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Demos gegen die AfDDie bürgerliche Antifa

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Es gibt eine breite Mehrheit gegen die Mentalität des Hasses. Linke müssen sich nur mit ihr alliieren, über alle Unterschiede hinweg.

Allianzen gegen den Faschismus, wie hier bei einer Großdemonstration in Rostock am 25. Januar Foto: Annegret Hilse/reuters

D ie Enthüllungen der journalistischen Plattform Correctiv kamen zur rechten Zeit. Sie gaben den Anlass für eine umfassende Mobilisierung jener Menschen, die die sogenannte gesellschaftliche Mitte bilden. Diese „gewöhnlichen Deutschen“ sind nach Veröffentlichung des mehr oder weniger geheimen Treffens von AfD-Leuten, einigen CDU-Menschen und rechtsextremen Aktivisten mit einer Mischung aus Angst, Verstörung und Empörung aufgestanden und haben demonstriert.

Sie waren getriggert worden: Ihnen missbehagte, was beim Potsdamer Systemsprenger-Treffen programmatisch formuliert wurde. Nämlich ein Programm, das Linke wie ein Nazi-Reenactment lesen, sie aber, die große bürgerliche Mitte von Union über die Sozialdemokraten bis zu den Liberalen, als Bedrohung und Verrat ihres Landes. Was diese, hier so genannte bürgerliche Antifa treibt und was sie nicht hinnehmen will, ist in der soziologischen Expertise zu den „Triggerpunkten“ akkurat nachzulesen.

Für die AfD müssen diese Demonstrationen ein Desaster sein: Alice Weidel, Bernd Höcke & Co. dachten bis zu den Enthüllungen, sie könnten mit ihren vergiftenden Agitationen weitermachen und irgendwann tatsächlich die Macht übernehmen. Ausländer und solche, die sie unterstützen, aus dem Land schaffen, buchstäblich deportieren: Das ist der Spin – und das soll der Mobilisierungspunkt sein.

Sie hatten jedoch nicht damit gerechnet, dass exakt ein solcher Plan auf letztlich entschiedene Gegenwehr stoßen würde. Was AfD & Sym­pa­thi­san­t*in­nen nun zu realisieren haben: Sie werden niemals in der Bundesrepublik auch nur in die Nähe einer ihnen zusprechenden Mehrheit kommen. Und das ist nicht nur gut so, das kann, verfassungspatriotisch gesagt, auch glücklich stimmen.

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Mehrheit hat nichts gegen die Moderne

Die bürgerliche Antifa sieht die Dinge nämlich so: Man hat nichts gegen Einwanderung und neue Deutsche, jedenfalls nicht prinzipiell. Man will keinen mörderischen Hass. Keine Mordserie des NSU, keine rassistischen Attacken gegen Asylbewerberheime, gegen so empfundene „Ausländer“, man sympathisiert null mit dem Attentat von Hanau, ist alarmiert wegen des Mordes am hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke. Diese Mehrheit findet sich mehr oder weniger gewöhnend mit der Moderne ab, begrüßt sie am Ende sogar: Feminismus, Ehe für alle, Trans*menschen, Klimawandelpolitik und Erhöhung der Mindestlöhne. Was sie allerdings störrisch bis aufsässig macht, auch dies haben Mau & Co. ermitteln können, sind, so empfindet es diese Mehrheit, zwangspädagogisch wahrgenommene Sprechweisen, die sie ablehnen oder jedenfalls nicht unfallfrei anwenden können und wollen.

Die bundesdeutsche Mehrheit befürwortet, in Ruhe gelassen zu werden, dann hält sie auch Menschen aus, die anders sind, als sie selbst sich sieht. Deportationen und anderen nazihaft anmutenden Kram lehnt sie ab: Das wäre alles nicht im Sinne bürgerlichen Einvernehmens, allen gelegentlichen Nervereien zum Trotz. Der bürgerliche Deutsche, der sieht sich weltläufig, auch im eigenen Land. Das Selbstideal ist „Frieden im Land“.

Worauf Linke sich also einzustellen haben im Laufe der nächsten Monate, ist, dass diese Demonstrationen keine linken Umzüge sind. #unteilbar-Paraden werden es nicht sein, die politische Bühne betreten werden viel mehr als eine mobilisierte Woke-Kernschicht, nämlich eine deutsche Mehrheit, die den fantasierten naziähnlichen Krawall nach Gusto der AfD ablehnt.

