Bedeutung für mögliche Koalition: Maaßen schockt Grüne – ein bisschen
Verhindert ein CDU-Abgeordneter Hans-Georg Maaßen Schwarz-Grün? Nein, sagt Robert Habeck. Wichtig sei, wie sich die Union inhaltlich positioniere.
Grünen-Chef Robert Habeck gab am Montag die Linie vor und schloss eine Kooperation mit der Union auch mit Maaßen nicht aus. Schön sei das natürlich nicht, sagte er. Aber: „Einen rechtauslegenden CDU-Abgeordneten und meinetwegen auch eine Handvoll mehr kann jede Fraktion ertragen.“ Die entscheidenden Fragen würden sein, welche Prokura die CDU-Parteiführung habe und wie sich die Union im Wahlkampf, im Programm und in Gesprächen für eine Regierung aufstelle. „Herr Maaßen lässt einen skeptisch sein, wohin die Reise geht, aber natürlich nicht abschließend ein Urteil fällen.“
Hans-Georg Maaßen, der 2018 als Chef des Verfassungsschutzes von der Großen Koalition geschasst wurde, hat wiederholt mit AfD-nahen Wortmeldungen auf sich aufmerksam gemacht. In den sozialen Medien fällt er zunehmend mit rechtspopulistischen und verschwörungsideologischen Äußerungen auf, teilt Beiträge rechtsextremer Websites und wettert gegen die eigene Parteispitze. „Teile des Führungspersonals der heutigen CDU (und der sie unterstützenden Propaganda) stehen der SED näher als der Adenauer-CDU“, twitterte er im Februar.
Als die Südthüringer CDU Maaßen am Freitag mit großer Mehrheit für den aussichtsreichen Wahlkreis 196 nominierte, aktivierte das bei den Grünen umgehend Abwehrreflexe. „Die Personalie Maaßen ist ein Signal dafür, dass CDU sich aus der Mitte entfernt“, schrieb Bundesgeschäftsführer Michael Kellner auf Twitter. „Die Union muss klären, wo sie steht. Dazu gehört, die Tore nach Rechts geschlossen zu halten und die klare Absage an Koalitionen mit der AfD.“
Alle Optionen offen halten
CDU-Chef Armin Laschet äußerte sich am Montag nach der Sitzung des CDU-Präsidiums nur knapp zu der Personalie. Die Aufstellung der Direktkandidaten sei nach dem Parteienrecht Aufgabe der Kreisverbände. Seine Position sei klar: „Mit der AfD wird nicht koaliert, nicht kooperiert, nicht einmal verhandelt.“ Er erwarte, dass sich jeder Kandidat daran halte, „auch der im Wahlkreis Suhl-Schmalkalden“.
Irene Mihalic, die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sagte der taz, die CDU habe mit der Nominierung von Maaßen ein großes Problem und die Flanke weit nach rechts geöffnet. „Das gefährdet den demokratischen Grundkonsens der letzten Jahre“, argumentierte Mihalic. „Die CDU muss sich entscheiden, was ihr wichtiger ist: der demokratische Grundkonsens oder die Anschlussfähigkeit nach rechts außen.“ Aber auch die Innenpolitik-Expertin betonte: „Koalitionsdebatten stellen sich jetzt nicht.“
Bei rechtslastigen Ausrutschern der CDU zeigt sich bei den Grünen das immer gleiche Muster: Sie üben zwar scharfe Kritik, drohen aber keine harten politischen Konsequenzen an. Denn das hieße, eine Koalition auszuschließen. Die Grünen-Spitze will sich aber aus nachvollziehbaren Gründen alle Optionen offen halten. Zweitens spielt bei Habeck und bei Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auch die Überlegung eine Rolle, dass die Union in der demokratischen Mitte gehalten werden müsse – und dass man deshalb nicht jeden Fehltritt auf die Goldwaage legen dürfe.
Im Dezember 2020 rebellierte die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt gegen eine Beitragserhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Seite an Seite mit der AfD und gegen den Willen aller anderen 15 Länderparlamente. Ein Grund war, dass sie eine als zu links empfundene Institution maßregeln wollte.
Die Grünen wehrten sich mit aller Kraft gegen die örtliche CDU – blieben dann aber zähneknirschend in der Landesregierung. Auch als sich der FDPler Thomas Kemmerich im Februar 2020 mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD in Thüringen zum Ministerpräsidenten wählen ließ, sparten die Grünen nicht mit Kritik. Habeck schloss aber auch damals schon eine Koalition mit der Union im Bund nicht aus, falls jene auf Länderebene mit der AfD koaliere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs