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Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen„Die Selbstzweifel sind gewachsen“

5,5 Millionen Menschen beziehen Bürgergeld. Sehr viele wollen arbeiten. Fünf Menschen erzählen, wie sie das Klischee vom faulen Arbeitslosen trifft.

I ch bin gelernter Elektroinstallateur. Ende der 90er Jahre habe ich dann bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Fluggerätemechaniker gemacht und bin in die Luftfahrtbranche gekommen. Als Leiharbeitskraft habe ich für Airbus in Hamburg und Toulouse gearbeitet. 2014 habe ich mein Studium zum Luftfahrttechniker begonnen – ich wollte mich weiter qualifizieren, wollte nicht mehr selbst schrauben. Im März 2018 bin ich nach Berlin gezogen, weil ich eine Arbeit bei Bombardier in der Fertigungssteuerung bekommen habe. Mein letzter Job war dann bei Siemens Energy als Material­disponent. Die Stelle war befristet.

Als mir Ende 2022 gekündigt wurde, habe ich beschlossen, dass ich nicht mehr in der Industrie arbeiten möchte: Ich möchte nicht mehr nachts aufstehen, um arbeiten zu gehen. Ab August 2023 habe ich eine Schulung als Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung gemacht. In dieser siebenmonatigen Weiterbildung habe ich weiter Arbeitslosengeld bekommen. Eigentlich bekommt man für ein Jahr Arbeitslosengeld. Wegen der Weiterbildung habe ich aber für ein Jahr und sieben Monate Geld bekommen, bis Juni 2024. Danach habe ich Bürgergeld beantragt. Der Antrag muss immer vor Beginn des Bürgergeldanspruchs gestellt werden, also nicht rückwirkend.

Für mich war es am schwierigsten, alle Dokumente zusammenzusuchen, die das Amt sehen möchte. Es gibt mindestens eine Bearbeitungszeit von zehn Werktagen. Wenn ein Dokument fehlt, dann beginnt die Bearbeitungszeit von vorn. Das hat dazu geführt, dass ich immer noch kein Bürgergeld bekommen habe. Ich habe dem Jobcenter gesagt, dass ich in einer Notlage bin, weil ich die Miete für den nächsten Monat nicht zahlen kann. Aber eine Notlage besteht laut Amt nur dann, wenn ich kein Essen mehr kaufen kann. Ich musste mir Geld von meinem Vater leihen. Ich habe das Gefühl, dass Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, schneller Hilfe bekommen – das kann nicht sein.

Vor ein paar Wochen hat das Jobcenter einen Nachweis über meine private Altersvorsorge angefordert. Dem Staat wäre es am liebsten, dass man von dem Geld aus der Versicherung lebt. Aber dafür habe ich nicht 20 Jahre gespart, Monat für Monat. Hätte ich Geld auf der hohen Kante oder wenn ich einen Sportwagen fahren würde, dann würde ich das verstehen.

Geld für Bür­ge­r*in­nen

Im Januar 2023 löste das Bürgergeld Hartz IV ab. Die SPD nannte die Umstellung „die größte Sozialreform seit 20 Jahren“. Die Ex-Ampelkoalition verschärfte die Regeln beim Bürgergeld bereits mehrfach. Anfang Oktober entschied die Bundesregierung unter anderem, dass Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen ab Januar 2025 schneller sanktioniert werden sollen: Menschen, die eine „zumutbare Arbeit“ ablehnen, sollen die Leistungen für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden. Bislang sanktionieren die Jobcenter stufenweise: Bei einer ersten „Pflichtverletzung“ werden die Bezüge um 10 Prozent für einen Monat gekürzt, danach um 20 Prozent für zwei Monate und schließlich um 30 Prozent für drei Monate. Zudem sollen längere Arbeitswege von täglich insgesamt 3 Stunden als zumutbar gelten. Ausnahmen sollen für Menschen gelten, die Kinder erziehen.

Im Februar 2025 könnte nach den dann anvisierten Neuwahlen sowieso alles noch ein weiteres Mal anders werden. CDU-General­sekretär Carsten Linnemann hat bereits angekündigt, man wolle im Falle einer Regierungsbeteiligung das Bürgergeld abschaffen: Wer arbeitsfähig sei, aber nicht arbeiten gehe, bekomme auch kein Geld vom Staat. Die Union führt derzeit in allen Umfragen und hat Chancen aufs Kanzleramt.

Im März schlug die CDU bereits vor, „Totalverweigerern“ die Leistungen komplett zu streichen. Die Gruppe, auf die das zielt, ist überschaubar: Das Jobcenter sanktionierte im vergangenen Jahr 3 Prozent der Bürgergeldempfänger*innen, weil sie eine zumutbare Beschäftigung ablehnten. Das heißt auch: 97 von 100 Emp­fän­ge­r*in­nen wurden nicht sanktioniert.

Ich hoffe, dass ich schnell eine neue Arbeit in der Verwaltung finde. Ich habe viele Bewerbungen laufen. Aber bis ich eine neue Stelle finde, bin ich auf das Bürgergeld angewiesen. Dass ich mir Geld leihen musste, um meine Miete zu zahlen und Essen zu kaufen, ist ein mieses Gefühl.

Ich bekomme die Diskussionen darüber mit, ob es das Bürgergeld weiter geben sollte, und darüber, dass angeblich viele Bürgergeldempfänger faul sind. Bei meinem letzten Job hatte ich einen Arbeitsweg von 75 Minuten. Noch länger zu fahren, jeden Tag drei Stunden zu pendeln – das kann ich mir nicht vorstellen.

Matteo Köchel (Name geändert) ist 50 Jahre alt und lebt in Berlin. Er hat im Juni 2024 Bürgergeld beantragt und bis Mitte September kein Geld vom Jobcenter erhalten. Mittlerweile bekommt er Bürgergeld.

„Ich wünsche mir, unabhängig zu werden“

Ich bekomme seit sieben Jahren Bürgergeld beziehungsweise Hartz IV. Ich bin sehr dankbar, dass der Staat mich unterstützt, aber ich wünsche mir auch, unabhängig zu werden. Meine Kinder sind sieben und dreieinhalb Jahre alt. Dieses Jahr habe ich eine Ausbildung zur Erzieherin begonnen. Das Geld, das ich in der Ausbildung verdiene, wird mit dem Bürgergeld verrechnet. Ich bekomme also zwar nicht mehr Geld als vor der Ausbildung, aber es ermöglicht mir den Weg hin zur Unabhängigkeit.

Von Juli bis Ende September habe ich kein Bürgergeld bekommen, weil meine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ausgelaufen war. Ich hätte mich früher um einen Termin bei der Ausländerbehörde kümmern müssen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich drei Monate auf einen Termin warten muss. Im August kündigte mein Vermieter den Mietvertrag. Ich wusste nicht, dass das Jobcenter die Miete nicht mehr gezahlt hatte. Vielleicht habe ich etwas übersehen – auf jeden Fall habe ich dann beim Jobcenter angerufen. Die haben mir gesagt, dass ich eine Fiktionsbescheinigung hätte vorlegen müssen, also einen Nachweis darüber, dass ich einen vorläufigen Aufenthaltstitel habe.

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Jetzt habe ich bei der Ausländerbehörde meinen Aufenthalt verlängert und beim Jobcenter meine Unterlagen eingereicht. Um die Miete zu zahlen, musste ich mir Geld von Freunden leihen. Ende September wurde mein Bürgergeld dann rückwirkend ausgezahlt. Ich hoffe, dass ich durch die Ausbildung bald unabhängig werde und nicht länger auf Hilfe angewiesen bin.

Marta Schmidt (Name geändert), 42. Vor acht Jahren ist sie aus Mosambik zu ihrem damaligen Partner nach Deutschland gezogen. Sie ist alleinerziehend und lebt mit ihren zwei Kindern in Hagen, NRW.

„Meine Ausbildung wurde nicht anerkannt“

Ich bin gelernte Lebensmittel­ingenieurin. In diesem Bereich habe ich 16 Jahre in der Ukraine gearbeitet. Mein großer Wunsch ist es, wieder in dieser Branche zu arbeiten. Im Sommer 2022 habe ich meine Zeugnisse zur Anerkennung eingereicht. Es hat fast ein Jahr gedauert: Die Ausbildung als Ingenieurin wurde hier nicht anerkannt, aber ich könnte als Lebensmitteltechnikerin arbeiten. Das Jobcenter hat mir erklärt, dass ich dafür fließend Deutsch sprechen muss. Also auf dem Level C1. Dafür mache ich gerade einen Sprachkurs. Als Lebensmitteltechnikerin muss man viel dokumentieren, ich muss die verschiedenen Fachbegriffe kennen.

Bevor ich hierhergeflohen bin, konnte ich kein Wort Deutsch. Ich habe schon mehrere Kurse gemacht und ein B2-Niveau erreicht. Zwischenzeitlich habe ich in einer Schule als Köchin gearbeitet. Leider habe ich dort Mobbing erlebt und wieder gekündigt. Zuerst wollte mir das Jobcenter deshalb das Bürgergeld für drei Monate streichen. Zum Glück konnte ich erklären, wie es zu der Kündigung gekommen war, und ich bekomme weiterhin Bürgergeld. Meine Beraterin beim Jobcenter ist sehr lieb. Sie hat mich unterstützt.

Die Debatten darüber, dass Ukrainer kein Bürgergeld mehr bekommen sollen, verstehe ich gut. Deutschland hat schon so viel für uns getan und es sind mehr als zwei Jahre vergangen. Wir müssen arbeiten. Mir wurde auch angeboten, eine Ausbildung zu machen. Das ist natürlich eine Chance, aber ich möchte in meinem alten Job weiterarbeiten. Das Geld ist knapp. Alles wird teurer. Aber ich bin dankbar, dass wir überhaupt Geld bekommen.

Aleksandra Kovalenko (Name geändert), 35. Sie ist im März 2022 wegen des russischen Angriffskrieges mit ihren zwei Kindern aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Später kam auch ihr Mann nach Deutschland. Jetzt leben sie gemeinsam in Leipzig.

„Mein Bekannter glaubt, ich bin faul“

Schon während der Schulzeit und dann nach dem Abitur habe ich im Vertrieb gearbeitet. Später bin ich ins Marketing gewechselt und war dort drei Jahre angestellt. Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass ich mich selbstständig machen möchte, habe mich weitergebildet und Aufträge angenommen. Dann bin ich schwanger geworden. Nach der Geburt meiner Tochter hatte ich einen Kunden, der viel Verständnis für meine Situation als Alleinerziehende hatte. Es lief gut. Aber ich habe verpasst, mich in dieser Zeit um neue Projekte zu kümmern. Das heißt: Ich habe mir immer erst neue Kunden gesucht, wenn ich ein Projekt abgeschlossen hatte. Das hat lange gut funktioniert, aber es gab auch Nullmonate, in denen ich meine Rücklagen anbrechen musste. Meine Tochter war mehrere Monate krank und ich konnte nur nachts arbeiten.

2023 konnte ich dem Druck nicht mehr standhalten. Ich habe sieben Tage die Woche versucht, hinterherzukommen. Irgendwann war ich wie blockiert und hatte keine Einnahmen mehr. Die Selbstzweifel sind gewachsen. An meinem 30. Geburtstag waren meine Dispos überzogen und ich hatte die Wahl, ob ich die Miete überweise oder ob ich Lebensmittel kaufe. Dieses Gefühl, „ich muss ja nur ein paar Kunden gewinnen und dann läuft es ja auch wieder“, das war ganz gefährlich. Da war das Loch schon zu groß – und ich war schon zu erschöpft. Ich hatte Panikattacken. Ich hätte mir viel früher Hilfe suchen müssen, hatte aber große Angst, meine Selbstständigkeit aufzugeben.

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Ich wusste damals nicht, dass Selbstständige Bürgergeld beziehen können. Vor einem Jahr war ich bei einer Beratungsstelle für Selbstständige. Als Selbstständige Bürgergeld zu beantragen, ist mit vielen Formularen und Anträgen verbunden. Man muss die Einnahmen und Ausgaben für die nächsten sechs Monate genau prognostizieren und abschließend innerhalb einer kurzen Frist alles sehr detailliert nachweisen. Der Berater hat mir geholfen, Bürgergeld zu beantragen. Das Jobcenter hat mir sehr schnell geholfen und hat meine Miete bezahlt. Dass es das Bürgergeld für Selbstständige gibt, hat mir geholfen, mein finanzielles Chaos aufzuräumen.

Ich habe einen Bekannten, der glaubt, dass ich den ganzen Tag auf der faulen Haut liege. Mir ist bewusst, dass ich gerade viel Geld vom Staat bekomme, und ich bin auch dankbar dafür, aber ich beziehe nur Bürgergeld, weil es in meiner Situation gerade nicht anders geht.

Ich mag es, zu arbeiten. Ich habe mit 15 Jahren angefangen, zu kellnern. Und es war mir immer wichtig, unabhängig zu sein. Und auch jetzt habe ich bis zur Geburt meines zweiten Kindes gearbeitet. Das hätte ich nicht gemusst. Denn das, was ich verdiene, wird sowieso angerechnet. Von dem Geld, das ich erarbeite, sind 100 Euro anrechnungsfrei. Von allen Einnahmen zwischen 100 bis 520 Euro darf ich 20 Prozent behalten. Ich habe nicht wirklich einen finanziellen Vorteil daraus, weiter zu arbeiten. Aber ich will aus dem Bürgergeld raus und bin überzeugt, dass für mich nur die Selbstständigkeit langfristig infrage kommt.

Scheitern gehört zum Leben dazu, dafür muss sich keiner schämen. Das Bürgergeld gibt mir eine gewisse Sicherheit. Ausruhen kann ich mich darauf aber nicht.

Hannah Ude (Name geändert). 31. Sie wohnt in Hamburg und ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Die Soloselbstständige bezieht seit einem Jahr Bürgergeld.

„Viele haben ein schlimmes Bild von uns“

Ich habe eine Ausbildung zum Umweltschutztechnischen Assistenten gemacht: Das ist eine Mischung aus Biologie, Chemie und Physik. Ich habe in einer Zeitarbeitsfirma angefangen. Kurze Zeit später ist meine Mutter und danach meine Schwester an Krebs erkrankt. Mein Vater ist 2006 an Krebs gestorben. Das hat Erinnerungen hervorgerufen. Es war zu viel für mich. Ich war dann in psychischer Behandlung und bekomme seitdem Sozialleistungen. Meine Mutter und mein Stiefvater haben ein Kind bekommen, das an einer unheilbaren Nervenkrankheit leidet. Es kam immer etwas Neues.

Als ich in Therapie war und auf dem aufsteigenden Ast, hat das Jobcenter versucht, mir neue Optionen aufzuzeigen. Mit meiner Ausbildung war es schwierig, Arbeit zu finden, weil ich auf keinen Bereich spezialisiert bin. Das Jobcenter hat mit mir geschaut, welche Möglichkeiten zur Umschulung ich habe. Die Mitarbeiter dort haben wirklich versucht, mich zu fördern, wo sie nur konnten. Sie meinten, dass ich etwas auf dem Kasten habe, und haben gesagt: „Komm, lass uns das angehen, damit du da wieder rauskommst.“ Ich habe es leider nicht aus der Depression geschafft.

Das Jobcenter hat immer wieder Verständnis gezeigt: Wenn ich es nicht geschafft habe, rauszugehen, und Bescheid gegeben habe, dass ich Angstschübe bekomme, hat die Mitarbeiterin darauf Rücksicht genommen. Sie hat den Termin verschoben oder wir haben stattdessen telefoniert.

Ich wurde noch nie vom Jobcenter sanktioniert. Viel schlimmer finde ich das Bild, das viele Menschen von Bürgergeldempfängern haben. Das Bild, das im „Asi-TV“, wie ich es gerne nenne, bei RTL und Co., gezeigt wird, formt das Bild vieler Menschen. Sie denken, dass Menschen wie ich gerne auf Kosten von Vater Staat leben. Wenn ich es schaffe, engagiere ich mich bei einem Verein in Duisburg, der Menschen hilft, die noch weniger haben als ich. Dort fragt niemand nach, dort werde ich akzeptiert. Ich will gerne wieder arbeiten. Aber das ist momentan nicht möglich. Momentan versuche ich, einen neuen Therapieplatz zu bekommen. Aber es ist schwierig. Alle sind voll. Ich stehe auf Wartelisten.

Daniel Häuser (Name geändert), 32. Aufgrund einer Depression kann er nicht arbeiten. Er bezieht seit zehn Jahren Sozialleistungen und wohnt in Duisburg, NRW.

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83 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Und da ist sie wieder die Fehlinformation mit der Anerkennung von Berufsabdchlüssen, die von Ämtern und Beratungsstellen verbreitet wird. Ein Anerkennungsverfahren ist nur für Gesundheitsberufe zwingen vorgeschrieben. Dann gibt es noch verkammerte Berufe die sich zieren: Anwälte wegen wegen unterschiedlicher Rechtssysteme. Aber die lassen dann wenigstens "Rechtsberater für das Recht des Heimateandes zu.



    Außerdem Architekten etc. was aber nur relevant ist, wenn man in die Kammer aufgenommen werden will. Mit jeder Menge Ausnahmen.



