Bauernproteste gegen Umweltauflagen: Die Lügen der Bauernflüsterer
Am Dienstag demonstrieren Landwirte in Berlin gegen Umweltauflagen. Mitorganisator ist ein Bauernverband, der auf Facebook Desinformationen verbreitet.
Jetzt rollen wieder Trecker nach Berlin: Am Dienstag werden Tausende Bauern am Brandenburger Tor gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung demonstrieren.
Wie die erste Kundgebung der Bewegung „Land schafft Verbindung“ Ende Oktober wendet sich auch diese vor allem gegen geplante Vorschriften, mit denen die Regierung die Umwelt besser schützen will. Im „Agrarpaket“ hat das Bundeskabinett Ende September angekündigt, Unkrautvernichtungsmittel und besonders schädliche Insektengifte in den meisten Naturschutzgebieten zu verbieten – vor allem, um das Insektensterben einzudämmen.
Zudem sollen mehr Agrarsubventionen, die bisher vor allem für den Besitz von Fläche gezahlt werden, etwa Umweltprojekte von Landwirten finanzieren. Außerdem wenden sich die Demo-Initiatoren dagegen, dass Landwirte in besonders durch potenziell umwelt- und gesundheitschädliches Nitrat belasteten Gebieten nur noch weniger düngen dürfen.
Dünger, Pestizide und Nitrat
Das alles koste die Bauern Geld und würde vor allem viele kleine Familienbetriebe in den Ruin treiben, warnen die Bauern. Ein großer Teil der Branche bestreitet, dass vor allem sie für das Nitrat im Grundwasser sowie das Insektensterben verantwortlich sei.
Die Bundesregierung argumentiert, die Pestizidverbote würden nur für knapp 7 Prozent der Agrarfläche und lediglich bestimmte Wirkstoffe gelten. Die Düngereduktion betreffe ebenfalls lediglich einen Teil der Landwirte und würde die Ernten kaum schmälern.
Außerdem seien die Maßnahmen schlicht nötig, weil es immer weniger Insekten gebe und Deutschland hohe Strafen der EU drohten wegen der zu hohen Nitratwerte im Grundwasser. Wissenschaftliche Studien würden die Verantwortung der Landwirtschaft belegen.
Offiziell ist „Land schafft Verbindung“ eine unabhängige Bewegung, die in Internetnetzwerken entstanden ist. Tatsächlich haben Unterorganisationen des Deutschen Bauernverbands sie von Anfang an mitgesteuert, wie die taz vor der ersten Demo Ende Oktober aufdeckte.
Geschönte Zahlen
Der Bauernverband Schleswig-Holstein beeinflusst die Bewegung nicht nur durch die Mitarbeit von Funktionären, sondern auch durch Propaganda. Auf seinen Facebook- und Instagram-Seiten veröffentlicht er regelmäßig falsche oder irreführende Informationen. Der Inhalt der Posts wird von Bauern in ganz Deutschland weitergegeben.
Besonders auffällig sind Einträge, in denen der Verband Argumente von Leugnern des menschengemachten Klimawandels wiedergibt. Der menschliche Beitrag sei zwar messbar, schreibt die Organisation. „Nur wie groß er genau ist und wo er ansetzt, bleibt umstritten.“ Dabei hat der Weltklimarat IPCC festgestellt, „dass der menschliche Einfluss die Hauptursache der beobachteten Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts war.“ Fast alle Staaten sind Mitglied im IPCC.
Der Bauernverband Schleswig-Holstein dagegen beruft sich namentlich einzig auf Patrick Moore, einen Forstwissenschaftler, der die Umweltorganisation Greenpeace in ihrer Anfangszeit führte, dann aber als PR-Berater Kampagnen gegen sie organisierte.
In einem anderen Post schreibt der Bauernverband: „Landwirtschaft spielt nur eine geringe Rolle bei den Treibhausgasen“, nämlich 7 Prozent. Diese Zahl enthält aber nicht Emissionen, die für die Landwirtschaft in anderen Sektoren entstehen. Wenn Bauern zum Beispiel entwässerte Moore als Äcker nutzen, wird Treibhausgas frei, das im Sektor „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ bilanziert wird.
Pupsende Kühe
Dazu kommen die Emissionen in der Industrie, wenn sie etwa Kunstdünger und Pestizide produziert. Der Diesel für Traktoren beispielsweise taucht im Kapitel „Energie“ auf. „Führt man alle diese Emissionsbereiche zusammen, ergibt sich insgesamt ein Beitrag der Landwirtschaft zur nationalen Treibhausgasemission von rund 14 Prozent“, schätzt das bundeseigene Thünen-Agrarforschungsinstitut.
Zum Thema Emissionen des Treibhausgases Methan durch Kühe postet der Bauernverband: „Methan zerfällt nach wenigen Jahren, während CO2 Hunderte Jahre in der Atmosphäre bleibt“. Aber während seiner Lebensdauer hat es laut IPCC eine rund 30 Mal größere Wirkung als Kohlendioxid. „Methan ist das zweitwichtigste anthropogene Treibhausgas“, sagt Fortunat Joos, Klimaphysiker an der Universität Bern, der taz.
Doch der Bauernverband hält die Landwirtschaft sogar für einen Klimaretter. „Nur sie ist in der Lage, Sauerstoff zu erzeugen und Kohlenstoff zu binden“, schreibt er. In einem anderen Facebook-Post rechnet er vor: „1 Hektar Zuckerrüben bindet 35 t CO2, erzeugt 25 t O2. Erzeugt nebenbei 16 t Zucker“.
Problem: „Das Treibhausgas in den Ackerfrüchten wird binnen weniger Monate wieder freigesetzt“, sagt Martin Hofstetter, Agrarexperte von Greenpeace Deutschland. „Wenn sie gegessen werden, nutzen wir die darin enthaltene Energie und geben über den Atem den Kohlenstoff als CO2 wieder in die Atmosphäre.“
Bauernverband sind Fakten schnurz
Solche Gegenargumente bringt auf der Facebook-Seite des Bauernverbandes zum Beispiel die Tierethikerin Friederike Schmitz, die auch bei der Klimaschutzbewegung „Extinction Rebellion“ mitarbeitet.
Friederike Schmitz, Umweltschützerin
„Aber korrigiert wird in der Regel nichts“, sagt die Aktivistin der taz. „Das Niveau dieser Seite ist einfach unterirdisch. Aber alle liken, denn Wahrheit ist ja wurscht, Hauptsache, es passt ins Weltbild“, schrieb Schmitz bei Facebook. Das sei ein Beleg dafür, „dass dem Bauernverband Fakten halt schnurz sind“.
Diesen Eindruck nährt auch die Antwort des Bauernverbands auf die Frage der taz, ob er falsche und irreführende Informationen verbreite: In einer weitschweifigen E-Mail wiederholte die Organisation im wesentlichen nur kritisierte Aussagen, statt auf Gegenargumente einzugehen. Sie wies den Vorwurf der Desinformation weder ausdrücklich noch direkt zurück.
Neurechtes Milieu
Desinformation ist ein typisches Instrument des neurechten Milieus aus AfD und dem rechten Rand der CDU. Im Bundestag unterstützt einzig die AfD alle Forderungen der Bauern. Hinter den Social-Media-Seiten des schleswig-holsteinischen Bauernverbands steht vor allem dessen Referent Sönke Hauschild, der sich auch an der CDU-Basis engagiert.
Er postete am 15. November auf seiner privaten Facebook-Seite fremdenfeindliche Sätze, die islamische Migranten unter Generalverdacht stellen: „(Muslimische) Flüchtlinge kommen in christlich geprägte Länder, Länder mit einer vom Christentum geprägten Geschichte und somit zu denen, die sie beziehungsweise ihre Mitbürger in der Heimat intensiv verfolgten und verfolgen“, zitierte Hauschild den ehemaligen SPD-Politiker Steffen Reiche. „Die Flüchtlinge“ würden nach Deutschland kommen, „um bei denen zu leben, die sie daheim verfolgen.“
Ein Facebook-Nutzer kommentierte, es sei „eine hanebüchende Pauschalisierung, unseren geflohenen Geschwistern Christenverfolgung vorzuwerfen. In diesen Ländern gibt es Terroristen. Diese mit ihren Opfern gleichzusetzen zeugt von einigem, aber sicher nicht von christlichen Werten.“ Hauschild ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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