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SPD-Altvordere kritisieren Olaf ScholzBeschuss aus den eigenen Reihen

Ein Kreis von SPD-Genoss:innen fordert von Kanzler Olaf Scholz einen „sofortigen Strategiewechsel“. Im Ukraine-Krieg wollen sie „Verhandlungen“.

Friedens- und Ökobewegte aus der SPD machen mobil gegen Olaf Scholz' Ukraine-Politik Foto: Marcus Brandt/dpa

Berlin taz | Unter der Überschrift „Mehr Diplomatie wagen“ fordern SPD-Mitglieder überwiegend aus Baden-Württemberg von Bundeskanzler Olaf Scholz einen „sofortigen Strategiewechsel“ im Umgang mit dem Ukraine-Krieg. „Statt nur amerikanische Entscheidungen nachzuvollziehen, sollte er eigene Friedensinitiativen ergreifen“, heißt es in dem Aufruf, der der taz vorliegt. Unterzeichnet hat ihn unter anderem die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin.

„Die Strategie des Westens, den Aggressor Russland militärisch zurückzudrängen, ist gescheitert“, schreiben die insgesamt 18 Sozialdemokrat:innen, zu denen auch die Ex-Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis, Marlene Rupprecht, Ernst Ulrich von Weizsäcker und Michael Müller, der Vorsitzende der Naturfreunde Deutschlands, gehören. „Statt militärischer Eskalation fordern wir einen Waffenstillstand und Verhandlungen.“

Sorgen machen sie sich dabei auch um die schlechte Ökobilanz des Krieges. So werde in der Ukraine nicht nur „hunderttausendfach am Fließband amputiert und gestorben“, auch sei die „Umweltzerstörung durch Munition, Bomben, Minen, Müll und Öl“ bereits so weit fortgeschritten, „dass alleine dadurch die Lebens- und Umweltqualität auf Jahrzehnte hinaus schwer geschädigt ist“.

Entsprechend kritisieren die SPD-Mitglieder Deutschlands militärische Unterstützung der Ukraine: „Der durch die deutschen Waffen- und Munitionslieferungen verursachte CO2-Ausstoß ist so hoch, dass Deutschland seine CO2-Bilanz in die Tonne treten müsste, würde man auch diese Aktionen mit einrechnen.“

Ratschlag an Olaf Scholz

Olaf Scholz „wäre gut beraten, wenn er sich an die Tradition der SPD als einer Friedenspartei erinnern würde“, empfehlen die sozialdemokratischen Veteran:innen, darunter – nicht zum ersten Mal – der 75-jährige Willy-Sohn Peter Brandt. „Statt nur amerikanische Entscheidungen nachzuvollziehen, sollte er eigene Friedensinitiativen ergreifen“, so ihr Rat an den Kanzler.

Dazu gehört für sie zuvorderst, das angegriffene Land davon zu überzeugen, doch endlich die Realitäten anzuerkennen: Es sei „allerhöchste Zeit, die Maximalforderung der Ukraine ‚Verhandlungen erst nach einem russischen Rückzug‘ aufzugeben“. Über die Frage, wie der russische Präsident Wladimir Putin zu offenen Verhandlungen ohne Vorbedingungen bewegt werden könnte, verlieren die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen hingegen kein Wort.

Erst am Freitag hatte Putin bei einem Auftritt im russischen Außenministerium bekräftigt, dass die Zugehörigkeit der annektierten ukrainischen Verwaltungsgebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson zu Russland für ihn nicht mehr zur Debatte stünde – geschweige denn die bereits 2014 annektierte Halbinsel Krim.

Keine Kritik an russischen Annexionen

Putin erklärte, Russland wäre sofort bereit, das Feuer einzustellen und zu verhandeln, wenn die Ukraine ihre Armee aus den Teilen dieser Gebiete zurückzöge, die sie bislang noch kontrolliere. Um mit dem Aggressor verhandeln zu dürfen, müsste die Selenskyj-Regierung also zunächst insgesamt etwa ein Fünftel ihres Staatsgebietes aufgeben.