    Für alle andern ist es eine Kann-Regel. Eine ukrainischer Lebensmittelingenieurin kann dich natürlich mit sauber, möglichst von einem zumindest gerichtlich bestellten Gutachter übersezten, Unterlagen als Lebensmittelingeieurin bewerben. Wenn es ein Mangelberuf ist oder sie Kenntnisse hat, die in Deutschland selten sind, wird sie auch jemand einstellen.



    Ich bleibe mal in meiner Baubranche: Hätte ich rin Architekturbüro und bei mir würde sich eine ukraische Architektin mit guten Referenzen und Arbeitsproben vorstellen, würde ich sie einstellen. Schon wegen der Erweiterung des Architektonischen Horizonts. Die deutschen Spezifika lernt sie dann schon.

  • der werten taz-Kommune + den kommentierenden möchte ich den eben in der jungen welt erschienenen artikel ans herz legen:



    "Armutsbetroffene beschließen Wahlprogramm: Warme Mahlzeit am Tag, Dach über dem Kopf und Krankenversicherung"



    www.jungewelt.de/a...is-des-elends.html

  • Thema Einkommensprognosen bei ALGII als selbständige Aufstockerin: Das verlangte das Jobcenter bei Antragstellung, aber ich habe dagegen angeführt, dass die Auftrags/Einnahmensperspektiven in den nächsten 6 Monaten für mich überhaupt nicht einschätzbar sind. TIPP:



    jedesmal mit dem Antrag auf Weiterbewilligung von ALG II die Prognose mit 0,00 € im Formular angeben. Das haben die akzeptiert, und es wurde dann eben halbjährlich nachträglich angerechnet, was ich an Gewinn tatsächlich hatte und von mir abzüglich Freibeträge erstattet. Ging über mehrere Jahre so, problemlos. So hatte ich immer erstmal die volle monatliche Leistung, erstmal ohne Abzüge meines sehr schwankenden Gewinns. Bin ja schliesslich keine Hellseherin, von wegen Prognose. Und das Jobcenter ersparte sich und mir die Arbeit einer monatlichen Anpassung. Passte doch.

  • Was mir an Allen auffällt, ist dass sich alle entschuldigen für Ihren Bürgergelderhalt und das kaum einer seine Rechte einfordert. Ich habe es erlebt, dass das, damals noch Sozialamt, weder Miete noch Lebenserhaltungskosten überwies und das mit einem Säugling. Ich bin zu Gericht und schwubs nach bisschen hin und her lief es. Zwar haben sie mich dann einmalig mit einem Aldieinkaufsbescheinigung geärgert, aber was solls. Man kann immer zum Anwalt oder Gericht, die Kosten werden übernommen.



    In diesem Land wird soviel Geld zum Fenster rausgeworfen und nicht für Sozialleistungen, da habe ich Null schlechtes Gewissen. Und...meine Damen und Herren, Hartz IV bzw. Bürgergeld ist Grundgesetzwidrig!!! Das habt Ihr von der TAZ wohl auch vergessen, seit 19 Jahren.

  • „Vor ein paar Wochen hat das Jobcenter einen Nachweis über meine private Altersvorsorge angefordert. Dem Staat wäre es am liebsten, dass man von dem Geld aus der Versicherung lebt.“

    Private Rentenversicherungen sind beim Bürgergeld gesetzlich geschützt. Das Jobcenter benötigt den Nachweis, um zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine solche Versicherung handelt. Aber an solchen Falschdarstellungen sieht man deutlich, woran dieses System krankt …

    • @GuruMeditationError:

      Man könnte auch verbal abrüsten und feststellen, dass es sich nicht um eine Falschbehauptung sondern um einen Irrtum handelt. Irrtümer kann man korrigieren.

      Woran dieses System wirklich krankt ....

      • @Lahmarsch:

        Wobei sich natürlich auch die Frage stellen würde, wie der Irrtum erregt wurde, wenn man das so diskutieren will. Wurde da einfach eine Liste der fehlenden Unterlagen über den Tisch geschoben oder so kommentiert, daß derjenige zu einer irrigen Auffassung kommen mußte?

        Prinzipiell war (ist) es ja schon so, daß ungeschütztes Vermögen verbraucht bzw. verwertet werden muß(te) (Stand Hartz IV), bevor man Geld bekäme. Und da hatten auch die befristet angestellten und mal schnell angelernten Sachbearbeitern häufig noch grobe Unklarheiten über den Gesetzestext.

  • Das Problem ist das ausnutzen einer Notlage und die Beweisumkehr. Man muss seine Bürgerlichen Rechte abgegen und die Unschuldvermutung aufgeben. Man ist den defamierungen und Anschuldigungen von Ärzten und Beamten hilflos ausgesetzt. Besonders Alte und Kranke Menschen werden ausgebeutet und im Stich gelassen. Ich darf Ihnen nicht helfen, das ist mir untersagt. Ob Arbeitsamt, Jobcenter oder Rentenversicherung alles das gleiche.

  • Was man daraus eigentlich lernen sollte, ist die Anpassung von Gesetzen und Regelungen, zum einen für eine bessere Altersvorsorge und ein Absicherung auch für Soloselbständigen zum Schutz auch vor Selbstausbeutung. Weiterhin könnte man auch die Bürokratie des Bürgergelds abbauen und mehr digitalisieren, damit z.b. die Unterlagen zwischen allen Beteiligten schnell und digital übermittelt werden. Damit könnten dann die Jobcenter mehr Energie in die Hilfe zur Arbeitsuche und Weiterbildung stecken.

    • @Axel Schäfer:

      Vielleicht mögen Sie mal mit Frau Hannemann mal einen Kaffee trinken gehen? Bestimmte Abläufe in den Ämtern sind auch aus anderen Gründen so, wie sie sind. Nicht, weil man nichts von IT hielte.



      Andererseits muß das Amt auch Menschen zur Verfügung stehen, die keinen Telefonanschluß und vielleicht nicht mal mehr Strom haben.

      • @dtx:

        Ach Quatsch, es geht darum, dass die Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden, denn Arbeit gibt es ja kaum, mit ordentlicher Bezahlung!!!

  • Der taz Leser weiss das doch alles. Er sitzt eben nicht dem RTL Narrativ auf, alle Hartzer sind Faulenzer. Schön zu lesen wie positiv über die Angestellten unserer Ämter gesprochen wird. Sie reiben sich in den bürokratischen Amtsmühlen auf, kämpfen oft gegen Windmühlen und suchen doch weiter nach Lösungen. Das Dilemma der Nichtanerkennung von bestimmten Berufen kenne ich aus der Wendezeit. Damals hat mein AG, die Bundesbahn, sich selbst darum gekümmert, denn ihr stand das Wasser bis zum Hals.

  • Es bezweifelt doch niemand, dass sehr viele arbeiten wollen und Unterstützung benötigen.



    Es bezweifelt auch niemand, dass es nicht bei allen perfekt läuft.



    Und es sollte auch niemand bezweifeln, dass es keine bedingungslose Unterstützung geben kann.



    Die Diskussion sollte dringend sachlicher geführt werden…

    • @1Pythagoras:

      Na ja, wenn die (öffentlich kommunizierte) Aufgabe darin bestehe, bei den Aufwendungen für Hilfsempfänger im Jahr 2024 n. Chr. noch drei oder gar zehn Mrd. Euro zu streichen, hat ein Aufruf zu Sachlichkeit durchaus etwas Humoristisches (im negativen Sinne, natürlich).

  • Wie war das:



    "Vom Sozialismus lernen heißt Siegen lernen."



    In der DDR gab es den "Asozialenparagraph 249".



    Damit wurden Menschen inhaftiert, die sich der Pflicht zum Arbeiten widersetzen.



    Wollen wir hoffen, dass sich auch auf diesem Gebiet Geschichte nicht wiederholt.

    • @Desdur Nahe:

      Ende Februrar wissen wir mehr.

      Aber ich denke, dass es diesbezüglich gar nicht gut aussieht.

  • Das sind beeindruckte Statements, die zeigen, dass die Jobcenter Notlagen nicht gut genug auffassen und lösen. Das ist schade, weil das ja die Mindeststandards fürs Leben sein sollen. Ich glaube, dass größte Problem beim Arbeitslosengeld II sind die Beantragungen und Zusammenrechnungen. Mit Pauschalen ginge das viel schneller. Dann wäre die soziale Sicherheit besser.

    • @Andreas_2020:

      Die Jobcenter lösen ihre Aufgaben im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Man muß nur, um das zu verstehen, "Aufgaben" und "Möglichkeiten" hinterfragen. Die "Aufgaben" bestehen nicht einfach nur darin, sich selbst zu verwalten sowie eine unvorhersehbare Zahl Arbeitsloser zu qualifizieren und in Beschäftigung zu bringen. Man muß das auch mit der Summe Geldes tun, die der Finanzminister übrig hat.