Nur eine Kultur des Respekts vor jenen, die Linke als zu wenig links empfinden, wird die Brandmauer schützen

Die bürgerliche Antifa wird auch nicht links werden. Egal. Es reicht, wenn sie einfach eigensinnig darauf beharrt, die Bundesrepublik und ihre Geschichte nicht als „Vogelschiss“ zu verstehen; wenn für sie einer wie İlkay Gündoğan der beste deutsche Fußballer der Jetztzeit ist, den man supported, wenn wieder AfD-Leute wie Alexander Gauland (damals gegen Jerôme Boateng) ihn der Hautfarbe wegen als irgendwie undeutsch markieren.

Im Osten der Republik hat die klassische Antifa wesentliche Arbeit geleistet, um überhaupt auf die Einbräunung der Landschaften aufmerksam zu machen. Was sie oft nicht erkennen konnte (oder manchmal auch nicht wollte): dass es eine breite Mehrheit gegen diese Mentalität des Hasses gibt. Man muss sich nur mit ihr alliieren, auch wenn sie einem Lebensstil huldigt, der sich vom eigenen erheblich unterscheidet: spießig. Also fleißig und familienbewusst, akkurat in den Ordnungsvorstellungen und zugleich liberal dem Fremden gegenüber.

Die Demonstrationen der vergangenen Wochen waren Zeichen, die unbedingt ermutigen müssen. Deutschland steht quasi auf – und zwar anders, als die Gift­mi­sche­r*in­nen der AfD sich das vorstellen wollen. Damit ist nichts über die Kritiken zur Ampelpolitik gesagt, im Gegenteil. Sie ist einfach Teil der demokratischen Konfliktstrukturen. Klima und Klasse – also Heizungsgesetz und Bürgergeld – das bleibt der Rahmen, der weiter verhandelt werden muss.

Umzüge der „Selbstzufriedenheit“, wie etwa eine Kritik der Neuen Zürcher Zeitung lautete, sind es nicht: Das klingt nach Selbstbesoffenheit. Andererseits: Na und? Sie sind auch ein Hinweis, dass man den deutschen Mist, der bis 1945 herrschte, nicht wieder haben will.

Brandmauer braucht mehr als Linke

So oder so: Nur eine linke Kultur des Respekts vor jenen Menschen, die Linke als zu wenig links empfinden, wird zur Folge haben können, dass die Union auch in ostdeutschen Bundesländern die entscheidende „Brandmauer“ bleibt.

Die Demonstrationen in Hamburg, Berlin, München waren schon beeindruckend. Heldenhaft sind sie jedoch überall dort, wo man in AfD-durchwirkten Gegenden aufzog. Suhl, Spremberg, Dessau, Pirna, Greifswald, Stralsund, Görlitz, Nordhausen und so viele mehr. Aufstehen – für das eigene Land, das in Aufruhr ist, aber anders, als die Rechtsradikalen hofften.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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38 Kommentare

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  • Ein sehr, sehr intelligenter Kommentar, über den ich etwas länger nachdenken muss.



    "Nur eine linke Kultur des Respekts vor jenen Menschen, die Linke als zu wenig links empfinden, wird zur Folge haben können, dass die Union auch in ostdeutschen Bundesländern die entscheidende „Brandmauer“ bleibt". Wohl wahr.

    Die Lösung kann nicht, wie wieder in vielen Kommentaren gefordert, darin bestehen, dass die Union ihre eigenen Positionen aufgibt. Das hätten zwar viel gerne, auch bei den jüngsten Kundgebungen. Umgekehrt gilt: wer Union und AfD gleisetzt, stärkt die AfD. So einen Kampf gegen "rechts" wäre verheerend, ob von der Münchner Antifa oder den Horkheimer-Apologeten betrieben.

    Und die letzten "Mitte"-Studien, die jene wieder zu delgitimieren versuchten, delegitimieren damit nur einen breiten demokratischen Konsens gegen die AfD.

  • Ich heiße diese Proteste gut, verurteile aber ihre politische Instrumentalisierung. Eine



    "Brandmauer" wird gebaut, damit das Feuer nicht übergreift, weil die Positionen auf beiden Seiten nah aneinander sind. Was dagegen notwendig wäre, ist ein Graben, um den braunen Sumpf auszutrocknen.



