Bauernproteste für Agrarsubventionen: Rechtes Ackern für den Agrardiesel
Protestveranstaltungen von Landwirten gegen die Sparbeschlüsse der Ampel-Koalition sind offen nach rechts. Der Bauernverband müht sich um Abgrenzung.
Auch in einem Zug zur Kundgebung der Bauernbewegung Land schafft Verbindung Baden-Württemberg am 21. Dezember in Stuttgart fuhr ein Lastwagen, auf dessen Ladefläche ein Holzgalgen mit Ampel stand. Am 19. Dezember war im saarländischen St. Ingbert laut mehreren Medien bei einem Bauernprotest ein Galgen mit Ampel vor einer Halle aufgestellt worden. „Das ist doch Androhung von: Wir hängen euch auf, wenn ihr nicht spurt“, kritisierte Martin Hofstetter, Agrarexperte der Umweltorganisation Greenpeace.
Auf Fotos von der Veranstaltung in Stuttgart sind auch mehrere Traktoren mit der schwarzen Fahne der gewalttätigen Bauernbewegung „Landvolk“ aus den 1920er Jahren zu sehen. In der Mitte der Fahne befinden sich ein weißer Pflug und ein rotes Schwert.
Während der Weimarer Republik hatten sich in Schleswig-Holstein in der Landvolkbewegung Bauern organisiert, die wegen hoher Schulden in Not geraten waren. Sie verübte mehrere Bombenanschläge. Viele der Landvolkakteure traten früh der NSDAP bei. Der Historiker Christian M. Sörensen schreibt, die Bewegung habe mit ihrem Kampf gegen das „System“ die Abkehr von den bisherigen Parteien verstärkt, die Bauern für politische Betätigung mobilisiert und so „ungewollt den NSDAP-Aufstieg gefördert“. Die Geschichtswissenschaftlerin Heidrun Edelmann attestierte im Bauernblatt Schleswig-Holstein Claus Heim, einem der wichtigsten Landvolkführer, „völkische, nationalistische und antisemitische Denkansätze“.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat wegen der Sparpläne der Bundesregierung zu einer Aktionswoche ab dem 8. Januar aufgerufen. „Es reicht: Die Steuererhöhungspläne der Bundesregierung müssen zurückgenommen werden“, forderte DBV-Präsident Joachim Rukwied in einem Video, das der Verband auf X veröffentlichte. „Wir werden in ganz Deutschland friedlich, aber deutlich demonstrieren“, sagte Rukwied. Gleichzeitig rief der DBV dazu auf, von „sinnlosen Blockaden“ und „radikalen Aktionen“ abzusehen. Am Samstag schrieb der Verband in einem weiteren Post auf X, er distanziere sich von „extremen Randgruppen, die unsere Aktionswoche kapern wollen“. Höhepunkt der Proteste soll eine Großdemonstration in Berlin am 15. Januar sein.
Spediteure und ihre Beschäftigten wollen sich beteiligen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) hat sich am Freitag in einem Aufruf für Entlastungen bei der Maut und beim Dieselkraftstoff starkgemacht. (afp/dpa/taz)
Plakat: „Bauern wählen AfD!“
Als physische Gewaltandrohung verstanden werden konnte auch ein Bild an einem Traktor bei dem Protest in Stuttgart: Da tritt ein dunkler großer Stiefel eine Menschensilhouette, die grün ist und eine Sonnenblume auf der Jacke trägt, von einer Klippe. Dazu der Slogan: „Tut es für das Vaterland … jagt die Grünen aus dem Land.“ Darunter steht das Logo der rechtsextremen Partei „Heimat“ – die frühere NPD.
Ein Traktor fuhr zudem mit einem Transparent durch Stuttgart, auf dem die Parole „Klagt nicht, kämpft“ stand. Der kämpferisch-soldatische Slogan ist in der rechtsextremen Szene äußerst populär. Einschlägige Onlineshops verkaufen schwarze Kapuzenpullover mit diesem Spruch, Reichsadler und Eisernem Kreuz.