„Die Bedingungen sind sehr einfach“, sagte Putin in Moskau. „Sobald sie in Kiew erklären, dass sie zu einer solchen Entscheidung bereit sind und mit einem tatsächlichen Truppenabzug aus diesen Regionen beginnen, sowie auch offiziell den Verzicht auf ihre Pläne für einen Nato-Beitritt verkünden, wird von unserer Seite sofort, buchstäblich in derselben Minute, ein Befehl zur Feuereinstellung und zur Aufnahme von Verhandlungen folgen.“

Dass der russische Autokrat unnachgiebig auf einem „Diktatfrieden“ besteht, ist keine neue Erkenntnis. Wie bei vergleichbaren Friedensappellen in Deutschland zuvor, fehlt allerdings auch in dem aktuellen Aufruf von SPD-Mitgliedern jegliche Bewertung seiner Vorstellungen, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden könnte.

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42 Kommentare

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  • Max Mustermann , Autor*in Moderator*in ,

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  • „If you can’t beat them, join them.“ - so ein populäres amerikanisches Sprichwort. Erkennbar ist es unmöglich, die Moskoviter in die Knie zu zwingen, weder militärisch noch ökonomisch. (vgl. David Teurtrie „Warum die Sanktionen gegen Russland scheitern“, Le Monde diplomatique, Juni 2024). Ergo: Verhandlungen jetzt, ehe sich das Kräfteverhältnis noch weiter zu Ungunsten des Westens verschiebt. Jetzt kann es nur noch darum gehen, zu retten, was zu retten ist.

  • „Der durch die deutschen Waffen- und Munitionslieferungen verursachte CO2-Ausstoß ist so hoch, dass Deutschland seine CO2-Bilanz in die Tonne treten müsste, würde man auch diese Aktionen mit einrechnen.“



    Das ist natürlich allerbösester Sarkasmus. Ausgerechnet die zäh an allem Fossilien festklebenden Sozialdemokraten setzen hier Klimaschutz und reines deutsches Umweltgewissen auf Platz 1 und verweisen osteuropäisches Interesse zu überleben sowie unser Interesse an einer friedlichen, vor Zar Putin halbwegs sicheren Zukunft auf die hinteren Plätze.

  • "Entsprechend kritisieren die SPD-Mitglieder Deutschlands militärische Unterstützung der Ukraine: „Der durch die deutschen Waffen- und Munitionslieferungen verursachte CO2-Ausstoß ist so hoch, dass Deutschland seine CO2-Bilanz in die Tonne treten müsste, würde man auch diese Aktionen mit einrechnen.“

    Den muss man weder bei uns einrechnen, noch bei der Ukraine, sondern bei Russland. Oder muss man jetzt für den Klimaschutz auch noch darauf verzichten, sich zu verteidigen?

  • "das angegriffene Land davon zu überzeugen, doch endlich die Realitäten anzuerkennen"

    Deutsche erklären andern Nationen mal wieder, wann sie sich bitte zu ergeben haben.



    Und alle Nachbarn Russlands dürften sich schon mal auf ähnliche Besuche freuen.

  • Genau das hätten beide Seiten im April 2022 auch unterzeichnet. Und dann haben die Amis quergeschossen. Jetzt sind wir viele 100Tsd Tote weiter - am selben Punkt; ziemlich 1.WK-artig.

    Weißrußland, Ukraine und Georgien als Pufferstaaten klingt nicht schlecht - zumindest für Westeuropäer und Russen. "Wir", d.h. die NATO, d.h. die USA haben es vergeigt. Es gibt den gemeinsamen Militärausschuß MATO-RU NRR - bis Obama/Biden/Burisma/Maidan/Krim auch aktiv.

    Die UA ist hochkorrupt und der Krieg hat daran überhaupt nichts geändert. "Aber wir haben 300.000 Soldaten geopfert, jetzt müßt ihr uns nehmen" ist so 'was von zynisch, aber letztlich das Kalkül.