  • Es gab eine Zeit da kannte niemand das Wort "work life balance". Auch damals gab die CDUCSU den Populismus vom faulen Arbeitslosen. Es gab kein Bürgergeld, sonder Arbeitslosengeld. All das hat nichts daran geändert, daß die Arbeitslosenzahlen auf 6 Millionen stiegen. Einer Merz-Regierung wird nichts anderes einfallen, als Löhne zu drücken. Das trifft dann auf hohe Mieten, die nicht sinken werden, denn es gibt Wohnungsmangel, den die CDUCSU aus ideologischen Gründen nicht bekämpfen will.

    • @Monomi:

      "Wohnungsmangel, den die CDUCSU aus ideologischen Gründen nicht bekämpfen will"



      Ja, Frau Geywitz diese CSUlerin ;-)



      Im Ernst: auf diesem Gebiet haben sich alle nicht mit Ruhm bekleckert.



      Und auch ein stramm rotrotgrünes Berlin hat vor einiger Zeit lieber Wohnungen gekauft und dafür einem Konzern Milliarden in den Hals gestopft, als dafür neuen Wohnraum zu schaffen.



      Warum?



      Naja, Wohnungen zu bauen dauert Jahre, da ist man nicht mehr im Amt.



      Und die Neubürger, die da in vielen Jahren mal einziehen, wählen einen jetzt auch nicht.



      Gewählt wird man von Menschen, die jetzt schon im Wahlbezirk wohnen.



      Und denen ist eine niedrige Miete jetzt wichtiger als genügend Wohnraum und damit niedrigere Mieten in ein paar Jahren. Wohnraum haben die ja.



      Nix mit Ideologie. Schlichter Eigennutz.



      Da kann man dann auch ganz entspannt die Bebauung des Tempelhofer Felds ablehnen...

    • @Monomi:

      Ihr Kommentar ist ja soweit richtig, aber wie will die zukünftige Merz-Regierung Löhne drücken? Oder meinen Sie Löhne in der öffentlichen Verwaltung?

      • @Montagsdepression:

        So wie es Steinmeier, Schröder und Münte auf Anraten der Bertelsmänner gemacht haben?

        Wobei man anmerken muß, daß Peter Hartz und die Gewerkschafter in der Kommission eine wesentlich höhere Grundsicherung vorgeschlagen haben. Der ursprünglich einmal von denen angesetzte Betrag wurde erst erreicht, als das Ding in "Bürgergeld" umgetauft war.

        • @dtx:

          Richtig, doch nun da es auf das ursprünglich Geplante Niveau ist reicht es hinten und vorne nicht wegen der gestrigen Preise.



          Beispiel: München hat hmm nennen wir sie 'Sonderausgaben' in Millionen Höhe nur für Mietzuschläge. D.h. Menschen die voll arbeiten können sich keine Wohnung leisten (auch nicht um Umland) und müssen Bezuschusst werden. Wenn man da wieder auf ein in etwa sich in der Wage haltendes Niveau bewegen könnte würde man hier auch in Zukunft viel Geld sparen.

  • Gerhard Schröder (SPD) sagte 2005 in Davos (Weltwirtschaftsforum): "Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt."

    Die damaligen Hartz-IV-Empfänger - und jetzt die Hartz5/Bürgergeldempfänger - waren/sind sehr wichtig in diesem Spiel der 'Reichen und Mächtigen'. Dieses "Spiel" ist eigentlich sehr einfach zu durchschauen, dazu muss man nur einmal sein Hirn einschalten. Damit der Bürger aber sein Hirn nicht einschaltet, hat man (wie *Daniel Häuser* schon richtig erwähnte) im sogenannten „Asi-TV“ den Bürgern eingetrichtert, dass der Arbeitslose ein "fauler ungebildeter Schmarotzer" ist. Das hat so gut funktioniert, dass die Bürger jetzt endgültig nicht mehr selbstständig denken und vielleicht auch mal darüber nachdenken, wer denn die wirklichen Schmarotzer in diesem Land sind. Aber der Rat von Immanuel Kant (1724 - 1804), „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, ist wohl für viele Bürger immer noch zu anstrengend. Es ist wirklich nicht mehr zu fassen, wie selbst im 21. Jahrhundert die Bürger immer noch am Nasenring durch die Manege der 'Reichen und Mächtigen' gezogen werden.

  • Ich bin Diplom-Physikerin. Aus finanziellen Gründen brach ich meine Promotion ab und wechselte in die Software-Industrie als Entwicklerin, um meinen Lebensunterhalt und meine Familie zu finanzieren.

    Dort habe ich über 20 Jahre erfolgreich und international gearbeitet mit hohen Sozialabgaben.

    Aufgrund meines Coming-outs als transidentische Person verlor ich meinen Job. War ich einen Monat zuvor gefragt, war ich plötzlich untragbar.

    Ich stellte einen Antrag auf ALG I. Dieser wurde aufgrund Alter, Schwerbehinderung, Alter und Transidentität abgelehnt. Ich wurde in EU-Rente gezwungen, wodurch ich keinerlei Recht mehr auf Integration in Arbeit hatte.

    Es folgten umgehend Mittellosigkeit (mit kurzer Obdachlosigkeit), Scheidung und Kindesentzug. Ich galt plötzlich - je nach Behörde - als geisteskrank oder gemeingefährlich.

    Ich erhalte bis heute (seit 15 Jahren) keinerlei medizinische Hilfe.

    Ich musste dutzende Anträge stellen (mit teilweise drei Jahren Wartezeit). Ich versuchte immer wieder, Fuß in der Arbeitswelt zu fassen. Ich arbeitete Vollzeit für 1,50 €, später 0,80 € pro Stunde - ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung!

    Ich fühle mich inzwischen als unerwünschtes Leben.

    • @Annemarie Paysen:

      Es geht mir ähnlich. Ich war Fertigungsingenieurin, Einser-Diplom. Und dann wurden die Schwiegereltern pflegebedürftig. Pro Woche (!) bekam ich vielleicht 6 Stunden Schlaf, dann den Zusammenbruch.



      Mobbing und Kündigung. Da ich einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung bekommen hatte (altersbedingt wäre ich nur außerordentlich kündbar gewesen), gab es kein Alg1 - selbstverschuldete Arbeitslosigkeit. Hartz4 gabs auch nicht, da ich zuviel "unangemessenes Vermögen" (Anteil am Haus, Auto, private Altersversorgung, Kaffeevollautomat...) hatte. Der ganze Prozess war extrem demütigend, obwohl ich keine Leistungen bekam. Seit 7 Jahren zehre ich meine Altersversorgung und die poplige Abfindung auf.



      Seit 7 Jahren war ich nicht beim Friseur, habe keine neuen Klamotten gekauft und gehe auch nicht mehr ins Restaurant.



      Einziger Vorteil: ich habe 15 Kilo abgenommen.



      Arbeit finde ich keine. Entweder zu alt, zu überqualifiziert, zu unterqualifiziert (für jeden Furz braucht man eine zertifizierte Berufsausbildung in D).



      Die können mich alle mal. Nächstes Jahr gehe ich in Rente.

    • @Annemarie Paysen:

      "Ich stellte einen Antrag auf ALG I. Dieser wurde aufgrund Alter, Schwerbehinderung, Alter und Transidentität abgelehnt."

      Glaube ich nicht! Und wenn es doch stimmt und Sie das belegen können, sollten Sie schleunigst einen Anwalt zu Rate ziehen!

      • @Wolfram Eisen:

        Das stimmt tatsächlich, und ein Anwalt würde nichts nützen, das steht so im Gesetz. Ab einem gewissen Alter hat man zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente zu zu gehen. Und mit Behinderung steht man dem Arbeitsmarkt nicht voll zur Verfügung. Dass Transidentität ein offizieller Ablehnungsgrund ist, bezweifle ich, aber es hängt auch sehr von der Willkür der Sachbearbeiter:innen und deren Ressentiments ab.

      • @Wolfram Eisen:

        Echt? Die Rechtsmittelfrist des Bescheides dürfte längst abgelaufen sein, selbst wenn das Amt die Belehrung geflissentlich vergessen hätte. Zudem ist das Fachgebiet Sozialrecht etwas für Leute, die Selbstkasteiung mögen. Da finden sich nur wenige, die man ruhigen Gewissens empfehlen kann. Und auch die wollen irgendwann mal Honorar.

    • @Annemarie Paysen:

      Ich gebe ja ungerne die "unsensible Person", aber...



      -"20 Jahre erfolgreich und international gearbeitet " und dann "umgehend Mittellosigkeit".



