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Berichterstattung über ESCKeine Frage des Geschmacks

Vergangene Woche hat mit Nemo eine nicht-binäre Person den ESC gewonnen. Der Sieg verdeutlicht, wie queerfeindlich unsere Gesellschaft weiterhin ist.

Nemo aus der Schweiz hat in Malmö abgeräumt Foto: Denis Balibouse/reuters

I went to hell and back, To find myself on track, I broke the code“, sang Nemo am vergangenen Samstag in Malmö und gewann mit der Performance zum Song „The Code“ den ESC. Nemo ist nichtbinär, identifiziert sich also weder als Mann noch als Frau, und bricht so wirklich mindestens einen Code. Den der binären Geschlechtsidentität. Entweder „männlich“ oder „weiblich“ funktioniert nicht mehr.

Der ESC ist ein guter Ort, um Codes zu brechen. Im Jahr 1998 gewann mit Dana International erstmals eine trans Frau den Wettbewerb. Und spätestens seit dem Sieg von Dragqueen Conchita Wurst 2014 ist der Songcontest das alljährliche Groß­ereignis queerer Popkultur in Europa.

Nemos Sieg könnte also einfach gefeiert werden – nicht nur im musikalischen Sinne, sondern auch als ein weiterer Schritt in puncto Sichtbarkeit und Empowerment von nichtbinären, trans* und inter* Menschen.

Doch Nemo schlägt seit Samstag nicht nur Liebe, sondern auch Diskriminierung entgegen – und das keineswegs nur aus reaktionären Kreisen. In der Berichterstattung (auch in der taz) wurden falsche, nämlich männliche, Pronomen genutzt. Über Nemos Identität wurde sich mit Clownfisch-Anspielungen lächerlich gemacht.

Drittes Geschlecht in der Schweiz

Und auch in sozialen Medien finden sich nach Nemos Sieg allerlei abschätzige Kommentare wieder. Nach Kritik daran verharren viele in oberflächlichen Sprachanalysen, als wären die Pronomen eines Menschen vom persönlichen Geschmack abhängig. Vergessen wird dabei, worum es eigentlich geht: Antidiskriminierung und Gleichbehandlung.

Um die zu erreichen, braucht es Gesetze. Das weiß auch der frisch gekürte ESC-Star. Nur kurz nach dem Sieg rief Nemo noch den Schweizer Bundesrat und Justizminister Beat Jans an, um die Einführung des dritten Geschlechts in der Schweiz zu fordern. 2022 war ein Vorstoß dazu vom Bundesrat abgelehnt worden mit der Begründung, „die Schweiz sei noch nicht bereit dafür“.

Doch nun läuft die Debatte wieder an. Im Aufwind des Schweizer Siegs zeigen sich Po­li­ti­ke­r*in­nen wie Jans oder Sibel Arslan gesprächsbereit, in konservativen Zeitungen wird hingegen haareraufend gefragt, was Mann und Frau dann überhaupt noch ausmache.

Wer missgendert, trifft eine Entscheidung

Doch Gesetze allein sind auch nicht die Lösung. In Deutschland gibt es die dritte Geschlechtsoption „divers“ seit 2018. Sie ermöglichte es anfangs nur Inter*-geschlechtlichen Personen nicht mehr mit der Geschlechtsidentität „Mann“ oder „Frau“ zugeschrieben zu werden, wenn sie sich damit nicht identifizieren. Mit der Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes 2024 ist das seit diesem Jahr auch für trans* und nicht-binäre Menschen möglich. Denn, das sagt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, abgeleitet vom Grundgesetz: Niemand darf aufgrund des Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden.

Das scheint noch nicht bei allen durchgedrungen zu sein. Die Reaktionen auf Nemos Sieg zeigen, dass noch immer viel Unwissen und Falschwissen über non-binäre, trans* und inter* Lebensrealitäten herrscht. Und klar, fehlende Berührungspunkte im Alltag können eine Ursache sein, warum manche noch nie gewisse Pronomen wie beispielsweise „dey“ gehört haben oder nicht wissen, dass einige Menschen alle oder, wie beispielsweise Nemo, keine Pronomen benutzen.

Doch Unwissen entschuldigt nicht alles, denn wer missgendert, trifft nicht nur eine Entscheidung über Sprache. Wer missgendert, wertet ab, signalisiert, das Gegenüber nicht als gleichwertig zu verstehen oder ernst zu nehmen – kurz: Wer missgendert, diskriminiert.

