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Fans von Taylor Swift in WienDie brave Revolution der Swifties

Für die Fans war die Absage der Wiener Taylor-Swift-Konzerte ein Schock. Alle wollen sie trösten und sind gerührt von den netten, moralischen Kids.

Nach der Absage der Taylor Swift Konzerte in Wien feiern die Swieftes trotzdem Foto: Heinz-Peter Bader/dpa

D ie drei geplanten Wien-Konzerte von Taylor Swift wurden bekanntlich wegen einer Attentatsdrohung abgesagt. Angesichts von Southport, wo drei Kinder bei einem Taylor-Swift-Tanzkurs getötet wurden, muss man froh sein, dass ein mögliches Blutbad verhindert wurde. Was nach der Absage passierte, verdient jedoch eine gesonderte Betrachtung. Denn das war durchaus bemerkenswert.

Die Fans, die Swifties, erlebten die Absage nicht einfach nur als Enttäuschung, sondern als regelrechten Schock. Schockiert waren sie aber nicht nur wegen der Attentatspläne – was klar ist. Auch die Absage der Konzerte war ihnen ein Schock.

Und da beginnt das Erstaunen des Betrachters – also jener, die nicht im Swift-Universum leben und von außen auf das Geschehen blicken. Wenn es schon erstaunlich ist, dass die Absage eines Konzerts für die Fans eine Katastrophe darstellt, so ist die Reaktion der Gesellschaft noch erstaunlicher.

Da waren die unmittelbaren Politiker-Statements. Diese schlugen alle genau in diese Fan-Kerbe: eine herbe Enttäuschung. Eine tiefe Enttäuschung. Herzzerreißend. Ich konnte ganz viele Herzerl brechen hören. Ein Traum ist geplatzt. So lautete der Tenor quer durch das Parteienspektrum. Da waren die diversen „Trostangebote“ an die Enttäuschten – ob Museen, Schwimmbäder oder Gastronomie, alle öffneten den Swifties ihre Türen.

Die Katastrophe des Nicht-Stattfindens

Und da waren die Medienberichte, die das Wort von der „Trauer(!)bewältigung“ ausgaben. Die Gesellschaft hat also unmittelbar die Perspektive der Fans übernommen und nicht nur die Attentatsdrohung, sondern auch das Nicht-Stattfinden eines Popkonzertes als Katastrophe anerkannt. Und dann kam der Umgang der Swifties mit der Situation – dies war gewissermaßen angewandter „Swift-Spirit“. Gemeinsames Singen. Durch die Straßen ziehen. Sich versammeln. Zentraler Ort des Versammelns – ein Baum in einer Wiener Straße, die so heißt wie eine besungene Straße in Greenwich Village, wo das Idol einmal gewohnt hat.

Ein wesentliches Moment von Künstlerlegenden ist die Mythisierung des Künstlerlebens: Ein retrospektiver Blick – ein Blick vom Erfolg aus auf die Stationen des Lebens. In dieser Perspektive wird jedes Detail bedeutsam. Wie etwa ein Straßenname. Es ist dies eine Aufwertung der Banalitäten des Lebens, an der man als Fan teilhat.

Die Fans versammeln sich aber nicht nur. Wesentliches Element des Swift-Kults sind die vielzitierten selbst geknüpften Freundschaftsbänder, die dabei getauscht werden. Ihnen kommt eine zentrale Rolle zu. Die Bänder sind Metaphern für die gegenseitige Verbundenheit der Fans. Durch das Tauschen wird diese Verbundenheit vollzogen: Im Zirkulieren der Bänder stellt sich die Gemeinschaft der Swifties her.

Und genau da setzt die Reaktion der Erwachsenen ein: Sie sind gerührt. Gerührt von diesen netten, moralischen Kids. Gerührt von dieser braven Rebellion. Das sind die Kinder, die wir haben wollen: bewegt, aber nicht exzentrisch. Leidenschaftlich, aber ohne Ekstase. Dionysisch, aber ohne Rausch. Die kreischenden Beatles-Fans fand keiner rührend. Anders als diesen jugendfreien Exzess. Dazu passt, dass das Idol kein Machorocker ist, sondern eine Frau.

Überschuss an Emotionen

Der wahre Exzess der Swifties aber ist ihr Überschuss an Emotionen. Das ist das hemmungslose Ausleben ihres Teenagertums. Dieses besteht darin, die eigene Gefühlswelt mit der Welt zu verwechseln. Für die jugendlichen Fans ist das angemessen. Die gerührten Erwachsenen aber folgen ihnen dabei. Angesichts einer immer grausameren Welt werden ihnen die Kids zum Spiegel einer besseren Welt. Engagement und Leidenschaft werden dabei ins Harmlose, ins Belanglose verschoben. Ist das unsere vielbeschworene Lebensweise?

Ein kollektiver Eskapismus, dem die Adoleszenz Prototyp und Versprechen einer besseren Welt ist. Modell einer Vergesellschaftung als Safe Space, wo alle sich lieb haben. Das ist die heutige Utopie, die die Erwachsenen – wie schon bei Fridays for Future – über ihre Kids ausleben. Die Rührung der Erwachsenen angesichts der Swifties ist eine kollektive Re-Teenagerisierung.

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43 Kommentare

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  • Ungefähr solche wie auf dem Foto sitzen in meinen Vorlesungen. Waren das nicht die Fridays for future-Kids? Und jetzt rennen sie einer komischen Sängerin mit Privatflugzeug hinterher.

  • Taylor Swift ist doch nix anderes wie damals PUR, die Rache der Normalos. Und Mutti ist heute immer noch gerührt über die banalen Texte von damals. Es sind die gleichen Menschen die im Fernsehgarten Klatschen oder "Just White" Partys in Innenstädten feiern. Wenn möglich mit dem Teenager an der Seite um sich selbst zu verjüngen.

    • @Narrenfell:

      Was genau ist daran jetzt schlecht?



      Aber Klischees kommen immer gut an, wa?

    • @Narrenfell:

      Auch "Normalos" sind Menschen! Die auch ein Recht haben, so zu leben, wie sie wollen.

      Und diese manchmal eher naiv wirkenden Menschen, sind mir oft lieber, als jene, die glauben, auf einer höheren politischen Bewusstseinsstufe zu leben, aber oft nur verbissen und sauer sind, wenn Menschen andere Ansichten, Wünsche und Ziele haben.

      Auch Linke werden älter und schon seit Jahren kommen aus der Ecke Klagen, über die jüngeren Generationen, die nicht so sind, wie sie gefälligst zu sein haben.

      Da sind gerade die "68er" ihren Eltern ähnlicher, als ihnen vermutlich lieber ist.

      • @ PeWi:

        "Auch "Normalos" sind Menschen!"

        Danke. ;-)

  • 6G
    698967 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sind wir Erwachsenen aber auch einfach oft zu zynisch, zu verkopft. Es ist schon beeindruckend, dass über eine Gruppe junger Menschen, die versuchen friedlich und respektvoll miteinander umzugehen, die sich freundschaftlich als Gemeinschaft, als Community versteht und dies auslebt und zelebriert, solch ein Kommentar in einer Zeitung erscheint. Es wird "problematisiert". Und wenn Erwachsene das begrüßen, wird ihnen das als "Re-Teenagerisierung" beschrieben. Wow. Auf die Spur muss man erstmal kommen. Was genau ist schlecht an respektvollem Umgang miteinander in der Gesellschaft?

  • Ahja. Und wenn man jetzt auch noch den Übergang schafft, auch die Renaissance des Fahrrads und die Verdrängung des Autos als Re-Teenagerisierung zu sehen, dann ist man einen Schritt weiter.

    Dazu passt die kaum diskutierte aber, im Vergleich zum Gendern, viel weitreichendere Sprachänderung des kollektiven Duzens. Konzerne, Politiker, Wahlplakate, Künstler, Radiosender - alle duzen uns heute, selbst Versicherungen, die Sterbegeld anbieten duzen ihre potenziellen Kunden.

    Das letzte Mal, dass so kollektiv geduzt wurde, war übrigens in den 1930ern. Vielleicht ist die Extremisierung der Gesellschaft auch eine Folge dieser Infantilisierung.

  • Einfach nur Danke möchte ich Ihnen sagen, Isolde Charim. Sie schaffen es auf beeindruckende Weise meine Gedanken und Gefühle zu beschreiben. Danke!

  • So streng würde ich nicht urteilen.

    Georg Seeßlen hat den Kult um Taylor Swift als kleinsten gemeinsamen Nenner der liberalen Welt beschrieben.

    In dieser Welt von "Miss America", wie er sie nannte, gibt es keinen Hass, keine Feindseligkeiten gegen jedwede sexuelle Orientierung, keinen Rassismus, keine Misogynie.

    Das ist heutzutage schon was.

    Denen das nicht gefällt, entgegnet Taylor:

    "'Cause the players gonna play, play, play, play, play



    And the haters gonna hate, hate, hate, hate, hate



    Baby, I'm just gonna shake, shake, shake, shake, shake



    I shake it off, I shake it off (hoo-hoo-hoo)



    Heartbreakers gonna break, break, break, break, break



    And the fakers gonna fake, fake, fake, fake, fake



    Baby, I'm just gonna shake, shake, shake, shake, shake



    I shake it off, I shake it off (hoo-hoo-hoo)"

    www.youtube.com/watch?v=nfWlot6h_JM

    • @Jim Hawkins:

      Dass die Absage des Konzerts als Katastrophe empfunden wird, ist doch nicht erstaunlich.

      Meine Frau und ich sind über 50, und wir haben uns vor kurzem ein Konzert von Stevie Nicks gegönnt, mitsamt Anreise und Hotel. Stevie Nicks, die Frontsängerin von Fleetwood Mac, kann man in Sachen Inspiration und Female Empowerment durchaus mit Taylor Swift vergleichen, nur eben in den 70ern.

      Nur wenige Tage vor unserem Konzert sagte sie ein anderes Konzert ab. Wäre uns das passiert, wäre es schon eine Katastrophe gewesen, nicht nur wegen der hohen Kosten, auf denen wir sitzengeblieben wären, sondern vor allem wegen des verpassten, wohl nicht wiederholbaren Erlebnisses.

      Und als Teenager steigt man noch weniger zweimal in den selben Fluss wie als Erwachsener. Ein Konzert, das verpasst wurde, ist weg für immer. Zwei Jahre später ist man ein ganz anderer Mensch und hört ganz andere Musik.

    • @Jim Hawkins:

      Taylor Swift und die Swifties zelebrieren weiße, werdende Cis-Weiblichkeit.

      Da ist nichts queer, und schon gar nicht trans, und wenn die Tanzgruppe auch alle Hautfarben und Körperformen abbildet, sind die Fans vor allem weiße Barbies und ein paar mitlaufende Kens.

      Ich habe selten eine so große, homogene Gruppe gesehen wie die Swifties von Gelsenkirchen bis Wien und London.

      • @Gorres:

        Ich meinte eigentlich eher so etwas:

        "Mit You Need to Calm Down spricht sich Swift deutlich für die LGBTQIA+-Community aus. In der zweiten Strophe weist sie durch „Why are you mad when you could be GLAAD?“ („Weshalb bist du sauer, wenn du fröhlich sein könntest?“) auf die US-amerikanische Non-Profit-Organisation GLAAD hin, an die sie zuvor einen Geldbetrag spendete.[77] GLAAD setzt sich öffentlich gegen Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung ein. Zudem spendete sie am 8. April 2019 113.000 US-Dollar an das pro-LGBTQIA+ Tennessee Equality Project."

        Kann man natürlich wieder sagen, ja, ja Marketing, bla bla.

        Ich finde das Phänomen faszinierend und erfreulich.

        Auch wenn es nicht jede hochgehängte Correctnes-Latte reisst.

    • @Jim Hawkins:

      Ein Mobbingopfer sollte mal seinen Peinigern dieses Lied vorspielen und vortanzen. Darum geht es nämlich in diesem Song, sich nicht vor kritischen und verletzenden Stimmen unterkriegen zu lassen.

      Wie sieht da nur die Realität aus? Außer, dass das Opfer in die Mülltonne gesteckt wird?

      Und wie sieht der Alltag einer durchschnittlichen, US-amerikanischen Karen aus?

      Streng würde ich auch nicht urteilen. Aber realistisch.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Als Ex-Mobbingopfer einer anderen Generation kann ich die heilende Kraft solcher Musik nur bestätigen.

        Bei mir war es "Be yourself, no matter what they say" aus "Englishman in New York" von Sting.

        Das war befreiend. Da wurde Musik Realität, obwohl Musik alleine nicht ausreicht und das Mindset schon da sein muss.

        Warum sollte das anderen durch Taylor Swift nicht gelingen?

        • @Gorres:

          Weil du wahrscheinlich bei dir daheim Mut und Selbstbewusstsein gesammelt hast.

          Eigentlich sollte es so ablaufen: Das Mobbingopfer sieht seine Peiniger in der Schule, und anstatt wegzurennen, stellt sich das Mobbingopfer mutig und singt vor den Peinigern Englishman in New York oder Shake it Up.



          So, dass die halbstarken Affen entweder das Weite suchen, oder dem Opfer den Respekt zollen, und sich für die Taten entschuldigen. DANN hat das Lied seine Wirkung entfaltet.

          Leider sieht die Realität anders aus und Mobbingopfer werden nach der Heldentat noch mehr gemobbt.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Ja, ja schon klar.

        Dennoch bleibe ich dabei, kleinster gemeinsamer Nenner bleibt kleinster gemeinsamer Nenner.

        Wäre noch weniger nicht schlimmer?

        Dass die Realität Scheiße ist, das ist eine zutiefst banale Erkenntnis.

        Pop ist eben immer auch ein Versprechen. Wer jetzt darauf pocht, dass es ein Konzept für eine bessere Welt darstellen soll, der ist wohl eher unrealistisch.

  • Ich finde es eher gruselig, dass ein paar Konzerten so eine Bedeutung zugemessen wird.

    Das Austauschen von Freudschaftsbändern mit Fremden schafft keine echten Freundschaften. Es ist genau so inhaltloser Ersatz für echte menschliche Bindungen wie das Sammeln von "Freunden" in irgendwelchen sozialen Netzwerken.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      BÄHM - da ist er, der "erwachsene" Hammer, der nur erwachsene Regeln gelten lässt und absolute Deutungshoheit für Begriffe wie "wichtig", "Freundschaft"und "Substanz" beansprucht. Die Loge ist doch immer noch der schönste Platz im Muppets-Theater, nicht wahr?

      Wie wär's mal mit "Tellerrand"? Die Welt, in der die Swifties aufwachsen, ist nunmal das globale Dorf, wo man den Lieblings-Blogger am anderen Ende der Welt besser kennt als die Klassenlehrerin und Freundschaft so viele Spielarten hat wie das Netz Kontaktmöglichkeiten. Früher war mal der Pausenhof oder der Reitstall der Mikrokosmos, in dem sich Dramen ereigneten, die Teenagerherzen (vorübergehend) platzen ließen. Heute ist es halt die Swifty-Community. Die ist nur in absoluten Zahlen SO viel größer, dass es anderer Methoden des gemeinschaftlichen Umgangs bedarf, um das Ganze begreifbar zu halten. Und wenn sich DA ein Drama ereignet, ist es eben ein millionenfaches. Das macht die grundsätzliche Anwesenheit von Drama aber nicht vermeidlicher - Hormonspiegel sei dank.

      Ich find's allemal besser, daraus noch eine positive, Menschen verbindende Geschichte zu machen, als in analoger Isolation die eigene Tiefgründigkeit zu "feiern".

      • 6G
        698967 (Profil gelöscht)
        @Normalo:

        Stimme Ihnen zu. Ergänzend dazu:, Weiter unten beschreibt ein Kommentar so gut, wie "erwachsen" und souverän die Fans mit den Absagen umgegangen sind.

