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Geiselbefreiung im Gazastreifen„Unser Überleben hatte Priorität“

Unser Autor lebt im Gazastreifen – genau in dem Viertel, aus dem die israelische Armee vor einer Woche Geiseln befreite. Ein persönlicher Bericht.

Zurück bleibt Zerstörung: das Flüchtlingslager Nuseirat am 9. Juni, dem Tag nach der Geiselbefreiung Foto: Abed Khaled/reuters

G egen 11 Uhr vormittags kehrte ich nach Hause zurück. Ich hatte das Grab eines Freundes besucht, der bei einem Bombenangriff auf eine UNRWA-Schule getötet worden war. Plötzlich hörte ich heftige Explosionen. Sie waren viel lauter als der gelegentliche Beschuss, den wir im Flüchtlingslager Nuseirat hören. Bald hörte ich auch Feuer von Maschinengewehren. Etwas stimmte nicht.

Am Himmel sah ich mehrere Apache-Hubschrauber und zahlreiche Drohnen. Ein Mädchen rannte durch das Lager, weinte und rief, dass Panzer die Straße Salah al-Din erreicht hätten. Die Szene war chaotisch und weckte in mir Erinnerungen an die Flucht aus meinem Haus in Chan Junis, als die israelische Armee in unser Viertel einmarschierte.

Ich eilte zurück nach Hause und sagte meiner Mutter, dass wir sofort evakuieren müssten. Sie fragte nach unseren Habseligkeiten, aber ich bestand darauf, dass unser Überleben jetzt Priorität hat. Inmitten des Bombardements liefen mein fünfjähriger Bruder, meine Mutter und ich die Straße entlang – ohne zu wissen, wohin. Wir schlossen uns einfach anderen an, die Richtung Süden liefen. Was wir sahen, erinnerte an einen Kriegsfilm.

Wir waren zu Fuß, weil es keine öffentlichen Verkehrsmittel gab, und ich trug schweres Gepäck. Nach einiger Zeit hielten wir an, um eine Pause zu machen. Erschöpft hörten wir die Leute sagen, es würde sich um eine begrenzte Aktion handeln. Wir fanden einen Platz zum Ausruhen am Straßenrand.

Nach etwa zwei Stunden beruhigte sich die Lage. Erst dann erfuhren wir, dass die israelischen Streitkräfte erfolgreich Geiseln aus unserem Lager befreit hatten und die Operation beendet war. Doch zurück blieb die tragische Zahl von mindestens 274 Märtyrern und Hunderten verletzten Zivilisten.

Mohammed A. Abu Saif (24) lebt aktuell im Flüchtlingslager Nuseirat im mittleren Gazastreifen. Er floh im Januar aus Chan Junis, wo er für die das Telekommunikationsunternehmen Jawwal arbeitete.

In der Reihe „Gaza-Tagebuch“ berichten unsere Au­to­r*in­nen von ihrem Leben im Gazastreifen. Alle Beiträge der Reihe finden Sie hier.

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53 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • "Märtyrer" (?!)

    Hört auf sowas abzudrucken.

    Der Autor dieses Artikels ist offenkundig völlig konform mit der Hamas Strategie Geiseln in Flüchtlingslagern zu verstecken.

    Die Opfer dieser Hamas Strategie verunglimpft der Autor als Märtyrer. Aber nein, diese Menschen mögen von israelischen Waffen getötet worden sein als Opfer plaziert wurden sie von der Hamas - die die Geiseln unter ihnen versteckt hat.



    Wer diese Opfer nun als Märtyrer bezeichnet, opfert ihre Menschlichkeit posthum erneut indem ihr sinnloses Sterben für die islamistischen Ziele der Hamas in Dienst genommen wird.

    Ich erwarte von einer demokratischen Zeitung, die den Anspruch an aufgeklärende Berichterstattung erhebt dass hier keine Opfer zu Märtyrer*innen entstellt werden.

    Zum Märtyerer*in sein bedarf es des selbst gewählten Opfers für den Glauben. Der politische Fundamentalismus verklärt Täter*innen zu Märtyrer*innen für die demokratische Gesellschaft bleiben sie Täter*innen ... ganz sicher sah sich Anis Amri als Märtyer, ebenso sicher haben Autor*innen die ihn so lesen in der taz keine Plattform ...

