Baerbock will zur UN: Traumjob mit Geschmäckle
Grünen-Politikerin und noch Außenministerin Annalena Baerbock zieht es für einen UN-Posten nach New York. Harsche Kritik kommt vor allem von Männern.

Pikant an der Nominierung: Eigentlich war eine andere Frau für den Posten vorgesehen – die Topdiplomatin Helga Schmid, eine 64-Jährige mit beeindruckendem Lebenslauf. Sie hat die Atomvereinbarung mit dem Iran maßgeblich verhandelt, war Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes und zuletzt an der Spitze der OSZE. Im Juli 2024 wurde sie von der Bundesregierung für das Amt nominiert, das nun Baerbock bekommen soll.
Diese hatte erst vor Kurzem bekannt gegeben, auf ein Spitzenamt bei den Grünen zu verzichten, und somit den Weg für Katharina Dröge und Britta Haßelmann als alte und neue Fraktionsspitze freigemacht. Ihre Begründung damals: Mehr Zeit für die Familie.
Jetzt aber soll es also nach New York gehen. Im Mai will Baerbock ihr Programm vorstellen, im Juni folgt die Wahl. Im September ist Dienstantritt. Als Präsidentin der Generalversammlung hat sie das zweitwichtigste Amt bei den Vereinten Nationen inne – nach dem UN-Generalsekretär. Dieser Posten wird von António Guterres besetzt.
Ex-Top-Diplomat kritisiert eher undiplomatisch
Baerbocks Job wird es sein, Sitzungen der Generalversammlung zu leiten. Sie muss im Vorfeld Mehrheiten organisieren, um Entscheidungen sichtbar zu machen. Das Votum ist zwar nicht bindend, aber doch eine Art globaler Seismograf, der zeigt, wie die Stimmung gegenüber Kriegs- und Krisenlagen ist. Bestes Beispiel ist die Haltung zur Ukraine oder im Nahostkonflikt.
Baerbock wäre die erste Frau, die nach ihrem Amt als Außenministerin in diesen UN-Topjob wechselt. Überhaupt waren erst fünf Frauen Präsidentin der Generalversammlung. Und es ist ein gewaltiges politisches Zeichen aus Europa pro multilateraler Weltordnung. Hoffnung scheint es auch zu geben, dass sich mit dieser Kandidatin die Chancen Deutschlands auf einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat verbessern.
Kritik an der Nominierung kam prompt. Und zwar von einem illustren, aber ernstzunehmenden Boys Club. Für den ehemaligen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, ist die Nominierung eine „Unverschämtheit“ und Baerbock gar ein „Auslaufmodell“, wie er im Tagesspiegel schimpfte. Auch Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sähe lieber Schmid als Baerbock auf dem Topposten. Erstere soll nun einen Interimsposten in der Leitung der Münchner Sicherheitskonferenz füllen.
Nach einem Jahr ist für Baerbock der Spaß in New York dann wieder vorbei. Und die Grünen-Politikerin wohl erneut auf Jobsuche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leistungsloses Einkommen
Warum Erben lieber über „Neid“ reden als über Gerechtigkeit
Israels Krieg im Gazastreifen
Hunderte Tote nach zwei Tagen israelischen Bombardements
Baerbock bei der UN-Vollversammlung
Forsch, aber nicht unfeministisch
CDU-Politikerin mit Faktenschwäche
Taugt Populistin Klöckner zur Präsidentin des Bundestags?
Baerbock will zur UN
Traumjob mit Geschmäckle
Schauspielerin Rachel Zegler
Rassismus gegen Schneewittchen