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CDU-Grundsatzprogramm zu Mus­li­m*in­nenBegründete Wut

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Die CDU beschäftigt sich in ihrem Grundsatzprogramm mit dem Islam – und grenzt die Religion damit explizit aus. Dabei war die Partei schon einmal weiter.

Negativer Blick auf den Islam? CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, Serap Güler und Mario Voigt stellen das Grundsatzprogramm vor Foto: Michael Kappeler/dpa

A iman Mazyek ist wütend. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime wirft der CDU vor, „in trüben Gewässern zu fischen, um Muslime zu stigmatisieren“. Die Union mache sich den Ton der extrem rechten AfD zu eigen.

Und da ist was dran: Erst hatte die CDU in den Entwurf für ihr neues Grundsatzprogramm geschrieben: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Nachdem es heftige Kritik an der Formulierung gegeben hatte, versprach die Parteispitze, die Stelle noch mal zu überarbeiten. Nun heißt es zwar, der Islam sei „Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft“. Wenig später folgt dann aber: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

Mazyek kritisiert, in der neuen Formulierung ginge es – wie auch in der alten – darum, Mus­li­m*in­nen „herauszugreifen und negativ zu markieren“. Damit hat er recht: Wer über Zugehörigkeit von Mus­li­m*in­nen nicht sprechen kann, ohne gleich wieder Einschränkungen zu machen und vor Is­la­mis­t*in­nen zu warnen, dem geht es um Ausschluss.

Das soll nicht heißen, dass Islamismus keine Gefahr sei. Aber mit ihren Formulierungen markiert die Union alle Mus­li­m*in­nen in Deutschland als potenziell bedrohliche Andere. Dieser angstvolle und gleichzeitig rassistisch-abwertende Blick auf Mus­li­m:in­nen hat eine lange Tradition in Europa und unterfütterte schon den Kolonialismus des 19. Jahrhunderts. Ganz verschwunden war er nie. Indem die CDU diese Perspektive wieder aufgreift, hoffen die Par­tei­stra­te­g*in­nen wohl, Wählerstimmen von ganz rechts zu gewinnen.

Dabei war die CDU schon einmal weiter, zumindest teilweise. Der ehemalige Finanz- und Innenminister Wolfgang Schäuble prägte gar den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“, der damalige Bundespräsident Christian Wulff wiederholte ihn 2010 zum Tag der Deutschen Einheit. Nun will die Union die Zeit offenbar zurückdrehen. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime hat jeden Grund, wütend zu sein. Genauso wie die restlichen rund 5 Mil­lio­nen Mus­li­m*in­nen, die in Deutschland leben.

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Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
Themenschwerpunkte Migration, Flucht und Antisemitismus
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22 Kommentare

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  • Man muss mal über die Rolle des politischen ... "Christentums" reden, scheint mir.

    Wie bizarr, dass die CDU schon vergessen hat, wie im 19. Jh. Katholiken und ihre Partei, das Zentrum, mit ähnlichen Argumenten wie heute Muslime abgewertet wurden.

  • Aiman Mazyek ist nun wirklich der allerungeeignetste Kronzeuge in dieser Frage.

    Der von ihm geleitete Zentralrat steht bekanntlich schon seit Jahren in der Kritik, weil er genau das nicht schafft, was im Grundsatzprogramm der CDU thematisiert wird: Die klare Abgrenzung vom Islamismus.

    Zum Zentralrat gehören etwa die rechtsextremistische ATIB oder das Islamische Zentrum Hamburg, eine Propaganda-Einrichtung des Iran, dessen Schließung schon seit langem gefordert wird taz.de/Iranische-E...-Hamburg/!6004332/

    Einfach auch mal nachlesen, was liberale Muslime so von Herrn Mazyek und seinem Zentralrat halten alhambra-gesellsch...uslime-uns-wehren/

  • Es gibt in allen Religionen Fundamentalisten, deren Wertvorstellungen schlecht mit der Demokratie vereinbar sind. Der CDU geht es eindeutig um Ausgrenzung und Stigmatisierung einer Religionsgemeinschaft, das ist undemokratisch und ich würde sagen auch unchristlich. Aber hat die CDU irgendetwas mit christlichen Werten zu tun?

  • Es ist doch vollkommen logisch, dass eine Partei, die sich christlich nennt und als christlich definiert ein Problem mit anderen Religionen hat.

