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Anschlagspläne auf Taylor-Swift-KonzertAlles, was sie hassen

Ein Konzert von Taylor Swift in Wien war das Ziel eines islamistischen Anschlags. Die misslungene Tat galt allem, was radikalen Männern Angst macht.

Taylor Swift verkörpert alles, was radikalen Männern Angst macht: Queerness, Weiblichkeit und Freiheit Foto: Oliver Berg/dpa

Fast 200.000 „Swifties“, deren Mütter, Väter, Freundinnen und Freunde haben in den folgenden Tagen nichts zu feiern. Traurig sind sie nun, vielleicht auch verängstigt. Was für sie zu einem einmaligen Erlebnis werden sollte, bleibt den zahlreichen Fans jetzt verwehrt. Nicht nur aus Österreich dürften die Leute gekommen sein, um die enorm populäre Musikerin Taylor Swift zu sehen.

Doch alle drei Termine im ausverkauften Wiener Ernst-Happel-Stadion sind kurzfristig abgesagt. Ein 19-jähriger Österreicher soll einen Anschlag auf eines der Taylor-Swift-Konzerte geplant haben. Er habe sich „im Internet radikalisiert“, wie die Behörden es formulierten, als ob, was im Internet passiert, nicht ganz zum echten Leben gehört.

Nur Monate soll es gedauert haben, bis der 19-jährige Verdächtige dem derzeitigen Schlächterchef des sogenannten Islamischen Staats die Treue schwor, und etwas plante, worauf die überwältigende Mehrheit aller Muslime niemals kommen würde: Im Namen ihres Glaubens zu töten. Die „im Internet Radikalisierten“ von AfD bis Bild werden es freilich anders drehen wollen.

Der festgenommene Tatverdächtige wollte „eine große Menge Menschen töten“, so zitieren ihn die Ermittler. Aber nicht irgendeine Künstlerin wurde hier anvisiert, nicht irgendeines der vielen Großereignisse dieses Sommers sollte zum Horror werden.

Dass es genau den US-amerikanischen Popstar treffen sollte, wundert nicht, Taylor Swift und ihre Fans stehen für alles, was der radikale Islamismus hasst. Das besondere Verhältnis der Künstlerin zu ihren meist jungen, meist weiblichen Fans hat einen buchstäblich beispiellosen Erfolg ermöglicht: Kürzlich brach Taylor Swift mit ihrer „Eras“-Tour den Rekord für die erfolgreichste Tour jemals.

Ruhig bleiben, das Patriarchat stürzen

Taylor Swift ist für die einen „nur“ Popmusik, für ihre Anhängerschaft ist sie weit mehr: eine stellvertretende Stimme, ein farbenfroher, friedlich-freundlicher Kosmos voller Liebe, Glück, Schmerz, Drama und Freundschaft.

Ein beliebtes Ritual der Swifties ist es, selbst gemachte Armbänder auf Konzerten zu tauschen. Ein Kult, gewissermaßen, aber ein harmloser, der fast gänzlich ohne Gegnerschaft auskommt.

„Fuck the patriarchy“, so lautet die vielleicht härteste Zeile dieser sonst mit politischen Aussagen vorsichtigen Sängerin, und bei jedem Konzert wird sie von Zehntausenden inbrünstig mitgesungen. „You need to calm down“, „beruhig dich mal“, lautet eine weitere, zarte Kampfansage an alle, die sich über Menschen erregen können, die nicht in die heteronormative Schablone passen wollen – eine große, humorvolle, queere Hymne.

Zärtlichkeit, Queerness, Frauen, die sich und ihr Frausein feiern – es ist eine Männlichkeit, die sich davon bedroht sieht. Eine gelernte Männlichkeit, die sich nur als Gegnerschaft begreift: Wenn „sie“ glücklich und frei sind, schadet das „uns“; wenn Frauen stark sind, gefährdet das die gottgewollte Ordnung.

Nichts ist passiert, zum Glück. Aber Angst ist es, was solche Täter wollen. Freiheit wiederum ist, was ihnen Angst macht. Daher gilt: durchatmen, Mut fassen. Calm down, and fuck the patriarchy.