    Ein solcher Graben entsteht aber nicht durch Patriotismus, sondern durch ein Hinterfragen diskursiver Selbstverständlichkeiten.



    Seit Monaten geht der öffentliche politische Diskurs darum, wie möglichst viele unliebsame Menschen aus der Gesellschaft entfernt werden können. Der Kanzler will "im großen Stil abschieben" und das euphemistisch "Rückführungsvereinfachungsgesetz" genannte Hau-Ab-III-Gesetz ermöglicht es u.a. nachts in Flüchtlingsunterkünften in Wohnungen einzudringen, deren Bewohner noch nicht einmal abgeschoben werden sollen, Menschen ohne Ankündigung abzuschieben, auch wenn sie hier geboren und aufgewachsen sind und sie bis zu einem halben Jahr zu inhaftieren, um effizienter massenhaft abschieben zu können. Von Massendeportationen wird allerdings erst gesprochen, wenn die AfD auch Menschen mit deutschem Pass außer Lamdes schaffen will.



    Damit jene Unliebsamen am besten erst gar nicht nach Deutschland kommen und sich im "schlimmsten" Fall noch Teile der Bevölkerung mit ihnen solidarisieren und sie sich in Deutschland auch keine Anwälte suchen können und zum Einklagen ihrer Rechte auch nicht vor ordentliche deutsche Gerichte ziehen können, hat die Mehrheit der Abgeordneten, die sich jetzt profilieren will, den Bau von Lagern an der EU-Außengrenze zugestimmt.



    Dabei geht es auch darum eine Sozialauswahl zur Gewinnung von Facharbeitskräften zu treffen, was heißt, dass Qualifizierte einen Weg nach Europa bekommen und Unqualifizierte im Mittelmeer ertrinken oder in der Sahara verdursten.



    Diese Festung Europa hat bisher wahrscheinlich schon einer sechsstelligen Zahl von Menschen das Leben gekostet. In absoluten wie relativen Zahlen weit mehr als an der innerdeutschen Mauer starben.

  • Das haette man schon frueher beherzigen koennen und es waeren schon vor einiger Zeit mehr Leute zu Demos gekommen, wo nicht immer die erste Reihe von sehr linken Transparenten gekapert wurde. Dahinter mag man oft nicht eingereiht werden.

  • Instrumentalisieren sie die Demonstranten nicht

    Ich bin seit über 20 Jahren zum ersten mal wieder auf eine Demo, weil ich die AfDoofen und das ultrarechte, Fremdenfeindliche Auftreten vieler "Mitbürger" schlimm finde und es endlich Gegenwehr gegen eine solche Gesinnung geben muss.

    Ich finde es aber zunehmend unterträglich, wie einem selbst Motivationen oder Gesinnungen in den Mund gelegt werden, warum "man" angeblich bei der Demo war.



    Ich bin gegen Fremdenfeindlichkeit, für diese Demokratie, für die Gewährung von Asyl (nur) für berechtigte Personen.



    Allerdings bin ich deshalb trotzdem weder links, noch für diese völlig vergurkte Asylpolitk, welche die AfDummheit erst stark machen konnte, weil sie in dieser Form falsch ist.



    Dann schreibt doch bitte nicht, was angeblich meine Motivation und die vieler anderen war, ihr wisst es doch gar nicht.



    Instrumentalisiert die Demonstranten nicht, sie waren aus vielen unterschiedlichen Gründen und bunt auf der Straße.

  • Kürzlich habe ich in einem Post hier in der taz behauptet, dass das Wort Verfassungspatriotismus nicht mal mehr von den offiziösen Sonntagsrednern in den Mund genommen werde - und jetzt schreibt Jan Feddersen, dass es verfassungspatriotisch glücklich stimme, dass es eben keine Übereinstimmung zwischen der bürgerlichen Mitte und der AfD gebe. Vielen Dank auch, Herr Feddersen!



    Aber hat, wer besser schreiben kann, damit auch zwangsläufig recht? Manche der hier versammelten Foristen scheinen das zu glauben - ob ihr Glaube - und der Jan Feddersens - jedoch der Realität standhalten, muss sich erst noch erweisen.



