piwik no script img

Landwirt:innen protestieren in BerlinMit Kuhglocken gegen das Agrarpaket

Am Dienstag haben 10.000 Landwirt:innen gegen schärfere Umweltauflagen protestiert. Julia Klöckner warb um Verständnis für die Demonstrierenden.

Traktoren auf dem Weg zum Brandenburger Tor, Berlin, am Dienstag Foto: Andreas Friedrichs/imago images

Berlin taz/dpa | Mit tönenden Vuvuzelas, läutenden Kuhglocken und etwa 5.000 Traktoren standen sie vor dem Brandenburger Tor: Tausende Bäuerinnen und Bauern aus ganz Deutschland waren am Dienstag nach Berlin gekommen, um vor dem Brandenburger Tor gegen das Agrarpaket der Bundesregierung zu protestieren. Die zentrale Forderung: eine stärkere Einbeziehung der Landwirt:innen bei neuen Umweltauflagen.

Das Bündnis „Land schafft Verbindung“ hatte über soziale Netzwerke zur Großdemonstration aufgerufen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner war vor Ort und kündigte für Montag, den 2. Dezember ein Treffen bei Kanzlerin Angela Merkel an, zu dem rund 40 landwirtschaftliche Organisationen eingeladen seien.

Bereits am frühen Dienstagmorgen bildeten sich kilometerlange Trecker-Konvois in Brandenburg, die den Berufsverkehr zum Teil behinderten. Zur Kundgebung kamen nach Angaben der Veranstalter:innen rund 10.000 Landwirt:innen. Auf den vielen Plakaten und Bannern standen Sprüche wie „Wer Bauern quält, wird abgewählt“ oder „Ist der Bauer ruiniert, wird dein Essen importiert“.

Der Protest richtete sich unter anderem gegen geplante schärfere Vorgaben zum Insekten- und Umweltschutz und gegen Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers. Diese würden die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe gefährden. Außerdem wurde das Mercosur-Handelsabkommen und das „Bauernbashing“, also eine generell empfundene Missachtung der Politik und verschiedener NGOs gegenüber dem Berufsstand, kritisiert.

Opposition fordert grundlegende Änderungen an Agrarpolitik

Bundesumweltministerin Svenja Schulze warb vor demonstrierenden Bauern indes für klare Regeln zum Schutz von Grundwasser und Insekten. Sie wolle, dass Landwirte „Teil der Lösung“ seien, und setze darauf, dass auch die Bauern ein Interesse daran hätten, dass es in Zukunft noch sauberes Wasser und Bestäuber gebe. Nach Schulzes Rede gab es Buhrufe. Bereits vor dem Auftritt hatte ein Redner ihren Rücktritt gefordert.

Wenige Stunden zuvor hatte sich Klöckner während einer Landwirtschafts-Etatdebatte im Bundestag für mehr Verständnis für die Lage der Landwirte ausgesprochen. „Sie haben es satt, aus städtischer Perspektive belehrt zu werden, wie Landwirtschaft auszusehen hat“, sagte sie. Zugleich betonte sie, dass strengere Düngeregeln umgesetzt werden müssten, um EU-Strafzahlungen wegen zu viel Nitrat im Grundwasser zu verhindern.

Abgeordnete aus Opposition und SPD forderten grundlegende Änderungen der Agrarpolitik. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte, das EU-Subventionssystem müsse von Masse auf Klasse umgestellt werden. Die Linken-Abgeordnete Heidrun Bluhm-Förster betonte, dass Umwelt und Tierschutz nicht allein von den Landwirt:innen zu stemmen seien.

Der Bundestagsfraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, hatte den demonstrierenden Landwirt:innen bereits vor Beginn der Demo vorgeworfen, sie verfolgten einen „falschen Ansatz“. Zugleich müsse man die Landwirte verstehen. „Sie stehen nach Jahren falscher Agrarpolitik wirklich mit dem Rücken zur Wand.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die verärgerten Landwirt:innen demonstrieren. Bereits Ende Oktober wurde bundesweit protestiert.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • Das, was hier so schön angeprangert wird, ist doch nur das Resultat von "Geiz ist geil". Discounter, die Bio anbieten. Himbeeren im Dezember. Dreimal am Tag warm Fleisch essen. Aber natürlich hat in eurer ökologisch nachhaltigen Blase immer der Bauer schuld. Es sind cent Beträge um die sich der Großhandel streitet, weil billig immer noch billiger gehen muss. Die Erzeugerpreise für Agrarprodukte sind immer noch die Gleichen, wie vor 40 Jahren. Nur die Gewinnspanne des LEH ist explodiert. Und zwar nur, weil die breite Masse bei Aldi und Lidl kauft.



    Der Marktanteil von Bio Ware insgesamt lag 2018 bei 5,1%. Bei Getreide liegt er wesentlich niedriger. Denkt mal drüber nach, wer das verschuldet hat.



    Außerdem sind die Agrarsubventionen nur ein Mittel, damit ihr bloß nicht zu viel für Nahrungsmittel bezahlen müsst.

    • @Le Kralle:

      Das ist auch ein Problem, allerdings ein anderes!



      Wenn diese Bauern schon beim Schutz fürs Grundwasser buhen, dann stehen da Brunnenvergifter auf der Staße! Solche Bauern, die braucht niemand.

      • @noncarnnever:

        Das kam scheinbar falsch an. Sie buhen nicht beim Schutz des Grundwassers, sondern wegen der Art und Weise, wie Grundwasseranalysen an die EU gemeldet werden. Barbara Otte-Kienast, Niedersächsische Landwirtschaftsministerin, gab am letzten Montag in Hannover vor Kameras offen zu, dass die damalige Landesregierung in 2012 tatsächlich nur die schlechtesten Messwerte gemeldet hat, anstatt die kompletten Analysen zu melden. Frau Otte-Kienast sagte aber gleich danach, dieser Fehler wurde ja nicht von ihr gemacht und deshalb könne sie daran ja sowieso nichts ändern. Zum Verständnis: Niedersachsen hat mehrere Tausend solcher Messbrunnen. Baden Württemberg über 5000. Trotzdem wurden nur die 186 schlechtesten Werte nach Brüssel gemeldet. Italien meldete im gleichen Jahr über 5000, Belgien fast 3000. Ich halte diese Fakten für sehr wichtig, auch da ihre Meinung ja festzustehen scheint. Es ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass da irgendwas schief läuft.

        • @Le Kralle:

          Das kam nicht falsch an! Das ist sogar der ferngesteuerten Frau Glöckler aufgefallen, daß sich ihre Schützlinge da ein bisschen zurückhalten dürften.

          Ansonsten geht es hier nicht eine formale Sache der EU, sondern die Bevölkerung will aus eigenem Antrieb kein Gift im Trinkwasser. Ist das nicht zu verstehen?

          • @noncarnnever:

            Übrigends ist Grundwasser nicht gleich Trinkwasser, wenn sie über Nitrat reden. Die Messbrunnen sind in Niedersachsen beispielsweise zwischen 12 und 35 meter tief. Die Trinkwasserbrunnen der Wasserwerke fangen in der Regel bei mindestens 50 metern an und gehen teilweise bis 190 meter Tiefe.



            Haben sie auch irgendwelche Fakten oder nur gefühlsmäßig den Bedarf, einfach nur mal über irgendwas zu reden. Frage mich langsam, wer hier fremdgesteuert ist.

          • @noncarnnever:

            Sicher ist das zu verstehen. Haben sie die von mir genannte Seite gefunden? Was Trinkwasserqualität angeht empfehle ich ihnen hamburg-wasser.de oder oowv.de Auf diesen Seiten wird die Wasserqualität der Trinkwasserbrunnen dargestellt. Nitrat? Im Schnitt bei 3mg/l. Frau "Glöckler" wie sie sie nennen ist wohl eher von der CDU ferngesteuert, als von Bauern. Aber egal.



