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Debatte um OstidentitätHaste was, biste was

Gastkommentar von Michael Hametner

Zur Identität Ostdeutscher gehört, weitgehend besitzlos zu sein. Eine Ergänzung zum Essay über Ostidentität von taz-Redakteurin Simone Schmollack.

In der Erfahrung, Besitzloser zu sein, steckt ein großes Stück Ostidentität Foto: Wolfram Weber/imago

D ie taz-Redakteurin Simone Schmollack hat in der wochentaz vom 10. August über Ostidentität nachgedacht und dabei zwei Feststellungen getroffen: Herkunft und Sozialisierung im Osten können auf Dauer nicht alleiniges Merkmal für eine Ostidentität sein, sondern Identitäten bestehen aus vielen Bausteinen. Wo sie als Ostidentität von Ostdeutschen auf Grund verschiedener Lebenserfahrungen – meist auch schmerzlichen – gelebt wird, ist sie sicher nicht so leicht abzustreifen. Ich stimme ihr zu, möchte aber gern einen Gedanken hinzufügen.

Ich folge dem nachdenklichen Ton der Autorin lieber als dem schneidigen von Ilko-Sascha Kowalczuk, der jetzt wieder stärker zu vernehmen ist, seit sein neues Buch auf dem Markt ist. Betroffen machte mich eine Einlassung, die er nach dem AfD-Wahlsieg in Sonneberg im Juli 2023 hier in der taz geäußert hat: „Aber auch hier wird so getan, als wenn AfD-Wähler arme, verirrte Bürger sind. Aber das stimmt nicht: Wer Nazis wählt, ist ein Nazi.“ Ich bin mir nicht sicher, ob diese Denunzierung etwas nutzt, wenn wir am kommenden Sonntagabend die Wahlergebnisse der AfD analysieren. Stimmt sein Nazivergleich, könnte man nur noch aus Deutschland auswandern.

Ich bin die Debatte über ostdeutsche Identität und Störungen der deutschen Einheit seit 1990 mit wachsendem Abstand zur Wende ohnehin leid. Auch weil Dirk Oschmann in seinem Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ dazu viel Richtiges gesagt hat. Kowalczuk kommt den Lesern in seinem neuen Buch mit einem neuen Deutungsschlüssel: Der Freiheitsschock, den die Ostdeutschen in der Wendezeit erlitten hätten, habe dazu geführt, dass sie sich in der Rolle der Opfer eingerichtet hätten. Sie seien transforma­tionsmüde, blickten zurück und da stünde die AfD mit offenen Armen. Das bringt mich auf die Frage: War denn die Anerkennung der Ostdeutschen, die sich mit der friedlichen Revolution ihre Freiheit erkämpft haben, nur Gerede? Mit dem Ziel, dass sich die westdeutsche Elite bei ihrem Sprung in den Osten auch diesen Sieg aneignen kann?

Der Osten gehört dem Westen

Die Ostidentität ist keine Erscheinung, die demnächst abzustreifen ist. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass an dem Tag im fernen Jahr 2029, an dem die Bundesrepublik in Halle an der Saale ihr Zukunftszentrum Deutsche Einheit eröffnet, die Ostidentität ins Museum kommt. Nein, Ost­identität wächst nach, zumindest so lange, wie die soziale Frage falsch oder nicht beantwortet ist. Sie ist nämlich kein Ausdruck einer Opferrolle, sondern Realität. Und die Realität heißt: Der Osten gehört dem Westen, im Sinne von: Er ist sein Eigentum. Es gibt keine Region in Westeuropa, wo den Menschen, die dort wohnen, so wenig Grund und Boden und Immobilien gehören wie in Ostdeutschland. Die Erfahrung, im eigenen Haus nur Mieter zu sein, lässt die, denen aus welchen Gründen auch immer eine Kündigung droht, immerhin Schutz im Mieterverein zu suchen. Der Mieterverein als eine Art Schutz ist in meinem metaphorischen Denken Teil der Ostidentität.

