Debatte im Bundestag: Merz braucht Nachhilfe – von Merkel
Friedrich Merz will schnellstmöglich die Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur sichern. Viel Verhandlungstalent zeigt er dabei nicht.

D ie Lage ist verdammt ernst. Die USA sind vom Partner zur Pain in the Ass mutiert, Putin lacht sich derweil ins Fäustchen und sieht sich seinen Zielen, die Ukraine zu unterwerfen und Europa zu spalten, näher denn je. Es wäre beruhigend, wenn ein einiges Europa mit einem starken Deutschland den autoritären Bedrohungen die Stirn böte. Doch was macht der Mann, der sich demnächst zum Kanzler der drittgrößten Volkswirtschaft wählen lassen will?
Statt die demokratischen Parteien im Bundestag hinter dem gemeinsamen Ziel zu vereinen, taktiert er, behandelt die Grünen von oben herab und lässt die Linkspartei außen vor. So wird das nichts, Herr Merz. Klar ist: Deutschland muss sich jetzt schnell von den USA emanzipieren, verteidigungspolitisch und wirtschaftlich. Dazu sind Investitionen in schwindelerregender Höhe nötig. Doch die wilde Entschlossenheit, mit der die sich anbahnende schwarz-rote Regierung jetzt in dreifacher Hinsicht das Grundgesetz ändern will, und zwar mit dem eigentlich abgewählten Bundestag, ist kritikwürdig.
Dass Deutschland mehr Geld für seine Verteidigung ausgeben muss, ist schon seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor drei Jahren klar. Und dass die Infrastruktur marode ist und die Digitalisierung verschlafen wurde, erlebt jede Bürger:in seit zwei Jahrzehnten vor der eigenen Haustür. Die Hast, mit der Merz jetzt einstige Wahlversprechen kippt und Hunderte Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur sichern will, ist nicht nur der Weltlage geschuldet.
Es ist auch der Versuch seiner künftigen Koalition, die finanzielle Geschäftsgrundlage zu sichern und dabei weitere unangenehme Verhandlungen mit der Opposition über eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse abzuwürgen. Ein ziemlich durchsichtiges Manöver, das sehr viel Fingerspitzengefühl erfordern würde. Eine Vokabel, die im Merz’schen Managerwortschatz bislang offenbar nicht existiert. Die Grünen, die er als Mehrheitsbeschaffer:innen braucht, am Donnerstag im Bundestag mit den Worten anzublaffen: „Was wollen Sie eigentlich in so kurzer Zeit noch mehr“, zeugt jedenfalls nicht von Takt, sondern von Trampligkeit.
Vielleicht sollte Merz nun doch einmal den Rat seiner Vorgängerin Angela Merkel suchen. Merkel war eine exzellente Verhandlerin, sie verstand es, Belange kleinerer Partner zu berücksichtigen und Bündnisse zu schmieden, auf nationaler und internationaler Ebene. So viel Geschick sollte ein deutscher Kanzler in dieser volatilen und bedrohlichen Lage besitzen. Falls Merz das weiterhin nicht gelingt, wäre er gescheitert, bevor er überhaupt Kanzler ist.
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