  • Eine erschütternde Naivität der "Altvorderen".

  • Es muss kein Problem sein, wenn am Beginn von Verhandlungen beide Seiten ihre Maximalforderungen formulieren.



    Das Ergebnis zählt, und das kann gar nichts anderes sein als ein Kompromiss.



    Putins Forderungen nachzugeben verbietet sich von selbst, das wäre geradezu die Einladung schlechthin, demnächst nach Auffüllen seiner Waffenlager mit dem Morden und anderen Kriegen weiter zu machen.

    Leider sehe ich es auch nüchtern, dass die Ukraine kaum in der Lage sein wird, alle besetzten Gebiete zurück zu erobern. Dazu müssten wir - der "Westen" - erheblich mehr Militärhilfe leisten, was aber nicht im nötigen Umfang geschehen wird.

    Als Kompromiss könnte ich mir vorstellen, dass die Krim und der Donbass als definitiv (!) entmilitarisierte Zonen unter internationale Verwaltung gestellt werden als neutrale Puffer-Zone - vielleicht mit Blauhelm-Soldaten als Schutztruppe.



    Ggf. kann Sewastopol als Exklave russischer Militärhafen bleiben.

    Mehr kann und darf der Ukraine nicht zugemutet werden. Zu ihrem Schutz soll sie perspektivisch der NATO beitreten können (eigentlich muss sie das), ebenfalls der EU.

    Putin wird so einen Kompromiss seinem Volk verkaufen können als Erfolg.

  • Aus anderer Quelle lauten die Bedingungen des Paten in Moskau für einen "Frieden" mit der Ukraine wie folgt:

    Forderung 1: Ukraine muss einen neutralen Status bekommen

    Putin will nicht zulassen, dass die Ukraine EU- oder NATO-Mitglied wird. Das Land solle als Puffer zwischen dem Westen und Russland dienen – und damit nicht selbst bestimmen können, wohin es sich entwickelt.

    Sprich - Putin erlaubt der Ukraine nur eine eingeschränke Souveränität, was nichts anderes heißt als Unterwerfung

    Forderung 2: Entmilitarisierung des Landes

    Die Ukraine soll ihre militärische Verteidigungsfähigkeit aufgeben, damit, laut Propaganda des Kremls die Ukraine keine Gefahr mehr für Russland darstellen. Dies bedeutet, die Ukraine soll schutzlos gegenüber dem großen Nachbarn werden.

    Forderung 3: „Entnazifizierung“ der Ukraine

    Erneut behauptete Putin auf einer Pressekonferenz, dass die Ukraine "entnazifiert" werden müsste. Als Grund dafür nennt er die angebliche Verehrung des umstrittenen Ultra-Nationalisten Stephan Bandera (gestorben 1959) in weiten Teilen der ukrainischen Bevölkerung.

    Ein Faschist fordert eine „Entnazifizierung“, muss man nicht verstehen.

    • @Hierse Friedemann:

      Das sind Maximalforderungen vor Beginn von Verhandlungen. Ich finde man sollte mit Putin reden, dann wird sich zeigen ober er Verhandlunegn ernst nimmt oder nicht. Deryieit sagen alle im Westen was Putin will ohne es wirklich zu wissen / wissen zu wollen. Abgesheen davon scheint mir dass eine russische Offensive bevorsteht, und ein solches Verhandlungsangebot ist eine Vorbereitung darauf. Nach dem Motto "Ihr wolltet es ja so". am Ende wird dieser Krieg militärisch entschieden, und wesentlich da wäre eine Diskussion der ukrainischen / westlichen Kriegsziele unter Berücksichtigung nicht des Wunschdenkens Selenskis, Strack-Zimmermanns usw sondern der unangenehmen Realitäten (mlitärische, wirtschaftliche und politische). Aber auch das scheint kaum jemand im Westen wissen zu wollen. Ich empfehle die Videos des österreichischen Oberst Reisner für eine Beurteilung der militärischen Lage. Alles andere muss sich letztlich danach richten. Ansonsten geht mir die durch keiinerlei Realitätsbewusstsein getrübte Kriegsbegeisterung bei vielen Politikern ziemlich auf die Nerven.