Solange die Nicht-Reichen im Osten unter sich bleiben, trägt die Ostidentität resiliente Züge

Dazu folgende kleine Geschichte. Ein Mann, ein Westdeutscher, sympathisch, sozial, Kulturmäzen, aber auch ein wenig einäugig, denn er übersieht bis heute etwas Entscheidendes: Eigentumsverhältnisse. 1990 besuchte ein Mann aus Westdeutschland das sächsische Chemnitz – und verliebte sich bei seinen Streifzügen durch die Stadt in eine der schönsten Villen dort. Dazu muss man wissen, dass in den 1920er Jahren in Chemnitz große Architekten gewirkt haben. Chemnitz, Deutschlands Stadt mit dem größten Bruttosozialprodukt in der Zwischenkriegszeit, konnte sich damals die besten Architekten leisten. Jedenfalls sah der Mann eine Villa und erkundigte sich, wie sie zu erwerben sei.

Aber da gab es schon jemanden­ mit einem ebenso heftigen Kaufwunsch. Der war nicht nur der Altmieter, sondern auch ein alter Mieter. Er hatte sich auf die Möglichkeit, das Haus zu kaufen, eingestellt und etwas Geld zur Seite gelegt, zehn- oder zwanzigtausend Mark. Ostmark. Damit war im Sommer 1990, kurz vor der Währungsunion, kein Haus mehr zu kaufen. Also war der Altmieter raus aus dem Spiel, das für ihn keines war. Gekauft hatte der Haus der Westdeutsche, der viel mehr und in D-Mark zahlen konnte.

Besitzlos zu sein, gehört zur Ostidentität

Als 1990 und in den nächsten Jahren nach dem Gesetz Rückgabe vor Entschädigung gehandelt wurde und die Treuhand Tausende Klein-, Mittel- und Großbetriebe zum Verkauf ausschrieb, reichte bei Ostdeutschen das Geld zum Kauf nicht. Zwar war der Umtausch von Ostmark in Westmark mit 2:1 durchaus fair, aber das Geld war vierzig Jahre lang woandershin gewandert. So kam es – sicher nicht einmal mit Vorsatz –, dass der Osten bald komplett dem Westen gehörte. Und irgendwann reimte sich Miete auf Profite.

In der Erfahrung, Besitzloser zu sein, steckt ein großes Stück Ostidentität. Sie klebte nicht nur hartnäckig an den Fersen der Wendegeneration, sondern hängte sich auch an ihre Kinder und vermutlich demnächst an ihre Enkel.

In derselben Ausgabe der taz, in der Simone Schmollack über die Ostidentität schrieb, las ich einen Artikel einer Theaterfrau über ihre Erfahrungen in der sächsischen Provinz. Immer öfter erlebt sie, wovor ich mich auch fürchte: dass die AfD ihre neuen Mehrheiten in den Kommunen dazu nutzt, die Förderung von Kulturprojekten, die ihr nicht passen, runterzufahren oder zu stoppen. Sie wünscht sich „eine Umverteilung von westdeutschem Kapital aus Erbschaften, um für Zukünfte einzustehen und progressive Kräfte zu unterstützen“.

Ich bekenne meine Sympathie für die Worte der Theatermacherin Anna Stiede, die diesen Wunsch formuliert hat. Ich glaube aber auch, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ihren Worten folgt. Es gibt nur eine Marlene Engelhorn, jene Millionenerbin, die ihr Geld verschenken will. Solange die Nicht-Reichen im Osten unter sich bleiben, trägt die Ostidentität resiliente Züge.

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33 Kommentare

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  • "1990 besuchte ein Mann aus Westdeutschland das sächsische Chemnitz – und verliebte sich bei seinen Streifzügen durch die Stadt in eine der schönsten Villen dort. Dazu muss man wissen, dass in den 1920er Jahren in Chemnitz große Architekten gewirkt haben."

    Ich weiß nicht, in welchem Zustand die (gleichnishaft?) genannte 1920er Villa war, aber ich kann mich noch gut erinnern, in welch bedauernswertem Zustand sich damals manch andere "Villa" (warum sagt man nicht einfach "Wohnhaus"?) befand, gerade in Chemnitz. Und ich kann mich auch noch sehr gut erinnern, wie manch altes, prächtiges Stadthaus vor sich hingammelte, eingeschlagene Fenster, defekte Dächer, Regen und Schnee schutzlos ausgeliefert; ganze Straßenzüge faktisch dem Verfall preisgegeben.

    Der neue Eigentümer musste also erst mal kräftig investieren, und daß dafür vor Ort kein Geld vorhanden war (sonst hätte man die Sanierungen ja schon vor der Wende erledigen können) kann man nicht dem Wessi anlasten.

    Aber vielleicht hätte man in den Anfangsjahren die Ausschreibungen der erforderlichen Bauarbeiten zwingend auf Ostfirmen beschränken sollen, um das Kapitel vor Ort zu binden und rasch eine solide Firmenstruktur zu schaffen.

    • @Josef 123:

      "Kapital", nicht "Kapitel".

  • Es ist schon ein Trauerspiel, dass der Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann darüber aufklären muss, dass in Städten wie Leipzig, Dresden oder Potsdam das kulturelle Kapital schöner Villen und Häuse zu fast 100 Prozent in den Besitz Westdeutscher gelangte.



    Gleich nach der Wende begannen westliche Großbanken mit nützlichen Idioten aus dem Osten Villen aufzukaufen, die dann in Steuersparmodellen an Zahnärzte und sonstige Steuervermeider aus dem Westen verkauft wurden.



    Kredite für Ostdeutsche Fehlanzeige, sie hatten ja kaum Kapital.

    Das Gleiche bei der Treuhand. Netzwerke von Westlern verkauften den Staatsbesitz im Osten, an dem sich Konzerne aus dem Westen gesundstießen, indem sie z. B. Konkurrenz aufkauften. Folge: Massenarbeitslosigkeit.

    Oschmann hat Recht: der Osten bezahlte die eigentliche Niederlage im 2. Weltkrieg, während der Westen von den USA als wirtschaftlicher Absatzmarktökonomisch aufgepeppelt wurde und nach der Wende im Osten nochmals abkassierte, indem Häuser günstig erworben wurden, die jetzt Mieten haben, die den Mietenspiegel sprengen, der Überaschung ! nicht wirkt ist.



    Dass die AFD von der Ausplünderung der Ostdeutschen profitiert, ist bittere Ironie.

  • Ich muss sagen, sich mir bei so ziemlich allem, was in dem Artikel steht, die Fußnägel hochrollen.

    - Thema Eigentumsverhältnisse: Die Art der Wiedervereinigung wurde von den Ostdeutschen 1990 gewählt und 1994 wiedergewählt! Mit großer Mehrheit. Kohls Politik ist das, was die Ostdeutschen mehrheitlich wollten. Und sie haben es bekommen. Dass die "gefühlte Eigentumsquote" nicht der realen entspricht, hat der User Hugo je schon belegt.

    - Thema Treuhand / wirtschaftliche Entwicklung: Es wird nie thematisiert, dass die Ostdeutschen in den Jahren nach der Einheit schlicht aufhörten, ostdeutsche Produkte zu kaufen. Ich hab das selbst im Sommer 90 erlebt, das (schlechte) Dosenbier aus dem Westen war ausverkauft, das Flaschenbier aus Osten war ein Ladenhüter.

    "Sie wünscht sich „eine Umverteilung von westdeutschem Kapital aus Erbschaften, um für Zukünfte einzustehen und progressive Kräfte zu unterstützen“.

    Wie wärs damit: Die Ostdeutschen kommen einfach mal alleine klar. Arsch huh , Zäng ussenander, wie BAP so schön sang.

    • @Kaboom:

      Nach ner Woche Urlaub graust es mich schon vorm Montag (ich--> Thüringer) im Büro, am Dienstag hab ich zum Glück Außendienst.



      Könnte ja die mittlerweile französische Chefetage mal anmailen, ob Sinnlosdiskussionen mit "autoritätsaffinen" Mainstream-Xenophoben (Ossi- und Wessikolleg*innen) als Arbeitszeit gerechnet wird. Sprich; zu ca. 95 % halt ich in dem sozialen Umfeld die Gusche, wenn wieder ma mehr oder weniger menschenverachtend gehetzt wird.

    • @Kaboom:

      "Arsch huh , Zäng ussenander, wie BAP so schön sang."