    Diesen Maßstab klage ich ein, die Menschen im Flüchtlingslager fragte niemand ob sie Märtyrer* sein wollen.

  • Ein guter Artikel, danke.

    Man muss anfangen zu verstehen, wie die "andere", uns fremde Seite denkt. Auch Abwehr und Angst können die Folge sein, wichtig ist eine Konfrontation.

    Sich hineindenken hilft immer, die eigenen Widersprüche und Prägungen zu objektivieren.

    Es muss doch endlich mal Verständigung und Kennenlernen geben.

    Und die taz ist sehr mutig, dass sie so etwas im Original abdruckt, wie zum Beispiel auch im Ukrainekrieg.

    Da sieht man wieder, was für eine außergewöhnliche Zeitung das in der heutigen Zeit ist.

    Einfach nur danke :-)

    • @Stavros:

      Ja, für die Aufklärung ist es wichtig zu lesen, dass hier Menschen zu Märtyrern erklärt werden, die Menschen als Geiseln bewacht haben und bei deren Befreiung getötet wurden. Man sollte das wissen.

      • @Dr. McSchreck:

        Ist doch gut, dass wir diese Innensicht hier lesen können.

        Jede/r muss immer selbst denken und filtern - oder kommentieren.

  • Also die Ignoranz in den Kommentaren ist schon krass. Da hat sich fast niemand damit beschäftigt was das Wort Märtyrer im Islam bedeutet- aber ein JUrteil fällen wollen. Es gibt laut islamischen Recht drei Kategorien für Märtyrer: 1. Muslime, die im Krieg oder bei einem Überfall sterben. 2. Muslime die beim Schutz von Eigentum, ihres Lebens oder Gewissens sterben oder beim Verteidigen von anderen 3. Muslime. die an den Folgen des Kampfes, beim Gebären, durch Ertrinken, durch Verbrennungen, durch Unfälle, beim Erlernen einer Wissenschaft umkommen. Oft werden damit einfach alle bezeichnet die eines gewaltsamen Todes gestorben sind- Opfer. Jeder der als Folge dieses Krieges stirbt wird als Märtyrer bezeichnet auch Kinder- das hat in dem Fall nichts mit irgendeiner Glorifizierung von Kämpfern zu tun, sondern mit islamischen Recht was zum Beispiel unmittelbare Folgen auf die Art des Begräbnis hat. Dafür das so viele eine Meinung zum Islam haben, merkt man immer wieder, dass die meisten kein Wissen haben, nur Vorurteile.

    • @Momo Bar:

      Märtyrer im biblischen Verständnis waren/sind Menschen die ihres Glaubens wegen, oft bestialisch, getötet wurden. Eine andere Auslegung des Begriffs lässt sich aus der biblischen Lehre nicht ableiten. Im Islam herrscht ein völlig anderes Verständnis für denselben Begriff. Die "274 Märtyrer" im Artikel gehen übrigens auf das Konto der Hamas. Sie sind somit im im islamischen Sinne gemäß Ihrer Interpreration im (israelischen) Kampf gegen die Hamas und zur Rettumg deren Geiseln zu "Mätyrern" geworden.

    • @Momo Bar:

      Sie übersetzen vom Arabischen ins Deutsche. Und in der deutschen Sprache hat das Wort Märtyrer eine besondere Bedeutung. Wenn im arabischen oder bei islamischen Gläubigen was anderes darunter verstanden wird, muss auch eine passendere Übersetzung verwendet werden, z.B. Opfer. Aber ein Wort, wie in diesem Falle "Märtyrer" einfach umzudeuten, geht nicht. Das hat die (unselige) Geschichte schon öfters gezeigt

      • @Offebacher:

        Das Wort Märtyrer hat fast in jeder Religion eine andere Bedeutung, das gibt es im Hinduismus, Judentum, Christentum unter den Sikh, im Bahaismus. Das hat nichts mit Umdeutung zu tun, sondern einfach mit anderen Kulturen und Religionen. Nur weil wir diesen Begriff aufgrund der Taten von Extremisten negativ konnotieren, können wir das nicht von Anhängern aller Religionen erwarten, für die der Begriff von jeher eine andere Bedeutung hat. Das ist fast das gleiche wie die Diskussion um Antonio Rüdiger, als es darum ging ob er eine unter Muslimen übliche religiöse Geste gemacht hat oder einen Islamisten- Gruß.