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19 Kommentare

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  • " Die im Inter Radikalisierung von AfD bis Bild"

    Ich weiß nicht, ob man jede rhetorische Girlande wirklich bringen muss.

    Die Gleichsetzung der islamistischen Attentäter hier klingt durchaus nach Relativierung und bedient den Vorwurf, auf dem islamistischen Auge blind zu sein.

    Die Aussagekraft des Artikels hätte nicht verloren, hätte man darauf verzichtet.

    Weshalb das Internet nicht zum "richtigen Leben dazugehören" soll, erschloss sich mir auch nicht.

    "Calm down" ist eine gute Devise.

    Hinter der Äußerung der österreichischen Polizei dürften Fragen von Journalist_innen gestanden haben.

  • "Ein Konzert von Taylor Swift in Wien war das Ziel eines islamistischen Anschlags. Die misslungene Tat galt allem, was radikalen Männern Angst macht."

    Nein, der geplante Anschlag ist nicht allein die Folge verirrter Männlichkeit, die es zweifellos gibt. Es kommt - siehe Bataclan, Nizza, etc. - noch eine sehr spezifische ideologische Komponente hinzu, genannt Islamismus, die Konstantin Nowotny hier so völlig unter den Tisch fallen lässt und sich damit einreiht unter jene, die dies nur zu gerne - Stichwort Oktoberfest - umdeuten möchten.

    Salman Rushdie hat das dagegen sehr viel präziser benannt: "„Eines unter den Dingen, die sie so hassen, ist einfach, dass man Spaß hat, dass man sich unterhält, dass man Freude hat vor allen Dingen an kulturellen Dingen. Was haben denn die Taliban als Erstes getan, als sie an die Macht kamen? Das Erste, was sie taten, war, die Musik zu verbieten, Kinos zu schließen, Theater zu schließen. Der fanatische Geist sozusagen kann es nicht ertragen, dass jemand Freude, Lebensfreude, Lust und Spaß hat.“ www.deutschlandfun...eufel-mit-100.html

  • Ich verstehe Ihren Kommentar nicht. Radikale Männer sind das Problem, aber nicht die Religion die dahinter steht?? Vielleicht etwas zu viel political Correctness.

  • Dass Frauen erfolgreich sind, dabei gut aussehen , gut gelaunt und noch sympathisch sind, ist nicht nur für Extremisten ein rotes Tuch. Wieviele Artikel und Kommentare habe ich in diversen Medien schon lesen müssen, die sich über Kamals Harris strahlend schönes Lachen aufregen? Eine Frau hat zu leiden (z.B. Amy Winehouse) , mindestens ein wenig verhärmt aussehen(Angela Merkel) , wie ein Mann agieren (Margaret Thatcher) wenn sie schon Erfolg hat. Nein- times, they are changing- völlig egal ob es gemäßigten Miesepetern oder radikalisierten Schwachköpfen passt: Frauen sind nicht nur höllisch intelligent und erfolgreich, sondern auch individuell schön - und fröhlich dabei! Gewöhnt Euch besser dran, Jungs!

    • @maria2:

      Ich möchte das Verhalten der Leute die Sie hier anprangern nicht verteidigen, zumindest bei Frau Merkel kamen die unsäglichen Kommentare über ihre Frisur und ihre Kleidung zu meist von Frauen, mir ist kein Mann bekannt, der sich über die farbzusammenstellung ihrer Kleider aufgeregt hat. Die Frage ist auch immer, wer hat bei den "gemäßigten Miesepetern und radikalisierten Schwachköpfen" die Erziehung in der Familie übernommen. Bei wem lag die Erziehungsarbeit ?

  • Sorry aber das alles durch die Hintertüre irgendwie zu einem Konflikt zwischen Männern und Frauen machen zu wollen funktioniert nicht. Ich kann bei der Argumentation nicht mitgehen.

  • Was diese Menschen nicht begreifen ist, dass sie selbst durch ihre sexistischen /rassistischen/ religionsnationalistischen



    Machtansprüche kein besseres Leben bekommen. Im Gegenteil.

    • @aujau:

      Sie bekommen aber enorm viel Lebenssinn und Anerkennung in der Gruppe.

      Das ist für sie dann ein besseres Leben.