            Lesen sie die Analysen, anstatt sich selbst von NGOs instrumentalisieren zu lassen.



            Sogar Svenja Schulze (Auch so eine Marionette von uns Bauern? Hihi) sagte bei Frank Plasberg, das deutsche Trinkwasser ist das beste der Welt.Man kann es so aus der Leitung trinken.Lügt sie? Lesen sie bitte nach.

            • @Le Kralle:

              "Grundwasser ist Trinkwasser", da liegen nur ein paar Parameter wie z.B Zeit und Infiltrationsrate dazwischen. Außerdem ist es das Wasser für das Ökosystem Boden, wo eine Behandlung, wie beim Trinkwasser praktisch nicht möglich ist.



              Deshalb ist die Sorge um das Grundwasser so berechtigt wie um das Hirnwasser. Oder kann das sein, daß sie das Grundwasser mit dem Abwasser verwechseln?

              • @noncarnnever:

                Ich frage jetzt nochmal, weil ich keine Antwort darauf bei ihnen finde: Haben sie die genannten Seiten mit Informationen der staatlichen und kommunalen Stellen besucht und sich selbst ein Bild gemacht. Diese Frage ist wirklich nicht kompliziert.

    • @Le Kralle:

      In Deutschland ist die Nachfrage nach Bioprodukten höher als im Inland produziert wird. Deswegen muss viel importiert werden. Österreich hat eine Bioanbaufläche von 24,3 Prozent. Warum bekommt dies Deutschland nicht hin. Die Österreicher sind bei Rente, Wohnungspolitik und Bio wesentlich besser. Best Practice - da hat Deutschland noch viel zu lernen und muss sich professionalisieren! Die mittleren Einkommensschichten können es sich leisten, im Bioladen einkaufen zu gehen. Und tun dies auch zum Teil, ansonsten hätten bestimmte Stadtteile in Berlin nicht die größte Biomarktdichte Europas. Außerdem ist in Berlin auch eine gewisse bewusste Konsumentenschicht vorhanden, die bei Nahrungsmitteln auch Wert auf Qualität legt, auf Flugreisen und Auto verzichtet und Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel nutzt und ziemlich genervt ist, wenn 8600 konventionelle Bauern mit ihren Traktoren noch zusätzlich die Luft in Berlin belasten! Wird Zeit, dass die Innenstadt autofrei und Traktorenfrei wird! Die Solidarität dieser Bürger gehört ganz sicherlich nicht den konventionellen Bauern, die sich für Glyphosat, gegen Artenschutz aussprechen, nach AfD Manier argumentieren und sich in die Opferrolle setzen, sondern den Biobauern und FFF!

      • @Anna Minerva:

        Insgesamt liegt der Anteil an Bio Produkten aus der Landwirtschaft, die der LEH 2018 verkaufte bei 5,1%. Dass der Bedarf bei einigen Produkten nicht gedeckt werden kann, liegt vielleicht auch am Produkt. Süßkirschen gehen beispielsweise überhaupt nicht, da die Kirschfruchtfliege und die Kirschessigfliege im Bio Anbau nicht bekämpft werden können. Beerenobst, ist aus diesem Grund auch schwierig. Getreide wird zu wenig nachgefragt. Käfigeier aus Osteuropa stecken sowieso in jedem zweiten Backshop Produkt. (Das kaufen wir sicher beide nicht)



        Schön, dass sie in Berlin die größte Biomarktdichte Europas haben. Der Normalverbraucher kauft aber leider doch im Discounter ein.



        Diese ständigen AFD Parallelen sparen sie sich besser. Das ist billig und ich sympathisiere nicht mit Rechten.

  • Wie kann man nur verbieten das Grundwasser zu verunreinigen? "Wenn sie keine Insekten vernichten dürfen, gehen sie pleite!" Gehts noch? Als Imker ging ich auch pleite und durfte mich zudem von Bauern beschimpfen lassen. By the way, müssen Bauern alle mit ihren Bodenverdichtern zur Demo? Gehts nicht auch zu Fuß?

