Boykottaufruf gegen die Linkspartei: Fliegen Oskar und Sahra jetzt raus?
Lafontaine und Wagenknecht rufen zur Nichtwahl der Linken im Saarland auf. Am Wochenende befasst sich der Parteivorstand mit der Posse.
Eine Partei, die taumelt und ein ehemaliger Vorsitzender, der dazu aufruft, die taumelnde Partei nicht mehr zu wählen – eigentlich ein klarer Fall für einen Parteiausschluss. So wie derzeit bei der Linkspartei. Am Montag hatte Oskar Lafontaine angekündigt, dass er und seine Frau Sahra Wagenknecht die Linke im Saarland im anlaufenden Bundestagswahlkampf nicht nur nicht unterstützen würden. Sie riefen sogar zum Wahlboykott der Linkspartei Saar auf.
In der Berliner Parteizentrale liegen die Nerven seitdem blank. Am Wochenende trifft sich der Parteivorstand und will gleich zu Beginn seiner Sitzung über den Fall diskutieren. Einen solchen Boykottaufruf könne die Partei nicht tolerieren, heißt es dort. Das sei parteischädigend.
Das Parteiengesetz erlaubt in einem solchen Fall als schärfste Maßnahme den Parteiausschluss. Ein Mitglied könne nur dann ausgeschlossen werden, wenn es „erheblich gegen Grundsätze der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt“, heißt es da. Die SPD hat auf dieser Grundlage Wolfgang Clement und Thilo Sarrazin aus ihren Reihen verbannt. Prominente Vorbilder, auf die man sich bei der Linkspartei beruft. Rechtlich wäre der Fall also ziemlich klar. Zuständig wäre zunächst die jeweilige Landesschiedskommission.
Doch kommunikativ wäre es eine Katastrophe. Ausgerechnet im Wahljahr, ausgerechnet in einer Situation, in der die Linkspartei droht, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt erreichte die Partei einen neuen Tiefststand. Seitdem ist klar, dass der Wiedereinzug in den Bundestag scheitern könnte. Umfragen prognostizieren ihr sechs bis sieben Prozent für die kommende Wahl.
Wer ist der Stärkste im Saarland?
Hinter den Kulissen setzt der Geschäftsführende Parteivorstand also alles daran, Lafontaine dazu zu bewegen, seinen Aufruf zurückzunehmen. Lafontaine selbst mochte seinen Boykottaufruf am Mittwoch nicht weiter kommentieren. Sein Sprecher bestätigte der taz allerdings, dass es Gespräche darüber zwischen dem Landtagsfraktionsvorsitzenden und dem Bundesvorstand gebe. Deren Ergebnis bleibe abzuwarten.
Lafontaines Aufruf ist weniger inhaltlich, sondern vor allem persönlich motiviert. Zwischen ihm und seinem einstigen Mitarbeiter und heutigen Landesvorsitzenden Thomas Lutze, herrscht ein Armdrücken um die Macht im Landesverband. Den Machtkampf hatte Lutze zuletzt für sich entschieden, als ihn die Mitgliederversammlung zum Spitzenkandidaten auf der Landesliste für die Bundestagswahl wählte. Daraufhin forderte Lafontaine, auch im Namen seiner Frau, Lutze nicht zu unterstützen, und riet davon ab, der Linken bei der Bundestagswahl die Zweitstimme zu geben.
Thomas Lutze teilte der taz mit, dass er und der saarländische Landesvorstand kein Ausschlussverfahren gegen Lafontaine anstrebten, Wagenknecht sei nicht Mitglied des Landesverbands. Als Landesvorsitzender rate er „ausdrücklich davon ab, diesen Konflikt weiter zu eskalieren“. Er wisse nichts von möglichen Ausschlussanträgen.
Auch darüber hinaus liegt derzeit kein Ausschlussantrag gegen Wagenknecht vor. Die Schiedskommission des dann zuständigen Landesverbands Nordrhein-Westfalen teilte der taz mit, es gebe mehrere Anträge, keiner davon betreffe Sarah Wagenknecht. Die einstige Fraktionsvorsitzende im Bundestag ist Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen.
Doch wenn nur eine einzige der 60.000 Genoss:innen, die die Linkspartei bundesweit hat, auf eine solche Idee käme, müsste sich die jeweilige Landesschiedskommission der Linken wohl damit befassen.
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