Sorgen um Wissenschaftsfreiheit: Laute Kritik an Stark-Watzinger
Die Bildungsministerin prüft Streichung von Fördermitteln nach kritischem offenen Brief. Wissenschaftler:innen sind über das restriktive Vorgehen besorgt.
Man könne über die konkrete Meinungsäußerung inhaltlich streiten. „Eine Verknüpfung einer nicht strafbewehrten Meinungsäußerung mit der Frage einer weiteren Förderwürdigkeit der wissenschaftlichen Arbeit würde jedoch eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit darstellen.“
Prüfung rechtlicher Konsequenzen nach offenem Brief
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gebeten, eine Streichung der Fördermittel für jene Hochschullehrer:innen zu prüfen, die den Brief unterzeichnet hatten. Zudem sollten straf- und dienstrechtliche Konsequenzen geprüft werden. Das zeigen Emails, die der NDR am Dienstag veröffentlicht hatte.
Die betroffenen Wissenschaftler:innen hatten in ihrem offenen Brief im Mai Polizeieinsätze bei Uni-Besetzungen kritisiert und ein Absehen von strafrechtlichen Konsequenzen für die Besetzer:innen gefordert. Fast 400 Lehrende haben ihn unterzeichnet, es gibt über 1.000 weitere Unterstützer:innen.
Aus dem hausinternen Mailverlauf geht allerdings auch hervor, dass Stark-Watzinger mit ihrem Vorhaben scheiterte. Man sei von der Prüfbitte irritiert und könne keinen prüffähigen Sachverhalt feststellen, heißt es in der Antwort der Referatsleitung.
Wissenschaftler:innen fordern Rücktritt
Auch das Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft (NAgWiss) kritisierte die Ministerin scharf: Der Versuch der Bundesministerin, „kritischen und teilweise ohnehin prekarisierten Forscher:innen quasi als Strafe für missliebige Stellungnahmen zur Versammlungsfreiheit Forschungsgelder zu entziehen, ist eine Grenzüberschreitung“, heißt es in einer Pressemitteilung. Das Netzwerk forderte Stark-Watzingers Rücktritt.
Die Staatssekretärin des BMBF, Sabine Döring, veröffentlichte noch am Dienstagnachmittag ein Statement auf X. Darin heißt es, „die Verfassungsmäßigkeit einzelner Aussagen im Brief“ sei „auf rechtliche Aspekte hin überprüft“ worden. Die Hausleitung habe zeitnah nach dem Prüfauftrag klargestellt, dass „zuwendungsrechtliche Aspekte“ nicht Teil der juristischen Überprüfung sein sollten.
Der Entzug von Fördermitteln habe in der Hausleitung nicht zur Debatte gestanden. Auf mehrmalige Nachfrage am Mittwoch in der Regierungspressekonferenz zitierte eine Sprecherin des Ministeriums lediglich aus diesem Statement.
Den Sorgen der Wissenschaftler:innen müsse nun entgegengewirkt werden, forderte Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der SPD. „Man muss so schnell wie möglich klarstellen, dass die Förderentscheidungen des BMBF alleine von fachlichen Kriterien abhängig sind“, sagte er der taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trump und Krypto
Brandgefährliche Bitcoin-Versprechen