Bundestagsstreit um den Taurus: Schaufensterantrag gescheitert
Die Ampelkoalition schmettert den Unionsantrag in Sachen Taurus-Lieferung an die Ukraine ab. Einig sind sich SPD, Grüne und FDP trotzdem nicht.
„Uns alle verbindet die Sehnsucht nach Frieden und der große Wunsch nach einem Ende dieser blutigen Gewalt in der Ukraine“, eröffnete die Grüne Agnieszka Brugger die Antragsberatung. Über die Frage, wie das erreicht werden kann, zeigte sich dann jedoch die Ampelkoalition tief gespalten. Während sowohl die Grünen als auch die FDP sich vehement für eine Taurus-Lieferung aussprachen und sich damit inhaltlich auf die Seite von CDU und CSU schlugen, bekräftigte die SPD nicht minder entschlossen den ablehnenden Kurs von Scholz.
Deutschland solle „die Ukraine mit aller Kraft so unterstützen, dass sie diesen Krieg gewinnen kann“, forderte Brugger. Dazu gehörten „auch weitreichende Waffen wie Taurus“. Dabei sei sich ihre Partei „der Tragweite dieser Entscheidung bewusst, und dass lassen wir uns als Grüne von niemandem absprechen, auch nicht vom Bundeskanzler“.
Der FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller blies ins gleiche Horn: „Wir wollen die Ukraine unterstützen mit allem, was wir haben, mit allem, was sie braucht, mit allem was wir abgeben können“, sagte er. Aus Sicht der Freien Demokraten gehöre „auch der Taurus mit dazu“.
Für ihre Bekenntnisse erhielten Brugger und Müller nicht nur Beifall aus den eigenen Reihen, sondern auch von der Union – während sich in der SPD-Fraktion keine Hand rührte. Der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul dankte Brugger ausdrücklich. Sie habe im Wesentlichen das ausgedrückt, was auch die Union dächte. „Es ist gut, dass wir in diesem Punkt einig sind“, sagte er. Scholz und der SPD warf Wadephul hingegen vor: „Ihre vermeintliche Besonnenheit hat Herrn Putin immer nur wieder befeuert in seiner Aggression gegen die Ukraine.“
Versteinerte Mienen bei Grünen und FDP
Mit versteinerter Miene verfolgten anschließend die Abgeordneten von Grünen und FDP die Rede von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. „Zeitenwenden sind nichts für politische Spielernaturen“, teilte Mützenich nicht nur in Richtung Union kräftig aus. Es bräuchte „eine angemessenere Debatte als nur über ein Waffensystem“, verlangte er. Da sei auch innerhalb der Koalition bei einigen „manches Maß“ verlorengegangen.
Mützenich verwies auf die großen Unterstützungsleistungen Deutschlands für die Ukraine, die weit über denen anderer europäischer Staaten lägen. Und er stellte eine unbequeme Frage: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenkt, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“
In diese Richtung argumentierte auch die Linken-Vorsitzende Janine Wissler. „Wir erleben einen festgefahrenen und zermürbenden Abnutzungskrieg mit immer mehr Toten und immer größerer Zerstörung“, sagte sie. Angesichts einer „enormen Eskalationsgefahr für den gesamten Kontinent und darüber hinaus“ sei sie „schockiert, mit welcher Leichtfertigkeit einige Abgeordnete nach Taurus und nach immer weitreichenderen Waffen rufen“.
Stattdessen bräuchte es „eine diplomatische Offensive“, forderte Wissler. Auch dieser Krieg werde am Ende am Verhandlungstisch beendet werden. „Die Frage ist, wie lange es dauert und wie viele Menschen bis dahin sterben.“ Das Eintreten für Verhandlungen sei „keine Parteinahme für Putin“. Klar sei, dass der russische Angriffskrieg ein Verbrechen ist. „Russische Truppen haben in der Ukraine nichts zu suchen und unsere Solidarität gilt den Menschen im Kriegsgebiet und den Millionen auf der Flucht“, so die Linkenchefin.
Wagenknecht gibt Ukraine keine Chance mehr
Von ihrer Exfraktionskollegin Sahra Wagenknecht war eine solch klare Aussage nicht zu hören. Für sie hat die Ukraine ohnehin keine Chance mehr. Daran würde auch eine mögliche Taurus-Lieferung „überhaupt nichts ändern“, sagte die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Das Einzige was sich ändern würde, ist, dass Deutschland damit in den Augen Russlands wohl definitiv zur Kriegspartei würde.“
Ähnlich begründete der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla seine strikte Ablehnung. „Eine Lieferung von Taurus bedeutet die Verlängerung des Krieges“, warnte er zum einen. „Die Lieferung von Taurus schadet vor allem Deutschland, noch werden wir nicht als Kriegspartei wahrgenommen“, meinte er zu anderen. Die Union, die FDP und die Grünen bezeichnete Chrupalla als „Kriegstreiber“.
Den Schlusspunkt der Diskussion am Donnerstag setzte der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner. Er habe „für manches, was ich auch aus Koalitionsreihen höre, wenig Verständnis“. Er wisse „gar nicht, wo diese rhetorische Militanz eigentlich hinführen, wen die abschrecken soll, jedenfalls nicht die richtigen“, sagte Stegner. „Diese Obsession um einen Marschflugkörper, der übrigens eine Tod und Zerstörung bringende Kriegswaffe ist, verlässt zunehmend die Bahnen einer vernünftigen Debatte.“
Im Abstimmungsverhalten drückte sich die große schwarz-gelb-grüne Übereinstimmung nicht aus. Gerade mal 188 Abgeordnete votierten in namentlicher Abstimmung für den Unionsantrag, weniger als die Fraktion von CDU und CSU Mitglieder hat. Aus den Ampelreihen schlossen sich nur die FDP-Abgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki an. Alle anwesenden Grünen blieben hingegen koalitionstreu. Solche „Schaufensteranträge“ seien „wenig hilfreich“, begründete das Brugger.
Die SPD, die Linkspartei und das BSW lehnten den Unionsantrag ebenfalls geschlossen ab, bei der AfD gab es einen Befürworter und eine Enthaltung. Insgesamt stimmten 494 Abgeordnete für eine Zurückweisung des Begehrens von CDU und CSU. Der Streit um den Taurus dürfte damit allerdings nicht beendet sein.
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