  • Der Bundeskanzler soll diesen Brief also bei Gelegenheit dem Autokraten und Aggressor Putin übergeben, oder wie verstehe ich das?

  • Ich möchte hier Oberst a.D. Richter zitieren: "Wir waren im Recht ist eine schlechte Inschrift auf einem Grabstein".



    Das trifft die Lage der Ukraine sehr gut. Da kann man noch so rummäkeln, dass in einem Aufruf das nicht nochmal explizit steht, was jeder weiß und niemand bezweifelt (dass dies der Ukraine Land raubt).



    Wenn man aber keine Mittel hat, diesen Krieg zu gewinnen, DANN:



    - Sollte man lieber Leben retten. Die Ukraine - eh eine schrumpfende Nation- wird lebende Menschen brauchen. Keine toten Helden.



    - Sollte man einsehen, dass auch in der Ukraine viele junge Menschen lieber fliehen oder sich verstecken, als tote Helden an der Front zu werden



    - Und ja, auch die Umweltfrage kann man stellen.



    - Und ja, es kann schwierig sein. Aber nehmen wir Putin doch beim Wort: Neutrale Ukraine, dafür Frieden in den jetzigen Kontrollgrenzen. Das wäre weniger, als er gerade fordert. Aber mehr, als die Ukraine in zwei Jahren noch hätte.



    Fazit: Tendenziell wird die Ukraine eher noch mehr Land verlieren. Und dazu der Rest immer mehr kaputt und entvölkert werden.Und Putin ist mir egal, genauso wie Selensky oder all die mächtigen Menschen. Wenn ich eine Seite nehme, dann die der "Kleinen Leute

    • @Kartöfellchen:

      Das sind Alles valide Überlegungen, die "man" anstellen kann. Die Frage ist, wie "man" damit umgeht, wenn "man" selbst NICHT die Ukraine ist, deren Schicksal hier zwischen Regen und Traufe wabert.

      Diese vermeintlichen Friedensapostel demonstrieren, dass sie die Ukraine genau so wenig als souveränen Staat respektieren wie Putin das tut. Sie soll nicht etwa überredet werden, sich dieser weißen Draufsicht anzunehmen. Nein, lieber soll "man" sie mit dem sanften Druck des Lieferstopps (also der Dampfwalze) gefügig machen, sich in das Schicksal zu fügen, das ihr aus der Ferne von selbsterklärt klügeren Köpfen beschieden wird. Das ist letztlich vielleicht wohlmeinender als Putin aber genau so abgehoben und arrogant.

      Warum schreiben diese Leute sowas an Scholz und nicht an Selensky? Warum verlassen ihre "neo-realistisch" beseelten Geschwister im Geiste gar den Plenarsaal, wenn er spricht??

    • @Kartöfellchen:

      Wer Selenskiy und Putin auf eine Stufe stellt, ist schon auf die russische Propaganda reingefallen.

      Außerdem sind alle ihre Kommentare seid Kriegsbeginn eindeutig pro-russisch.

    • @Kartöfellchen:

      "Wir waren im Recht" wäre eine passende Inschrift auf den Grabmählern von Millionen alliierten Soldaten des zweiten Weltkriegs gewesen.

  • Endlich. Unterschreibe ich sofort.

    • @Ernie:

      Das wird die Ukrainer sicherlich freuen, dass Sie so großzügig über ihr Land entscheiden.

      • @Frank N. Stein:

        Zumindest wesentlich besser als sich für noch mehr Tote und Kriegsverletzte sich zu entscheiden.

      • @Frank N. Stein:

        Ich entscheide hier nichts. Aber Diplomatie ist hier überfällig. Und ich möchte nicht, dass noch mehr sterben und zum Krüppel werden. Besonders nicht mit deutschen Waffen.



