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Debatte im BundestagMerz braucht Nachhilfe – von Merkel

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Friedrich Merz will schnellstmöglich die Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur sichern. Viel Verhandlungstalent zeigt er dabei nicht.

Merz sollte mal einen Workshop buchen: Erfolgreich Verhandeln leicht gemacht Foto: Ebrahim Noroozi/ap

D ie Lage ist verdammt ernst. Die USA sind vom Partner zur Pain in the Ass mutiert, Putin lacht sich derweil ins Fäustchen und sieht sich seinen Zielen, die Ukrai­ne zu unterwerfen und Europa zu spalten, näher denn je. Es wäre beruhigend, wenn ein einiges Europa mit einem starken Deutschland den autoritären Bedrohungen die Stirn böte. Doch was macht der Mann, der sich demnächst zum Kanzler der drittgrößten Volkswirtschaft wählen lassen will?

Statt die demokratischen Parteien im Bundestag hinter dem gemeinsamen Ziel zu vereinen, taktiert er, behandelt die Grünen von oben herab und lässt die Linkspartei außen vor. So wird das nichts, Herr Merz. Klar ist: Deutschland muss sich jetzt schnell von den USA emanzipieren, verteidigungspolitisch und wirtschaftlich. Dazu sind Investitionen in schwindelerregender Höhe nötig. Doch die wilde Entschlossenheit, mit der die sich anbahnende schwarz-rote Regierung jetzt in dreifacher Hinsicht das Grundgesetz ändern will, und zwar mit dem eigentlich abgewählten Bundestag, ist kritikwürdig.

Dass Deutschland mehr Geld für seine Verteidigung ausgeben muss, ist schon seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor drei Jahren klar. Und dass die Infrastruktur marode ist und die Digitalisierung verschlafen wurde, erlebt jede Bür­ge­r:in seit zwei Jahrzehnten vor der eigenen Haustür. Die Hast, mit der Merz jetzt einstige Wahlversprechen kippt und Hunderte Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur sichern will, ist nicht nur der Weltlage geschuldet.

Es ist auch der Versuch seiner künftigen Koalition, die finanzielle Geschäftsgrundlage zu sichern und dabei weitere unangenehme Verhandlungen mit der Opposition über eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse abzuwürgen. Ein ziemlich durchsichtiges Manöver, das sehr viel Fingerspitzengefühl erfordern würde. Eine Vokabel, die im Merz’schen Managerwortschatz bislang offenbar nicht existiert. Die Grünen, die er als Mehr­heits­be­schaf­fe­r:in­nen braucht, am Donnerstag im Bundestag mit den Worten anzublaffen: „Was wollen Sie eigentlich in so kurzer Zeit noch mehr“, zeugt jedenfalls nicht von Takt, sondern von Trampligkeit.

Vielleicht sollte Merz nun doch einmal den Rat seiner Vorgängerin Angela Merkel suchen. ­Merkel war eine exzellente Verhandlerin, sie verstand es, Belange kleinerer Partner zu berücksichtigen und Bündnisse zu schmieden, auf nationaler und internationaler Ebene. So viel Geschick sollte ein deutscher Kanzler in dieser volatilen und bedrohlichen Lage besitzen. Falls Merz das weiterhin nicht gelingt, wäre er gescheitert, bevor er überhaupt Kanzler ist.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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13 Kommentare

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  • Ich vermute, er will das alles gar nicht.

    Kein Geld für die Armee, die Infrastruktur etc? Beschwert Euch bei den Grünen! Oder den Linken! Wir, die CDU, wurden von denen gehindert.

    Merz hat nicht eine Sekunde Interesse an Deutschland oder Europa.

    Er ist einfach nur zu feige, um in Rente zu gehen. Dann hört ihm keiner mehr zu.

    So müssen wir wohl, auch wenn er nicht wirklich was zu sagen hat.

  • Er kann es nicht. Er kann gar nichts. Er verliert sogar mit gutem Blatt auf der Hand.

  • ein wenig off-topic: es heißt immer wieder Investitionen in die Infrastruktur. Was ist Infrastruktur? Alles und jedes. Das kann heißen, Schulen zu bauen, Kohlekraftwerke, Solarkraftwerke, Frauenhäuser, Autobahnen, Eisenbahnen, die Systematik und die Dinge, um konsequent die Güter auf die Bahn und die Lastenfahrräder zu bringen, Zentren für den Güterumschlag und die lokale Begegnung und Gemeinschaftsbildung, Lichtwellenleiter, Kameras, Rechenzentren oder was auch immer. Ich will darauf hinaus, dass es nicht gut oder schlecht ist im Hinblick auf Werte (z. B. Klimawende), Infrastruktur zu bauen, sondern das es darauf ankommt, welche Infrastruktur, was konkret. Diese Klarheit vermisse ich in dem, was in diesen Tagen von der Politik berichtet wird.

  • Wer wirklich von Merz erwartet das er das Kanzleramt gut führt, dem sei gesagt das Merz nie ein hohes Amt inne hatte. Wer sich durch alle politischen Instanzen durchkämpfen musste, der hat mit der Zeit ein ganz anderes diplomatisches- und verhandlungs-Geschick dabei erlernt, das ist die positive DNA eines guten Politikers. Die neue Legislaturperiode wird sehr spannend werden, ich denke wir werden wegen Merz ein hohen Preis bezahlen müssen. Berufserfahrung ist durch nichts zu ersetzen, jetzt muss Merz im laufenden Betrieb das laufen lernen



    und auf höchsten politischen Niveau agieren, wie gut das läuft das kann man jetzt jeden Tag live verfolgen, Gott sei mit uns allen.

  • "Viel Verhandlungstalent zeigt er dabei nicht."

    Wo sollte das auch herkommen ?



    Über Nacht vom Himmel fallen oder was ?

  • Okay, die neue Schuldensicht kann er seiner CDU vielleicht noch verklickern, die Einbindung der Grünen auch noch so gerade. Aber auch noch Rücksicht auf die (Ex-) Kommunisten nehmen, wäre dann vielleicht doch etwas viel verlangt vom Kandidaten. Immerhin wurde er noch in der Kohl-Strauß-Dreggerunion sozialisiert.

  • Eine Mailboxnachricht hinterlassen und dann wie ein nervender Vater "Was wollt ihr noch?" zu rufen, ist auf jeden Fall nicht die optimale Verhandlungstaktik.

    Obwohl: Die Merzsche Unverfrorenheit und sein Begarrungsvermögen sind irgendwie - im Sinne einer Kuriosität - auch wieder bemerkenswert.

  • Merz ist ein politischer Hasardeur, der es im Ergebnis nur durch das reihenweise Scheitern seiner Konkurrenten an die Spitze schaffte. Er wurde von Merkel, von AKK und von Laschet ausgebootet, und blieb nur als letzter nach Abgang der vorherigen als "last man standing" übrig. Das so jemand nicht mit herausragendem politischen Geschick gesegnet ist, konnte man deshalb ahnen. Sein Verhalten der letzten Wochen hat dies noch mal deutlich demonstriert. Ich wünschte, die CDU/CSU hätte irgendjemanden zu bieten, dem ich einen Hauch von Kompetenz unterstelle.

  • Liggers. “Falls Merz das weiterhin nicht gelingt, wäre er gescheitert, bevor er überhaupt Kanzler ist.“

    Viel Hoffnung - geschätzte Frau Anna Lehmann - kann ich Ihnen da nach 9 1/2 Jahren in Westfälisch Sibirien an verantwortlicher Stelle mit viel Publkumskontakt/Ortstermine (+ “…daß Sie als Nordlicht mit den Sauerländern zurechtkommen!“) - wg andere Mentalität- nicht machen! Woll

    Gut - Merz ist zum Glück kein Siegerländer! Woll



    Dazu fehlt die heiße Kartoffel 🥔 im Mund!



    Vor allem aber das unerbittliche Jagdterrierhafte!



    Aber - das grobschlächtig quante der Sauerländischen Mentalität mit - das Wasser nicht halten können - gepaart mit Worthülsensalat & immer das letzte Wort haben wollen (treffend ein seiner Mitschülerinnen!) - Alles negativ verfeinert beie Black Rockers ohne Bodenhaftung & vxxl Aufsichtsratsposten & dazu einschließlich ungebremster Selbstüberschätzung/Hybris -



    (“Die Bedeutung meiner Stellung, erfüllt mich mit Bewunderung!“)! Wollnichtwoll



    All das ergibt - geradzu täglich offen unter Beweis gestellt, eine bedrohlich brandgefähliche Mischung - siehe nur beispielhaft die unfassbare Volte mit Arschlöcher für 🇩🇪 & die entblößend ersichtlich fehlenden ☕️☕️ im 🗄️ •

    • @Lowandorder:

      Warum nur haben Sie so ein Trauma mit den Südwestfalen? Immerhin ist das, neben den schwer verständlichen Schwaben, die Heimat der wohlstandssichernden Weltmarktführer. Die brauchen noch nichtmal Finanzinvestoren wie Blackrock zum wirtschaftlichen Erfolg. Im Gegensatz zur Berliner Blase und dem Hamburger Medienzirkus. Merz wird da nicht gewählt, weil er Provisionen aus Amiland bekommt, sondern weil er nicht so redet, wie die weltläufig erscheinen wollenden Metropolenmitbürger ohne konkreten Basisbezug..

  • "im Merz’schen Managerwortschatz" Merz war kein Manager, er war Lobbyist, bei Black Rock.

    • @nutzer:

      Dacht' ich mir auch.



      Ich fürchte, der Kollege Merz ist nichts weiter als die Personifizierung des Peter-Prinzips.



      Spätestens als er an Frau Kramp-Karrenbauer auch nicht vorbei kam, hätte das jedem klar sein können.

      • @Nansen:

        Wer brsucht schon Friedrich Merz ?



        Ða weder an China, Russland noch den USA entgangen sein dürfte, was die Europäische Union z. Z. In Punkto Wehrhaftigkeit ( geplante 800 Millarden Investitionen ) ausheckt, wäre doch ein guter Zeitpunkt von der Europäischen Kommission, die Großmächte zu Abrüstungsverhandlungen einzuladen.