    • @Momo Bar:

      Ihre Ignoranz ist auch krass, mit der Sie die totalitäre Freund-Feind-Ideologie nach der alles Leben dem Kampf für den Islam zu widmen ist, nicht als das sehen wollen was sie ist: Faschistischer Heldenkult.

      Dass dieses Weltbild institutionalisiert und verrechtlicht ist, macht es doch nicht besser sondern schlimmer. Die Nürnberger Rassegesetze waren auch offizielles Recht. Trotzdem waren sie faschistischer Müll.

      • @Chris McZott:

        Und sie haben immer noch nicht die Bedeutung des Wortes verstanden. Und ich denke sie wollen das auch gar nicht. Im übrigen gibt es das Wort auch in anderen Religionen, vielleicht sollten sie sich damit mal beschäftigen. Sie bestätigen leider genau das was ich gesagt habe- Vorurteile, "Wissen" das geprägt wurde von islamischen Extremisten aber nicht wirklich Wissen über die Religion.

        • @Momo Bar:

          Nein, das Wort Märtyrer gibt es eben in anderen Religionen nicht. Hier wird es als Übersetzung von shahid benutzt, was aber sehr fehlerhaft ist, eben, weil shahid etwas anderes ist. Märtyrer bedeutet im griechischen Original ursprünglich einfach Zeuge und wurde schon sehr früh als spezifisch christlicher Ausdruck für ein spezifisches religiöses Konzept übernommen. "Shahid" bedeutet zwar ursprünglich auch Zeuge, das islamische Konzept unterscheidet sich aber sehr vom christlichen. Es ist strenggenommen auch falsch, shahid auf Nichtmuslime anzuwenden. Beiden Religionen wird also durch die Gleichsetzung kein Gefallen getan.

    • @Momo Bar:

      Es wäre vielleicht sinnvoller gewesen, den Begriff Shahid statt Märyrer stehen zu lassen, um darauf hinzuweisen, dass es hier um eine spezifisch muslimisch / arabische Sichtweise des Märtyrertods geht. Allerdings wäre es Aufgabe der taz gewesen, dies in einer Fußnote zu erläutern.

    • @Momo Bar:

      Der Punkt ist: Juden, die beim Massaker der Hamas am 7. Oktober starben, sind für Muslime niemals "Märtyrer". Natürlich ist shahid immer auch eine Ehrenbezeichnung, und sie gilt eben ausschließlich für Muslime.

      "Unsere Toten sind besser als eure" - das bedeutet das Wort nun mal AUCH.

      • @Suryo:

        Komisch das z.B. Shireen Abu Akleh, eine Christin, auch als Märtyrerin bezeichnet wird.

        • @Momo Bar:

          Sie wird als shahida bezeichnet. Märtyrerinnen sind etwas anderes.

          Eine Märtyrerin wäre sie, wenn sie aufgrund ihres christlichen Glaubens getötet worden wäre. Das ist aber nicht der Fall.

          Die Übersetzung von shahid als Märtyrer ist schlicht und einfach falsch. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Konzepte. Ein Mensch, der einen anderen angreift und dabei getötet wird, kann shahid sein, aber kein Märtyrer, weil letzteres Angriff, Gewalt, und aktives Streben nach dem Tod ausschließt.

  • Bezüglich des Märtyrer Zitats.



    Diese Leute leben seit Jahrzehnten im Elend.



    Isoliert von der Außenwelt, abhängig von einem unfühlenden Nachbarn, der ihnen jederzeit die essenziellen Lebensgrundlagen entziehen könnte und hat und sie haben kein Recht auf Selbstbestimmung als Nation.

    Wenn sie von Märtyrern sprechen, dann mit dem Glauben, dass die Toten irgendeinen Sinn haben mussten.

    • @Jessica Blucher:

      Hätten mal all die Millionen, die ihnen ihre Gönner über die Jahre gegeben haben, irgendeinen Sinn gehabt. Sie wurden in Waffen investiert und für die persönliche Bereicherung weniger genutzt, anstatt z.B. in Infrastruktur. Oder sogar in Schutzräume, die jetzt Leben retten könnten.

  • Manche scheinen sich zu fragen, was der Autor sich bei der Verwendung des Begriffs "Märtyrer" gedacht hat, bzw. "was in seinem Kopf vorgeht".

    Nach Monaten der Flucht, des Verlusts, der ständigen Angst um das eigene Leben und das von Verwandten und Freunden? Ich weiss nicht, ob ich tatsächlich wissen möchte "was in seinem Kopf vorgeht", denn ich weiss nicht ob ich eine Situation wie die seine auch nur für ein paar Tage aushalten würde.

    Ist der Begriff des "Märtyrers" bedenklich? Ja, aber dieser Bericht wurde nicht in einem klimatisierten, gemütlichen Büro irgendwo in Europa geschrieben, wo wir uns noch lange über die (in)korrekte Bezeichnung von zivilen Todesopfern echauffieren können (und ich meine die zivilen Opfer, nicht die Terroristen), sondern in einer aktiven Kriegszone. Dem Bericht des Autoren nur aufgrund dessen die Legitimität abzusprechen ist Dehumanisierung des "Feinds" par excellence.

    Diese Reaktion ist ein Schutzmechanismus, um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, wie sich diese Person wohl gerade fühlen muss. Es ist ein ziemlich plumper und offensichtlicher Versuch ihn in die Nähe der Hamas zu stellen, damit "wir" sein Leid rechtfertigen können.

  • "Geiseln aus unserem Lager befreit hat..."



    Hat er sich eigentlich mal die Frage gestellt, wie es sein kann, dass in "unserem" Lager Geiseln gefangen gehalten werden?



    Dass es sich bei dem Flüchtlingslager um eine von UNWRA versorgte Einrichtung handelt, ist der nächste Skandal, der offensichlich niemanden interessiert. Eine der Geiseln hat berichtet, dass sie im Haus eins Arztes gefangen gehalten wurde. Eines von der UNWRA bezahlten Arztes?

  • Märtyrer, ohne Anführungsstriche, soso. Wie kann so ein terrorverherrlichender Quatsch in die taz gelangen? Das waren zum Teil Terroristen, zum Teil zivile Opfer - aber gewiss keine Leute, die für irgendeine gerechte Sache gestorben sind.

    Solange Terroristen und von ihnen geopferte Zivilisten als "Märtyrer" glorifiziert werden, solange der blinde Hass auf Juden und Israel Leben und Wohlergehen der Palästinenser verachten lässt, solange wird das nichts mit Palästina.

    • @Earendil:

      Das die Getöteten vom Hass geprägt waren ist eine der typischen Unterstellungen, mit der man das Töten rechtfertigen will.

      Historisch gesehen dürften es sich bei den Getöteten übrigens vor allem um die Nachfahren von zum Islam konvertierte Juden handeln.

    • @Earendil:

      Wer gilt im Islam als Märtyrer?



      Terror & Religion: Was versteht der Islam eigentlich unter ...



      Es handelt sich um Muslime, die bei der Ausübung ihrer Religion von Gegnern getötet werden: Gleichgültig ist dabei, ob sie während eines Krieges sterben, in dem es um die Verteidigung der Muslime und der Unterdrückten geht, oder ob sie als Opfer von Gewalt im Alltag ihr Leben verlieren.



      quelle: www.welt.de/geschi...er-Maertyrern.html

    • @Earendil:

      So ist es.

    • @Earendil:

      Märtyrer bedeutet in diesem Zusammenhang einfach nur: im bewaffneten Konflikt bzw Krieg gestorben.

      • @Des247:

        Das bedeutet das arabische Wort shahid.

        Märtyrer ist aber kein arabisches Wort und bedeutet etwas ganz anderes. Es ist schlicht und einfach eine falsche Übersetzung von shahid.