        Es wird Zeit, der Diplomatie eine Chance zu geben.

    • @Ernie:

      Ich würde gerne mit Ihnen über dieses Thema verhandeln, in Form einer Diskussion und eines Austausches von Argumenten. Einzige Bedingung: Sie müssen meinen Argumenten zustimmen und mir versichern, dass Sie mir, auch in Zukunft, nicht widersprechen!

  • Wenn weder damit zu rechnen ist, dass die Ukrainische Armee jemals die Besetzten Gebiete zurückerobern wird oder das Herr Putin plötzlich seinen Angriff alls Irrtum bezeichnet und sich mit einem "sorry" einfach so aus den Gebieten zurückzieht, wird es früher oder später zu einem "Diktatfrieden" kommen.

    Ob uns oder der gesamten westlichen Welt das passt oder nicht.

    Der oft gehörte Ausspruch, dass der Diktator Putin nur die Sprache der Gewalt verstehen würde, ist hohles Geschwätz, solange das russische Militär offensichtlich stärker ist oder mehr Gewalt anwenden kann, als es der Ukrainischen Armee möglich ist.



    Solange man (hoffentlich) nicht bereit ist als Nato direkt Kriegspartei zu werden, wird sich an diesem Ungleichgewicht nichts ändern. Die Lieferung noch stärkerer Waffen erhöht die Opferzahlen und den materiellen Schaden auf beiden Seiten, kann aber nicht den Mangel an Soldaten auf der ukrainischen Seite ausgleichen.

    Die unbefriedigenden Realitäten anzuerkennen heißt in der Konsequenz, sich darauf einzustellen, dass es früher oder später zu einem "Diktatfrieden" kommen wird.



    Dieser Erkenntnis folgend ist zu sagen: je eher, desto besser ....

    • @Bürger L.:

      Was Sie der Ukraine (und dem Westen) quasi als Handlungsmaxime nahelegen möchten, ist nichts anderes als das Recht des (vermeintlich) Stärkeren - da hat die Ukraine dann halt einfach geographisch Pech gehabt.

      Dass Sie damit nicht nur sämtliche sicherheits- und friedens politischen Vereinbarungen Nachkriegseuropas und darüber das Völkerrecht insgesamt so mal eben ganz nebenbei in die Tonne treten, scheint Ihnen entweder nicht bewusst oder völlig schnuppe zu sein. Dass sich Putin möglicherweise mit der Unterwerfung der Ukraine nicht zufrieden geben und versuchen wird, das europäische Mächtegleichgewicht danach vollends zu seinen Gunsten zu verschieben, spielt bei Ihren Betrachtungen ohnehin kein Rolle.

      Den Versuchen von Peter Brandt & Co. die Ukraine einfach auszuliefern, ist entgegenzuhalten, was andere sozialdemokratische Historiker, darunter Heinrich August Winkler, erst vor kurzem der SPD ins Stammbuch geschrieben haben: Putin werde auch nur dann ernsthaft verhandeln wollen, „wenn ihm unzweideutig vermittelt wird, dass der Westen seine erheblich größeren Ressourcen so lange wie nötig einsetzen wird, um eine Niederlage der Ukraine zu verhindern“. (Zitat "Tagesspiegel").

    • @Bürger L.:

      Mit der gleichen Argumentation kann man jedem Widerstand die Legitimation absprechen, der einer Invasion durch eine größer Macht entgegengesetzt wird. Eine Weltordnung in der ausschließlich das Recht des Stärkeren gilt. Sämtliche Nachbarn Russlands und Chinas bedanken sich herzlichst.

  • Solange eine verteidigungsstarke Anzahl von Menschen unter Einsatz des eigenen Lebens die Ukraine, die Heimat, verteidigen will, ist es allein deren Sache, wann ihr Kampf endet oder enden soll.

    • @Gerhard Krause:

      So nämlich. Irgendwie scheinen viele "Friedenstauben" längst auf Putins Linie eingeschwenkt zu sein, wieviel eigenständige Entscheidung über ihr Schicksal den Ukrainern selbst zusteht.