    Mir erscheint es mehr so, als ob das Recht auf Asyl dem inneren Frieden hierzulande geopfert werden soll - darüber muss man gar nicht den moralischen Stab brechen, aber man sollte es wenigstens so ehrlich, nüchtern und pragmatisch benennen. Und vielleicht wenigstens noch ab und an einen Rest Scham und schlechtes Gewissen darüber verspüren, was sich jenseits der EU-Aussengrenzen abspielt, z.B. hier: taz.de/Gewalt-gege...Tunesien/!5942175/



    Um mit Onkel Nolte in der “Frommen Helene” von Wilhelm Busch zu sprechen: “Ei ja! - Da bin ich wirklich froh! Denn, Gott sei Dank! Ich bin nicht so!” Muss wohl auch für das Verhältnis der bürgerlichen Mitte zur AfD gelten.



    Ich wünsche uns noch eine fröhliche Diskussion

  • "So oder so: Nur eine linke Kultur des Respekts vor jenen Menschen, die Linke als zu wenig links empfinden, wird zur Folge haben können, dass die Union auch in ostdeutschen Bundesländern die entscheidende „Brandmauer“ bleibt."

    Eine linke Brandmauer gab es schon mal und nannte sich "Antifaschistischer Schutzwall".

    Die Erfolge dieser linken Brandmauer konnte man sofort nach deren Öffnung als Rechtsextreme wie Pilze aus dem Boden schossen und heute noch dort Wahlerfolge erzielen.

    Der bürgerliche Antifaschismus ( der übrigens nicht nur in der CDU verortet ist) ist daher nicht nur zu "respektieren", er ist auch die vielversprechendere Alternative gegen die AfD. Insbesondere auch weil die Wähler gerade auch der Linkspartei verstärkt zur AfD übergelaufen sind und damit ein Versagen der Linken aufzeigen.

    • @Rudolf Fissner:

      Die innerdeutsche Mauer wurde gebaut, um das Verhältnis von qualifizierten und unqualifizierten Arbeiter:innen zugunsten der qualifizierten zu verschieben bzw. zu erhalten. Die DDR hat Menschen daran gehindert auszureisen, die Festung Europa verhindert zum selben Zweck die Einreise von Menschen.



      In absoluten wie relativen Zahlen kostet die Festung Europa mehr Menschen das Leben.



      Allein Lothar de Maiziére hat in seiner Amtszeit den Tod von mehr Menschen zu verantworten, als an der Mauer in 30 Jahren ums Leben gekommen sind. Er hat schließlich die italienische Regierung unter Druck gesetzt, damit sie die Rettungsmission "Mare Nostrum" vor der libyschen Küste abbricht und diese mit der Frontex-Mission ersetzt, die nur noch 30km vor der italienischen Küste patrouilliert.



      Das massive Aufkommen von Nazis in den Baseballschlägerjahren hatte mehr mit den damaligen Bedingungen zu tun, als mit der Mauer. Der durch den Ruf "Wir sind ein Volk" grassierende Nationalismus, die "Allianz für Deutschland" von CDU und Republikanern (die erste "AfD"). Pogrome, die ja deswegen Pogrome waren, weil der Staat sie geschehen ließ, ja sogar gegen Antifaschisten vorging anstatt gegen diejenigen, die in Rostock-Lichtenhagen Molotowcocktails warfen. Eine rücksichtslose "Schocktherapie", die extrem hohe Arbeitslosenzahlen zur Folge hatte, die überschnelle Einführung der DM, die zum Wegbrechenen der Exportmärkte für DDR-Produkte im Osten führten.



      Das Erstarken der AfD hat sehr viel mit den Abstiegsängsten im Neoliberalismus zu tun und dem nationalistischen Versprechen, Führungsmacht in Europa und der Welt zu sein und beides wird von der CDU und anderen bürgerlichen Parteien radikal vertreten. Die meisten Menschen, die AfD wählen, haben vorher CDU gewählt.



      Bitte also erst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Das erwarten Sie von Linken schließlich auch.

    • @Rudolf Fissner:

      Aha?



      Linkenwähler laufen zur afd über?



      Wenn man sich die Wahlergebnisse mal anschaut, machen die paar "Linken" eh nix mehr kaputt.