      ...übrigens anlässlich der ersten, vornehmlich in Ostdeutschland stattfindenen, Welle von rechtsextremen Gewaltexplosionen in den frühen 90ern.

  • "War denn die Anerkennung der Ostdeutschen, die sich mit der friedlichen Revolution ihre Freiheit erkämpft haben, nur Gerede?"

    Die Anerkennung war und ist sehr real. Mit der Zeit wurde aber klar, dass "die Ostdeutschen", die diesen "friedlichen Kampf" tatsächlich geführt haben, nicht nur in kalten Zahlen eine kleine Minderheit der DDR-Bevölkerung darstellten, sondern dass auch ihr Mut und ihr Glaube an die Macht des demokratischen Souveräns lange nicht SO weit verbreitet waren (und sind), wie das in den Lobeshymnen auf die friedliche Revolution suggeriert wird. Und der selbstermächtigende Wunsch, das eigene Schicksal auch in die eigene Hand zu nehmen, führte leider weit verbreitet eher zu innerdeutscher Migration als zu einer entsprechenden Entwicklung vor Ort - sowohl von den Migranten alsauch von den Dagebliebenen in erste Linie die Wahl des vermeintlich leichtesten Weges.

    Und wie auch immer man die Motivation herleitet: Ich bin weiter schwerst dagegen, die massenhafte Wahl einer Partei der Unmenschlichkeit (und das erfasst je nach Schwerpunktsetzung nicht nur die AfD) zu einer Art "politischen Notwehrmaßnahme" zu verklären. Das ist jämmerliches Versagen als Demokrat.

  • @Statistik; weder die verlinkte: de.statista.com/st...m-nach-bundesland/ noch die m.E. "richtigere" : de.statista.com/st...ch-bundeslaendern/ stützt die Aussage: "Es gibt keine Region in Westeuropa, wo den Menschen, die dort wohnen, so wenig Grund und Boden und Immobilien gehören wie in Ostdeutschland."

    • @Hugo:

      Sie beziehen sich hier auf reine Eigentümerquoten nur sind die Eigentümer bei uns eben alle Westdeutsche. Sie werden nicht zum Ostdeutschen nur weil sie hier herziehen oder hier geboren wurden. In meiner Stadt gehören fast 80% der Grundstücke Westdeutschen. In Städten wie Leipzig und Potzdam sollen es bis zu 90% sein.

      • @Šarru-kīnu:

        Jo, bei uns im Dorf liegen beide Quoten bei 100%, "mein" Thüringen liegt leicht über Bundesdurchschnitt und die Faschohochburgen wären die Stadtstaaten HB, HH, B ;) .



        Und abgesehen davon, daß die Bundesrepublik Mitteleuropa ist, ist auch die stumpfe Korrelation (Wohn-)Eigentumsarme=Faschisten fragwürdig.

      • @Šarru-kīnu:

        Nur mal so gefragt: Ist es bei Ihnen im Osten verboten, dass Ostdeutsche Eigentum erwerben? Und falls nicht: Wo genau ist dann das Problem?



        Klar, nach der Wiedervereinigung war kein Geld da. Aber wir sind 35 Jahre weiter.

        • @Kaboom:

          Das Problem ist, dass sich die Immobilienpreise in Dresden, Leipzig oder Potsdam in diesen 35 Jahren etwas dynamischer entwickelt haben als das Lohnniveau der Menschen, die dort leben.

          • @gelu:

            Och. Und Sie glauben, Westdeutsche (mit durchschnittlichem Einkommen) könnten in der Innenstadt von Frankfurt/M, Stuttgart, München oder Hamburg Immobilien erwerben?

  • Die kleinste Geige der Welt spielt in Ostdeutschland permanent das traurigste Solo der Welt.

  • Suchen Sie sich was aus, das Problem ist breit gefächert. Eigentum, Führungspostionen, Netzwerke in Parteien und Organisationen.

    Wer sich ernsthaft wundert, warum sich die Menschen im Osten andere Strukturen suchen, der muss als Kind mehrfach vom Wickeltisch gefallen sein.

    Auch ohne die politischen Richtungszuschreibungen gibt das alles durchaus Sinn. Wer in den alten Netzwerken nicht vorankommt, der geht in neue, im Entstehen begriffene. Es bilden sich neue, parallele Strukturen. Ganz einfach!

  • Gekauft hatte der Haus der Westdeutsche, der viel mehr und in D-Mark zahlen konnte.

    Verkauft hat es aber ein Ostdeutscher...

    Mir drängt sich der Eindruck auf, vielen Menschen aus dem Osten geht es wie dem Zauberlehrling und den Geistern, der Ruf nach der D-Mark (und damit dem Kapitalismus) hat Folgen gehabt, die sich anscheinend nur die Wenigsten ausmalen konnten.

    • @Xanyd:

      Oh Gott, das klingt ja so, als ob der Markt und die Zugänge dazu keinen Regeln unterliegen. Aber die hätte man formulieren können. Ich formuliere mal einige: a) Entschädigung vor Rückgabe, b) Residenzpflicht:wer kauft muss auch dort wohnen. c) keine betriebsbedingten Kündigungen, d) bei Interessenskonflikten des avisierten Eigentümers gilt Verkaufsverbot (Bischofferode etc.), e) Monopolisierung ist zu Vermeiden (Begünstigung der Schaffung Kommunaler Wohngenossenschaften nach Vorbild der KWV (für die Wessies: Kommunale Wohnverwaltung) .

      Aber das ist vorbei. Und jetzt dreissig Jahre später wird ausgelöffelt was uns die Poltik ab 1997 eingebrockt hat. Das ist bitter, aber diese Zeit ist nicht mehr zurückzuholen, egal was wir jetzt zu tun gedenken. So long

  • "Stimmt sein Nazivergleich, könnte man nur noch aus Deutschland auswandern."



    Also dann lieber die Augen verschliessen und so tun, als wäre nichts?



    Damit man Ratlosigkeit und Ohnmacht nicht zugeben muss?



    Warum soll man Naziwähler denn aus der Definition eines Nazis ausklammern? Um leichter der Realität entfliehen zu können?



    Ohne die Steigbügelhalter ist die ganze Truppe nur ein Haufen Grossmäuler, die man getrost ignorieren könnte. Erst die Naziwähler machen Nazis gross.

  • Hm, nur war es ja aber gerade DDR-typisch, dass sich nicht alles um Besitz und Haben drehte. Weil es vieles nicht gab, drehte sich auch nicht ständig alles nur ums Geld und um Besitz. Auch in der DDR war es für viele Menschen völlig normal, zur Miete zu wohnen – allerdings zu einer sehr bezahlbaren Miete, die sich jeder leisten konnte. Wohnung waren schwer zu kriegen, aber wenn man eine hatte, war die bezahlbar.

    Nur auf dem Land, da war es auch in der DDR sehr oft so, dass die Leute eigene Häuser hatten.

    Auch 35 Jahre nach der Wende wundere ich mich immer wieder, dass sich hier in DE West so viel immer nur ums Geld dreht.

    Meine Freundin wohnt in Sachsen. Die erzählt mir solche Dinge, dass die AfD da die ganze Zeit sehr geschickte Wahlkampagnen fährt, das beste Wahlkampfmaterial hat, sehr geschickt mit den Enttäuschungen der Ostdeutschen spielt etc. pp.

    Und alle die immer noch glauben, dass das mit der AfD und den Rechten ein ostdeutsches Problem sei, der möge mal in Bayern die Stimmen für rechte Parteien addieren und sich dann mal vorstellen, was da los wäre, wenn die Leute da solche Umbrüche erlebt hätte, wie in DE Ost. Und in ganz Europa ist auch viel Ostdeutschland ;-)

    • @Lee Ma:

      "Meine Freundin wohnt in Sachsen. Die erzählt mir solche Dinge, dass die AfD da die ganze Zeit sehr geschickte Wahlkampagnen fährt, das beste Wahlkampfmaterial hat, sehr geschickt mit den Enttäuschungen der Ostdeutschen spielt etc. pp."



      So als mittvierziger Thüringer, der die "Baseballschlägerjahre" auch persönlich kennt, sehe ich des so wie Ilko-Sascha Kowalczuk.



      (Und eigentlich ist des Zitierte mit der AfD-Propaganda ne Unterstellung, basierend auf Stereotypen, auch das Drittel AfD-Fans in Sachsen/Thüringen ist ned blöde, sondern ignorant und autoritätsaffin.)

  • Ich bin ein Arbeiter - und Soldatenkind aus dem Westen. Geerbt habe ich drei Scheidungen und ein Sozialgrab für meine Mutter. So what? Deshalb bedauere ich mich weder ständig selbst, noch wähle ich Nazis. Und wer nach über 30 Jahren Nazigewalt in den Wüstungen des Ostens immer noch die Wahl offen faschistischer Parteien als "Protest" verharmlost , der hat den Schuss nicht gehört!

    • @Schytomyr Shiba:

      Sie argumentieren individuell.

      Das bedeutet, Sie sehen sich nicht als Teil einer Gruppe, in der es allen so geht.

      Sie haben anscheinend keine darauf fußende Gruppenidentität entwickelt.

      Ostdeutsche schon.

      Hinzu kommt, dass viele AfD-Sympathisanten die Partei nicht als faschistisch wahrnehmen.

      Aus deren Sicht ist "Nazipartei" oder "faschistische Partei" nur eine Verunglimpfung.

      Weil sie ihre eigenen politischen Wünsche, deren Erfüllung ihnen die AfD verspricht, nicht als solche wahrnehmen.

      Die Studien, nach denen nur 10-20 % der AfD-Wähler ein geschlossenenes nationalsozialistischen Weltbild vertreten, sind ja deutlich.

  • Klar die Besitzfrage - ist und sollte auch eine größere Bedeutung in gesammtDeutschland haben.



    Und ja möglicherweise ist die Erfahrung, nur schwer an Eigentum zu kommen, prägendender kollektiver im Osten als bei uns, die diese Erfahrungen ja auch machen.



    Aber deswegen kollektiv auf die Parteien reinfallen, auf die Deutschland schon (2x) reinfiel?



    Sollten die Ostdeutschen da nicht sogar immuner sein?



    ...



    Und der Satz: wer Nazis wählt, ist Nazi - dem ist locker 10 Jahre nach Gründung leider nur zuzustimmen. Protestwahl kann man nur ein paar mal als Erklärung und Ausrede vorbringen.

    • @Cornelia Gliem:

      Natürlich, das ist richtig. Das Gefühl von Demokratiedefizit, fehlender Repräsentanz und Fremdbestimmung ist aber sehr wichtig, um zu verstehen, warum manche rechte Narrative, die Wessis leicht als absurde Verschwörungstheorien scheinen, in der ostdeutschen Lebenswirklichkeit entsprechen. Das ist keine Entschuldigung, aber ein wichtiger Faktor.

  • Ein sehr, sehr wichtiger Punkt. Während man immer stark auf die Unterschiede im Gehalt und der Rente fokussiert, gerät der tatsächliche Elefant der Ungleichheit aus dem Blick: die Besitzverhältnisse.



    Aber das ist für den Westen auch immer irgendwie ein unangenehmes Thema, dass diese ganzen Chemnitzer Nazis ja monatlich Miete auf gutbürgerliche westdeutsche Bankkonten bezahlen, dass die achsowitzige linke Forderung "Sachsen raus aus Deutschland", wollte man sie denn tatsächlich umsetzen, auf entschiedenen Widerstand der westdeutschen Immobilienbesitzer stoßen würde.

  • OK, it's all about the cash.

    Man will Eigentum an Immobilien und ein dickes Bankkonto. Das ist also die Freiheit, nach der man sich so gesehnt hat.

    Dass es im Westen Landstriche gibt, die stärker abgehängt sind als viele im Osten, geschenkt. Merkwürdigerweise ziehen diese Leute aber nicht den Schluss, AfD zu wählen. Zumindest nicht so massenhaft.

    Und: Wer meint, seinen Protest kund zu tun, indem er eine Partei wählt, die zu weiten Teilen aus Rechtsextremen besteht, der ist entweder rechtsextrem oder denkfaul und frei von jeder Empathie.

    Ehrlich gesagt, mir geht dieses Gejammer gewaltig auf den Geist.