    Wäre Deutschland wirklich säkular, gäbe es die ganze Diskussion nicht. Ist es aber nicht. Es ist ein Religionsproblem und keine Formulierung dieser Welt wird das lösen.

    Jede/r, der gegen unsere Gesetze verstößt muss entsprechend bestraft werden, egal welcher Religion sie/er angehört.

  • Sind wir linken uns sicher das wir hier auf der richtigen Seite stehen?



    In allen Ländern in denen der Islam die vorherrschende Religion ist, gibt es kaum Minderheitenrechte. Gibt es Kopftuchzwang statt freie Entscheidung.



    Bei den antisemitischen parolen auf Demos tat sich der Zentralrat sehr schwer mit Kritik, verhindern konnte er eh nicht.



    Im Namen des Islam gibt es noch immer „ehrenmorde“, das ist in etwas so als würden Kirche noch Hexenverfolgungen durchführen.

  • Das ist einfach Bedienung der Zielgruppe und Moslems wählen ja eher nicht die CDU.

  • An den Sätzen selbst ist ja nichts auszusetzen. Gilt nur genau für jede andere Religion.

  • Nur als Fussnote sei angemerkt, dass die Rhetorik der Union nicht nur diskriminierend ist, sondern sogar eine Anmassung gegenüber der "biodeutschen" Bevölkerung: ich bin weder Muslim, noch habe ich Migrationshintergrund - aber ich muss es mir doch verbitten, das ausgerechnet Merz und seine Anhängerschaft sich anmassen, mich in ihr kollektives "Wir" einzugemeinden; was meine Werte sind, definiert nicht die CDU. Es regt mich wirklich auf, wenn man die eigene Schrebergartenordnung zur deutschen Leitkultur erklärt.

  • Dass ausgerechnet der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime der CDU vorwirft, "sich den Ton der extrem rechten AfD zu eigen" zu machen, ist schon grotesk. Der Zentralrat ist ein Dachverband für zahlreiche Organisationen, die, vorsichtig ausgedrückt, mindestens so weit rechts stehen wie die AfD. Die Lektüre des Wikipedia-Eintrags des Zentralrats ist zu empfehlen: de.wikipedia.org/w...ime_in_Deutschland

    Zum Glück repräsentiert der Zentralrat trotz seines Namens nur eine einstellige Prozentzahl der Muslime in Deutschland.

  • Damit durfte klar sein, dass das Grundsatzprogramm nicht neu, sondern ganz alt ist.



    Es katapultiert die CDU ins vorige Jahrtausend.



    Das war ja der Plan von Friedrich Merz, der die Merkeljahre in Vergessenheit geraten lassen will.



    Meckermerzi hat nie verwunden, dass die Kanzlerin Ihn einst absägte.



    Ich war wirklich alles Andere, als ein Fan von Bundespräsident Wulff, doch mit dem Satz:" der Islam gehört zu Deutschland", hat er Geschichte geschrieben.



    Friedrich Merz ist eher so der Typ über dessen Geschichte ganz schnell Gras wachsen wird.

  • Die im Artikel angesprochene lange europäische Tradition der Abwertung von Muslimen trifft für Deutschland nur eingeschränkt zu. Kaiser Wilhelm II. war ein Bewunderer des Islam, und im I. Weltkrieg war Deutschland mit dem Osmanischen Reich verbündet. Und die Nazis haben den Islam ebenfalls geschätzt und sich nach Möglichkeit mit Muslimen verbündet (die im Nahen Osten zumeist Feinde der Kolonialmacht Großbritannien waren), z. B. mit dem Mufti von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini, der ab Herbst 1941 in Deutschland lebte, von Hitler empfangen wurde, SS-Mitglied war und auf dem Balkan Muslime für die Waffen-SS anwarb.

  • Unverschämtes Verhalten, dazu noch Sprachakrobatik die fern jeder Logik agiert. Meines erachtens ist der Islam "immer noch" eine monotheistische Religion und kein deutscher Wertekompass. Daher macht die Formulierung

    "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

    genauso wenig Sinn, wie wahrscheinlich das gesamte Grundsatzprogramm der CDU.

    Aber liebe Muslime, nicht ratlos oder enttäuscht sein, was auch immer die CDU unter Werte versteht, wird wahrscheinlich sowieso nur von einem Bruchteil der Bevölkerung geteilt.

    • @Sam Spade:

      Was hat das denn damit zu tun, dass der Islam eine monotheistische Religion ist?

  • „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“- Welche Werte sollen denn das sein? Die "christlichen" Werte die von CDU/CSU so häufig zur Schau gestellt werden und Internierungscamps für Flüchtlinge beinhalten und spätestens seit dem Rückzug von Merkel offensichtlich eine Politik des Gegeneinanders beinhaltet, wo die Schwächsten in der Gesellschaft verbal regelmäßig angegriffen werden und sogar Hass geschürt wird, seien es Bürgergeldempfänger oder Flüchtlinge. Deren Nächstenliebe umfasst oft nur sie selbst und ihresgleichen und natürlich die Liebe zum Kapitalismus und die gelegentliche Korruption. Aus ihren Fehlern lernen Fehlanzeige, Demut Fehlanzeige, Schuld sind immer alle anderen. Ich wette Jesus ist mächtig stolz.



    "Freiheitliche Gesellschaft"- von einer Partei die am liebsten immer mehr das Demonstrationsrecht und Streikrecht einschränken will und den Überwachungsstaat weiter ausbauen möchte.



    Es ist einfach nur widerlich wie sich CDU/CSU geben.

    • @Momo Bar:

      Es geht um die Akzeptanz anderer Religionen, anderer sexueller Orientierungen, der Trennung von Religion und Staat und auch der Rechte von Frauen. Hier gibt es keine Probleme mit Christen ( z.B. CDU ), Juden, Buddhisten oder irgendeiner anderen Religion. Die Probleme kommen genau da, so wie es im CDU Papier beschrieben ist.

      • @Puky:

        Trennung Kirche und Staat? Keine Probleme mit Christen? Warum gibt es dann für christliche Institutionen ein Sonderrecht? z.B. bei Arbeitsverträgen?



        Warum wird die Kirchensteuer vom Staat erhoben?

        Das Christentum ist stark mit dem deutschen Staat verwickelt und genießt definitiv eine staatliche Bevorteilung.

      • @Puky:

        "Hier gibt es keine Probleme mit Christen ( z.B. CDU ), Juden, Buddhisten..."

        Nur mit dem Islam? Und Muslim*innen?

        In Deutschland?

        In welchem Jahrhundert leben sie? Und vor allem wo leben sie? Kann ja nur irgendwo hinterm Mond sein!

        • @Sam Spade:

          Wahrscheinlich in Berlin oder im Ruhrgebiet, Sie sollten die rosarote Brille wirklich abnehmen.

        • @Sam Spade:

          Die Probleme gibt es auch. Aber nicht im selben Ausmaß.

      • @Puky:

        Und die CDU/CSU akzeptiert den Islam tatsächlich? Dämonisieren in nie, zeigen Ignoranz und Verallgemeinerungen? Die "christlichen" Parteien, Politiker und Wähler, akzeptieren alle andere sexuelle Orientierungen? Da wird nie diskriminiert? Trennung von Religion und Staat?- komisch das sich CDU/CSU erst dieser Tage darüber aufgeregt hat, das in der Expertenkommission zum Paragraph 218 keine kirchlichen Vertreter waren. Das sie doch oft ihre Religion haben einfließen lassen wenn es um Scheidungen ging, Anerkennung von Lebensgemeinschaften, der Heirat von Homosexuellen etc. Und Frauenrechte- echt jetzt? Wir mögen mehr Rechte als einige Frauen im Islam haben, aber ich als Frau hab CDU/CSU noch nie als Kämpfer für Frauenrechte wahrgenommen, eher ist das Gegenteil der Fall. Bevor man also irgendwelche Forderungen an andere stellt, sollte man erstmal lange in den Spiegel schauen und sich fragen ob man sie selber erfüllt. Für mich ist es keine Lösung Islamismus mit Rassismus, Hass, Ausgrenzung, Pauschalisierungen und Ignoranz zu bekämpfen.

  • Na dann, sagen wir doch einfach, der politische Islam oder eben der Islamismus, gehört zu Deutschland.

    Der "Expertenkreis Politischer Islamismus" ist ja schon aufgelöst.

    Weil offensichtlich keine Gefahr aus dieser Richtung droht.

    • @Jim Hawkins:

      Eine Formulierung, die jeden religiösen und politische Extremismus ablehnt, wäre auch möglich. Aber die CDU will explizit nur eine Gruppe nennen. Das ist Diskriminierung auf AfD Art.