      -"Antrag ... aufgrund Alter, Schwerbehinderung, Alter und Transidentität abgelehnt" - merkwürdige Kriterien



      -Und dann noch Scheidung und Kindesentzug



      Sorry, aber da könnte eventuell auch mehr als ein "Coming-out" die Ursache sein.



      Und Vollzeit für 0,80 € pro Stunde?



      Vielleicht reicht dafür mein Gedankenhorizont nicht, aber ich verstehe es halt nicht.



      Ich habe so viele Bekannte, die an der Tankstelle, in der Gastro, im Supermarkt etc. jobben. Alle für Mindestlohn (12,41 Euro) und etwas drüber.



      Und Diplom-Physikerin?



      Wenn ich sehe, was z. B. Nachhilfestunden kosten...



      Aber auch ich lebe in meiner Blase und kenne halt nur die Menschen, die ich kenne.

      • @Desdur Nahe:

        Ein paar Punkte sind schon glaubhaft und nachvollziehbar, allerdings erst, wenn man selbst schon mal im Bezug war.



        1. Arbeitslos geworden, innerhalb des ersten Vierteljahres keinen Job bekommen, dann wird es meistens schwer. Im Grunde ist dann der Weg schon vorgezeichnet. Die Zeit tröpfelt dahin, das Jahr geht rum. Schließlich heißt es Hartz IV (Bürgergeld), gleich oder nachdem das Vermögen verbraucht ist.



        2. Antrag abgelehnt? Ja, solange die Person der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht, wegen Krankheit beispielsweise. Da muß man aufpassen, daß die Krankschreibung vor der Kündigung erfolgte und die Folgebescheinigungen überlappend, ohne zeitliche Lücke, ausgestellt werden. Sonst geht die Beitragsfreiheit auf Grund der Erkrankung futsch.



        3. Kindesentzug? Nicht unüblich, sobald jemand obdachlos wird. Ist ja nachvollziehbar, dieses Dasein Kindern nicht zuzumuten.



        4. Krümellohn? Aber sicher doch. Der "Brötchengeber" kennt die Anrechnungs- (also Behaltens-)grenze des Amtes, weiß, daß die Person dieses Geld sehr, sehr gerne hätte und läßt sie dafür dann Vollzeit (oder mehr) arbeiten. Durch Division von Auszahlbetrag durch Arbeitsstunden ergibt sich dann der genannte Betrag.

        • @dtx:

          5. Diplom-Physikerin? Ja, natürlich. Wenn man es auf eigene Faust nicht schafft und vom Amt Geld braucht, steht man als Akademiker auf verlorenem Posten. Denn die vermitteln nur in ABM und, wenn schon auf den ersten Arbeitsmarkt, dann allenfalls in Hilfsjobs. Also weit weg von dem, was man gemeinhin mit einem Hochschulstudium verbindet.



          Wobei man hinzufügen muß, daß Jobs an Universitäten zwar fachlich anspruchsvoll, aber finanziell häufig auch nur prekär sind. Aber selbst da kämen Hilfsempfänger nicht mehr ran, denen gibt niemand einen "Lehrauftrag".

          6. Jobben im Supermarkt, etc.



          Dort kann man es sich nicht leisten, Leute zu eklatanten Dumpinglöhnen zu beschäftigen, die Arbeitsbedingungen sind aber weniger etwas für Behinderte und die Nachfragen nach diesen Jobs in einer Stadt mit hinreichend vielen Studenten auch mehr als nur überschaubar. Ganz andere Baustelle, hat mit den Möglichkeiten von Annemarie offenbar nicht viel zu tun.

      • @Desdur Nahe:

        „Ich gebe ja ungerne die ‘unsensible Person‘, aber...“



        Wieso glaubt man Ihnen nicht?



        Und wichtiger: Wieso konnten Sie nicht einfach weitergehen mit Ihrem Scharfsinn?

      • @Desdur Nahe:

        Danke für Ihren Kommentar.



        Ich berichte nur aus meinem Leben und meiner Realität, soweit es diese Kommentare erlauben.

        Zu viele Menschen werden systematisch in die Unsichtbarkeit "aussortiert" ... und aktuell auch nur denunziert oder beschimpft.

        Ich hoffe, dass es Ihnen oder Ihrem Umfeld niemals passiert. Aber Realitäten auszublenden, ist Zeitgeist.

        € 0,80/h ist eine übliche Bezahlung, ein sogenanntes "Motivationsgeld", für professionelle Web-Entwicklung für schwerbehinderte Menschen im Grundsicherungsbezug.

        Mein Thema sind Nahrungsbeschaffung. Schuhe oder Kleidung (gar eine Frisur) schiebe ich seit beinahe einem Jahrzehnt vor mir her.

        Ich wünsche niemandem, dass hen unter Polizeischutz Lebensmittel im Supermarkt einkaufen muss. Diese Erfahrung hat mein Menschenbild schwer erschüttert.

        Ich gebe zu, dass ich mit gesunden oder jungen Menschen nicht konkurrieren kann.

        Zudem bestraft das Sozialamt jegliche Eigeninitiative. Den Bock geschossen hat es mit € 25,60 (!!) Unterstützung für den September 2024.

        Über Gewalt und Demütigungen könnte ich noch Stunden referieren.

        Liebe Grüße!

    • @Annemarie Paysen:

      Können Sie noch mal näher spezifizieren welcher Arbeitgeber Sie wegen eines Coming-Outs rausgeworfen hat? Das klingt für mich nach einen Skandal und Sie hätten hier arbeitsrechtlich alle Mittel in Ihrer Hand gehabt.

    • @Annemarie Paysen:

      Hallo Annemarie



      Leider ist das die wahre Fratze unserer "Werte". Die werden allenthalben beschworen - in Sonntagsreden. Respekt und Anstand sind vielen Leuten völlig gleichgültig. Es ist so furchtbar, man mag gar nicht wirklich hingucken und doch, man MUSS darauf aufmerksam machen. Danke für Deinen Beitrag.

    • @Annemarie Paysen:

      Liebe Frau Paysen,



      ich habe obigen Artikel nur überflogen, weil ich mir seinen Inhalt auch so vorstellen kann.



      Ihr Satz: „Ich fühle mich inzwischen als unerwünschtes Leben“, erschreckt mich.



      Mit dem Kapitalismus ist es ja so: Man wird nicht (mehr) gebraucht, aber deswegen gleich unerwünscht? Wer müsste sich nicht alles unerwünscht vorkommen auf dieser Welt? Und da geht’s in die Milliarden. Was übrigens keinen Grund gegen seine Abschaffung darstellt!



      Vielleicht hat Ihr Gefühl aber noch andere Gründe? Und vielleicht gibt es an Ihrem Wohnort Adressen jenseits der Ämtermaschinerie, wo man auf, sagen wir, Geselligkeit trifft. Wenn Sie es nicht schon getan haben, suchen Sie sie auf.



      Viele hat Ihr Beitrag berührt, ich bin einer davon.

      • @Torben Jakowski:

        Was soll man denn denken, wenn man täglich mit soviel Hass, Gewalt und Beschimpfungen zugemüllt wird?



        "Faulenzer, die sollen doch mal Hundescheiße wegmachen, Sozialschmarotzer, die gehören ins Arbeitslager..."

        Hass auf Arme, auf Behinderte, auf Alte (die bösen Boomer!), auf Transmenschen, und wenn man alles zugleich ist, könnte man schon mal das Gefühl bekommen, die Gesellschaft will einen am liebsten tot sehen. Ich bin nur arm und alt (und Frau), aber das ist schon schlimm genug.



        Mit dem Erstarken der rechten Kräfte wird auch wieder die Idee von "unwertem Leben" salonfähig, hat schon immer in manchem Geist geschlummert.

        Ich engagiere mich ehrenamtlich (Umweltschutz, Kommunalpolitik), Zeit habe ich ja genug. Das hebt ein wenig das Selbstwertgefühl. Und wenn mir die Kollegen zu dumm kommen - Tschüß, mach ich halt was anderes.

      • @Torben Jakowski:

        Danke für Ihre Antwort.

        Es tut mir leid, Sie zu erschrecken. Ich möchte nur von meiner Realität berichten.

        Schuld sehe ich per se nicht im Kapitalismus. Es sind die Menschen, die sich einer Zivilisation unwürdig verhalten.

        Meine Erfahrung ist z.B., dass sich viele völlig anders verhalten, wenn ich Ihnen nicht allein begegne.

        Sehr positive Erfahrungen habe ich mit Polizei, Anwälten und Richtern gemacht. Sehr schlechte dagegen mit Ämtern, Ärzten, Krankenhäusern.

        Liebe Grüße

        • @Annemarie Paysen:

          Zitat: "Meine Erfahrung ist z.B., dass sich viele völlig anders verhalten, wenn ich ihnen nicht allein begegne."