      Ich habe KEINEN Respekt vor Politikern, die sich Ideologien und Vorschläge der afd zu Eigen machen, um vielleicht n halbes Prozent mehr für sich herauszuschlagen, der afd damit aber ins braune Hinterteil kriechen.



      Wir sehen ja, Rechte wählen lieber das "Original" und dieses eklige Anbiedern an rechte Positionen ist fatal.



      MEIN Respekt gilt denen, die sich konsequent gegen Rechts stellen, nicht denen, die möglichst weit nach rechts rücken, um von Hass und Hetze (mit) zu profitieren.

  • Ich finde wichtig, dass wir weiter forschen, warum die Menschen AFD wählen und uns offen und ohne Verurteilung mit diesen Gründen auseinandersetzen. Nur wenn sich da etwas ändert, wird sich auch das Problem mit dem Rechtsextremismus ändern. Das ist für mich wie der Slogan: Fluchtursachen abschaffen! Migration ist Menschenrecht, das bleibt. Und ich möchte aber auch dass Menschen dort bleiben können, wo sie bleiben wollen. Lebenswertes Leben für Alle in allen Ländern.

  • Bürgerliche Selbstzufriedenheit ist wirklich nicht besonders erstrebenswert. Für die vor uns liegenden Zukunftsaufgaben ist sie denkbar ungeeignet. Aber sie ist eben auch schön weit weg von aktionstischer Selbstbesoffenheit, von linken Widerstandsphantasien sowie von rechtem Selbstermächtigungswahn. Die Demonstranten der letzten Zeit sind nicht die üblichen Verdächtigen und das ist gut. Die Demonstrationen sind ein Aufstehen derer, die sonst nicht demonstrieren, ein Aufstand der Bequemen, und das ist die kritische Masse. Das sind die, auf die es ankommt, weil sie sonst unsichtbar sind und weil sie als "stille Mehrheit" diejenigen sind, die gerne von der Bräunlichen für sich vereinnahmt werden. Es sind auch die, denen es recht gut geht und die sich dessen bewusst sind ohne gleich in Panik zu verfallen. Da sind bestimmt Heizungsgesetz- Gegner dabei und Leute die mit dem Auto zum Bäcker fahren, das ist zwar Mist, aber das sind eben die Umkämpften. Besser auf dieser als auf jener Seite, oder?

    • @Benedikt Bräutigam:

      Ich verstehe den Kommentar auch nicht so, dass man bürgerliche Selbstzufriedenheit „erstreben“ solle, sondern dass man sie als anderes Lebensmodell auch erstmal akzeptieren kann. Aus jeden Fall in dieser Konstellation, die andere Themen, nämlich das Grundgefühl unseres Staates, behandelt.



      Darüber hinaus ist es grundsätzlich eine gute Idee, den eigenen Standpunkt nicht nur durchzusetzen, wenn man eine Mehrheit hat, sondern sich dann noch für die entschiedenen Maßnahmen werben, den eingeschlagenen Weg vermitteln, und sich die Kritik der Gegner genau anhören, ob das nicht auch eine Chance drinsteckt, etwas besser zu machen (letzteres war sicher beim ersten Entwurf des Heizungsgesetzes nötig).

  • Eine interessante Sichtweise auf die bürgerliche Mitte, wobei ich nur eins wirklich unterschreiben würde:



    "Die bundesdeutsche Mehrheit befürwortet, in Ruhe gelassen zu werden..."

  • Danke. Kann ich komplett unterstreichen.

  • Das wird nicht reichen.



    Solange Politiker (fast) jeglicher Coleur versuchen, die afd zurückzudrängen, indem sie deren Forderungen ein wenig anders formuliert nachkommen bzw. diese Forderungen fürs eigene Parteiprogramm direkt übernehmen, wird das "Original" davon profitieren.

    Wir müssen anders sein..eine Alternative zur afd und deren dumpfen Parolen von Angst und Hass.

    • @Ralf Harbusch:

      "Solange Politiker (fast) jeglicher Coleur versuchen, die afd zurückzudrängen, indem sie deren Forderungen ein wenig anders formuliert nachkommen bzw. diese Forderungen fürs eigene Parteiprogramm direkt übernehmen, wird das 'Original' davon profitieren."

      Ich halte das für einen fundamentalen Denkfehler. Die Mitte und/oder die Konservativen sind eben keine AfD-light. Vielmehr verkörpert die AfD das, was herauskommt, wenn man in der Mitte oder im konservativen Lager jegliche Selbstbeschränkung aufgibt.

