfach von Iran-unterstützten Milizen angegriffen.

„Die USA haben kein Interesse an einem direkten Konflikt mit dem Iran. Wir wollen diesen Krieg nicht ausweiten. Sollten der Iran und seine Unterstützer jedoch US-Personal angreifen, dann werden wir unsere Leute verteidigen“, so Blinken.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die der Debatte im Weltsicherheitsrat ebenfalls beiwohnte, verteidigte Israels Recht, sich zu verteidigen. Israels Sicherheit sei für Deutschland nicht verhandelbar: „Niemals wieder. Für mich als Deutsche bedeutet das, dass wir nicht aufhören werden, wenn wir wissen, dass die Enkelkinder von Holocaust-Überlebenden jetzt von Terroristen in Gaza als Geisel gefangengehalten werden“. In Hinblick auf die Lage im Gazastreifen stellte sie erstmals die Forderung nach einem „humanitären Fenster“ auf. Damit solle gewährleistet werden, dass gelieferte Hilfen für die Menschen auch wirklich ankommen.

Der UN-Generalsekretär selbst meldete sich am Mittwoch auch noch zu Wort. Er sei „schockiert über die falschen Darstellungen (…) als ob ich die Terrorakte der Hamas rechtfertigen würde“. Dies sei falsch, sagte er vor Journalisten. „Das Gegenteil war der Fall.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.