    • @Gerhard Krause:

      Dem würde ich unter drei Umständen zustimmen:



      1. Die Menschen haben die Wahl. Die Ukraine aber hat keine Wahlen mehr (Kriegsrecht!), keine freie Presse mehr (Kriegsrecht!) und die Menschen dürften frei entscheiden oder ausreisen oder die Wehrpflicht verweigern. Dürfen sie aber nicht (Kriegsrecht!).



      2. Sie kämpfen mit Ihrem Geld und Gerät



      3. Sie bauen Ihr Land selbst wieder auf



      Wenn Sie 1 nicht haben, dann kann von "will verteidigen" keine Rede sein.



      Wenn sie 2 und 3 nicht haben, dann müssen sie sich fragen, was geht.

  • Einerseits irren die 18 Sozialdemokrat:innen, wie Informationen von Ex-Nato-General Bühler, Oberst Reisner, Denys Davydov, der DeepStateMap.live und anderen zeigen, können sich die Ukrainer militärisch sehr gut behaupten. Es ist zynisch, Gegenangriffe als gescheitert zu bezeichnen, wenn bei dem Vorstoß bei Robotyne August 2023 weniger als die Hälfte des zugesicherten Materials geliefert wurde. "Kämpft, aber kämpft nicht zu hart, damit Putin nicht verärgert ist", wird nicht funktionieren. Während Scholz das einsieht, scheinen Teile der SPD dies nicht verstehen zu wollen. Weiter ist es unmöglich von der Ukraine zu fordern, von Maximalforderungen abzusehen. Bei keiner Tarifverhandlung geht man mit Kompromissen in die nächste Verhandlungsrunde. Solange nicht alles vereinbart ist, ist nichts vereinbart. Doch von außen, als Angebot Deutschlands wären sehr wohl Vorschläge möglich. Putin hat uns zur Friedenskonferenz eine Steilvorlage gegeben. Sein "Friedensplan" ist unverändert die Forderung, mit der er in den Angriffskrieg begonnen hat. Den anzunehmen wäre Appeasement der schlimmsten Art. Stattdessen könnte sich Scholz den Vorschlag von Henry Kissinger zu eigen machen und einfordern.

    • @mdarge:

      Man köönte ja auch Herrn Putins Forderung, Truppen aus den strittigen Gebieten zurückzuziehen, begrüßen, wenn dies auch für russische Armeen geschieht - und so z.B. den "Vorschlag eines sofortigen Waffenstillstands" begrüßen... Und Abstimmungen in den Gebieten unter UN-Aufsicht o.ä. durchführen, wodurch vielleicht keiner sein Gesicht verlieren würde... Das klingt jetzt wahrscheinlich naiv, aber ich fürchte, diesen (wie wohl jeden) Krieg kann keine Seite gewinnen!

    • @mdarge:

      Oberst Reisner ist skeptischer, was die lange Frist angeht, als sie hier darstellen (Manpower, Energienetz). Denys Davydov ist Ukrainer und gehört wie Bühler oder DSM zu den pro-ukrainischen Kommentatoren.



      Dafür gibt es mit Weeb Union, Makronomist und History Legends oder dem Nato-Chef-Miliätär a.D. Kujat auch neutrale und mehr zweifelnde Quellen.



      Und bitte, 1938 ist nicht die einzige denkbare historische Parallele (Figuren wie Hitler sind historisch die extreme Ausnahme). Denken Sie eher mal an die Kuba-Krise, den NATO-Doppelbeschluss oder auch einfach, wie der Kalte Krieg beendet wurde.

  • Wie ich in der aktuellen konkret lesen konnte, sprachen sich in einer kürzlich erfolgten Umfrage 72% der befragten Ukrainer:innen für eine Verhandlungslösung zur Beendigung des Krieges aus. Mehr als 100.000 ukrainische Soldaten werden zudem wegen Desertation gesucht. Sie wollen nicht für die Eroberung von Gebieten (den Oblasten und der Krim) sterben, in denen auch anonyme Umfragen westlicher Organisationen ergeben, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung nicht zur Ukraine gehören will und den Anschluss an Russland befürwortet.



