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BSW in Sachsen und ThüringenWagenknecht grätscht Landesverbänden rein

BSW-Chefin Wagenknecht mischt sich in die Regierungsgespräche im Osten ein. Koalitionen gibt es wohl nur, wenn sich ihre Landesverbände emanzipieren.

Foto: Michael Reichel/dpa

Dresden taz | Am Freitag demonstrierten die wahrscheinlichen Thüringer Koalitionspartner bei der Vorstellung ihres Sondierungspapiers noch Eintracht. Übers Wochenende wich diese bei CDU, BSW und SPD dann der Ernüchterung. Zwar stimmten die Landesvorstände von Union und SPD dem Grundlagenpapier für Koalitionsverhandlungen zu. Bei der Vorstandssitzung des nach ihr benannten BSW war aber Sahra Wagenknecht aus Berlin zumindest zugeschaltet – und zeigte, wer die Chefin ist.

Die bloße Absichtserklärung, Friedensfragen in Europa in der Präambel eines Koalitionsvertrages zu erwähnen, genügt ihr nicht. Dem Spiegel sagte sie, eine Passage gegen die Stationierung neuer US-Raketen und gegen weitere Waffenhilfe für die Ukraine müsse ins Papier. Außerdem fordert Wagenknecht, die Thüringer CDU solle sich von Bundesparteichef Friedrich Merz und seiner jüngsten „entsetzlichen Rede“ gegen den Aggressor Russland distanzieren.

Die so in Verlegenheit gebrachte Thüringer BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf zog sich geschickt aus der Affäre. Es ginge nicht ohne Kompromisse, bei denen „alle in eine saure Zitrone beißen müssen“, sagte sie bei Zeit Online. Eine komplette Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine könne man CDU und SPD nicht abverlangen. „Es gibt in Thüringen keine Alternative zu einer stabilen Landesregierung“, so Wolf weiter. „Frau Wagenknecht weiß, wie ich ticke“.

Der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Mario Voigt, der Ministerpräsident werden möchte, zeigte sich demonstrativ gelassen und verwies auf die ohnehin fällige Einigung auf eine Präambel im Koalitionsvertrag. Giftiger äußerte sich SPD-Landeschef und Noch-Innenminister Georg Maier: „Mir ist es wichtig, dass getroffene Absprachen nicht durch Berliner Parteitaktik in Frage gestellt werden.“ Beide stimmen aber Nachverhandlungen zu.

Weit schärfer ging am Montag der noch amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow mit seiner ehemaligen Genossin ins Gericht. „Die Zarin und der Saarländer haben den kommunistischen Kadavergehorsam tief verinnerlicht“, spielte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland auf Wagenknecht und ihren Ehemann Oskar Lafontaine an. Und erinnerte indirekt an den Saarländer Erich Honecker, der als DDR-Staatschef auch nur die Befehle aus Moskau exekutiert habe.

Ähnliche Vergleiche kursieren auch in Sachsen unter BSW-Gegnern und Journalisten, die in ihrer Schulzeit noch Lenins Schrift „Was tun?“ studieren mussten. Darin umreißt der russische Revolutionsführer das Modell der „Partei neuen Typus“, einer zentralistisch geführten Kaderpartei. Davor warnt ein offener Brief älterer sächsischer CDU-Amtsträger und bringt offene Gespräche mit der AfD ins Spiel.

„Mit einer vergleichenden Analyse, aus der hervorgeht, was die AfD so viel gefährlicher macht als das BSW, ist die CDU bisher nicht hervorgetreten“, heißt es darin. Unterzeichnet haben unter anderen der frühere CDU-Generalsekretär und Landwirtschaftsminister Frank Kupfer, der frühere Minister und Landtagspräsident Matthias Rößler und der ehemalige Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz.

Ein Affront gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer und die bislang ausschließlich mit dem BSW und der SPD verhandelnden Parteispitzen. „Wenn mit der AfD, dann nicht mit mir“, stellte Kretschmer nochmals klar. Die bislang nicht eingebundenen Abgeordneten und die Parteibasis stimmen ihm darin überwiegend zu.

In Sachsen beginnen erst am Dienstag die Sondierungsgespräche. Aber auch hier funkt Wagenknecht hinein. Sie fordert ein Amnestiegesetz für Bußgelder, die wegen Verstößen gegen Coronaschutzmaßnahmen verhängt wurden. Einen entsprechenden Untersuchungsausschuss kann die AfD am kommenden Freitag allein durchsetzen.

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12 Kommentare

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  • Frau Wagenknecht will etwas verändern, ob einem das gefällt der nicht. Sie will nicht zwingend mitspielen. Ohne ihre Haltung zum Ukrainekonflikt wäre sie in keinem Parlament über 5%.

  • Hat jemand etwas anderes von SW erwartet? Frau Wolfs Zuversicht in Ehren, doch die Worte Bodo Ramelows werden sich sicherlich bewahrheiten.

  • Bündniss Sarah+Vladimir...schrieb ein Forist in zeit online. Wi recht der hat !

  • Die Neuwahlen so vorbereiten, dass v.a. ADis, aber auch BSW ihre Geierfedern lassen müssen.



    Die CDU sollte ansonsten langsam verstanden haben, was für ein Nonsens der Linken-Ausschluss im Osten ist.

  • Na da tanzt der Landesverband nach dem Pfeifchen der Nationalkommunistin nach Putins Lied. Stalin lässt grüßen…

  • Unter den Vorzeichen ist eine Koalition mit dem BSW unmöglich. Die Landesverbände erinnert mich an die SED. Eine Partei von Gnaden des Zentralkomitee aus Moskau, ähm Sandra Wagenknecht.

  • Macht das Sinn, in einer Landesregierung? Kann man ja dann bei jeder Gemeinderatsbeteiligung zukünftig auch verlangen bevor man dem Bau eines neuen Radwegs zustimmt usw.



    Es geht um das symbolische Setzen von Zeichen. Souveränität sieht irgendwie anders aus.

  • "Bei der Vorstandssitzung des nach ihr benannten BSW war aber Sahra Wagenknecht aus Berlin zumindest zugeschaltet – und zeigte, wer die Chefin ist."



    Falls noch Unklarheiten bestanden haben sollten, inwieweit Unabhängigkeit oder Demokratie innerhalb der BSW eine Rolle spielen.

    "...ein offener Brief älterer sächsischer CDU-Amtsträger und bringt offene Gespräche mit der AfD ins Spiel.



    „Mit einer vergleichenden Analyse, aus der hervorgeht, was die AfD so viel gefährlicher macht als das BSW, ist die CDU bisher nicht hervorgetreten“, heißt es darin.""



    Man könnte darauf verweisen, dass von der linken Diktatur auf deutschem Boden im Gegensatz zur Rechten kein Krieg und Völkermord gestartet wurde.



    Aber das ist vermutlich nur Nitpicking.



    So hat halt jeder seine Vorlieben.

  • Warum heißt die Partei wohl BSW?



    Sie gibt die große Linie der Partei vor, auch um in Zukunft glaubwürdig zu sein.



    Die BSW tut gut daran, ihre Grundforderungen nicht preiszugeben. Parteien ohne Rückgrat haben wir genug.

  • Teufel oder Beelzebub - das ist hier die Frage. So wie das schon längst vor den Wahlen zu ahnen war, so entwickelt sich das jetzt in den CDU-Landesverbänden: Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist durchaus in Reichweite. Und die Faschos werden nicht so arrogant-abgehoben auftreten -jedenfalls nicht in dieser Phase- wie die Kommandantin der anderen Extrem-Vereinigung.

  • Die Katja soll das jetzt mal durchziehen und in Thüringen mitregieren. Und der Oskar soll mal loslassen und Rosen oder Bienen züchten.

    Wenn Katja Wolf sich hier durchsetzt, dann kann das mit dem BSW gelingen. Dann wäre es das Ende des Anfangs. Wenn sie sich nicht durchsetzt, dann wäre es der Anfang vom Ende.

  • Sarah lässt die Puppen tanzen…mal sehen wie lange sich das erwachsene Menschen gefallen lassen, die die Partei als mehr ansehen als einen Egotrip Wagenknechts, denen es zumindest auch ums Allgemeinwohl geht.