An einem Lastwagen war ein Transparent befestigt mit einem Ampelsymbol und der Aufschrift „Ihr begeht Volksverrat“. Auch dieser Begriff wird vor allem im rechtsextremistischen Milieu benutzt, zum Beispiel bei der entsprechend vom Landesverfassungsschutz Sachsen eingestuften Pegida-Bewegung. Die Nationalsozialisten führten das Wort ins Strafrecht ein.
Auf einer Tafel in Stuttgart hieß es „Bauern wählen AfD!“. An einem Traktor hing das Logo der Partei, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft worden ist. Offenbar wusste der Teilnehmer der Demonstration für Agrarsubventionen nicht, dass die AfD in ihrem Grundsatzprogramm schreibt: „Die AfD lehnt Subventionen generell ab.“ Dennoch versucht der agrarpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka, nun, die Bauernproteste für sich zu nutzen, und forderte, die Subventionskürzungen in der Landwirtschaft zu stoppen. Von allen genannten Schildern bei der Demonstration in Stuttgart liegen der taz Fotos vor.
Bauernverband lehne „derartige Symbolik ab“
Sogar auf der Bühne der Berliner Demonstration gab es Äußerungen, die als rassistisch kritisiert wurden. Der Vorstandssprecher der Bewegung „Landwirtschaft verbindet Deutschland“, Claus Hochrein, erntete Lacher, als er dem Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) Politik wie „auf ’nem türkischen Basar“ vorwarf. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied, der daneben stand, distanzierte sich nicht.
„Ich bin erschüttert“, kommentierte Umweltschützer Hofstetter die Vorfälle. „Bei einer Demo des Bauernverbands in Berlin, 50 oder 100 Meter entfernt von der Bühne – das verstehe ich nicht, dass man da nicht hingeht und sagt: Leute, der Trecker mit der Galgenschlinge kommt hier nicht rein.“ Es sei Job des Bauernverbands, dafür zu sorgen, „dass da keine Chaoten und Rechtsradikalen mitmachen“. Die Organisatoren der jeden Januar in Berlin stattfindenden „Wir haben es satt“-Demonstration für eine Agrarwende etwa seien dieser Pflicht bei ähnlichen Unterwanderungsversuchen nachgekommen.
Der Deutsche Bauernverband erklärte auf Anfrage der taz zu den Galgen, er lehne „eine derartige Symbolik aufs Schärfste ab.“ Land schafft Verbindung Baden-Württemberg teilte mit, die Organisation habe bei ihrer Demonstration „nur den Bereich um die Bühne aktiv beeinflussen“ können. „Es wäre uns als Verein nicht möglich gewesen, alle Teilnehmer zu überprüfen, zumal wir nur von 500 Teilnehmern ausgegangen sind.“ Man distanziere sich „von jeglicher Gewalt, bzw. deren Androhung“. Dabei seien dann aber etwa 2000 Traktoren gewesen. Die Polizei habe den Veranstaltern keine Rechtsverstöße mitgeteilt. Da auch die Landwirtschaft zum Querschnitt der Bevölkerung gehöre, sei davon auszugehen, dass auch mit der AfD sympathisierende Landwirte unter den Teilnehmern waren. „Wir als Verein sehen uns als parteineutral.“
Bei den geplanten Kürzungen geht es um Rabatte bei der Diesel- und KfZ-Steuer für Agrarfahrzeuge. Diese Subventionen will die Ampelkoalition streichen. Die so eingesparten 920 Millionen Euro sollen dazu beitragen, das Haushaltsloch nach dem Schuldenbremsenurteil des Bundesverfassungsgerichts zu schließen. Das erklärte die Umwidmung von Coronahilfen für anderweitige Zwecke – um so die Schuldenbremse einhalten zu können – für rechtswidrig. Weit mehr als die Landwirtschaft soll laut einer vom Bundeskanzleramt vorgelegten Liste zum Beispiel übrigens der Klima- und Transformationsfonds sparen: 12,7 Milliarden Euro.
[Anm. d. Red.: In einer vorherigen Version des Textes stand fälschlicherweise, Cem Özdemir würde „aus der Türkei stammen“. Geboren wurde der türkischstämmige Politiker allerdings in Bad Urach, Landkreis Reutlingen, Baden-Württemberg.]
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin