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Aus für Novak Đoković in AustralienDie Strategie der Aussies

Kommentar von Markus Völker

Tennisprofi Novak Đoković wollte etwas erzwingen, was nicht zu erzwingen war. Jedenfalls nicht unter den australischen Bedingungen von No Covid.

Muss die Koffer packen: Novak Đoković wurde das Visum entzogen Foto: Nic Bothma/dpa

D er Fall Đoković geht über das Individuelle hinaus, den Tennisstar mit seinen Eso-Macken und das merkwürdig anmutende Umfeld. Schauen wir uns also Australien an. Down Under hat in dieser Coronakrise wegen seiner Insellage versucht, das Virus auszusperren. Die Maßgabe der Regierung: No Covid.

Selbst bei kleinsten Ausbrüchen reagierten die Behörden rigoros. Sie versuchten, die Infektionen rasch und mit aller Konsequenz zu unterbrechen. Dazu gehörte irgendwann, nur Menschen mit komplettem Impfschutz ins Land zu lassen. Die australische No-Covid-Strategie aber darf seit wenigstens zwei Wochen als gescheitert gelten.

Dies korrespondiert mit dem Aufploppen der Causa Nowaxx, wie der serbische Profi bisweilen ob seiner Weigerung, sich gegen Corona impfen zu lassen, genannt wird. Omikron hat Australien gerade für sich entdeckt, es wildert unter den Aussies, schert sich einen Dreck um die Kon­trollillusion von Ministerpräsident Scott Morrison. Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei fast 3.000, von den knapp 26 Millionen Einwohnern sind zwar 77,6 Prozent vollständig geimpft.

Aber da Omikron mit ungefähr 90 Prozent Verbreitung nun die dominierende Variante ist, hilft das zumindest bei den nur doppelt Geimpften nicht so viel, denn wie Daten aus England, Deutschland oder Dänemark zeigen, sind die – um es vorsichtig auszudrücken – nicht gerade ideal gegen eine Omikron-Infektion geschützt (gleichwohl gegen schwere Verläufe; und bei Geboosterten sieht es auch deutlich besser aus).

Hämische Kommentare

Es verwundert angesichts dieses dräuenden politischen Scheiterns nicht, dass Đoković nun auch mit der Begründung des Landes verwiesen wird, der Entzug seines Visums liege „im öffentlichen Interesse“. Die konservative Regierung wird irgendwann erklären müssen, warum sich eine No-Covid-Strategie trotz größten Drucks nicht realisieren ließ.

Bis dato kann sich die Öffentlichkeit des Landes aber noch am serbischen Tennisspieler abarbeiten, seinen Abgang nicht selten hämisch und herablassend kommentieren. Đoković hat diese Einschätzungen befeuert, nicht zuletzt mit dem Verdacht, er könnte seinen Positivtest vom Dezember 2021 erschummelt haben. Letztlich wollte der Serbe etwas erzwingen, was nicht zu erzwingen war.

Der Common Sense, wonach ein gesunder, mindestens einmal – im Frühjahr 2020 – genesener und obendrein ständig getesteter Athlet nicht ins Land der Australian Open einreisen kann, gilt nicht mehr unter den Bedingungen von No Covid, was die Frage provoziert: Worum geht es der australischen Regierung wirklich: Um Gesundheitsschutz, den Novak Đoković zweifelsohne garantieren kann – oder um etwas anderes?

Schutzzweck oder die Befolgung einer Norm?

Geht es um Erfüllung des Schutzzweckes der Norm oder nur um die Befolgung der Norm an sich? Letzteres ist wahrscheinlicher, denn die Vehemenz, mit der ungeimpfte Sportler angegangen und gemaßregelt werden, ist atemberaubend. Ob es nun um Joshua Kimmich geht, US-Basketballer Kyrie Irving, Handballer Juri Knorr oder andere Athleten, die auf ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie auf Risikoabwägung pochen, stets sehen wir das gleiche Muster.

Es ist richtig: Novak Đoković hat Einreisegesetze gebrochen. Aber den zumindest fragwürdigen No-Covid-Regularien der Australier steht seine Fundamentaloption gegenüber, die ihn als Handlungsreisenden per se zum Regelbrecher macht, weil er offensichtlich in den Kategorien des Jahres 2019 denkt. Der Serbe hätte natürlich zu Hause bleiben können. Oder ganz mit dem Tennisspielen aufhören. Wollen wir das?

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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21 Kommentare

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  • Die Australier reagieren auf zwei Dinge allergisch:



    Line-Jumping, wie ihre Britsche ,,Mutternation"

    Und -im Gegensatz zu dieser und um Meilen mehr-, 'Tall-Poppies' :

    ,,Du kannst so viel mehr Geld haben wie Andere oder in einem Bereich besonders herausragen; aber deswegen bist du nicht mehr oder weniger wichtig/wert als alle Anderen auch."

    Und Djokovic ist da leider ein Paradebeispiel für eine 'Tall-Poppy"...

  • Novak Đoković ist ein aufgeblähter Egomane. Und die Impfgegner:innen haben ihn nun zu ihrem Gott deklariert. Hier die australische Corona-Politik zu kritisieren, ist absurd. Warum sollten für einen Tennisspieler andere Regeln gelten?

  • Joshua Kimmich und Novak Đoković haben ja immerhin unter Beweis gestellt, dass sie, wenn schon ncht geimpft, auf andere Weise auf infektionsfördernde Situationen verzichtet haben. Bei Đoković liegt sogar der doppelte Beweis infektionsfördenden Verhaltens vor, mit seinen öffentlichen Auftritt nach Positivtest sogar dreifach. Nachdem er das erst mal aus dem Abschiebeknast bzw. Quarantänehotel entlassen worden war, hatte er sich auch nicht in stille Klausur auf dem Tennisplatz begeben.

  • Leider nehmen die Impfgegner ihn als Vorzeige"vorbild", dabei hat er nie gesagt, dass er sich nicht impfen lassen will. Den Genesenen-Status nehme ich ihm allerdings auch nicht ab, denn er hat das "angebliche" (auch da ist nicht geklärt, ob das gültig ist) Attest vom 16.12.21, er wäre infiziert gewesen, erst einen Monat später vorgelegt.

    Es gab zu viele Ungereimtheiten, zu viele Versuche, sich mit allen Mitteln doch noch Zugang zu verschaffen, um das Turnier antreten zu können.

    Das hat nicht nur seinem Image geschadet, sondern auch gezeigt, dass Australien sich nicht strikt genug an seine eigenen Einreisebeschränkungen hielt. Die waren lange bekannt und trotzdem versuchte Herr Djokovic das zu umgehen.

    Schlussendlich ist die Entscheidung richtig.

  • Kommt mir nicht mit "Er ist doch gesund".



    Er hat mehrfach gegen die Einreisebedingungen verstoßen, dies alleine reicht für eine Abweisung. Australien hat das Recht auf die Einhaltung ihrer Regeln zu bestehen.

  • No-Covid wurde in Australien doch schon längst aufgegeben.

  • "Worum geht es der australischen Regierung wirklich: Um Gesundheitsschutz, den Novak Đoković zweifelsohne garantieren kann – oder um etwas anderes?"

    Das Wörtchen zweifelsohne entwertet den ganzen Kommentar. Der Autor vermisst die Dimension des Falles vollkommen falsch, wenn er sich – an der berechtigten Kritik – an Australiens Rechtsstaatspolitik abarbeitet. Er darf dabei aber mit keinem Deut die Person Djokovic verharmlosen. Das ist unzulässige Pädagogisierei. Denn der Fall Novazz ist dazu geeignet, einen weltweiten Märtyrer für Impfgegner zu schaffen und die Impfkampagnen insgesamt zu beschädigen. Man muss so fair sein und der australsichen Regierung konstatieren, dass sie hier genau am richtigen Punkt angesetzt hat.

    Je mehr Länder dem Tennisspieler jetzt von Ländern, in denen er spielen will, die rote Karte gezeigt wird, um so mehr kann aus ihm ein Symbol für die Konsequenzem aus egoistischem Verhalten werden. Das ist - vielleicht - das einzig Positive an diesem Fall.

    Über die Migrationspolitik Australiens, über den Polizeistaat, den die konservativen Regierungen dort geschaffen hat, berichtet man besser losgelöst von den sportpolitischen Ereignissen und vermengt nicht unzulässig. Sonst kommt Relativierung dabei heraus.

    • @rakader:

      Der Begriff „Sportpolitisch“ ist doch schon bereits eine schnöde Vermengung ihrerseits...

  • Ja, viele wollen das. Nicht zuletzt, weil sie es Leid sind, dass Regeln definiert werden, sie sich daran halten und eine oft lautstarke, vorrangig egoistische Minderheit mit jeglichen Regelbrüchen durchkommt und am Ende ihre Sicht- und Handlungsweise weise für sich durchsetzt.



    Da ist es inzwischen egal, ob es sich um angemessene oder unangemessene Regeln, Steuerpflicht oder Abfalltrennung handelt.

  • "Geht es um Erfüllung des Schutzzweckes der Norm oder nur um die Befolgung der Norm an sich?"

    Es geht darum, dass für einen Tennisstar die gleichen Regeln gelten, wie für jeden anderen Mensch auch ganz einfach! Wie will ich das denn der eigenen Bevölkerung erklären, die sich an die Regeln hält?

    • @PartyChampignons:

      Ich würde damit anfangen, diese Regeln auch auf Staatsgäste mit Diplomatenstatus anzuwenden. Denn diese sind, welch Überraschung, davon ausgenommen. Boris Johnson lässt von der Party aus grüßen.

  • Natürlich gab es ein öffentliches Interesse in der australischen Bevölkerung, Verstöße gegen die Coronaregeln nicht zuzulassen und gleiches Recht für alle einzufordern. Wegen konsequentem Handeln ist der australischen Regierung kein Vorwurf zu machen, zumal die serbische Öffentlichkeit das Problem selber zu einer nationalistischen Staatsaffaire hochstilisiert hatte. Militaristische Chetnik- Mützen bei den Fans zeugen von einem krankhaften serbischen Nationalismus, der mit Sport nun eh nicht viel zu tun.

  • In Orwells "Animal Farm" heißt es "Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen." Ist offenbar immer noch aktuell...

    Und meine Antwort auf die Frage "Der Serbe hätte natürlich zu Hause bleiben können. Oder ganz mit dem Tennisspielen aufhören. Wollen wir das?" lautet: mir ist es völlig schnurz, ob der Typ spielt oder nicht. Die Welt wird sich auch weiterdrehen, wenn er aufhört.

  • die aussies haben keine ...

    lex dokovic zugelassen.



    punkt.

  • Sorry, man kann ja von No Covid halten was man will. Die Probleme sind eigentlich offensichtlich. Und ja, "die Öffentlichkeit" stürtzt sich momentan mit Vergügen auf (vermeintlich) moralische Fehlleistungen.

    Aber. Djokovic ist nicht nur nicht geimpft. Er hat im -Gegensatz zu einem Kimmich- zusätzlich sein Testergebnis manipuliert, Dokumente gefälscht, den Staat getäuscht, Einreisebestimmungen umgangen und sich öffentlich zum Opfer stilisiert. Und das auf ziemlich dilettantische Weise.

    Wie soll es denn irgendwem zu vermitteln sein, sich an Beschränkungen zu halten, sollte er damit durchzukommen? Und der Verweis auf seinen Genesenstatus, der rund ein Jahr alt ist, ist -beim besten Willen- nirgendwo auf der Welt "common sense"

  • Er kann sich impfen lassen oder hätte das schon lange tun können. Will er das nicht, wird er in vielen Ländern der Erde künftih nicht mehr spielen. So einfach ist das.

  • "Es ist richtig: Novak Đoković hat Einreisegesetze gebrochen. "

    das ist der Punkt. Soll die Regierung die eigenen Gesetze missachten? Das geht nicht. Das die Gesetze möglicherweise nicht mehr der Situation entsprechend angepasst sind ist etwas ganz anderes. Gesetze können ja auch geändert werden. Aber so lange ein Gesetz rechtskräftig ist es folgerichtig, das die Gesetze angewandt werden.



    Das muß man gar nicht werten, so funktionieren die meisten Gesellschaften.



    Verwunderlich ist nur, dass es Menschen gibt, die glauben für bestimmte Personen gelten andere Regeln, das gilt für den Tennisspieler und einige Kommentatoren udn Quatschdenker sowieso.

    • @nutzer:

      Dem kann ich mich nur anschließen!

  • Zu Djokovics Verhalten und dem seiner Entourage ist nur zu sagen: Wo Dummheit blüht, hat Nachsicht keinen Sinn.