Aus für Novak Đoković in Australien: Die Strategie der Aussies
Tennisprofi Novak Đoković wollte etwas erzwingen, was nicht zu erzwingen war. Jedenfalls nicht unter den australischen Bedingungen von No Covid.
D er Fall Đoković geht über das Individuelle hinaus, den Tennisstar mit seinen Eso-Macken und das merkwürdig anmutende Umfeld. Schauen wir uns also Australien an. Down Under hat in dieser Coronakrise wegen seiner Insellage versucht, das Virus auszusperren. Die Maßgabe der Regierung: No Covid.
Selbst bei kleinsten Ausbrüchen reagierten die Behörden rigoros. Sie versuchten, die Infektionen rasch und mit aller Konsequenz zu unterbrechen. Dazu gehörte irgendwann, nur Menschen mit komplettem Impfschutz ins Land zu lassen. Die australische No-Covid-Strategie aber darf seit wenigstens zwei Wochen als gescheitert gelten.
Dies korrespondiert mit dem Aufploppen der Causa Nowaxx, wie der serbische Profi bisweilen ob seiner Weigerung, sich gegen Corona impfen zu lassen, genannt wird. Omikron hat Australien gerade für sich entdeckt, es wildert unter den Aussies, schert sich einen Dreck um die Kontrollillusion von Ministerpräsident Scott Morrison. Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei fast 3.000, von den knapp 26 Millionen Einwohnern sind zwar 77,6 Prozent vollständig geimpft.
Aber da Omikron mit ungefähr 90 Prozent Verbreitung nun die dominierende Variante ist, hilft das zumindest bei den nur doppelt Geimpften nicht so viel, denn wie Daten aus England, Deutschland oder Dänemark zeigen, sind die – um es vorsichtig auszudrücken – nicht gerade ideal gegen eine Omikron-Infektion geschützt (gleichwohl gegen schwere Verläufe; und bei Geboosterten sieht es auch deutlich besser aus).
Hämische Kommentare
Es verwundert angesichts dieses dräuenden politischen Scheiterns nicht, dass Đoković nun auch mit der Begründung des Landes verwiesen wird, der Entzug seines Visums liege „im öffentlichen Interesse“. Die konservative Regierung wird irgendwann erklären müssen, warum sich eine No-Covid-Strategie trotz größten Drucks nicht realisieren ließ.
Bis dato kann sich die Öffentlichkeit des Landes aber noch am serbischen Tennisspieler abarbeiten, seinen Abgang nicht selten hämisch und herablassend kommentieren. Đoković hat diese Einschätzungen befeuert, nicht zuletzt mit dem Verdacht, er könnte seinen Positivtest vom Dezember 2021 erschummelt haben. Letztlich wollte der Serbe etwas erzwingen, was nicht zu erzwingen war.
Der Common Sense, wonach ein gesunder, mindestens einmal – im Frühjahr 2020 – genesener und obendrein ständig getesteter Athlet nicht ins Land der Australian Open einreisen kann, gilt nicht mehr unter den Bedingungen von No Covid, was die Frage provoziert: Worum geht es der australischen Regierung wirklich: Um Gesundheitsschutz, den Novak Đoković zweifelsohne garantieren kann – oder um etwas anderes?
Schutzzweck oder die Befolgung einer Norm?
Geht es um Erfüllung des Schutzzweckes der Norm oder nur um die Befolgung der Norm an sich? Letzteres ist wahrscheinlicher, denn die Vehemenz, mit der ungeimpfte Sportler angegangen und gemaßregelt werden, ist atemberaubend. Ob es nun um Joshua Kimmich geht, US-Basketballer Kyrie Irving, Handballer Juri Knorr oder andere Athleten, die auf ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie auf Risikoabwägung pochen, stets sehen wir das gleiche Muster.
Es ist richtig: Novak Đoković hat Einreisegesetze gebrochen. Aber den zumindest fragwürdigen No-Covid-Regularien der Australier steht seine Fundamentaloption gegenüber, die ihn als Handlungsreisenden per se zum Regelbrecher macht, weil er offensichtlich in den Kategorien des Jahres 2019 denkt. Der Serbe hätte natürlich zu Hause bleiben können. Oder ganz mit dem Tennisspielen aufhören. Wollen wir das?
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