    Das alles könnte hier geschrieben stehen, anstatt schon in der Überschrift die Kritik an einem nicht zum Erfolg führenden Kriegskurs ihrerseits als Krieg ("Beschuss") zu bezeichnen und dieses Bild mit dem Titelfoto, dass einen auf Olaf Scholz gerichteten Panzer zeigt und dessen Unterschrift ("Friedens- und Ökobewegte aus der SPD machen mobil gegen Olaf Scholz' Ukraine-Politik") noch zu verfestigen.

    • @Hannes Schreiter:

      Anonyme Umfragen westlicher Organisationen in von Russland besetzen Gebieten? Wie haben die denn das gemacht?

      Die Erhebung auf die sich "Konkret" bezieht beruht auf einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS) und wurde im Februar erstellt. Korrekt plädierten 72% der Ukrainer dafür "das die Ukraine zusätzlich zu militärischen Anstrengungen auch nach einem diplomatischen Weg sucht, den Krieg mit Russland zu beenden, um die menschlichen Verluste zu minimieren“.

      Das ergibt schon einen anderen Kontext als den von Ihnen geschilderten.

  • Der Vorstoß der linken SPDler ist ehrenwert und bezieht sich wohl auch auf Putins jüngsten Vorschlag für einen Waffenstillstand.

    Allerdings wird sowohl von den Unterzeichnern des Aufrufs als auch von der Moskauer Führung übersehen, dass die NATO und die EU gerade angefangen hat, zu eskalieren und unbeirrt das Ziel verfolgt, die Ukraine in ihren Bereich zu ziehen und Atomraketen in der Ukraine zu stationieren.

    Die militärische und ökonomische Übermacht von NATO und EU ist überwältigend und Selenski ist in der Situation eines Schulbubs, dessen Vater viel stärker ist als der des anderen Schulbubs, so dass dieser aufgeben muss.

    Das hätte Putin auch schon vor seinem dummen Angriff auf Donezk und dann auch noch Kiew wissen müssen. Jetzt hat er Russland in eine ausweglose Lage gebracht, an der auch seine aktuellen Offensivbemühungen nichts ändern und das weiß der Ukrainische Staatschef auch sehr genau.

    Was aber schon aus dem Blickfeld gerät, ist das Erstarken der europäischen Rechten in der Ukraine als auch in Europa und Nord- sowie Südamerika. Der Zusammenhang mit diesem Krieg wie auch dem Nahostkrieg lässt sich aufzeigen, ebenso mit dem Ergebnis der EU-Wahl.

    • @Uns Uwe:

      Die Ukraine wird nicht in die EU und die NATO gezogen - sie will selbst (mit deutlicher Mehrheit der Bevölkerung) dorthin. Wer bitte will freiwillig zu Putin oder sonstwie in eine undemokratische Welt?

  • Man will Ruhe auf Kosten der Ukrainer. Man will billiges Gas und den eigenen pazifistischen Illusionen nachhängen. Putin will nur einen Diktatfrieden, weil alles andere eine Niederlage für ihn ist. Er kann gar keinen Frieden mehr schließen weil dann seine Wirtschaft kollabiert. Die Sanktionen beißen immer schärfer, die Militärlager leeren, sich die weltweite Produktion and Panzern und Schützenpanzern würde nicht reichen die russischen Verluste auszugleichen. Geht der Krieg jetzt nochmal 2 Jahre, hat Russland dann mehr als 1 Millionen Gefallener, die Wirtschaft ist komplett ausgebrannt und die russische Armee geht auf dem Zahnfleisch.