Unwissenheit ist keine Ausrede

Sprache findet nicht im luftleeren Raum statt, sie kommuniziert die eigenen Entscheidungen, Einstellungen und Werte. Und für die eigenen Entscheidungen kann man verantwortlich gemacht werden. Nachfragen und Fehler machen ist okay. Allein deshalb, weil nicht alle Menschen die gleichen Zugänge haben, um an gesellschaftlichen Diskursen teilzunehmen. Doch sich diesen Diskursen zu verwehren – ob aus Faulheit oder Unwillen – ist nicht okay.

Vor allem Jour­na­lis­t*in­nen tragen eine besondere Verantwortung. Ihre Aufgabe ist es, präzise, sensibel und diskriminierungsfrei mit Sprache umzugehen, dazu gehören auch Pronomen und Selbstbezeichnungen. Und Unwissenheit funktioniert hier erst recht nicht als Ausrede. Warum sollte man über Nicht-Binarität schreiben oder einen Text darüber verantworten, wenn man nicht genug darüber weiß? Das wäre für ei­ne*n Jour­na­lis­t*in in keinem anderen Fachbereich akzeptabel.

Wie in vielen Fällen bleibt die Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit über den medialen Umgang mit Geschlechteridentitäten am Ende vorrangig bei queeren Menschen hängen. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, sich dieses Wissen selbst anzueignen.

Dennoch ein Erfolg

Vergangene Woche ist Nemo nicht nur über Nacht zum Musik-Star geworden, sondern auch zu einer Projektionsfläche der Polarisierung über Geschlechter, Körper und Macht. Bleibt zu hoffen, dass Nemo nicht nur mit Musik erfolgreich ist, sondern auch mit dem Einsatz für mehr Rechte für queere Menschen. In der Schweiz und andernorts.

Einen Erfolg gibt es schon jetzt: Nemos Sieg hat dazu geführt, dass sicherlich mehr Menschen als vorher wissen, was sich hinter Nicht-Binarität versteckt. Wir sollten zwar schon weiter sein, aber es ist ein Anfang.

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Annika Reiß
Redakteurin Klimahub
1998, schreibt, filmt und macht Social Media bei der taz zu Klima, Aktivismus und Lützerath
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35 Kommentare

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  • "Der Sieg zeigt, wie queerfeindlich unsere Gesellschaft weiterhin ist"?!



    Das sehe ich völlig anders!



    Im Gegenteil zeigt die Wahl, dass viele Menschen besser sind, als Ihr Ruf.



    Dass Nemos Lebensgeschichte Inhalt des Liedes ist, wurde deutlich.



    Ich würde sogar sagen, dass es weniger um das Lied, als um Nemo, als Person, ging, die hier gewählt wurde.



    Das ist ein großer Erfolg für die nonbinären Menschen.



    Diese Botschaft haben die Millionen erhalten, die



    den ESC gesehen haben.



    Dass es Menschen gibt, die Nemo den Sieg mißgönnen und eine eher klein karierte Weltsicht haben, ist nicht neu und auch kaum zu ändern.



    Weiterhin ist anzunehmen, dass Nemo selbst die Namensgleichheit zum Clownfisch bereits aufgefallen ist.



    Könnte sogar sein, dass es Menschen gibt, denen Selbstironie nicht fremd ist...



    Wer als Mensch verbissen fordert, Humor habe nicht stattzufinden und " wer keine Ahnung habe, dürfe sich nicht äußern" hat gesamtgesellschaftlich schon verloren.



    Im Gegenteil betrachte ich Humor als sehr wichtiges Mittel zur Überschreitung von gesellschaftlichen Gräben.



    Es sind Travestieshows, Filme zu der Thematik und auch der Karneval, der Menschen, die sich jenseits der Norm betrachten, eine Bühne geboten haben.



    Natürlich ist es ein langer Weg, eine Gesellschaft zu verändern.



    Es erscheint mir jedenfalls wenig zielführend, diesen großen Erfolg klein zu reden.

  • Verstehe ich das richtig, dass man Menschen nur achten kann, wenn man inoffizielle, teilweise unbekannte Sprachformen verwendet?



    Diese Logik fände ich manipulativ und anmaßend.

    • @1Pythagoras:

      Nein, das haben Sie völlig falsch verstanden. Her darüber ist ein ziemlich guter Artikel zu de Thema.

  • Verstehe ich das richtig, dass man Menschen nur achten kann, wenn man inoffizielle, teilweise unbekannte Sprachformen verwendet?



    Diese Logik fände ich manipulativ und anmaßend.