      Die Menschen zwischen den Linken und den Rechtsextremen würden auch dann so ticken, wie sie gerade ticken, wenn es die AfD nicht gäbe. Und daran kann man auch nichts ändern, indem man sich immer wieder einredet, dass doch nicht sein kann, was (nach linker Weltanschauung) nicht sein darf. Es ist so, wie es ist. Und (mit Selbstbeschränkung) ist es demokratisch legitim.

    • @Ralf Harbusch:

      Danke für Ihren Beitrag, sehe ich auch so.

  • Jan Feddersen schreibt nicht nur sehr gute Musikkritiken und Nachrufe. Seinen Kommentar empfinde ich als einen der Besten zu diesem Thema. Chapeau.

    • @Klaus Waldhans:

      Sehe ich genauso.

  • Top-Kommentar.

    • @rero:

      Finde ich auch.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Die Mitte ist Reif. Auch in g-REIFswald. Und das ist gut so. (Entschuldigen Sie bitte, werter Marcel.)



    taz.de/Gedenken-an...undestag/!5985938/



    Und wenn dann noch Polenz und Wüst dem Herrn Merz erklären, wo Friedrichstadt liegt, ist vermutlich schwarz/grün nicht mehr zu verhindern. Sei's drum.



    taz.de/Ex-Generals...bb_message_4678145

  • Ingesamt ein ausgezeichneter Kommentar!!!

    Diese Passage

    "Man hat nichts gegen Einwanderung und neue Deutsche, jedenfalls nicht prinzipiell. "

    sollte man aber vielleicht etwas präzisieren.

    Die meisten Mitglieder der Bestandsgesellschaft haben (übrigens schon länger) keine großen Probleme mit einer multiethnischen Gesellschaft, sondern mit einer multikulturellen, jedenfalls dann, wenn unvereinbare (und von der Bestandsgesellschaft nicht verhandelbare) Wertvorstellungen aufeinander prallen und sich Parallelgeselschaften bilden. Das ist die wesentliche Ursache für den Wunsch nach Begrenzung/Kontrolle von Migration. Berechtigte Schutzansprüche nach geltendem Asyl- und Flüchtlingsrecht werden von den meisten Inländern eher nicht in Frage gestellt.

  • Heute Abend geht in einem kleinen Dorf in RLP (Limburgerhof) diese Mehrheit auf die Straße, weil drei indischstämmige Kinder auf einer Kinderfaschingveranstaltung rassistisch beleidigt wurden, zeitlich nach der Corectiv-Recherche.



    Merz wird nicht da sein, der hat gerade mit seiner Haßrede im Bundestag die Mehrheit verloren; aber viele CDU-Mitglieder werden da sein. Mit denen im Gespräch zu bleiben oder ins Gespräch zu kommen, hätte etwas mit Brand-Mauer zu tun.

    • @oldleft:

      Hören Sie doch auf mit der Spalterei des Antifaschismus. Der linksextreme Antifaschismus war noch nie maßgeblich dabei. Schnon gar nicht mit seiner Auschließeritis.

      • @Rudolf Fissner:

        Was ist daran bitte linksextrem, die Person Merz zu kritisieren? Hallo?

      • @Rudolf Fissner:

        ? Inwiefern spaltet denn oldleft mit seiner Aussage?



        Sie ärgern sich wohl so sehr über seinen Nick, dass sie nicht mal mehr in der Lage zu sein scheinen, sich inhaltlich mit dem auseinander zu setzen, was er schreibt-

  • Ich teile die Aussagen des Autors, dass die afd eine "vergiftende Agitation" betreibt und bis in die Spitze mit rechten Demagogen durchsetzt ist. Um das Festzustellen reicht die Begriffsklärung "Demagogie" auf Wikipedia.

    Noch weitaus treffender ist allerdings die Aussage des Sozialpsycholgen Sheldon Solomon, Zitat:

    "Demagogen sind die Alchemisten des Hasses. Sie wandeln die Ängste ihrer Anhänger in Hass um. Und diese Strategie ist sehr effektiv, weil sie einem unsicheren und verzeifelten Volk ein einfaches Bild vermittelt: "wir sind gut, die anderen sind böse, bleibt bei uns dann wird alles gut"".