    Putin kann weder vor noch zurück. Der Westen sollte jetzt gezielt nachhelfen, Visa für russische Fachkräfte erleichtern um den wirtschaftlichen, demographischen und sozialen Kollaps voranzutreiben und der Ukraine immer mehr Waffen liefern. Idealerweise werden die russischen Streitkräfte in der Ukraine komplett zerstört. Das würde dann auch vielen unterdrückten Völkern ermöglichen sich vom russischen Joch zu befreien.

  • Dass im Aufruf ausdrücklich auch die russische Seite adressiert wird unterschlägt dieser TAZ Artikel, der leider lediglich die sattsam bekannte PR der NATO-affinen Think-Tanks unkritisch repliziert.



    Wörtlich heisst es:



    "Die russische Regierung muss ihren Angriffskrieg stoppen und ihre Soldaten zurückziehen."



    Quelle:



    mehr-diplomatie-wagen.de/

    • @Anne in Pink:

      Danke das Sie eine Quelle hinzugefügt haben, jedoch scheint sich der Artikel auf einen anderen Aufruf zu berufen.

      Dieses Zitat aus dem Artikel (



      „Statt nur amerikanische Entscheidungen nachzuvollziehen, sollte er eigene Friedensinitiativen ergreifen“), ist in Ihrer Quelle nicht enthalten.

      Könnte die Taz, bzw der Autor seine Quelle verlinken bei solchen Artikeln?

      Das würde es einfacher machen für Menschen sich weitergehend zu informieren, da natürlich nicht alles in einen Artikel gepackt werden kann.

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @Anne in Pink:

      Die taz unterschlägt überhaupt nichts. Sie zitieren aus einem anderen Aufruf, der zwar gleich betitelt ist, jedoch aus dem vergangenen Jahr stammt. Wenn Sie etwas sorgfältiger lesen würden, hätte Ihnen das auch selbst auffallen können, bevor Sie der taz irgendetwas unterstellen. In dem aktuellen Aufruf wird die russische Seite jedenfalls nicht adressiert.

      • @Pascal Beucker:

        Danke. Fakten und gute Argumente tun doch immer wieder gut.

      • @Pascal Beucker:

        Ich bin mir nicht sicher, ob dieser gereizte Ton wirklich nötig ist, aber von der guten Kinderstube einmal abgesehen: das ist ein Brief von SPD-Mitgliedern, in dem es um den Kurs der eigenen Partei geht und keine Blaupause für eine Friedenslösung. Es ist also verständlich, dass sich die Unterzeichner an ihren eigenen Parteivorsitzenden wenden – und der heißt nun einmal Olaf Scholz, nicht Wladimir Putin. Zu einer konstruktiven Auseinandersetzung gehört auch der Wille, das Anliegen anderer zumindest zu verstehen.

  • Forderungen in den öffentlichen Raum zu stellen ist leicht, für Lösungsansätze hat es dann im Aufruf nicht mehr gereicht. Der Aufruf reiht sich damit ein in das Wunschdenken von Mützenich, Wagenknecht & Co.

    Die Positionen von Putin und Selenskyj sind relativ klar umrissen und lassen derzeit wenig Spielräume für Friedensverhandlungen zu.

    Für mich ist die Intention der Beteiligten daher nicht verständlich, zum jetzigen Zeitpunkt und kurz vor dem Gipfel in der Schweiz, mit einem derartigen Aufruf an die Öffentlichkeit zu gehen.

    • @Sam Spade:

      Naja, irgendwer muss ja hier emotional Querfront machen, nachdem Putin der mal wieder jede SACHLICHE Diskussionsgrundlage kraftvoll unter den Füßen weggezogen hat...

      Anders gesagt: Appeasement ist eine primär angstgesteuerte Reaktion auf einen unberechenbaren und unnachgiebig auftretenden Gegner. Dass so ein Brieflein kommt, unmittelbar nachdem Putin mal wieder erklärt hat, dass er gerne jederzeit Kapitulationen entgegennimmt, und unmittelbar bevor sich ein Teil der übrigen Welt zusammensetzt um zu beraten, was sie STATTDESSEN tun sollte, ist daher eigentlich wenig überraschend.