  • "In der Berichterstattung (auch in der taz) wurden falsche, nämlich männliche, Pronomen genutzt."

    Wie lauten denn die richtigen Pronomen? "Sie" wäre ja auch falsch. Und "es" klingt bei einer erwachsenen Person, als würde man sie also Sache und nicht als Person betrachten.

    Hier wäre die Gesellschaft für deutsche Sprache gefordert.

    "Entweder „männlich“ oder „weiblich“ funktioniert nicht mehr."

    Für den größten Teil der Menschen schon. Den Menschen, die sich in dieses Schema nicht einordnen lassen, muss man mit Achtung begegnen. Und sie entsprechend ansprechen. Allerdings wissen nur wenige, die in der Materie stecken, wie.

    PS: trans* Personen ordnen sich fast immer als „männlich“ oder „weiblich“ ein. Und zwar ohne wenn und aber.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Es hilft, einfach höflich nachzufragen. Oder vor einer Berichterstattung einfach ordentlich zu recherchieren. Das würden wir von Journalist*innen auch in jedem anderen Kontext erwarten. Über Nemo können wir zum Beispiel einfach ohne Pronomen sprechen. Statt er oder sie verwenden wir einfach den Namen, Nemo. Klingt manchmal sperrig, aber ich denke, das können wir schon halten.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "PS: trans* Personen ordnen sich fast immer als „männlich“ oder „weiblich“ ein. Und zwar ohne wenn und aber."

      Ja, aber im Artikel geht es ja eben ausdrücklich auch um nonbinäre Personen, die sich nicht so einordnen. Da ist Ihr Einwand nicht hilfreich. Ob man für diesen Personenkreis, der noch mal wesentlich kleiner ist, extra die Sprache neu erfinden muss, sei mal dahingestellt.

      • @BrendanB:

        "Ja, aber im Artikel geht es ja eben ausdrücklich auch um nonbinäre Personen, die sich nicht so einordnen."

        Ja. Aber mein Einwand ist hilfreich. Transpersonen werden, warum auch immer, ständig mitgenannt, obwohl es unzutreffend ist. Und das muss man schon richtig stellen. Das bin ich allen Transpersonen, die ich kenne schuldig. Sie fühlen sich nämlich nicht ernst genommen, wenn sie nicht richtig als Mann bzw. Frau angesprochen werden.

  • Es würde doch schon viel helfen, wenn man sich mal klar auf ein Pronomen einigte. Im englischen gibt es they, im schwedischen hen. Im Deutschen kann man natürlich nicht die dritte Person Plural nehmen, weil sie schon belegt ist, überdies wie die dritte Person Singular feminin klingt und das Verb konjugiert wird. Also muss ein neues Wort her, und das sollte ganz pragmatisch eben nur eines und leicht zu verwenden sein.



    Anders als die pragmatischen Angelsachsen gehen Deutsche - und zwar auf beiden Seiten der Debatte - leider immer verkopft und idealistisch an solche Sachen. Da muss immer erst das Ganz Große Ganze ausdiskutiert werden, bevor man sich in die Niederungen der konkreten Lebenswirklichkeit begibt.

  • ist doch ganz einfach politik und kultur/ESC zu mischen. gelle.



    also keine angst vor den konflikten und den auseinandersetzungen. wenn ihr wisst worum es geht und dazu steht wer ihr seit, solltet ihr keine probleme haben den diskurs zu führen!

    und vor allem kann nur so eine aufgeklärte mehrheit entstehen, die den asozialen wahnsinn beendet!

    und es gibt einen grund warum die regierungen von china, russland, türkei und iran etc pp dies zensieren und verbieten wollen. Weil die vielfalt und wahrheit ihre tyrannische macht angreift.

    Insofern ist der kampf für "pronomen" - der kampf für soziale differenzierung und ganzheitliche reintegration - auch ein kampf gegen rechts und für mehr sozialen frieden weltweit!

  • Ist "Diskriminierung" hier wirklich der passende Begriff? Mir scheint es eher um "normales" gesellschaftliches Gerangel zu gehen, bei dem viele Gruppen sich mal bekämpfen, mal ignorieren, wie die anderen sprechen oder denken, mal mehr Anteile wollen. Klar, wer missgendert wertet auch ab und/oder interessiert sich nicht dafür, wie andere reden und denken. Aber das gilt doch ausnahmslos für alle Menschen. Auch wer perfekt gendert, missachtet viele andere Gruppen nach anderen Kriterien. Bei soviel Vielfalt, teilweise Gruppen, die sich in Sprache und Codes auch bewusst absetzen, geht das auch kaum anders.

  • Ich habe den Song bisher noch nicht gehört, aber wahrgenommen, dass es bereits 3-4 Artikel über den Menschen gab. Irgendwie gings aber immer nur um die Geschlecherfrage und nicht um ihre'seine Muisk. Hängen geblieben ist bei mir außerdem, dass die Person sich dafür starkt gemacht hat, dass die israelische Künstlerin ausgeschlossen werden soll, obwohl diese grundsätzlich begrüßt, dass sich Menschen für Palästinenser:innen einsetzen.

  • Der Kritik der Autorin an Teile ihrer Zunft stimme ich zu. Mit der Sprache ist es aber so eine Sache:



    Sie kann nur funktionieren, wenn sich sowohl die Minderheit und die Mehrheit auf gemeinsame Begriffe einigen:



    Wenn eine Minderheit Begriffe für sie als herabwürdigendend empfindet, soll die Mehrheit sie bitte auch nicht verwenden.



    Andererseits werden sich Begriffe nicht durchsetzen können, die die Mehrheit zu grossen Teilen ablehnt, zu kompliziert findet etc., oder einfach nicht kennt.



    Sprache ist ein Kontrakt, der von beiden Seiten akzeptiert werden muss, von Benannten und Benennenden.

  • Völlig unwichtig ob er queer ist.

    Der Auftritt von Nemo, die positive Ausstrahlung und geradezu spritzige Freude von Nemo war begeisternd, da war mir ein queer oder nicht queer völlig egal und unwichtig - Danke Nemo.



    "Normal" ist queer erst, wenn man über seine tolle künstlerische Performance redet, ohne ihm dauernd das Schild "queer" anzuhängen.

    • @Rudi Hamm:

      Ein ganzer Text darüber, dass Nemo diskriminiert wurde, in dem die falschen Pronomen verwendet wurden und Sie machen weiter damit?

    • @Rudi Hamm:

      Nun hat er doch aber selbst das Schild "queer" zum Thema seines Songs gemacht. Also ist es völlig legitim das auch im Schreiben über ihn anzusprechen.

  • Ich empfehle jedem, sich einmal bei Wikipedia die Tabellen anzuschauen, was die Anzahl an Bezeichnungen, Pronomina und Anreden für nicht-binäre Mitmenschen angeht.



    de.wikipedia.org/w...chtsidentit%C3%A4t

    Wie will man hier via Gesetz Menschen verpflichten, bei jeder Einzelperson die korrekte Benutzung einzuhalten?

    • @Werner2:

      Ich traue Ihnen zu, dass sie einfach nachfragen, wenn sie unsicher sind. Von seriösen Journalist*innen erwarte ich, dass sie sauber recherchieren. In jedem anderen Kontext würden wir das auch erwarten. 💁🏻

  • Ich meine die Schweiz hat Frauen erst 1971 als dem Mann ebenbürtig gesehen. Sie dürften erst 1971 wählen. Also es wundert mich da überhaupt nicht, dass es da noch Probleme gibt mit der ganzen Wahrnehmung rund um das Geschlecht. Immerhin ist in der Schweiz erst seit etwas über 50 Jahren rechtlich klar, dass Frauen genauso genauso Menschen sind wie auch Männer. Das die Schweiz keine dritte Geschlechtsoption anerkennt ist daher für mich nicht wunderlich. Aber am Ende ist die dritte Geschlechtsoption auch etwas anderes als sich als nicht binär zu verstehen. Zumindest für viele Menschen. Wie schon Judith Butler sagte, "intelligible gender identities" brauchen Zeit sich zu manifestieren. Und wenn intersex Menschen endlich nicht mehr verstümmeln werden, um irgendwelche Bürokratischen Papieren zu genügen - damit wäre schon viel gewonnen. Kann mir aber vorstellen dass es dann doch noch etwas dauert bis man die soziale und körperliche Identität so trennt wie es viele nicht-binäre für sich machen.

  • Ich weiß jetzt nicht, ob man die Emma hier noch verlinken darf, gilt sie doch als Zentralorgan der "TERF" und für die Aktivisten kann es bei diesem Thema bekanntlich nur eine Meinung und keine Zwischentöne geben.

    Aber ich riskiere es mal.

    "Zweitens, und das ist aus feministischer Sicht viel wichtiger: Warum sollte denn ein Mann, der nicht den gängigen Geschlechterbildern entspricht, ein „anderes Geschlecht“ haben?

