Antrag auf Parteiausschluss: Revolte gegen Wagenknecht

Linken-Mitglieder wollen die einstige Bundestags-Fraktionschefin aus der Partei werfen. Führende Po­li­ti­ke­r:in­nen der Linkspartei sind dagegen.

Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht: eine ebenso populäre wie polarisierende Politikerin Foto: Jens Jeske/imago

Berlin taz | Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Jörg Schindler, spricht sich im Namen der Parteiführung gegen einen Ausschluss von Sahra Wagenknecht aus der Linkspartei aus. Schindler erklärte am Freitag: „Wir halten den Ausschlussantrag gegen Sahra Wagenknecht nicht für richtig und für nicht gerechtfertigt. Politische Kontroversen tragen wir in der Partei durch den Austausch von Argumenten aus und nicht anders“.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, sagte der dpa, der Antrag entbehre jeder Grundlage. „Politische Konflikte klärt man politisch. Alle sollten ab sofort gefälligst für eine starke Linke kämpfen – und nicht untereinander. Es reicht jetzt.“

Am Mittwochabend war bei der Landesschiedskommission Nordrhein-Westfalen ein Antrag auf Parteiausschluss Wagenknechts eingegangen. Das bestätigte diese der taz. Die Kommission habe über den Antrag noch nicht beraten. Der Spiegel, dem das siebenseitige Dokument vorliegt, hatte zuerst darüber berichtet. Demnach wird der Antrag damit begründet, dass Wagenknecht ihrer Partei „schweren Schaden“ zugefügt habe. Die An­trag­stel­le­r:in­nen führten dafür Wagenknechts neues Buch „Die Selbstgerechten“ und zwei Interviews an.

In ihrem Buch kritisiert Wagenknecht die Linke als Partei und, so der Spiegel, „weicht in ihrer Kritik von elementaren Grundsätzen der Linken ab.“ Laut Spiegel führten die An­trag­stel­le­r:in­nen verschiedene Interview-Auszüge an, bei denen Wagenknecht offen lasse, ob sie nach der Bundestagswahl noch in der Partei bleibe.

Schärfstes Schwert gegen Parteimitglieder

Der Aufruf zur Nichtwahl der Linken im Saarland, den der dortige Fraktionschef Oskar Lafontaine auch im Namen seiner Frau Sahra Wagenknecht zu Wochenbeginn veröffentlicht hatte, ist nach Informationen der taz hingegen nicht Bestandteil des Ausschlussantrags.

Ein Parteiausschlussverfahren ist gewissermaßen das schärfste Schwert gegen ein Parteimitglied. Grundlage ist für alle Parteien das Parteiengesetz, in dem es heißt, ein Mitglied dürfe nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, „wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.“

Ein solches Verfahren ist langwierig und verläuft in mehreren Schritten. Zunächst ist die jeweilige Schiedskommission des Landesverbands zuständig. Deren Urteil könnte Wagenknecht vor der Bundesschiedskommission anfechten. Und nach deren Urteil bliebe ihr noch der Gang vor ein ordentliches Gericht, das die Entscheidung der Parteigremien formal prüft. Die Anträge müssten daher gut begründet sein und umfassten normalerweise 30 bis 40 Seiten, heißt es in der Parteizentrale.

Rätsel über die An­trag­stel­le­r:in­nen

In der Linkspartei rätselt man derweil, wer die An­trag­stel­le­r:in­nen sind. Wagenknecht ist eine ebenso populäre wie polarisierende Politikerin. Auf einer Delegiertenversammlung des Landesverbandes im April wurde sie zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahlen gewählt.

Mehrere Basisgruppen und Strömungen, darunter die Bewegungslinke NRW und die Antikapitalistische Linke NRW, hatten daraufhin einen Appell veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: „Wir haben auf der Spitzenposition nun eine Person, die die Partei und ihre Grundpositionen regelmäßig über die Medien angreift.“

Die Bewegunglinke distanzierte sich am Freitag per Twitter von dem Ausschlussantrag. „Was die Bewegungslinke in NRW macht: Engagieren, Demonstrieren, Organisieren, Diskutieren. Was die Bewegungslinke in NRW nicht macht: Anträge auf Parteiausschluss stellen“, heißt es in einem Tweet.

Derweil stellte sich die Bundestagsfraktion der Linken hinter Wagenknecht. Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch verurteilten den „Angriff“ auf ihr Fraktionsmitglied. „Solche Attacken haben keinen Platz in einer pluralen und solidarischen Partei“, teilten sie laut Deutscher Presse-Agentur mit.

Parteivorstand berät am Samstag

Der Ausschlussantrag trifft die Linke zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt verlor die Partei fünf Prozentpunkte und blieb nur knapp zweistellig in der ehemaligen Hochburg. Im Saarland läuft ein Ermittlungsverfahren gegen den Spitzenkandidaten Thomas Lutze wegen des Verdachts der Urkundenfälschung, und der Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine ruft gegen ihn und die Linke zum Wahlboykott auf.

In bundesweiten Umfragen liegt die Partei derzeit bei 7 Prozent. Dabei soll vom Parteitag am kommenden Wochenende, bei dem das Wahlprogramm verabschiedet wird, Aufbruchstimmung ausgehen.

Schindler forderte die Ge­nos­s:in­nen auf, sich zusammenzureißen. In Wahlkampfzeiten habe die Auseinandersetzung mit den politischen Kontrahenten Vorrang, so der Bundesgeschäftsführer. „Wir fordern alle Mitglieder der Linken auf, innerparteiliche Differenzen zurückzustellen und sich aktiv in den Bundestagswahlkampf einzubringen.“

Der 44-köpfige Parteivorstand der Linken, der sich am Samstag online trifft, hat jedenfalls reichlich Gesprächsstoff. Gleich zu Beginn der Sitzung will man über die aktuellen Entwicklungen beraten. 90 Minuten sind dafür vorgesehen. Wenn die mal reichen.

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