CDU-Parteichef wiedergewählt: Merz kann noch stolpern
Bei der CDU scheint Merz fest im Sattel. Aber es warten noch einige Hürden auf ihn, allen voran in Thüringen.
D ie CDU, eine zerstrittene und gespaltene Partei? Machtkampf zwischen Merkelianern und Merzianern? War da was? Friedrich Merz hat es in den vergangenen zwei Jahren überraschend gut geschafft, die CDU hinter sich zu vereinen und auf sich zuzuschneiden.
Klima- und Energiepolitik, Migration und Sozialpolitik: Man kann und muss den neuen Kurs der Partei aus progressiver Sicht an vielen Punkten scharf kritisieren. Die gute Nachricht aber ist: Rechtspopulistisch abgebogen wie zahlreiche Mitte-rechts-Parteien in anderen europäischen Ländern ist die CDU bislang nicht. Kommt jetzt also Merz als Kanzlerkandidat? Tatsächlich läuft die Kandidatur direkt auf den CDU-Chef zu. Entschieden ist das aber noch lange nicht.
Natürlich gibt es die, die ihren Vorsitzenden auf dem Parteitag nur mit geballter Faust in der Tasche wiedergewählt haben. Delegierte vom Sozialflügel etwa, die befürchten, dass ihre Partei unter Merz zu einer FDP light mutiert. Oder liberale Christdemokrat*innen, die sich sorgen, dass die CDU sich zu weit rechts von der Mitte positioniert und die Wähler*innen verliert, die ihr unter Merkel die Mehrheit sicherten. Aber der Parteitag hat nicht nur Merz mit einem guten Ergebnis als Parteichef bestätigt und sein gut 20 Jahre jüngeres Abbild Carsten Linnemann mit einem noch besseren Votum zum Generalsekretär gewählt.
Die Delegierten haben auch ohne viel Gegenrede ein neues Grundsatzprogramm durchgewunken, das die Partei konservativer und wirtschaftsliberaler aufstellt. Das vielleicht drastischste Beispiel dafür: das Aushebeln des individuellen Rechts auf Asyl, wie es im Grundgesetz verankert ist. Selbst die gemeinsame Wortmeldung von katholischen und evangelischen Bischöfen im Vorfeld des Parteitags, dass dies mit christlichen Werten unvereinbar sei, hat auf dem Parteitag noch nicht einmal zu einer wirklichen Debatte geführt. Die CDU ist jetzt auch programmatisch auf Merz ausgerichtet.
Die Machtpartei
Kriege und Krisen und der – auch hierzulande – nach rechts verschobene Zeitgeist spielen ihm dabei in die Hände. Die Schwäche der Ampel tut das auch. Und: Die CDU ist nun einmal eine Machtpartei. Dass das Kanzleramt nach der dramatischen Niederlage bei der letzten Bundestagswahl wieder in greifbarer Nähe zu sein scheint, berauscht die Partei und macht sie geschmeidig. Merz’ Rede, die im Sound mehr vorsichtige Regierungserklärung als mitreißende Parteitagsansprache war, verstärkt diesen Eindruck.
Alles läuft nun ohne Zweifel auf Merz als Kanzlerkandidaten für die Union zu. Das scheint selbst CSU-Chef Markus Söder zu realisieren, der sich während seiner Auftritte vor den Delegierten vergleichsweise handzahm gab. In der Partei heißt es, nur Merz selbst könne sich jetzt noch um die Kanzlerkandidatur bringen – ein Hinweis auf dessen Dünnhäutig- und Unberechenbarkeit.
Es scheint zwar so: Je näher die Macht rückt, desto stabiler wird Merz, Ausfälle und gewichtige Fehler gab es in den vergangenen Wochen kaum mehr. Doch die Sorge so mancher Christdemokrat*innen bleibt: Was passiert, wenn es mal schlecht läuft und der Druck auf die CDU und ihren Chef persönlich wieder steigt?
Der Osten mit Stolperpotenzial
Und da gibt es im Herbst – vor der Kür des Kanzlerkandidaten – auch noch die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, die Merz ins Straucheln bringen könnten. Das gilt ganz besonders für Thüringen. Hier hat die Bundes-CDU es verpasst, rechtzeitig – also eher vor Jahren als vor Monaten – das vom Parteitag beschlossene Verbot der Zusammenarbeit mit der Linkspartei abzuräumen.
Viel spricht aber dafür, dass die CDU entweder mit der Linken von Bodo Ramelow, der ja deutlich mehr Sozialdemokrat als Linksradikaler ist, oder mit der Truppe von Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten muss. Ohne diese beiden Parteien könnte in Thüringen eine Regierungsbildung, die die rechtsextreme AfD außen vor lässt, schlicht unmöglich sein.
Was aber dann? Darauf bleibt die CDU bislang die Antwort schuldig. Dass sie entschlossen ist, mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten, kann man den Verantwortlichen in Bund und Land abnehmen. Doch wie reagiert die Basis, auch in den westlichen Landesverbänden, wenn die Alternative eine Zusammenarbeit mit vermeintlichen Kommunist*innen ist?
Die verzwickte Lage in Erfurt und die Unberatenheit der Christdemokrat*innen vor Ort haben bereits Merz’ Vorvorgängerin im Parteivorsitz zum Stolpern gebracht. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer hatte bis dahin gute Aussichten auf die Kanzlerkandidatur – am Ende war sie sogar den Posten als Parteichefin los. Diese Hürde muss Merz noch nehmen.
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