Comeback der K-Gruppen: Ein Heilsversprechen für junge Kader
In Berlin hat sich eine Revolutionäre Kommunistische Partei gegründet. Das Energielevel der rund 200 jungen Menschen beim Parteitag sackte schnell ab.
In Grüppchen strömen die sehr jungen Kommunist:innen herbei, über 200 sind laut Parteiangaben erschienen. Im Schnitt dürften sie kaum älter als 20 Jahre sein. Einige haben sich Kufijas um ihren Kopf gebunden, andere tragen Hammer-und-Sichel-Jutebeutel.
Die Stimmung ist euphorisch. „Willkommen zu diesem historischen Moment, auf den ihr schon das ganze Jahr gewartet habt“, ruft eine Rednerin vom Podium unter Applaus. Doch dieses Energielevel sackt schnell ab.
Auf die Begrüßung folgt eine über zweistündige Rede eines Referenten, dem gefühlt einzigen Mann über 40 im Raum, über die weltpolitischen Perspektiven des Kommunismus. Nach jedem Satz der englischen Rede folgt eine Liveübersetzung – da können sich einige der Revolutionäre ein Gähnen nicht unterdrücken.
Die „verdiente Führung“ der „Arbeiterklasse“
Die RKP ist ein Phänomen. Die zahllosen Videos auf ihren Social-Media-Kanälen sind ein Ausflug in eine abstruse Parallelwelt. Ein junger Mann sagt da zum Beispiel in die Kamera, er sei in der RKP, „um der Arbeiterklasse ihre verdiente Führung zurückzugeben“. Lukas Kutschera, Sprecher der RKP, sagte der taz, man definiere sich in der Partei als „revolutionäre Kommunisten“ und „orthodoxe Marxisten“.
Ansonsten steht die RKP in der Tradition des Trotzkismus. Sie ist Teil der Revolutionary Communist International (RCI), einer internationalen trotzkistischen Vereinigung, die bis zum Juni dieses Jahres noch International Marxist Tendency (IMT) hieß.
Seit Jahren versucht die IMT recht erfolglos, die sozialdemokratischen Parteien insbesondere in Europa von innen revolutionär zu drehen. Doch seit Kurzem verfolgt sie eine neue Strategie: den Aufbau von revolutionärer Kaderparteien. Über 40 nationale Sektionen soll es weltweit geben, viele davon gründen sich derzeit als Partei neu.
Teil eines größeren Trends
Dabei ist die Revolutionäre Kommunistische Partei Teil eines größeren Trends. Autoritäre kommunistische Gruppen haben in den letzten Jahren in der radikalen Linken Berlins Aufwind erfahren. Auf dem 1. Mai, lange fest in der Hand der autonomen und antiautoritären Linken, prägen die roten Schlauchschals inzwischen das Demobild.
In der Palästina-Bewegung sind orthodox ausgerichtete antiimperialistische Gruppen ebenfalls zentraler Akteur. Auf vielen Demos werden inzwischen Zeitungen wie Der Kommunist, das Hausblatt der RKP, verteilt. Zuletzt hatte auch die stalinistische Kommunistische Organisation (KO) einen Parteigründungsprozess eingeleitet.
Was treibt junge Linksradikale in eine Partei, deren Theorie und Optik in der Weimarer Republik stecken geblieben scheint? Bei einer Zigarette vor dem Parteitag erzählt ein junger Kommunist, wie er sich von der antiautoritären Linken entfremdet hat. „Die waren mir zu chaotisch“, sagt er.
Die Rede sei immer vom Kampf gegen den Kapitalismus gewesen – aber es habe kein Konzept existiert, wie dieser auch wirklich zu überwinden ist. „Die RKP ist die einzige Partei, die wirklich die Revolution erkämpfen will“, sagt er. Zum ersten Mal in seinem Leben spüre er: „Sozialismus in unseren Lebzeiten ist möglich.“
Ausdruck autoritärer Zeiten
Tobias Helfst vom antiautoritär-kommunistischen “… ums Ganze!“-Bündnis warnt davor, die RKP als Skurrilität abzutun. „Wir als radikale Linke haben diese Entwicklung viel zu lange nicht ernst genug genommen“, sagt er. Helfst sieht in der RKP einen Ausdruck autoritärer Zeiten, die sich auch in der radikalen Linken niederschlagen.
Viele junge Linke, die zwischen Krieg, Krise und Unsicherheit aufwachsen, seien auf der Suche nach Halt. „Ich kann verstehen, dass man das findet in so einer Partei, die mit einer Art Heilsversprechen daherkommt und bei der man dann auch noch selbst die Avantgarde sein und den Führungsanspruch übernehmen kann“, sagt Helfst.
Und tatsächlich ist auch die Erzählung, die der Referent auf dem Parteitag kompliziert entfaltet, eigentlich eine einzige Selbstvergewisserung: Ja, manchmal wirkt es, als würde alles immer schlimmer – in Wirklichkeit sind hier aber Kräfte der Geschichte am Werk, die bereits die neue Revolution vorbereiten.
„Die organische Krise des Kapitalismus schlägt sich auf das Bewusstsein nieder, insbesondere in der Jugend, die nichts anderes kennt als dieses System im Niedergang“, sagt Parteisprecher Kutschera. Auch dass viele Jugendliche AfD wählen, sei eigentlich nur ein Symptom, dass die Leute „radikale Antworten außerhalb des Systems suchen“.
Wenn man es recht bedenkt, könnten die Zeiten für Kutschera deshalb eigentlich kaum besser sein. „Wenn wir jetzt die radikalisierte Jugend organisieren, haben wir eine Chance, was zu reißen“, sagt er.
Derzeit seien in der Partei etwa 300 Kommunist:innen aktiv. Doch in fünf Jahren, ist er sich sicher, werden es schon Tausende sein. „Stell dir mal vor, welche Wirkmacht wir da hätten“, sagt Kutschera. Und sieht dabei für einen Moment wie ein junger Mensch aus, der sich auf die Zukunft freut. Es ist ein selten gewordener Anblick.
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