    • @Earendil:

      "Doch zurück blieb die tragische Zahl von mindestens 274 Märtyrern und Hunderten verletzten Zivilisten."

      Ist auch die Hamas Angabe, in dieser sind die Toten durch Hamas Beschuss ebenso fiktiv enthalten, wie die Hamas Terrorist*innen. Zudem kann diese Zahl stark bezweifelt werden. Erschien die erste Zahl Minuten nach der Befreiung. Wie der Bericht beschreibt war es wohl nicht so, dass während der Beschuss lief gezählt worden ist.

    • @Earendil:

      Die Palästinenser bezeichnen ihre Opfer im Konflikt mit Israel grundsätzlich als Märtyrer, egal ob es Zivilisten oder Mitglieder der bewaffneten Gruppen sind. Daran kann man natuerlich Anstoss nehmen – und ich bin beim Lesen auch erst einmal darüber gestolpert. Aber genau deshalb bin ich der taz dankbar dafür, diesen Text gedruckt zu haben. Schließlich zwingt es dazu, sich die Deutungen und Konzeptionalisierungen der anderen Seite zu vergegenwärtigen (nur zur Erinnerung: unser Sprechen über den NO-Konflikt klingt für palästinensische Ohren nicht weniger befremdlich). Statt zu erwarten, dass sich die Opfer einer Jahrzehnte währenden Besatzungspolitik unseren Rechtfertigungsdiskurs zu eigen machen, könnte man in diesem Beitrag ja eine willkommene Gelegenheit sehen, eigene Perspektiven zu hinterfragen oder zumindest weniger absolut zu setzen. Das kratzt am Selbstbild. Soll es aber auch.

  • An den meisten Kommentaren kann man erkennen, daß viele Menschen hier weder in der Lage sind, sich in die fremde Kultur hineinzudenken noch die furchtbare Situation sehen, in der sich die palestinensische Bevölkerung in Gaza befindet. Die meisten dort haben alles verloren, was sie besessen haben. Das ständige Bombardement, die Tatsache daß es keinen sicheren Ort gibt und die Menschen in ständiger Todesangst leben, die vielen traumatisierten Kinder, der Hunger, die vielen Leichen, Krankheiten und so weiter, all das sollte doch ausreichend für mehr Mitgefühl sein.

    • @Peter Fritsche:

      Im Zweiten Weltkrieg wurden hunderttausende Familien ausgebombt, viele verloren alles, tausende Kinder wurden getötet.

      Tragisch? Auf individueller Ebene, ja.

      Aber waren diese Deutschen insgesamt, als Gruppe, bemitleidenswerte Opfer?

      Nein.

      • @Suryo:

        Letztens habe ich mich mit meinem Vater (94 Jahre) unterhalten und er sagte: Es ist unerträglich, diese Kriege (Gaza und Ukraine) diese Bilder von den Toten in den weißen Säcken und dabei liefen ihm Tränen übers Gesicht. Er hat den Krieg als Kind erlebt, sein Vater ist im Krieg gestorben. Hatte er das verdient? Hat er kein Mitgefühl verdient? Nein?



        Hat hier irgendjemand schon mal einen Krieg erlebt? Oder Hunger?



        Immer nur aber die Hamas, aber die Hamas, aber nein, es ist das israelische Militär die die Menschen tötet. Es ist die israelische Regierung die keinen endgültigen Waffenstillstand will.



        In Deutschland gab es damals immerhin Bunker, nicht mal das gibt es in Gaza. Und jetzt wird wieder kommen: Aber die Hamas, aber die Hamas, ich kann es nicht mehr hören!

        • @Des247:

          Bunker gibt es in Gaza übrigens nicht, weil die Hamas ihre Millionen lieber für Waffen ausgegeben hat.

        • @Des247:

          Damals hätte Deutschland das Sterben sofort beenden können, in dem es kapituliert.

          Heute könnte die Hamas das Sterben sofort beenden, indem sie kapituliert und die Geiseln freilässt.

          Was ist daran falsch?

          • @Suryo:

            Man kann diese beiden Kriege nicht vergleichen. In Deutschland wurde kein Staat errichtet, es gab keine Vertreibung und Enteignung und kein 2 Klassen System.

            • @Des247:

              Israel hat Gaza im Jahre 2005 geräumt. Die Hamas hat Millionen, sie aber nur für Waffen und die persönliche Bereicherung ihrer Führer genutzt. Der jetzige Krieg ist ausschließlich die Konsequenz des 7. Oktober, so, wie die zerstörten deutschen Städte im Weltkrieg ausschließlich die Konsequenz des Handelns Deutschlands waren.

    • @Peter Fritsche:

      Mitgefühl, mit den Kindern vor Allem. Wird das auch von den Millionären der Hamas gefordert, die beim Scheich am Swimmingpool liegen?

    • @Peter Fritsche:

      Ich habe Mitgefühl mit den Menschen in Gaza, aber eben auch mit den vier befreiten Geiseln.

      Ich habe kein Mitgefühl mit der Hamas und laste dieser an, dass sie nachdem die Geiseln befreit hat diese und die Befreier*innen umbringen wollte und dafür in der Umgebung mit Zivilist*innen (welche übrigens durch die Geiselhaltung und Hamas Tätigkeit ihren Schutz verloren haben, also ein Kriegsverbrechen der Hamas) den Beschuss gestartet hat.

      Es kann übrigens auch bezweifelt werden, dass niemand wusste dass Geiseln dort gehalten worden sind.

      Hamas raus aus den Köpfen, Hamas raus aus Gaza, Hamas raus aus den Lagern. Dann würde die Familie von Mohammed A. Abu Saif auch nicht aus Angst schnell ihren Unterschlupf verlassen.

    • @Peter Fritsche:

      Und in Ihrem Kommentar keine Wort



      über die Geiseln, ihr Leben seit über



      100 Tagen in Todesangst u. vor Folter,



      festgehalten offensichtlich nicht von



      Soldaten sondern zivilen Handlangern, die hier vom Autor als Märtyrer



      beschrieben werden.

      • @Hubertus Behr:

        Und in Ihrem Kommentar kein Wort von den tausenden Gefangenen, die unter dem Deckmantel der "Administrativhaft" ohne Rechtsbeistand und ohne öffentliche Beweisführung in israelische Haftanstalten weggesperrt werden was immer wieder auf unbestimmte Zeit verlängert werden darf.



        Immer wieder Berichte von Misshandlungen und "ungeklärte Todesfällen".



        Dazu darf diesen "Verurteilten" ihr Besitz weggenommen, ihre Häuser mit Bulldozern platt gemacht und ihre Familien von ihrem Land vertrieben werden.

        Alles Verstöße gegen Menschenrechte und jegliche Moral begangen von Handlangern in Uniform....

  • 300 Märtyrer? Das sind Menschen, die der Definition nach für ihren Glauben bzw. ihre Sache/Überzeugung sterben. Will uns der Autor dieser Zeilen das wirklich sagen? Wenn ja, was ist ihre Überzeugung gewesen? Dass Israel nicht existieren darf ? Oder waren es einfach nur die Kollateralschäden einer maximal rücksichtslosen Terrorbande die nicht davor zurückschreckt genommene Geiseln in Mitten von Wohngebieten gefangen zuhalten, wohlwissend, dass diese als Ziel oberster Priorität des israelischen Militärs haben. Es sind diese ganzen beschissenen Überzeugungstäter auf Seiten der Palästinenser, die dem restlichen Volk diese Situation einbrockt haben.

    • @Fran Zose:

      "Es sind diese ganzen beschissenen Überzeugungstäter auf Seiten der Palästinenser,"



      Wenn Sie das "... auf Seiten der Palästinenser," weggelassen hätten, kämen Sie der Wahrheit ein gutes Stück näher. Denn die hat es in übergroßer Zahl auf beiden Seiten.

    • @Fran Zose:

      Es fällt auf, dass jeder der den Märtyrer Teil erwähnt absolut null Mitleid mit der unmöglichen Situation zeigt, inder sich diese Menschen befinden.



      Menschen die alles was sie besitzen verloren haben, Familienmitglieder, nicht wissen ob sie morgen noch eben, nicht wissen ob sie morgen etwas zu Essen finden.

      Nein mit Märtyrer meint man nicht das Ziel Israel zu vernichten, sondern der Traum, dass irgendwann bessere Zeiten kommt, mit einem eigenen unabhängigen und sicheren Staat.

      • @Jessica Blucher:

        Die Menschen tun mir leid, definitiv und nichts wünsche ihnen mehr, als dass diese Situation schnellstmöglich endet. Das wäre auch recht einfach: Die Hamas müsste nur die Geiseln freilassen und die Waffen niederlegen. Dann hätte es sowohl diese "Märtyrer" nicht geben als auch all die anderen Toten nicht.

        • @Fran Zose:

          In der Westbank gibt es keine Hamas und dennoch sterben dort Menschen, Autos und Häuser werden niedergebrannt, Flüsse mit Abwasser verunreinigt und Helfer verprügelt.



          Menschen starben auch sinnlos in der Zeit vor der Hamasgründung.

  • Märtyrer?



    Welche völlig absurde Bezeichnung.



    Ich frage mich schon, was in dem Kopf des Autors vor sich geht.

    • @M. S.:

      Wären Sie mit palästinensischen Schulbüchern aufgewachsen und hätten von früh bis spät die Hamaspropaganda mit der Muttermilch aufgesogen, würden Sie wahrscheinlich ähnlich daher reden. Menschlich ist die Aussage also noch irgendwie verständlich. Das es allerdings ohne Einordnung in der TAZ veröffentlich wird, ist schon grenzwertig.

  • Der Autor behauptet nicht einmal, dass er keine Ahnung hatte, dass in seiner Nähe Geiseln festgehalten wurden.... und er bezeichnet die Toten unterschiedslos als Märtyrer. Keinerlei Reflektion, wie diese Lage entstanden ist, und was das für Leute sind. taz - muss das sein?

    • @TheBox:

      Ja, ich glaube, das muss sein. Palästinensische O-töne sind ein gutes Antidot gegen den grassierenden Kulleraugen-Journalismus.

  • Wie wird man denn zum Märtyrer?

    • @Edgar:

      Vielleicht sollten sie mal das Wort Märtyrer und dessen Bedeutung im Islam nachschlagen.

      • @Momo Bar:

        Die Übersetzung von Shahid als Märtyrer war schon immer Schwachsinn. Das christliche Konzept des Martyriums unterscheidet sich fundamental von dem des Shahid.

        Ein Märtyrer ist jemand, der, ohne das aktiv anzustreben, wegen seines christlichen Glaubens getötet wird, und zwar ohne Gegenwehr.

        Shahid bedeutet etwas völlig anderes.

        Man sollte die falsche Übersetzung einfach aufgeben. Shahid ist Shahid, Märtyrer ist Märtyrer.

    • @Edgar:

      alle ermordeten sind märtyrer

      • @elma:

        das mag ja alles sein - nur will die taz eine weltliche Tageszeitung sein, religiöse Argumentationsmuster sind hier fehl am Platz.



        Das können aufgeklärte religiöse Menschen die freiheitlich orientiert sind sogar selber vollkommen gut finden ...

        Selbst Christen die an die Erbsünde glauben erwarten doch als Bürger*in unschuldig zu bleiben bis zum Beweis individueller Schuld.

        Warum dann Menschen mit anderen religiösen Hintergründen, die nichtmal zwingend dem Bekenntnis der individuell betroffenen Person entsprechen müssen, begrifflich in kulturell- religiöse Sippenhaft nehmen.

        Lasst die Opfer einfach Opfer sein, und falls ihr religiös seid, betet nie nur für eure Toten/ Angehörigen dann steigt wohl die Wahrscheinlichkeit für Frieden...

        In einem an demokratischen Geichheitsgrundsätzen orientierten Medium erwarte ich eine neutrale Sprache der Menschlichkeit. (!)

        Verständlich dass ein junger Mensch der in UNRWA Schulen groß wurde so schreibt ... dieses Leid soll nicht ungesehen sein, aber in diesen Worten kann er nicht Autor sondern nur Zeuge sein.

        basics please

        Falls Schreibende eine andere Wortwahl nutzen erwarte ich eine Kontextualisierung durch die taz