    Wir Feministinnen sind doch dafür angetreten, dass Mädchen keine rosa Prinzessinnen sein müssen und Jungs keine blauen Supermänner. Wir haben dafür gekämpft, dass ein zarter, weicher Mann nicht als „Weichei“ heruntergemacht wird, sondern auch ein „richtiger Mann“ ist (und eine Frau mit Kurzhaarschnitt und festem Schuhwerk eine „richtige Frau“)."

    www.emma.de/artike...reaktionaer-341059

    • @Jim Hawkins:

      So kompliziert ist es gar nicht.



      Die Geschlechtsidentität ergibt sich einfach aus der subjektiven (Lebens-)Erfahrung eines Menschen.

      Emma und AfD mögen sich zwar in ihrem Geschlechterbild diametral unterscheiden, aber sie bestehen beide auf einer strikten Kategorisierung von Menschen anhand (vermeintlich objektiver) biologischer Merkmale.

      Menschen LIEBEN Gruppendenken, weil es die Welt so schön einfach macht. Aber jeder Mensch ist und bleibt ein Individuum.

      Und das mit dem "ich bin ein Boomer, also kann (und muss) ich das nicht verstehen" ist auch so ein Fall... ;)

    • @Jim Hawkins:

      Ich verstehe, worauf Sie und Emma hinauswollen.



      Doch non-binär zu sein, geht über das "nicht in klassische Rollen passen" noch hinaus.



      Es gibt Menschen, die in Sachen Hobby und Geschmack jedem Klischee ihres bei Geburt zugeschriebenen Geschlechts entsprechen, und die sich dennoch dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen.



      Und es gibt eben Menschen, die sich nicht nur mit der gesellschaftlichen Rolle, sondern auch mit der Zuschreibung insgesamt nicht wohlfühlen.



      Ja, die Öffnung der Rollenbilder war ein wichtiger Schritt, von dem wir in den letzten Jahren wieder erschreckend weit zurückgetreten sind.



      Es mag auch sein, dass ein Teil der Menschen mit Transidentität es einfacher hätten, wenn es diese strikten Rollenbilder nicht gäbe.



      Die Rollenbilder aufzuheben reicht aber nicht aus, um non-binäre Menschen diskriminierungsfrei in der Gesellschaft willkommen zu heißen.

      • @Herma Huhn:

        Manchmal kommt es mir vor, als wäre ich zu alt für das alles. Boomer eben.

        Es geht dauernd darum sich selbst in unendlich vielen Abstufungen irgendwie zu definieren.

        Jede und jeder braucht eigene Pronomen und ist zutiefst gekränkt, wenn man dem nicht folgt.

        Gleichzeitig dräut am Horizont die Gefahr die Übernahme von politischer Macht durch Rechtsextreme.

        In Deutschland und in Westeuropa. Teilweise ist das schon im Gange.

        Denen ist das nicht nur egal, sie hassen und verachten das alles und wenn sie können, werden sie es beenden.

        Pronomen hin, Pronomen her. Die Aktivisten bezeichnen, zumindest in Teilen, die "TERF" als Nazis und sind unfähig, die wirkliche Gefahr zu erkennen.

        • @Jim Hawkins:

          Ich bin auch (fast) Boomer. Und nichtbinär. Lange Jahrzehnte kannte ich das Wort nicht, habe unter dem nicht in diese zweigeteilte Welt passen, nicht benennen können gelitten.

          Heute kann ich mich beschreiben und habe sogar den Rückhalt durch die Verfassung und Gesetze. Ich habe endlich mein Fleckchen Existenz. Unbeschreiblich - und für cis-binäre Menschen wohl auch unbegreiflich.

          Deshalb wissen meine trans, inter und nichtbinären Mitwesen genau, was da am Horizont dräut und was wir verlieren können. Wir sind nämlich mit als erstes auf deren Liste.

          Sollen wir uns deshalb präventiv wieder in den Schrank zurückziehen? Aus Angst, zu viele "normale Leute" zu verstören und dadurch nach rechts zu treiben? Was hätten wir davon, uns freiwillig so zu beschränken, wie die Rechten das wollen?

          Die rechte Vision ist der "homogene Volkskörper". Normierte Menschen, normierte Lebensweise, entindividualisiert, dem greater good untergeordnet.

          Der Gegenentwurf ist die pluralistische Gesellschaft, die Minderheiten als Bereicherung wahr- und annimmt.

          Wir sind einer der canaries in the coal mine. Wie mit uns umgegangen wird, ist ein feiner Indikator für das Verhältnis gegenüber Vielfalt und Freiheit.

          Wir können uns immer im demokratischen Diskurs über Feinheiten unterhalten. Aber versuche nicht, uns für die Rechten verantwortlich zu machen oder dich an uns abzuarbeiten.

          Wir sind im Kampf gegen rechts ganz vorne mit dabei. Wir verlangen nur das, wofür wir gemeinsam kämpfen: Respekt für jeden Menschen in seiner eigenen Art.

        • @Jim Hawkins:

          "nomen und ist zutiefst gekränkt, wenn man dem nicht folgt.

          Gleichzeitig dräut am Horizont die Gefahr die Übernahme von politischer Macht durch Rechtsextreme."

          Das sehe ich genauso. Die auf beiden (allen) Seiten sehr emotional, gekränkt und kompromisslos geführte Debatte befeuert leider massiv die gesellschaftlichen Risse bzw. schafft Hebelpunkte für Putins Trollarmeen hier die Spaltung zu betreiben. Und das leider sehr erfolgreich - was bei politischer Machtübernahme der rechten Putinmarionetten zwangsläufig zur Unterdrückung führt. Wir steuern direkt in die politische Katastrophe.

        • @Jim Hawkins:

          So ist es, danke Ihnen.

        • @Jim Hawkins:

          @Jim Hawkins:



          Sie sprechen mir aus der Seele.



          Teile und herrsche ist nur etwas für Mächtige, wer am Rand steht sollte sich nicht abgrenzen, sondern nur gemeinsam sind wir stark. Diese Zersplitterung hilft nur den Rechten.

    • @Jim Hawkins:

      Ich hatte schon vor 25 Jahren einen Yahoo-Account in dem ich es geschafft hatte, den Geschlechtseintrag zu verweigern (alte Systeme, die die Eingaben nicht richtig prüften ☺), und ich habe es Jahre lang vermieden, online mein Geschlecht zu nennen.

      Offline war mir das nicht wichtig (da hab ich einfach gesagt, Leute, die mich kennen, müssen akzeptieren, wenn ich manchen Stereotypen nicht entspreche), aber ich bin froh, dass es jetzt für diejenigen geht, für die das auch im echten Leben wichtig ist.

    • @Jim Hawkins:

      Die Autorin des verlinkten Textes offenbart erstaunlich deutlich, wie wenig sie verstanden hat oder verstehen will und wie sehr sie in ideologischen Positionen festhält.

    • @Jim Hawkins:

      In dem Artikel von der taz geht es gerade darum, dass diejenigen die nicht betroffen sind keine Meinung haben sollten über etwas das sie nicht betrifft. Respekt heisst zu respektieren wenn eine Person keine Pronomen benutzen will und sich als nichtbinär identifiziert. Punkt. Fertig. Das war's. Einfach annehmen und selbst recherchieren was nicht-Binarität für die Betroffenen bedeutet oder sich selbst die Gehirnwindungen zu lockern und den eigenen Bezug zur Binarität beleuchten. Die Feministinnnen haben zu Recht gekämpft und auch diese sollten sich in Offenheit üben, dass sich ihr Kampf weiterentwickelt und es noch mehr Geschlechtsidentitäten gibt als Mann und Frau.

      • @Ilias SON:

        Wenn eine Person keine Pronomen benutzen will, stört das kaum jemanden. Wenn jemand will, das alle anderen Menschen das auch nicht tun, und es für Diskriminierung erklärt, wenn sie es doch tun, dann stört das Viele, weil es die Sprache eben deutlich erschwert. Da wäre es mir noch lieber, wir sagten zu allen "ens".

    • @Jim Hawkins:

      Es gibt eben einen unterschied zwischen gender expression und Identität.



      Die Person sieht sich nicht als Mann, ob nun femminin, oder Bodybuilder macht da keinen unterschied.

  • Toleranz bedeutet nicht dass ich mich in jedes pronominale Detail einarbeiten muss. Ich kenne auch nicht alle Dienstgrade der Bundeswehr.

    • @drusus:

      Wenn Sie aber bei der Bundeswehr arbeiten möchten, sollten Sie sie lernen.



      Und wenn Sie beruflich mit Sprache arbeiten, sollten Sie auch alle sprachlichen Details beherrschen.



      Um alle anderen geht es hier nicht. Erstmal.



      (Sollte jedenfalls, aber das wird medial leider auch immer mal wieder durcheinander gebracht.)