          Deswegen gehe man möglichst nicht allein aufs Amt (§ 13 Abs 4 ff SGB X). Allerdings ist das Problem nicht nur, jemanden zu finden, der mitkommt. Sondern jemanden, der die Spielregeln einigermaßen kennt. Sonst geht das auch mal nach hinten los.

  • Danke Ihr Fünf.

    Ihr sprecht wider alle Hetze. Ihr sagt uns, was ist!

    Fünf Stimmen reichen aus, zu zeigen warum das Bürgergeld der richtige Weg ist. Es wichtig, dass immerhin noch in der TAZ (u. in Teilen der Presse) Artikel wie hier der gestochen klare v. Katja Kuttner stehen u. der sorgfältig dokumentierende v. Friederike Gräff. Schnell zu finden.

    Arbeitslosenland – ein Land mit mehr als 5,5 Mio. Ew. Soll „Arbeitslosenland“ kein eines Bundes Land sein? Das GG spricht mit Artikel 20 und 28 vom dt. Staat als einen demokratischen u. sozialen Bundes- und Rechtsstaat.

    Doch Detlef Scheele, SPD, sagt:

    Focus-online, 23.08.24: >Gemessen an der Bevölkerung würden heute rund vier Prozent der Wahlberechtigten Leistungen nach dem Bürgergeldgesetz beziehen. Die SPD habe also jahrelang wahnsinnig viel Energie aufgewendet, um für diesen doch ziemlich kleinen Teil der Menschen Politik zu machen. „Dabei sollte doch klar sein, dass das kein Gewinnerthema ist.“<

    www.focus.de/polit..._id_260247476.html

    Fünf Stimmen sagen etwas ganz anderes!

    • @Moon:

      "Fünf Stimmen reichen aus..."



      Und wenn man fünf Personen interviewt, die von sich sagen, dass sie das System ausnutzen und nur faul zu Hause rumliegen?



      Ändern sie dann Ihre Meinung um 180 Grad?



      Auch wenn die Interviewten gut ins eigene Weltbild passen:



      Es hat keine empirische Aussagekraft und ist zur Meinungsbildung ungeeignet.

      • @Desdur Nahe:

        Zitat: "Fünf Stimmen reichen aus..."

        Das ist ein Zeitungsartikel und keine statistische Erhebung. Hier sind Umfang der Publikation und Lesezeit naturgemäß begrenzt.

      • @Desdur Nahe:

        In Eile, also wieder hastig, vielleicht zu hastig. Ja, Ihr Einwand liegt auf der Hand, weil ich (mal wieder) meine Gedanken nicht klar genug formuliert habe. Es geht mir nicht um die Aussagekraft quantitativer u. qualitativer Sozialforschung u. Repräsentativität ihrer Ergebnisse.



        Ich kann diese fünf „Stimmen“ so verstehen, dass sie Authentizität zur Sprache bringen. Die Fünf bringen ihre Arbeitslosen-/Biographien zur Sprache. Ihre Schicksale u. Problemlagen in Hartz IV u. dem Bürgergeld.



        Hierin schildern sie allerdings nach meinen Kenntnissen Lebensverläufe u. Problemlagen, wie sie in der Tat sehr zahlreich ähnlich immer wieder von Arbeitslosen zur Sprache gebracht werden. Und solche finden sich dann auch in der wiss. Literatur dergestalt wieder, als sie DORT durchaus methodisch gewonnene Repräsentativität haben!



        Ein Beispiel für ein solches Sprechen ist Anna Mayers Buch „Die Elenden Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet u. sie dennoch braucht.“ Das Buch ist biographisch, keine qualitative Sozialforschung. Aber: m. M. n. ist es eine enorme Quelle für solche Forschungen, die auch ins „Seminar“ gehört.

      • @Desdur Nahe:

        **Es hat keine empirische Aussagekraft ...**

        Empirie ist eine Erfahrungswissenschaft. Und wenn man mal die Augen öffnet, dann 'erfährt' man auch das ganze Elend in diesem Land.

        Wer sich z.B. einmal das Elend der Obdachlosen in Hamburg anschauen ('Empirie = verinnerlichte Erfahrung') möchte, dem empfehle ich ab 22 Uhr einen Spaziergang vom Hauptbahnhof über die Mönckebergstraße bis zum schönen Hamburger Rathaus zu unternehmen. Die Mönckebergstraße ist eine der Haupteinkaufsstraßen Hamburgs und bildet zusammen mit der Spitalerstraße, die spitz auf die Mönckebergstraße zuläuft, den Hauptzugang in die Hamburger Innenstadt. In fast jedem Geschäftseingang der Mönckebergstraße und der Spitalerstraße - also in den Läden wo man tagsüber sehr viel Geld ausgeben kann - sitzen oder liegen Obdachlose unter Decken. Als ich ein junger Mann war, hat es das noch nicht gegeben, aber da gab es ja auch noch nicht diesen Raubtierkapitalismus, der immer mehr Arme hervorbringt. In Deutschland werden jährlich (!!!) Steuern im Umfang von 125 Milliarden Euro von Wirtschaftskriminellen hinterzogen, aber dagegen wird nichts unternommen, denn das sind ja anscheinend 'Leistungsträger' der Gesellschaft.

      • @Desdur Nahe:

        Näher an der Wirklichkeit wäre, wenn von 5 Personen 2-3 Migranten wären. Die Zahl deutscher H4/Bürgergeldempfänger nimmt schon länger absolut und relativ ab.

        • @Chris McZott:

          Wieso Migranten? Fehlt Ihnen der Widerspruch zum subjektiven Eindruck aus der ersten Wortmeldung, dass die leichter Leistungen bekämen?

          Klingt das so unwidersprochen zu wenig nach taz und zu sehr nach AfD?

          • @FriedrichHecker:

            Nein.

            Ich störe mich einfach schon länger an dem Dauerbrenner, dass Deutschland angeblich immer unsozialer werden würde. In der Realität sind die Deutschen immer weniger auf Sozialhilfe angewiesen. Dass die Zahlen trotzdem auf hohem Niveau bleiben, liegt an der Zuwanderung. Kinderarmut und Obdachlosigkeit sind da gute Beispiele.

            Natürlich kann man der Meinung sein, dass es völlig egal ist, wer in Deutschland arm ist. Aber ich finde dass die Herkunftsfrage ganz erheblich für die Bewertung des dt. Sozialstaats ist.

            Die deutsche Gesellschaft kann nämlich nichts dafür, dass in erster Linie Menschen mit buchstäblich nichts in den Taschen einwandern. Genauso wenig ist es die Schuld des dt. Bildungssystems, dass die zugewanderten Kinder keine Deutschkenntnisse haben.

            Es liegt schlicht außerhalb der Möglichkeiten des deutschen Staates, diese Missstände schnell, also innerhalb weniger Monate, zu beheben, geschweige denn gar nicht erst entstehen zu lassen.

            Klar gibt es bestimmt ein gewaltiges Verbesserungspotential in der Verwaltung, aber die Ursachen sind hauptsächlich extern und praktisch gar nicht beeinflussbar.

  • Es ist und bleibt eine Antastung der Menschenwürde und Leben als Zransferleistungsbezieher kostet Lebenszeit. Pauschal 1200 €/ Monat pro Person und 90% der Bürokratiekosten würden eingespart werden, sowie die Würde der Bezieher unangetastet lassen, Unter der Union wird die Stigmatisierung noch schlimmer werden. Auch so spaltet man eine Gesellschaft.

  • Guter Artikel, der dem Klischee etwas entgegen setzt. Allerdings ist es eben auch nicht so, dass die Bürgergeld-Empfänger alle oder mehrheitlich so motiviert oder krank sind, wie es bei den Leuten aus dem Artikel der Fall ist. Selbst bei Leserkommentaren ist immer wieder herauszulesen, dass Leute nicht einsehen, arbeiten zu gehen, weil sie "das System ablehnen" sich "unberbezahlt" fühlen und so weiter...

    • @Dr. McSchreck:

      "Allerdings ist es eben auch nicht so, dass die Bürgergeld-Empfänger alle oder mehrheitlich so motiviert oder krank sind, wie es bei den Leuten aus dem Artikel der Fall ist."



      ...doch so ist es, gucken Sie sich die ehrlichen Statistiken an!!!

    • @Dr. McSchreck:

      Pflege des Ressentiments, hm? Wer sich auskennt, weiß, dass die meisten Bezieher*innen von Hartz IV / Bürgergeld durch Krankheit oder Pflegeverpflichtungen nicht wirklich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wenn es sich nicht gleich um Aufstocker*innen handelt. Gibt es Mitnahmeeffekte und Verweigerung? Klar auch, bestimmt sogar, aber Sie sollten nicht den Mythen der gegen die Schwächsten hetzenden Rechten nachlaufen.

      • @My Sharona:

        Es sind keine Ressentiments.

        Zum einen habe ich beruflich mit der entsprechenden Gruppe von Menschen recht viel zu tun, die gar nicht unbedingt sich "drücken", sondern einfach gar nicht mehr präsent haben, dass Arbeit der Normalfall ist und es nicht anders kennen, als Leistungen zu beziehen, oft ihre Eltern auch schon.

        Zum anderen gibt es neben den bereits erwähnten Leserkommentaren ja sogar immer wieder Artikel (erst vor wenigen Tagen), die ein Recht formulieren, selbst zu entscheiden, ob man arbeiten will, sonst sei es "Zwangsarbeit". Selten ist diese Haltung in manchen Kreisen nicht unbedingt.

    • @Dr. McSchreck:

      Dem Klischee etwas entgegensetzen, vers. „Dunkel ins Licht bringen“?



      Wie viele wie krank sind bei den BG´lern weiß man ungefähr. Aber was weiß man z. B. über deren Motivation? Die ist empirisch schwieriger zu erfassen, womöglich gleich im „ im Ranking präferiert“ von: „Gar nicht“ bis „Vollumfänglich“? Die Wissenschaft hat einen Stapel seriöser Untersuchungen. Von dort donnert, fleht u. mahnt es die Politik: Mehr Evidenz! Die winzig kleine Zahl der sog. Totalverweigerer ist nicht stimmig ausgeleuchtet: Verweigerungsgründe. Von wiss. erhobenen Zahlen auf kausale Zusammenhänge zu schließen ist schwieriger als rechnerische Korrelationen festzustellen. Hat dann ein Wissenschaftler E. Weber empirisch sauber eine bisherige Abnahme bei den Übergängen in Arbeit festgestellt, rotieren die Druckmaschinen der Presse die mit Schaum statt Tinte druckt. Stellt ein Wissenschaftler S. Sell dazu seriös Korrekturen an – wispert es im Presseblätterwald. Und so bei vielen Sachverhalten.



      Die Politik. Merkt man noch, dass man mit dem Gesicht zur Höhlenwand gedreht wird, weg vom Licht des Höhleneingangs, welches Schatten von Arbeitslosen an die Höhlenwand wirft, die wir als die realen wahr nehmen sollen?

  • Privat und durch berufliche Tätigkeiten im sozialen Bereich habe ich hautnah erlebt, dass das Bild aus dem „Asi-TV“ in der Realität existiert. "Asi" ist es jedoch oft, da die Personen versuchen Probleme, wie fehlende Selbstwirksamkeit, durch ein Verhalten zu überspielen, dass nach "hinten losgeht". Eigentlich brauchen sie Hilfe und keinen zusätzlichen Stress durch Sanktionen. Es ist sehr löblich von diesem Artikel, auch eine andere Perspektive zu zeigen. Meiner Meinung ist das Problem, was ich auch sehr oft erlebt habe, dass es Menschen gibt, die Sozialleistungsbetrug begehen. Sie arbeiten schwarz, weil sie so mehr Geld haben, da ihre Fixkosten durch die Gemeinschaft bezahlt werden. Dass es auf Kosten der Gemeinschaft ist, interessiert sie nicht. Im Gegenteil finden sie sich deswegen, sogar sehr schlau. Hier sollte gehandelt werden. Um diese Menschen nicht zu schützen, sollte daher das Bild von Sozialleistungsempfänger*innen nicht verallgemeinert werden. Sozialleistungsbetrug (auch in der Pflege usw.) ist einfach zu einfach und verlockend.

    • @rujex:

      >"Asi" ist es jedoch oft, da die Personen versuchen Probleme, wie fehlende Selbstwirksamkeit, durch ein Verhalten zu überspielen, dass nach "hinten losgeht". Eigentlich brauchen sie Hilfe…“



      Sie sagen etwas von Gewicht offen raus.



      Eigenverantwortung u. Selbstwirksamkeit sind Gegenstand zuerst seriösen sog. „individualisierenden Arbeitslosenforschung“. Insb. Langzeitarbeitslosigkeit kann das Wahrnehmen und das Bewusstsein der eigenen Selbstwirksamkeit unterminieren, zerstören. Verdrängte Ohnmacht erzeugt Unsicherheit und ein Auftreten nach außen, das glaubt, Selbstbehauptung zu zeigen aber als abstoßend erlebt u. interpretiert wird. Siehe Auftritte von Arbeitsverweigerern im TV. Deshalb Ihre wichtigen Anmerkungen. Man muss dem auf die Spur kommen.



      Beispiel ohne dass ich direkte Quellen nennen kann: Friedhelm Hengsbach hat z. B. auf die notwendige Eigenverantwortung aufmerksam gemacht und den Grenzen, welche sie gesellschaftlich finden muss. Über die hinaus lautstark „Eigenverantwortlichkeit“ aber überzogen ganz laut gerufen wird. Stichwort zum suchen: Abgeleitete Arbeitsmärkte.



      Und: C. Morgenroth „Arbeitslosigkeit ein depressiver Zirkel“:



      www.bpb.de/system/files/pdf/7K5SUG.p

      • @Moon:

        Die "Arbeitsverweigerer im TV" könnten aber durchaus "Scripted Reality" gewesen sein, so wie viele Formate, die darauf bauten, Personen sozialer Randgruppen öffentlich vorzuführen.

        • @dtx:

          Ganz richtig. Und man kann auch einen "echten Arbeitsverweigerer" in einem solchen Geschehen so "scripten". Es geht nicht darum, ihn zu verstehen. Er wird benutzt, um medial eine Stimmungslage/Meinungslage in der Gesellschaft zu bedienen. Bringt Zuschauer fürs Format.



          Ich hatte einen Fall in TV u. Presse "vor Augen" - alles was ich weiß, weiß ich aus den Medien - der Man war "echt". Positiv ironischer Weise hatte genau dieser Totalverweigerer wenig später eine Arbeit, die bekam er wg. öfftl. Auftritt u. war eine, die er aus Interesse u. Neigung ausübte.

          Und:



          Vielen Dank für Ihre sachkundigen Erläuterungen hier - vorallem zu @Annemarie Paysen! Solche Erläuterungen sind ganz notwendig, um Biographien wie die von Annemarie verstehen, begreifen zu lernen!!

    • @rujex:

      „Sozialleistungsbetrug“? Wer müsste denn die Sozialleistungen abführen? Das machen die Arbeitgeber, wenngleich sie auch den Arbeitnehmeranteil (außer in der Unfallversicherung) mit abführen. Also: Gegen wen muss man hier tätig werden?



      Und wo fällt das auf? Statt Hetze gegen die große Mehrheit der ehrlichen Leistungsempfänger:innen sollte man Betriebsprüfungen, Zoll und Steuerfahndung stärken.

      Das sage ich auch als Mitglied der „Gemeinschaft“. Leider gibt es keine Politiker:innen, die ich dafür wählen kann, weil Hetze immer einfacher ist und mit vielen Stimmen belohnt wird. Ich könnte k...!

      • @Zangler:

        Sozialleistungen werden nicht "abgeführt", sondern bezogen. Was abgeführt - oder, bei Schwarzarbeit, nicht abgeführt - wird, sind Beiträge und Steuern.



        Schwarzarbeit ist als solche kein Sozialleistungsbetrug (sondern Steuerhinterziehung und Nichtabführung von Beiträgen zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber, strafbar als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a Strafgesetzbuch). Es ist aber Sozialleistungsbetrug, wenn jemand Bürgergeld bezieht, zugleich mit Schwarzarbeit Geld verdient und diese Einkünfte gegenüber dem Jobcenter nicht angibt und damit Bedürftigkeit vortäuscht.

      • @Zangler:

        Sanktionsfähig sehe ich auch die Unternehmen, die mit Kalkül Langzeitarbeitslose einstellen, womöglich, vertraglich nur für 20 Std. wöchentlich, die Firmen Eingliederungshilfen vom Staat beziehen, die Arbeitnehmer nun zusätlich zum Gehalt Bürgergeld als Aufstockung beantragen. Die Arbeitsverträge beinhalten den Arbeitnehmern, die schon vorher kalkulierten Überstunden aber nicht auszuzahlen, sondern ein " Abfeiern " in Aussicht stellen. Nach Ablauf der Eingliederungszeit - die Kündigung aus betrieblichen Gründen aussprechen.



        Und das Spiel geht munter weiter....

  • Abhilfe kommt in einer Demokratie nur durch drei Mechanismen: Wählen, wählen und wählen.