    -> (das muss man sich wirklich auf der Zuge zergehen lassen: "sie wandeln die Angst ihrer Anhänger in Hass um").

    Diese Aussage ist nach m.E. nicht nur bestens geeignet die Strategie der afd in einem tieferen Sinne zu verstehen, sie bietet auch allerlei Hebel um sie entlarven.

    Denken Sie z.B. an Aussagen über "Koptuchmädchen und Messermänner" über "Angsträume und ausländische Vergewaltiger" oder die Aussage Höckes man müsse die Wähler auch emotional ansprechen.

    Hier wird klar, mit welchen Lügen und Vorurteilen die afd agiert und auch dass sie gar nicht vorhat etwas für das "Volk" zu tun, sondern die verängstigten nur noch zusätzlich ängstigen will, mit dem einzigen Ziel die Macht zu übernehmen.

    Es ist Zeit den Diskurs zu eröffnen. Konfrontieren wir die Demagogen der afd öffentlich mit ihren wahren Zielen..reißen wir den "Kreidefressern" ihre verlogenen Masken vom Gesicht, damit ihre ge-täuschten (Sympathisanten) erkennen worum es den Ideologen der afd wirklich geht..und wofür sie sie mißbrauchen wollen..

  • Recht hat er - wie auch die SPD hatte das schon in ihrem Godesberger Programm anno dunnemals erkannt hat. Die Mehrheit möchte Revolution sondern maximal evolutionäre Veränderungen unter Berücksichtigung der eigenen Befindlichkeiten. Wer mehr will, wird sich, unabhängig von der politischen Richtung, auf lange, mit vielen Kompromissen gepflasterte Überzeugungswege begeben müssen. Das ist eben Demokratie- und das ist auch gut so.

    • @vieldenker:

      Es muss natürlich heißen: „Die Mehrheit möchte keine Revolution“.

      • @vieldenker:

        Zum Thema "Evolution": Verwechseln Sie Macht bitte nicht mit Natur. Wenn Menschen kämpfen geht es nicht ums Überleben, sondern um Macht, schrieb schon Nietzsche. Wenn es ums Überleben geht, arbeiten Menschen zusammen.

      • @vieldenker:

        Die Masse der Wähler:innen von CDU, SPD und FDP will keineswegs das, was die Führungsspitzen der genannten Parteien wollen.

        Und all die Merzens, Scholzens und Lindners stören sich in Wahrheit an den Anti-AfD-Protesten.

        Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die AfD steht für Asylabbau, Sozialabbau, Rüstung & Krieg, Umwelt- & Klimazerstörung und Nationalismus.

        Nur: Für all das stehen auch die Parteispitzen von CDU, SPD & co.

        Mit denen kann man keinen Antifaschismus auf die Beine stellen, noch nicht mal einen bürgerlichen.

        • @Uns Uwe:

          Die AfD steht für Rüstung und Krieg?! Wenn ich denen was glaube dann noch am ehesten dass sie sich aus jedem bewaffneten Konflikt raushalten wollen, auch da wo ein militärisches Eingreifen aus moralischen Gründen geboten wäre!

      • @vieldenker:

        Nein, es muss natürlich heißen: „Die Mehrheit möchte Revolution“.

        Der erste Freud ist immer der Richtige.

        • @Uns Uwe:

          Auch wenn es Sie FREUDen würde, daliegen Sie meines Erachtens falsch. Letztlich haben viel mehr Menschen auch hierzulande Angst vor dem persönlichen Verlust, als Hoffnung in die Wahrhaftigkeit jedweder Revolutionäre. Entspricht ja auch der empirisch gestützten Erfahrung.

          • @vieldenker:

            Ja, die Angst vor dem Verlust und die negativen Erfahrungen sind da, das erkenne ich an.

            Und trotzdem: "Die Mehrheit MÖCHTE Revolution", im Sinne von weniger Parteienherrschaft, mehr Lösungskompetenz bzgl. der globalen Krisen bis hin zu antikapitalistischen Auswegen.

            Auch dafür gibt es Empirie, zum Beispiel diverse Umfragen:

            politik.watson.de/...sen-fertigzuwerden

            yougov.de/internat...einen-besseren-ruf

  • Ein selten guter Kommentar! Ganz genau so ist es! Chapeau Jan Feddersen!