      • @Normalo:

        Trotz des ganzen Rummels hat letztens eine Studie ergeben, dass sich viele Jugendliche einsam fühlen. Vielleicht gibt es ja einen Zusammenhang?

        Aber ja. Ich bin schon älter und habe vielleicht keine modernen Ansichten. Die darf ich aber doch trotzdem äußern?

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Klar dürfen Sie. Ist halt nur manchmal eine Steilvorlage für eine Gegenmeinung. ;-)

          Und ja - VIELLEICHT gibt es einen Zusammenhang. Nur dürfte - wie in den allermeisten Fällen von negativen Zeitgeisteffekten - das Zurückdrehen der Entwicklung keine gangbare Alternative sein. Die Welt der "digital natives" wird nicht wieder auf analoge Dimensionen zurückschrumpfen. Besser das Beste daraus machen, meine ich - AUCH als älterer "Zuschauer".

          • @Normalo:

            Heute in den SWR1 Nachrichten. Lt. einer Studie nimmt die Zahl der Kinder mit Sprachproblemen stark zu. Als Ursache wird weniger menschlicher und mehr elektronischer Kontakt genannt.

            Also der Mangel an direktem, intensiven menschlichen Kontakt scheint schon ein Problem zu sein.

            Was ich aber besonders merkwürdig finde, ist die Bedeutung eines Konzertes. Natürlich hat man sich auch früher schon über den Ausfall eines Konzertes geärgert. Aber was im Artikel genannt wird geht ja weit darüber hinaus.

            PS: Ich nutze auch soziale Medien. Als Hilfsmittel. Sie ersetzen aber keine echten Menschen. Letztere füttern z.B. meine Katze, wenn ich mal wegfahre. Das erledigen nur echte, reale Freunde.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              "Was ich aber besonders merkwürdig finde, ist die Bedeutung eines Konzertes."

              Ich kann mich erinnern, dass z. B. in der Boyband-Phase der Neunziger Konzertbesuche von den schwärmenden Fans auch als Leben-und-Tod-Angelegenheiten behandelt wurden (von den Nicht-Fans auch, nur halt in der fremdschämenden "Eher sterbe ich"-Variante...). Aber die Hype ist sicher auch im Vergleich zu solchen früheren Teenie-Idolen von einer anderen Dimtension. Das mag neben dem Multiplikations- und Bestätigungseffekt von Social Media auch daran liegen, dass mit Taylor Swift erstmals eine (ihre Lieder selbst schreibende!) Frau in dieser Position ist. Schwärme für hübsch gecastete Jungs kommen und gehen, aber Swift ist mehr "BFF"-Projektion: Sie wird nicht mit BHs beschmissen sondern versetzt ihr Publikum eher in eine Art "Ekstase des Verstandenwerdens".

              ad ps: Sie und ich sollten wahrscheinlich unseren Gebrauch von Social Media nicht mit dem der nach 2000 Geborenen vergleichen. Die haben einfach keine Katzen sondern ein Smartfone, das praktischerweise auch mit in den Urlaub fährt. Sicher haben sie auch Real-Life-Freunde (mit denen sie dann bereden, was gerade auf dem Smartfone so abgeht...).

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ja, da bin ich ganz auf Ihrer Denkseite! Danke.

  • Im Text schwingt Abkehnung der Swifties und der Erwachsenen mit, die sich freuen, dass die eigenen Kinder sich etwas harmlosen hingeben. Wenn das Fazit lautet:

    „Safe Space, wo alle sich lieb haben. Das ist die heutige Utopie, …“

    Verstehe ich die Kritik nicht. Ist es nicht die Utopie schlechthin, dass sich alle Menschen lieb haben? Israels nicht das Ziel der linken Bewegung? Es scheint, das was die Autorin stört, ist die „Spießigkeit“ der Fans und der Eltern.

    Ansonsten hätte man es bei einem Belächeln eines Wohlstadphänomens belassen können, das darin zum Ausfruck kommt, dass ein abgesagtes Konzert eine „Katastrophe“ ist. Doch ist das nicht eine Katastrophe, ganz ohne Belächeln? Ein einzelner Terrorist greift in die Freiheit und aller ein. Solingen ist abgesagt wegen einem geglückten Anschlag. Swift wurde abgesagt, bevor es einen Anschlag gab. Anstatt nach Hause zu fahren, haben die Fans das Beste daraus gemacht. Das kann man bewundern oder belächeln.

    • @Strolch:

      Das Ziel der linken Bewegung?

      Ich fürchte, die Swifties haben sich alle lieb, weil die Gruppe so homogen ist. Alles weiße, junge Frauen. Ein paar Kens dazwischen und ein paar Eltern. Sieht mir mehr nach einem Traum der Rechten aus.

    • @Strolch:

      Nicht etwa als Gegenrede zu Ihrem Kommentar:



      "Sich etwas ´harmlosen´ hingeben".



      Ich war lange nicht mehr in dem kleinen Park hier in der Nähe. Dort lernte ich einen "Zustand" kennen, den erlebte ich dort irgendwie zum ersten Mal und nie in einem anderen Park.



      Es war friedlich!



      Wirklich. Das war im den Sommern nicht etwa ein dann doch irgendwie "bemühtes-relaxen". Schon gar nicht ein regressives alles-wurscht-erschlaffen. Es war friedlich.



      Kinder bolzten tüchtig. Einige Hunde tollten. Gegrillt wurde. Gelesen wurde. Gesonnt wurde und geklönt. Manchmal feierte eine Geburtstagsrunde am Rand der Rasenfläche, bei den schönen Bäumen rund um zu.



      Und das alles zur selben Zeit. Mit allen Altersgruppen. Mir war es so, dass da eine stillschweigende Übereinkunft war, die jeder SPÜRTE. Da flog schon mal ein Ball auf die Bratwurst. Freundliches lachen, ist doch nicht so schlimm...



      Man hätte micro-soziologische Studien darüber machen sollen, warum das so war...so eindrucksvoll war das.



      Manchmal denke ich, Utopie etwas, soll doch sein. Man soll schon mal sich trauen, träumen zu dürfen. Vielleicht?

      • @Moon:

        Danke. Friedlichkeit findet nicht in den Medien statt. Es gibt sie mehr, als man glaubt. Es kommt auf den Fokus an.

      • @Moon:

        Ihre wunderbare Geschichte versetzt mich viele Jahre zurück. Vielen Dank. Mein persönlicher Soundtrack dazu, auf Cassette überspielt damals für die Mitnahme nach draußen: "Cadence And Cascade", "I Talked To The Wind", "Formentera Lady", "Island" und "Lizard" von King Crimson, "Take A Pebble" von ELP, die kompletten Alben "Aerosole Grey Machine" von Van der Graaf Generator sowie "Astral Weeks" von Van Morrison. Und noch viele viele andere.

        • @Josef 123:

          Auch meinerseits ein Danke. Die geschilderte mehrfache Efahrung geschah übrigens "Wirkstoffrei", Canabis liegt mir gar nicht (als Studi zweimal, dann Schluss. Und anderes sowieso nicht).



          Ich will da nichts übertreiben, überhöhen oder ähnliches. Mir geht es schon um darum, dass solche friedlichen Momente über eine Zeit hin möglich sind. Denn meine Eindruck damals war intensiv, darum ist er in Erinnerung.



          Er knüpft an @Strolchs Kommentar, der da ja sehr ernsthaft kommentiert. Und bei mir die Hoffnung: Da ist etwas, das existiert zwischen uns allen wirklich, Friedfertigkeit ist möglich.



          @LowandOrder geht da ebenfalls ernsthaft ran, mit einem anderen Aspekt, der auch zu bedenken ist. Nur etwas "harsch-humorvoller"



          Entsprechend meine "Reaktion".



          Der Artikel ist in diesem Sinne überhaupt ernst zu nehmen. Bin überrascht, wie hier junge Leute auf Schlimmes so zu reagieren verstehen. Das ist bemerkens- und gedankenswert.

  • Und was genau ist jetzt daran schlecht, wenn nach einer Absage mal nicht randaliert und nicht die Stadt zerlegt wird?

    • 6G
      698967 (Profil gelöscht)
      @Josef 123:

      Da bin ich ganz bei Ihnen und das frage ich mich auch, nach dem Lesen des Kommentars.

    • @Josef 123:

      Nunja - worauf unsere charmante Wienerin mit langem Anlauf letztlich hinaus will - ist - bei den Erwachsenen eine verschwurbelte Form einer Regression zu konstatieren.



      Den Jugendlichen gesteht sie‘s doch zu.

      unterm——- aus dem Skat —-



      Mit solcherart Besoffenheit war ich - bass erstaunt - erstmals Anfang der 60er konfrontiert. Als die Tochter einer befreundeten Familie vom Schüleraustausch 🇺🇸 mit der Sing/out Bewegung zurückkam. Geradezu gestont wollte sie Sing-out in Lübeck SH BRD aufbauen! Argumenten nicht zugänglich



      Hielt gut ein halbes Jahr an.



      Als ich sie mit ihr liiert später mal drauf ansprach “Balla Balla!“ nickte sie: “hör bloß auf - schrecklich!“



      (pps - der Austausch-Texaner dem Vater PolRat & Co - schmunzelnd die Flinte in der Hüfte - beim Tontaubenschießen mit 💯% zeigte - wo der Hammer hängt - ist eine andere Geschichte!;)) - wie 🏀 🧺 von der Mitte! Aber Hallo

      • @Lowandorder:

        "Definitionen von Oxford Languages:

        Re·gres·si·on



        /Regressión/



        Substantiv, feminin [die]

        1.



        bildungssprachlich



        langsamer Rückgang; rückläufige Tendenz, Entwicklung



        "eine Zeit der wirtschaftlichen Regression"



        2.



        Psychologie



        das Zurückgehen, Zurückfallen auf frühere Stufen der geistigen Entwicklung, des Trieblebens



        3.



        Geologie



        das Zurückweichen des Meeres durch das Absinken des Meeresspiegels oder die Hebung des Landes



        4.



        Biologie



        das Schrumpfen des Ausbreitungsgebietes einer Art oder Rasse von Lebewesen



        5.



        Statistik



        Aufteilung einer Variablen in einen systematischen und einen zufälligen Teil zur angenäherten Beschreibung einer Variablen als Funktion anderer



        6a.



        Rhetorik•Stilkunde



        Wiederholung eines Satzes, aber in umgekehrter Wortfolge



        6b.



        Rhetorik•Stilkunde



        nachträgliche, erläuternde Wiederaufnahme



        Flexionen":

        Na da lässt sich jetzt aber doch ein recht interessanter Katalog an Deutungen/Verbindungen herstellen.

        Weiters: Ohne die Jugendlichen hätte die Autorin nichts über die Erwachsenen zu berichten.

        "Schonn." :-)

        Oder?

        • @Josef 123:

          Naja - sie bemüht zu recht den heute ja bekannten (🧠um🧱) - Adoleszenzbonus & konstatiert bei den Erwachsenen: die Nr. 2 ehres Kanon - in Sonderform -



          “kollektive Re-Teenagerisierung.“



          …anschließe mich - lustig geht anders

          unterm——btw & aus dem Skat —



          zB eine meiner letzten Freundinnen - war mit zwei Althippie-Eltern gesegnet:



          Das Grauen auf Rädern & Eigenen Spätschäden! Woll

      • @Lowandorder:

        "Geradezu gestoned"....Na also hören sie mal, junges Fräulein!

        You get a kick on "sing-out sixty-six" ???

        oder war das:

        "Dont boggart your joint my friend, place it over to me" ???

        Geteilte Freude ist doppelte Freude.

        Beides ist nicht ganz ohne Risiko, ohne welches Erfahrungen machen halt nicht ab geht.

        Erfüllung beim Singen patriotischer Lieder kann evtl. bleibende Folgenden haben, wie ebenso...siehe Zeile vier von oben.

        Sie bringen, mir geht es jedenfalls so, da einen interessanten Aspekt mit hinein, noch dazu aus ihrer eigenen Lebenserinnerung.

        Die Sing-out 66-Bewegung, USA, war mir gänzlich unbekannt (wie sowieso das meißte) und ich habe bei wikipedia nachgeschaut. Wer einen Blick auf "die Jugend" 1950er/1960er werfen will - ist diesbezüglich vielleicht zu empfehlen: Sing-out 66

        de.wikipedia.org/wiki/Sing-Out_66

        Sehr "patriotische Sache" - sollte "die" Jugend auch von einer kritischen Betrachtung des Vietnamkrieges abhalten?

        Tja und dann...

        Darauf einen Nat King Cole: "Get a kick on highway 66"

        Ob mit Harey, Moto Guzzy oder BMW - alles o.k. Hauptsache easy riding mit:

        www.youtube.com/watch?v=T6xscuS9H8U







        Und zwar besser ohne als mit!

        • @Moon:

          Danke. Was mich immer vom Hocker gehauen &! gleichzeitig gewarnt hat:



          Pete Seeger & Sing Out - what makes him tick?



          www.youtube.com/wa...ZXIgc2luZyBvdXQ%3D



          Der Mann Weggefährte von Woody Guthrie am five-string banjo 🪕 - der mühelos einen ganzen Saal aus dem Stand zum Mit-Singen bringen - Hobo Bob in Newport ansagen & das Original von “If I had a hammer“ “ Gemeinsam mit Lee Hays schuf er 1949 das wirkmächtige Lied If I Had a Hammer, das als kommunistisch bezeichnet zunächst auf starke Ablehnung traf“ - singen konnte.



          de.wikipedia.org/wiki/Pete_Seeger



          “Während der McCarthy-Ära wurde auch Seeger vor das Komitee für unamerikanische Umtriebe geladen. Bereits seit 1952 lag dort eine Aussage vor, wonach er Mitglied der Kommunistischen Partei der USA sei. Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er zu Studentenzeiten in deren Jugendorganisation eingetreten war. Allerdings habe er die Organisation vor 1950 verlassen, sei aber den kommunistischen Idealen treu geblieben. Vor dem Ausschuss verweigerte er 1955 die Aussage unter Berufung auf seine verfassungsmäßigen Rechte, was 1957 zur Folge hatte, dass er wegen staatsfeindlicher Tätigkeite

        • @Moon:

          "... PASS it over to me"; wenn schon denn schon: soviel Genauigkeit muss trotz allem sein. Oder gerade deswegen.

      • @Lowandorder:

        Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein:

        “Konsum und Event,



        bleiben am End.



        Nix Revolution.



        Ersatzreligion. -



        Karl wusste das schon.



        --



        Opiums für's Volk.



        führt zum Erfolg



        der Marktwirtschaft.



        Es ist geschafft.



        --



        (Nur dann und wann



        stört sich wer dran.)“

        Und stellt Fragen - laut oder still -



        Die keiner hören will -



        Der stören will!

  • Überzeugender Artikel

  • Als ebenso erstaunlich empfinde ich, dass die Enttäuschung und sogar Trauer über die Konzertabsage nicht in Angst, Wut und Hass umschlug. Sondern inklusiv im Kollektiv ohne Vorwurf bewältigt wurde. Eigentlich der Prototyp einer erwachseneren Reaktion, als die, zu der viele „Erwachsene“ fähig sind.

    • 6G
      698967 (Profil gelöscht)
      @Thomas Raukamp:

      Genau das!

    • @Thomas Raukamp:

      So habe ich das auch in Erinnerung. Hinzu kam sicherlich, dass es überwiegend weibliche Fans waren. Dazu kamen Aussagen der Swifties wie: die Sicherheit habe Vorrang vor allem, sprich vor der Durchführung des Konzerts. Und man lasse sich von den verrückten Terroristen nicht einschüchtern, sondern stehe zusammen in seiner Wut und Enttäuschung....Chapeau vor so viel Reife