    • @Kaboom:

      Ach, ich wähle schon 45 Jahre lang, und es ist jedesmal derselbe Sch*** rausgekommen. Um an die Macht zu kommen, kopu-äh-koalieren die Parteien doch mit jedem, auch dem politischen Gegner, siehe Groko, Ampel... Wozu Grün wählen, wenn Gelb dann mit in der Regierung sitzt? Oder wozu SPD wählen, wenn die CxU dranhängt? Wenn Wahlen etwas ändern könnten, wären sie verboten.



      Und die sogenannte Brandmauer wird fallen, sobald es um Pöstchen geht.

    • @Kaboom:

      ...dem könnte eine direkte Demokratie entgegen wirken.



      Mehr Mitbestimmung durch -



      Abstimmen, Abstimmen, Abstimmen

  • Diese Beispiele sind bunt und vielschichtig, wie das Leben tatsächlich ist. Das vergessen im Leben etablierte Menschen oft und manche Politiker kultivieren zu ihrem Vorteil, oder im weiteren Sinne zu diesem ihrer Partei, Vorbehalte gegen diese Beispiele. Aus meiner Sicht handelt es sich jedoch nicht immer um persönliche Vorbehalte (inkl. Abneigungen), sondern - noch schlimmer - um ein Vertuschen der durch sie verursachten Fehlsteuerungen der Gesellschaft in Verbindung mit der Manipulation der anderen Teile der Bevölkerung. .. Den Betroffenen wünsche ich alles Gute und uns allen bessere Menschen im Politikbetrieb.

  • Miete, Krankenkassenbeiträge, Heizungskosten werden einfach so übernommen.



    Das nennt man echte Solidargemeinschaft. Fast jeder kann in diese Lage geraten.



    Die Gemeinschaft, die laut Herrn Lindner und Co. durch weitere Umverteilung von unten nach oben gepflegt werden soll, nennt sich exklusiver Club der Vermögenden.



    Vorsicht die AfD gehört auch zu diesen.

    • @OhneNamen:

      Die Grünen betreiben ebenfalls eine gewaltige Umverteilung von arm zu reich durch eeg, Wärmepumpen- und E-Auto-Subventionen. Klientelpolitik.

    • @OhneNamen:

      "weitere Umverteilung von unten nach oben"



      Ich zitiere mal aus einem taz-Artikel:



      "Das reichste Viertel der Steuerpflichtigen kommt für 80 Prozent der Einkommensteuer auf"

      • @Desdur Nahe:

        Wie viel Einkommen konzentriert denn das reichste Viertel auf sich? Und wieso nimmt man nicht das gesamte Steueraufkommen (plus Sozialversicherungsbeiträge) als Grundlage?

      • @Desdur Nahe:

        Das reichste Viertel besitzt aber auch mehr als 80 % des Vermögens. Ich habe die genauen Zahlen nicht aber:



        Oberstes 1% 25%



        Oberste 10% 60%



        und gerade das oberste 1% zahlt kaum Steuern.

    • @OhneNamen:

      Es hilft auch, sich mal anzuschauen, woher diese Vermögen kommen.



      Es ist erhellend, zu sehen wer diese irgendwann erarbeitet hat bzw. wie die Aneignung erfolgte.



      Die Erfindungen von "Neiddiskussion, "Faulheit" etc. kommen aus diesem Club.

  • Wir brauchen mehr realistische Berichte wie diesen und dürfen und nicht auf öffentlich-rechtliche Medien verlassen. So ist es leider.

    Das Gesicht der deutschen Wirtschaft, Ihrer Diskriminierung, dummfauler AI-Methodik und des Rassismus konsequent entlarven.

    Alle Betroffenen sollten den Tätern aus der Politik, Tätern mit wirtschaftlichen Beziehungen, die den Ruf schädigen Briefe und Bewerbungen schreiben. Alle werden merken, dass diese großmäuligen Verbaltäter plötzlich nichts zu sagen und auch keine Arbeit in ihren Netzwerken anbieten. Mit Schweigen fühlen sich diese Feiglinge überlegen.

  • Ich finde es schon krass, dass die Miete, die Krankenkassenbeiträge und die Heizungskosten einfach so übernommen werden. Was ein Luxus - gerade in diesen harten Zeiten.

    • @casio:

      Luxus ist doch eher die Möglichkeit, Cum-Ex Geschäfte zu machen, Millionen Euro für fehlgeleitete Verkehrsprojekte in den Sand zu setzen, gefährliche Energieerzeugung subventionieren zu lassen, usw. usw. Solche Möglichkeiten haben Hartz-IV-Empfänger eher nicht.

    • @casio:

      Das absolute Minimum, also Menschen nicht sofort auf die Straße werfen, sie Kälte, Krankheit und Hunger auszusetzen, ist "Luxus"? Die Dauerbeschallung mit anti-sozialstaatlichen Phrasen wirkt anscheinend.

    • @casio:

      Tja casio, ich hingegen finde Ihren Kommentar "krass". Diese Leistungen werden nicht einfach so übernommen. Es wird beantragt, geprüft und dann bekommt man diese Sozialleistungen. Was wäre denn die Alternative? Menschen unter der Brücke schlafen und hungern lassen? Wollen Sie das? Obwohl auch Sie, falls nicht unkündbar oder finanziell gut abgesichert, dem Bürgergeld näher sind als den oberen 10 %.

    • @casio:

      "Einfach so" ist ja wohl ein Tippfehler. Das Konzept von Hartz IV beinhaltete ortsgemäße Mietobergrenzen, die man durchaus auch mit zu hohen Betriebskosten überschreiten konnte. Im Ergebnis wurden Teile der Miete und Betriebskostennachzahlungen (auf Dauer) nicht übernommen. Auch deswegen oder wenn sich die Ämter einfach mal wieder Zeit mit den Bescheiden ließen, gab es hinreichend viel Bezieher mit Mietschulden, Räumungsklagen und dem ganzen Schwanz hintendran. Waren Kinder dabei, stand am Ende auch das Jugendamt mit der Inobhutnahme auf der Matte. Wer das für "Schlaraffenland" hält ...

  • Es hat viel Kraft gekostet, aus Hartz IV wieder herauszukommen.



    Ich empfehle allen Beziehern von Bürgergeld, jedes eingereichte oder einzureichende Dokument zu kopieren und die Kopie bei Einreichung der Dokumente mit einem Eingangsstempel und Handzeichen der BearbeiterInnen am Schalter versehen zu lassen. Dokumente immer vor Ort einzureichen habe ich als am sichersten empfunden. Für die Wartezeit bei der Bearbeitung kann ggf. das Sozialamt mit Überbrückungsgeld helfen.



    Ansonsten muss man sich vor Augen halten, dass die Arbeit in dieser Gesellschaft oft genug keinen wirklichen praktischen Wert hat und man seinen Selbstwert nicht so stark davon abhängig machen sollte, auch wenn das manchmal schwer fällt. Lassen Sie sich nicht unterkriegen.

    • @aujau:

      Im Bezug hatte ich mir angewöhnt, alle Anträge vom Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen. Das hat zwar gekostet, aber die Nerven geschont. Da konnte man es aussitzen, wenn das "Amt" im Grunde dem GV unterstellte, Unterlagen unterschlagen zu haben (die trotzdem irgendwie als Kopie in die Akte gelangt waren). Da verlor das Amt auch mal einen Prozeß beim Sozialgericht.



      Das war zwar alles noch Hartz IV, aber nach der Umbenennung in Bürgergeld saßen ja immer noch dieselben Leute im Amt. Das ist es wenig verwunderlich, daß sich im Umgang mit den Betroffenen kaum etwas geändert hat.

      Um das einmal deutlich zu sagen: Jede oder jeder, der gekündigt werden kann, ist stets nur ein Jahr (zuzüglich der Kündigungsfrist) vom Bezug entfernt. Egal, wie der gerade genannt wird. Das wars dann mit dem großen Haus und dem dicken Auto. Wer also heute meint, Arbeitslosen auf den Kopf spucken zu müssen, sollte aufpassen, daß er nicht schon morgen drunter steht.

      • @dtx:

        "Im Bezug hatte ich mir angewöhnt, alle Anträge vom Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen. Das hat zwar gekostet"

        Einschreiben mit Rückschein hätte völlig ausgereicht.

        • @Kaboom:

          Damit wird nur nachgewiesen, daß ein Schreiben angekommen ist. Nicht, welche Belege drin waren. Die dann nicht zu "finden" bleibt für das Amt möglich.

          • @Monomi:

            Die Abgabe am Schalter gilt als Einschreiben. Jeden Furz bitte am Schalter abgeben, dann Handzeichen und Eingangsstempel freundlich-bestimmt erbitten. Das kann dem Bearbeiter dann bei Bedarf gezeigt werden. Auch damit habe ich Erfahrung.

            • @aujau:

              Dafür sollte man sich eine Nummer ziehen, den Vormittag im Wartebereich verbringen und dann anhören, sie hätten den Posteingangsstempel verlegt ...