    • @Jim Hawkins:

      "OK, it's all about the cash." ... Es gab ja den Spruch kurz nach der Wende "Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr.". Und aus dem Spruch "Wir sind das Volk!" wurde schnell "Wir sind ein Volk!", und irgendjemand hat noch hinzugefügt "Ich bin Volker." ... Eigentlich beschreibt es die Vorgänge 89/90 ganz gut. Die "Ideale" der friedlichen Revolution wurden schnell zur Seite gelegt, und viele gingen lieber den Versprechungen von Kohl&Co. auf den Leim.



      Aber was soll's. Ich bin Ostdeutscher, aber mit Ostidendität habe ich nicht viel am Hut. Für mich ist immer noch nicht klar, was das eigentlich sein soll. Ich kann nur sagen, dass ich mit das ganze materielle Brimborium, das so manche Zeitgenossen an den Tag legen (sowas wie "mein Haus", "mein Auto", etc), nicht als das Maß der Dinge ansehe.



      Ich kann aber sagen, dass ich zwei verschiedene Gesellschaftssysteme intensiv kennengelernt habe, und mir den DDR-Sozialismus nicht zurückwünsche, aber auch die derzeitige bürgerliche Demokratie für dringend reformbedürftig ansehe, aber nicht im Sinne von AfD&Co.

    • @Jim Hawkins:

      Danke, dem kann ich mich anschließen. der Artikel ist zwar sehr geschmeidig formuliert, aber dennoch die millionste Iteration der gleichen wehleidigen Klage.

      Sie hätten jederzeit den Anschluss verweigern und sich um ihre Angelegenheiten zu einem größeren Teil selbst kümmern können.

      • @Wurstprofessor:

        Fürs Wurstmachen reicht ihre tiefgreifende politische Analyse der Situation in der DDR in der Wende-Zeit ...

  • Deshalb bleibe ich, trotz Magenschmerzen aufgrund manchem Blickwinkel, hier.



    DANKE vielmals dem Autor!

    Ich bin oft und sehr gerne im Osten. Verstehe die Wut. Bin enttäuscht, dass bisher nur die AfD die Lücke füllt.



    Hat bis zum Aufschwung diesr Nazis im Westen nicht wirkliches Interesse am Osten gegeben.

    • @D. MEIN:

      Und was glauben Sie, warum es kein "wirkliches Interesse an Osten" gab?

      • @Volker Scheunert:

        Man wollte die billigen Arbeitskräfte für den Westen, den vergrößerten Absatzmarkt und den Rest hat die Politik lange Zeit relativ wenig interessiert. Ach ja der "Wiederaufbau" hat sie noch interessiert, weil das auch große Chancen für Unternehmen im Westen bot. Und Grund und Boden und Häuser waren auch von Interesse ...

        Schauen Sie sich mal die Zusammensetzungen der Bundesregierungen seit der Wende an. Oder die medialen Berichterstattung über den Osten. Das einzige Ostthema mit dem Ostdeutschland Bundesweit medial wirklich präsent ist, ist die AfD. So als würde es da nichts anderes geben.

        Nahezu alles aus der DDR wurde runter geschrieben, auch die Dinge, die in der DDR definitiv besser liefen, als in der Bundesrepublik. Und nun hat man den Salat und wundert sich.

        Es waren Leute aus dem Westen, die die ganzen rechten Strukturen da aufgebaut haben. Übrigens mit großzügiger staatlicher Förderung in Form von Zahlungen an V-Leute. Mal Spiegel-TV gucken aus den 90er und 00er Jahren, da wurde das gut dokumentiert, keine Ahnung, ob man das irgendwo noch findet, wer und wie die rechte Strukturen in Thüringen und Sachsen aufgebaut worden sind. Zufall ist das jedenfalls alles nicht ...

        • @Lee Ma:

          Ist das nicht etwas ungerecht die armen Ossis als dumme Schafe hinzustellen, die alles mit sich haben machen lassen?



          Ich glaube Ihr Kommentar bedient das Narrativ, der Ostmensch war nobel, alles war toll, ok wer weg wollte wurde eventuell an der Grenze erschossen, aber alles böse kam aus dem Westen.