  • Mal schauen ob es über den Klimastreik am Freitag mit sicher Zigtausenden Teilnehmern die gleiche Artikelflut in der TAZ gibt wie über die vielleicht 10000 Bauern.



    Bin gespannt.

  • würde man zur Zulassung zur Demonstration einen Einkommensnachweis fordern, wären wohl solche Schlepper nicht in der Stadt. Das sind nicht die Bauern, die in ihrer Existenz bedroht sind, denn die kommen ganz anders daher. Sie werden hier nur "benutzt" für fremde Interessen, oder hat hier jemand für eine gerechtere Verteilung der Agrarsubventionen demonstriert? Insofern ist das was man hier erlebt ist eine einzige Lüge mit einer Vertrterin der Agrarlobby und ihren Schützlingen, die für Geld alles (kaputt) machen.

    • @noncarnnever:

      Wäre es vielleicht auch ohne Verschwörungstheorie gegangen?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Bis eben dachte ich: diese abgebildeten Teile heißen doch "Stiefel" - und nicht Traktoren.

    Zünde ich gerade die nächste Stufe meines Lebensprozesses: Senilität statt Alter?

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Die Stiefel sind das Equipment der bedrohten Art Bauer!



      Mit ihren Lebensprozessen kenne ich mich nicht aus.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @noncarnnever:

        Die Zusammenhänge in Sachen "Equipment" vermochte ich noch (gerade so) herzustellen. Bei einem Foto von Stiefeln mit der Bild-Unterzeile "Traktoren auf dem Weg zum Brandenburger Tor" war ich hingegen überfordert.

        Aber wie ich gerade sehe, passen jetzt Foto und Text zusammen. ;-)

  • "Zugleich betonte sie, dass strengere Düngeregeln umgesetzt werden müssten, um EU-Strafzahlungen wegen zu viel Nitrat im Grundwasser zu verhindern." - Schwächer lässt es sich nicht begründen.

  • RS
    Ria Sauter

    Ignoranz in Massen unterwegs. Unfassbar!



    Probleme mit Antibiotika aufgrund der Massentierhaltung, der Gülle, dem Pestiziden etc. geht diese Bauern nix an.



    Haben sie keine Kinder, Enkel?Ist ihnen die eigene Gesundheit sch...egal?



    Dann noch mit dem Dieseltraktor nach Berlin fahren und mimimi wegen fehlender Akzeptanz.

  • Früher hatten wir E605 mit Dioxin, das war natürlich sehr lange harmlos. Jetzt finden nur die USA Glyphosat sei gefährlich.



    Schon vor über zwanzig Jahren erfand Andreas Hilker die Querhacke und meldete sie zum Patent an. Heute ist natürlich alles offen gelegt. Die Milliardenkonzerne verdienen aber an Chemie.



    Die Querhacke hackte in ausreichender Arbeitsbreite die Beikraeuter in Reihenkulturen wie Mais, Sojabohnen und Zuckerrüben.



    Der Gesprächskreis Agribusiness zwischen Chemie- und Landmaschinenindustrie wollte sich damals nicht dafür entscheiden. Lieber kaufte Bayer Monsanto und am angestrebten Fertigungsstandort Magdeburg wurden Windräder subventioniert.



    Unter Registerrecherche kann beim Patentamt jeder über die Einsteigerrecherche mit dem Namen des Patentanmelders Andreas Hilker die Querhacke finden. www.dpma.de



    Nur so verschwindet Chemie vom Acker. Wer Interesse hat schauts nach.

  • in einem punkt haben die bauern recht: wenn man aus ihnen ökobauern machen will,muss man aus den freihandelsabkommen aussteigen und sie so vor unfairer konkurrenz schützen.

  • Gut zusammengefasst, im Vergleich zu vorherigen Artikeln zum Thema, bemerkenswert.

    • @melvd:

      Dachte ich mir auch! Wesentlich sachlicher.