Brandmauer bröckelt in Thüringen: AfD verhilft CDU zu Steuersenkung
Wie hält es die Thüringer CDU mit der Brandmauer zur AfD? Offenbar flexibel. Die CDU setzte die Senkung der Grunderwerbssteuer durch – dank AfD.
Beschlossen wurde mit 46 zu 42 Stimmen eine Senkung der Grunderwerbsteuer. Häuslebauer und Immobilienkäufer müssen danach nur 5,0 statt 6,5 Prozent Steuer zahlen. Der Einnahmeverlust liegt nach Prognosen bei 48 Millionen Euro jährlich.Vertreter der Regierungskoalition von Linken, SPD und Grünen kritisierten die Steuersenkung als „einzigartigen Vorgang“ und „Pakt mit dem Teufel“.
Die CDU gebe der AfD einen Gestaltungsspielraum und Einfluss auf den Landeshaushalt, sagte Linke-Fraktionschef Steffen Dittes. Die CDU fange an, „eine kleine Regierungskoalition in der Opposition unter Einschluss der AfD tatsächlich in Gang zu setzen“.
Linke wollte mit CDU über Alternativen sprechen
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte CDU-Fraktionschef Mario Voigt kurz vor der Abstimmung eingeladen, über Alternativen zur Familienförderung zu reden. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zu Passagen des CDU-Gesetzes wurde die Landtagssitzung zeitweise unterbrochen. Die Regierung habe seit März Zeit für Vorschläge gehabt, erwiderte Voigt. Die Opposition stimmte gegen die Rücküberweisung des Gesetzes in den Haushaltsausschuss. Finanzministerin Heike Taubert (SPD) sagte, die Regierung behalte sich eine Klage vor dem Verfassungsgericht vor.
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz hatte das Agieren der Thüringer CDU-Fraktion vor der Abstimmung verteidigt. „Wir machen das, was wir in den Landtagen wie auch im Deutschen Bundestag diskutieren, nicht von anderen Fraktionen abhängig“, sagte Merz am Donnerstag im „Frühstart“ von RTL/ntv. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auf Bundes- und Landesebene nicht geben. „Dabei bleibt es auch.“
Ähnlich argumentierte Voigt, der die Steuersenkung mit Familienförderung beim eigenen Heim und Impulsen für die kriselnde Bauwirtschaft und das Handwerk begründete. „Wir können die Lösung von Problemen nicht davon abhängig machen, dass die falsche Seite mit Zustimmung droht“, hatte er immer wieder gesagt. Auch die eher dem liberalen CDU-Flügel zugerechnete Bundesvize Karin Prien hatte sich in der „Bild“-Zeitung ähnlich geäußert.
Die Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag sind schwierig: Die rot-rot-grüne Koalition von Ramelow hat seit Amtsantritt 2020 keine eigene Mehrheit – ihr fehlen vier Stimmen im Parlament. Sie ist bei Entscheidungen stets auf Kompromisse angewiesen – bisher vor allem mit der CDU. 2024 wird ein neuer Landtag in Thüringen gewählt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe