Blockadeaktion an Springer-Druckerei: Neue Generation – alter Gegner
Die Neue Generation startet eine Kampagne gegen den Springer-Konzern. Doch die Blockade einer Druckerei in Berlin kann die Polizei verhindern.

Die Gruppe, Aktivist:innen der Neuen Generation, versuchen dennoch zur Einfahrt eines großen Betriebsgeländes vorzustoßen – es ist das Druckhaus Spandau, Druckerei des Axel-Springer-Konzerns. Einige versuchen im Sprint vorzustoßen, andere bleiben in dem Trubel, eingeschüchtert von aggressiven Rufen der Beamten, zurück. Polizisten schubsen Menschen umher und zerren jene zur Seite, die sich auf den Boden setzen. Aus einem Miet-Van werden Schilder und orangefarbene Klappstühle ausgeladen, dann unterbinden Polizisten auch das.
Als nur wenige Minuten später eine Hundertschaft hinzustößt, beruhigt sich die Situation. Der Polizei, die offenbar auch bereits auf dem Druckerei-Gelände wartete, ist es gelungen, die Toreinfahrt freizuhalten. Etwa 30 Aktivist:innen sitzen nun vor einer Parkplatzeinfahrt nur wenige Meter daneben, einige bereits mit Handschellen. Weiße Lieferwagen fahren nur wenige Meter von ihnen entfernt vom Gelände, vermutlich mit druckfrischen Ausgaben der Springer-Blätter Bild und B.Z.
Empfohlener externer Inhalt
Für die Neue Generation, eine der beiden Nachfolgegruppen der Letzten Generation, sollte die Blockade der Auftakt einer „Protestwelle“ gegen den Springer-Konzern sein. Aus der Gruppe der festgesetzten Aktivist:innen ruft Raphael Thelen, einer ihrer prominentesten Gesichter, in die Blaulicht-beleuchtete Nacht: „Ich bin hier, um für eine freie Presse zu demonstrieren. Eine Presse ohne Milliardäre.“ Und kurz darauf: „Die Springer-Presse ist die Kettensäge, die unsere Gesellschaft zerstört.“
In der unübersichtlichen Situation des Blockadeversuchs wurden derweil auch Pressevertreter:innen von der Polizei rüde angegangen, dem Autor zwischenzeitlich das Handy entrissen. Später landet er in einer polizeilichen Maßnahme, ebenfalls kurzzeitig mit Handfessel – 10 Minuten darauf ist der Journalistenstatus dann aber überprüft.
Es geht um Demokratie
Die Neue Generation hatte sich am Wochenende vor dem Reichstag zum „Parlament der Menschen“ versammelt, um „Prinzipien für eine neue Generation der Demokratie“ zu erarbeiten. Eine der Leitfragen dabei lautet: „Wie drängen wir den Einfluss von Geld auf unsere Demokratie und Gesellschaft zurück?“ Den Debatten lässt die Gruppe nun Taten folgen. Noch am Nachmittag klebten sie sich im Deutschen Historischen Museum fest und stellten dabei die Frage, „welchen Weg wir jetzt einschlagen wollen – faschistische Machtübernahme oder friedliche demokratische Revolution?“
Die Kampagne gegen den Springer-Konzern hatte die Neue Generation Mitte Mai in einem Brief an Konzern-Eigentümer Matthias Döpfner angekündigt. In dem von Raphael Thelen unterschriebenen Brief wird die Bild für ihren Anteil an der gesellschaftlichen Spaltung, dem Aufstieg der AfD und dem Vertrauensverlust in demokratische Institutionen kritisiert.
Vorgeworfen wird dem Konzern etwa die Kampagne gegen das Heizungsgesetz; verbunden mit dem Verdacht, dass der bisherige Hauptaktionär, die Investmentgesellschaft KKR, die viel Geld in fossilen Energieträgern angelegt hat, auf die Berichterstattung Einfluss genommen habe. Ebenso wird erwähnt, wie Döpfner persönlich versucht hatte, eine positive Berichterstattung der Bild für die FDP zu bewirken. „In Summe befürchten wir, dass dieses Verhalten unsere Gesellschaft spaltet, den Kampf gegen die Klimakatastrophe hemmt und zu weniger Verteilungsgerechtigkeit führt“, so das Fazit des Briefes.
Kampagne „Enteignet Springer“
Die Kampagne der Neuen Generation hat ein historisches Vorbild: 1967 hatte der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) die Kampagne „Enteignet Springer“ beschlossen und damit unter anderem auf die Berichterstattung der Bild-Zeitung nach der Erschießung Benno Ohnesorgs bei der Demonstration gegen den Schah-Besuch am 2. Juni durch einen Kripobeamten reagiert. Die Neue Generation startete ihre Kampagne nun ebenfalls in der Nacht auf den 2. Juni – 58 Jahre danach.
Damals eskalierte der Protest an den Ostertagen 1968 nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, das zuvor von der Bild geradezu herbeigeschrieben worden war. Demonstrant:innen versuchten daraufhin in allen Großstädten der Bundesrepublik die Auslieferung der Bild-Zeitung an einem Tag zu verhindern. Dabei kam es teils zu großen Straßenschlachten.
Ähnliche Szenarien sind heute nicht mehr zu erwarten, die Neue Generation hat sich absoluter Gewaltfreiheit verschrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil zu Asylpolitik
Zurückweisungen sind rechtswidrig
Urteil zu Zurückweisungen an den Grenzen
Dobrindt hätte die Wahl
Sugardating
Intimität als Ware
Kontroverser Pulli von Jette Nietzard
Hausverbot für Klöckner!
Streit um Asyl
Aus für Koalition in den Niederlanden
Klimakiller Billigflieger
Ryanair hat keine Lust mehr auf CO₂-Kompensation