      Es hilft nicht, alles immer nur auf das Materielle zu reduzieren.

  • Ich fände es gut, unter den "Swifties" auch mal nach den Männern zu gucken. Vielleicht gäbe es da eine Männlichkeit zu entdecken, die sich nicht von "Zärtlichkeit, Queerness, Frauen, die sich und ihr Frausein feiern" bedroht sieht. Eine Männlichkeit die immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.

  • Sie hassen alles, was wir lieben uns was uns viel bedeutet.

    Die Freiheit, die Debatte, den Widerspruch, die Musik, den Tanz, die Lust und die Leichtigkeit.

    Deshalb wollten sie in Wien morden, haben im Bataclan gemordet und auf dem Festival in Israel und in Moskau.

    In der freien Welt demonstriert man Solidarität mit den Mördern, aus Dummheit oder weil man die Freiheit auch hasst oder sie für einen Scherz hält.

    Die Menschen sollten endlich aufwachen und realisieren welche Gefahr uns allen droht und nicht Israel, den "Kanarienvögel im Bergwerk" im Regen stehen lassen.

    • @Jim Hawkins:

      Sie morden ab und zu auch im "Westen", v.a. aber morden sie im Nahen und Mittleren Osten, in aftikanischen Staaten und asiatischen, in Syrien, Irak, Afghanistan, Somalia, Nigeria, Mali, Sudan, Pakistan, Ägypten, Palästina...



      sie hassen nicht einfach "den Westen", sondern alle, die nicht sie selbst sind.

    • @Jim Hawkins:

      Mit Islamisten für nationalistische und in Teilen rechtsextreme israelische Politik zu werben ist wired und nicht im Sinne der israelischen Bevölkerung und deren Nachbarn.

    • @Jim Hawkins:

      Sie meinen da jetzt aber nicht das bekannt militant sinnenfrohe Mea Shearim oder die Siedlersturmtruppen in palästinensischen Dörfern "zu Besuch"?

      Konstruieren Sie hier gerade neo-schmittianisch das Wir-gegen-Die ohne erkennbare Differenzierung? Wer sind "sie", wenn nicht eine Denkverkürzung zur einfacheren Mobilisierung der inneren scheinbaren Eindeutigkeiten?

      Wer ist hier solidarisch mit den Mördern, bitte? Hamasfahnen irgendwo? Oder Netanyahu-Fanposter? Oder Hisbollah-Banner?



      Ich sehe Palästinasysmbole und Israelflaggen, so viel Freiheit darf auch sein, die Demonstrationsfreiheit darf auch gegen die zivilen Opfer dort, gegen die Geiselnahmen, gegen Netanyahus Ego-Trip abgehen. Das machen Palästinenser, Istaeli, Deutsche, ... in alle Richtungen.



      Hier monokausale Ängste zu behaupten, hilft das weiter?

      Wer Israel kennt und liebt, sieht wohl eher Netanyahu und die imperiale Maßlosigkeit als die größte Bedrohung.

    • @Jim Hawkins:

      Jo - sehe ich genau so!

  • Bei den Anschlägen 2015 in Paris waren unter anderem die Zuschauer eines Fußball-Länderspiels der Herren und die Fans einer männlichen Rockband das Ziel der Attentäter. Demnach fühlten sich die Täter von männlichem Sport und männlicher Rockmusik bedroht?

  • Was, bitte, ist an Taylor Swift "queer"?

    Auf mich wirkt sie wie die perfekte Verkörperung des All-American-Girl und ihre Aufmachung ist doch äußerst clean und konventionell.

  • Ich denke es gibt deutlich bessere Idole für Queerness, Weiblichkeit und Freiheit. Hier scheint wohl eher der Fanboy durch..

  • Sorry, aber islamistische Anschläge richten sich immer gegen die westliche Welt, die nicht nach den Regeln des Korans lebt und islamistische Länder militärisch angriff.

    Bitte nicht für hiesige innerwestliche Geschlechterkämpfe instrumentalisieren.

  • Ist eigentlich schon raus, ob der Typ speziell Fans von Taylor Swift treffen wollte oder ob er nur zuschlagen wollte, weil bei dem Konzert viele potentielle Opfer auf engem Raum anzutreffen wären?