Demo gegen Hambacher-Forst-Protest: „Psychoterror“ gegen Kohlekritikerin?
RWE-Mitarbeiter demonstrieren lautstark vor dem Haus eines Mitglieds der Kohlekommission. Grüne sind empört, die Gewerkschaft distanziert sich.
„Ich hatte den Eindruck, man war überrascht, dass Presse vor Ort war“, sagt der Journalist Theo Heyen, der sich mit einem Filmteam zu diesem Zeitpunkt für ein Interview im Haus aufhielt. 10 bis 15 Minuten hätten sich die Demonstranten vor dem Haus aufgehalten. Dabei skandierten sie „Hambi weg, Hambi weg“ und „Grothus raus“. Dazu hätten sie Trillerpfeifen und Tuten geblasen. „Mir sind fast die Ohren weggeflogen“, sagt Heyen.
Ein Mann habe das Grundstück betreten, sei zum Küchenfenster gegangen und habe gegen die Scheibe gebrüllt. „Nach einigen Minuten hat die Polizei ihn dann weggebeten.“ Im Inneren des Hauses habe es sich wie eine Bedrohung angefühlt. „Die Menge draußen konnte nicht wissen, ob Kinder im Haus sind oder nicht“, sagt Heyen. Der dpa sagte Antje Grothus: „Das war sehr bedrohlich.“
In der Kohlekommission vertritt Grothus die Interessen von Tagebaubetroffenen, und setzt sich auch für den Erhalt des Hambacher Forstes ein. Die Polizei habe sie kurz vor dem Aufmarsch darüber informiert, dass man diese Demo auf der Straße vor ihrem Haus zulassen werde. Der Geschäftsführer des BUND Nordrhein-Westfalen, Dirk Jansen, der ebenfalls vor Ort war, bezeichnete die Aktion als „Psychoterror“.
CDU-Vorstandsmitglied äußerte Verständnis
Das sieht auch die Vorsitzend der NRW-Grünen, Mona Neubaur, so. „Diese Methoden grenzen an Psychoterror“, sagte sie. Serap Güler, Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und NRW-Staatssekretärin für Integration, verteidigte die Aktion hingegen: „Wenn Aktivisten einen Wald besetzen, illegal Baumhäuser bauen, ist das 'Klimarettung’. Wenn Menschen um ihre Jobs bangen und deshalb demonstrieren, ist das […] 'Psychoterror’. Wahnsinn“, schrieb sie auf Twitter.
Der Bundesverband der IG BCE hat sich von der Aktion inzwischen distanziert: „Die Demonstration vor Privathäusern war weder angemeldet noch geplant“, teilte die Gewerkschaft auf Twitter mit. Man distanziere sich von persönlichen Anfeindungen – diese Form der Auseinandersetzung halte man für falsch. „Protest muss aller Job-Sorgen zum Trotz angemessen bleiben.“
Mindestens ein RWE-Betriebsrat der Gewerkschaft, Walter Butterweck, hatte sich an der Demo beteiligt. Vor Ort erklärte er, es handle sich nicht um Psychoterror, sondern um „eine Ortsbegehung“. Angesprochen darauf, dass das Betreten des Privatgrundstücks Hausfriedensbruch gewesen sei, sagte einer der Demonstranten neben ihm: „Das ist, was die Aktivisten den ganzen Tag machen.“ Ob die nicht-abgesprochenen Aktion seitens der Gewerkschaft Konsequenzen haben würde, sagte die IG BCE bisher nicht.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip